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Einstweilige Verfügung gegen Doppelvermietung

KG Berlin – Az.: 8 W 47/17 – Beschluss vom 07.09.2017

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 16. August 2017 gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 02. August 2017 – 32 O 354/17 – wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei einem Beschwerdewert von 3.400,00 € zu tragen.

Gründe

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Ziff. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, es dem Antragsgegner zu untersagen, mit einem Dritten einen Mietvertrag über die gleiche Mietfläche im Hause … für die Laufzeit seines Mietvertrages abzuschließen, zu Recht zurückgewiesen.

Der Antrag ist bereits deswegen nicht zulässig, weil die verlangte Maßnahme zur vollständigen Befriedigung der Antragstellerin hinsichtlich ihres geltend gemachten Untersagungsanspruchs führen würde. Im Verfahren der einstweiligen Verfügung können in der Regel aber nur solche Maßnahmen angeordnet werden, die den Anspruch des Gläubigers sichern, ohne die Entscheidung in der Hauptsache vorweg zu nehmen. Eine vorläufige Regelung, z.B. bis zur Entscheidung in der Hauptsache, wird jedoch nicht verlangt. Es liegt auch kein Ausnahmefall vor, in denen die Rechtsprechung Leistungsverfügungen mit dem Ziel der Befriedigung des Gläubigers zugelassen hat, wie etwa für den Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes nach Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht (OLG Köln OLGR 1995,310; KG OLGR 1999,157; OLG Celle MDR 2009,135).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach herrschender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ein Mieter im Fall der Doppelvermietung seinen Besitzüberlassungsanspruch als erster Mieter gegenüber dem Vermieter nicht durch einstweilige Verfügung sichern lassen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 25.01.2007 – 8 W 7/07, NZM 2007,518, Tz. 3f; OLG Brandenburg Beschluss vom 06.08.1997 – 3 U 72/97, MDR 1998,98, Tz. 10; OLG Koblenz Urteil vom 25.10.2007 – 5 U 1148/07, MDR 2008,18, Tz. 14; OLG Hamm Urteil vom 15.10.2003 – 30 U 131/03, NJW-RR 2004,521, Tz. 15f.; OLG Schleswig Urteil vom 12.07.2000 – 4 U 76/00, MDR 2000,1428, Tz. 10f.; vgl. Palandt/ Weidenkaff, BGB, 76. Auflage, § 536 BGB, Rdnr. 30; Bub/Treier/Emmerich, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage, II, Rdnr. 497; Schmidt-Futterer/Eisenschmid, Mietrecht, 12. Auflage, § 536 BGB, Rdnr. 287 jeweils m.w.N auch zu gegenteiligen Auffassung).

Im Falle der Doppelvermietung gilt nicht der Grundsatz der Priorität des Mietvertragsschlusses für die Frage, an wen der Vermieter die Mietsache zu übergeben hat. Der Vermieter darf selbst entscheiden, welchen Vertrag er erfüllt und an welchen Mieter er gegebenenfalls Schadensersatz leistet. Dies entspricht dem Wesen der Privatautonomie, die auf dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Selbstbestimmung über die eigenen Interessen einer Partei beruht. Der Vermieter, der einen Mietvertrag abschließt, begibt sich noch nicht seines Rechts, an einen Dritten erneut zu vermieten. Der Vermieter als Schuldner kann sich bis zur Zwangsvollstreckung entscheiden, an wen er leistet; dieses Wahlrecht ist als Ausfluss der Vertragsfreiheit schützenswert (Senatsbeschluss vom 25.01.2007 – 8 W 7/07, a.a.O., Tz. 5). Der Vermieter hat sich durch den ersten Vertragsschluss nicht in einer Weise gebunden, dass sein Recht und seine Möglichkeit, weitere, gleichermaßen wirksame Verträge abzuschließen und diese zu erfüllen, eingeschränkt ist. Schützenswert ist auch in dieser Situation nicht der Vermieter, sondern seine Privatautonomie (OLG Hamm Urteil vom 15.10.2003 – 30 U 131/03, a.a.O., Tz. 18).

Danach kann die Antragstellerin die begehrte Untersagung nicht verlangen, weil dies einen Eingriff in den allgemeinen Grundsatz der Vertragsfreiheit bedeuten würde.

Zwar hat der Antragsgegner im vorliegenden Falle eine Vermietung an den Dritten, hier die Fa. …, noch nicht vorgenommen. Dies rechtfertigt – entgegen der Ansicht der Beschwerde – keine andere Betrachtungsweise. Denn würde man dem Antragsgegner den Abschluss eines anderen Mietvertrages untersagen, würde in den Grundsatz der Vertragsfreiheit als Teil der im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerten Privatautonomie direkt eingegriffen werden. Es entspricht zudem der gewöhnlichen Risikolage, dass bei einem Mietvertrag, der – wie hier – nicht in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Abschluss des Vertrages auch durch Übergabe des Mietobjektes vollzogen wird, Änderungen in der Disposition des Vermieters eintreten können (vgl. OLG Brandenburg Beschluss vom 06.08.1997 – 3 U 72/97, a.a.O., Tz. 12). Vorliegend kommt hinzu, dass die Mietfläche derzeit aufgrund eines früheren – zum 31.12.2017 gekündigten – Mietvertrages von der Fa. … noch genutzt wird, an die nunmehr eine Anschlussvermietung erfolgen soll.

Der Antragsgegner ist – trotz des vereinbarten Konkurrenzschutzes zugunsten der Antragstellerin (§ 8 des Mietvertrages) – nicht gehindert, einen neuen Mietvertrag mit der Fa. … abzuschließen. Auch insoweit ist die Privatautonomie des Vermieters zu gewährleisten. Es macht insoweit keinen Unterschied, ob eine Pflichtverletzung durch Abschluss eines weiteren Mietvertrages vor Überlassung an den Erstmieter bereits erfolgt ist oder ob die Pflichtverletzung unmittelbar bevorsteht.

Ohne Erfolg macht die Antragstellerin mit der Beschwerde geltend, dass sie aufgrund des treuwidrigen Verhaltens des Vermieters, der in Kenntnis eines bestehenden Mietvertrags einen weiteren Mietvertrag schließe, weitgehend rechtlos gestellt werde. Denn dem Mieter, dem infolge der Dispositionsfreiheit über das Mietobjekt dieses nicht mehr überlassen werden kann, ist durch Schadensersatzansprüche hinreichend geschützt (vgl. Senatsbeschluss vom 25.01.2007 – 8 W /07, a.a.O., Tz. 6). Im Übrigen kann der Erstmieter vom Vermieter weiterhin die Einräumung des Besitzes verlangen, solange nicht ausschließen ist, dass es dem Vermieter noch möglich ist, das Leistungshindernis durch Vereinbarung mit dem Zweitmieter, der bereits im Besitz der Mietsache ist, zu beheben (vgl. BGH Urteil vom 12.03.2003 – XII ZR 18/00, NZM 2003,476, Tz. 41; Senatsurteil vom 23.02.2015 – 8 U 52/14, Grundeigentum 2015, 653, Tz. 51).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kam nicht in Betracht (§§ 574 Abs. 1 Satz 2,542 Abs. 2 ZPO; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage, § 574 ZPO, Rdnr. 4).

Die Einzelrichterin ist der Anregung der Antragstellerin, die Sache auf den Senat zu übertragen nicht gefolgt, weil die Voraussetzungen des § 568 ZPO nicht vorliegen. Die Entscheidung steht im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung und auch mit der des Senats.

 

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