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Eintritt in den Mietvertrag bei Tod des Mieters nach § 563 Abs. 2 BGB

AG Charlottenburg – Az.: 224 C 207/18 – Urteil vom 02.10.2018

1. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung … Berlin, 2. OG links, mit einer Größe von 73 m², bestehend aus 2 Zimmern, Küche und Bad, an die Kläger herauszugeben.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist zu 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Vater der Kläger, der am 19.12.2017 verstorbene …, war seit mindestens 30 Jahren Mieter der … Berlin, 2. OG links. Die Kläger lebten zunächst mit ihren Eltern in der Wohnung. Nach der Trennung der Eltern im Jahr 1998 zog die Mutter der Kläger mit ihnen aus der Wohnung aus.

Die Miete für die streitgegenständliche Wohnung beträgt zur Zeit 306,29 € nettokalt.

Seit 2003 wohnt der Beklagte, der Bruder des Vaters der Kläger, in der streitgegenständlichen Wohnung. Der Vater der Kläger war bis zu seinem Tod in der streitgegenständlichen Wohnung gemeldet und bewahrte persönliche Sachen dort auf. Er hielt sich allerdings häufig bei seiner Lebensgefährtin auf, mit der er ein gemeinsames Kind hatte. Seit etwa September 2017 hielt er sich nur noch bei seiner Lebensgefährtin auf.

Der Vater der Kläger wurde von den Klägern und ihrem Halbbruder, dem minderjährigen … … beerbt. Der Halbbruder der Kläger ist durch Vereinbarung zwischen den drei Erben zum 24.05.2018 gegen eine Abfindung aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden. Diesbezüglich wird auf den als Anlage K 1 zu dem Schriftsatz der Klägerseite vom 14.08.2018 in Kopie eingereichten Abschichtungsvertrag (Bl. 30 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin zu 1) informierte die Hausverwaltung über den Tod ihres Vaters und teilte mit, dass sie das Mietverhältnis des Erblassers übernehmen wolle. Der Beklagte teilte der Hausverwaltung Anfang Januar 2018 mit, dass er in den Mietvertrag eingetreten sei. Das Mietverhältnis wurde von Vermieterseite nicht gekündigt.

Der Beklagte gab die Wohnung trotz Aufforderung durch die Kläger nicht an diese heraus.

Mit der Klageschrift vom 30.05.2018 haben die Kläger ein etwaiges Untermietverhältnis mit dem Beklagten zum nächst möglichen Zeitpunkt gekündigt und dies mit Eigenbedarf der Klägerin zu 1) begründet.

Die Kläger behaupten: Ihr Vater habe im Wesentlichen bei seiner Lebensgefährtin gelebt und sich nur äußerst selten in der streitgegenständlichen Wohnung aufgehalten. Er habe dem Beklagten aus Gefälligkeit die Möglichkeit eingeräumt, dort zeitweise zu wohnen. In den letzten 20 Jahren habe er dort nicht mehr gewohnt, sondern sei nur ungefähr zweimal pro Woche dort gewesen, um nach der Post zu sehen und seine Wäsche zu waschen. Übernachtet habe er in den letzten Jahren dort nur einmal nach einem Streit mit seiner Lebensgefährtin. In den letzten 10 Jahren habe er seine Wäsche auch nicht mehr dort gewaschen.

Die Kläger sind der Ansicht, die Erbengemeinschaft nach ihrem Vater sei gemäß § 564 BGB in das Mietverhältnis eingetreten.

Die Kläger beantragen, den Beklagten zu verurteilen, die Wohnung …,… Berlin, 2. OG links mit einer Größe von 73 m², bestehend aus 2 Zimmern, Küche und Bad, an die Kläger herauszugeben

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, ihm eine Räumungsfrist zu gewähren.

Der Beklagte behauptet: Er habe seit 2003 gemeinsam mit seinem Bruder in der Wohnung gelebt. Sie hätten einen gemeinsamen Haushalt geführt. Der Beklagte habe seinen hälftigen Anteil an der Miete stets bar an seinen Bruder gezahlt. Lebensmittel und Putzmittel hätten je nach Bedarf er und sein Bruder gekauft. Sie hätten ihre Mahlzeiten gemeinsam eingenommen und sich die Arbeiten im Haushalt geteilt. Sowohl er als auch sein Bruder hätten häufig bei ihren Freundinnen übernachtet, insbesondere an den Wochenenden. Manchmal seien beide auch gemeinsam in der Wohnung gewesen und hätten zusammen Abendbrot gegessen. Er, der Beklagte, habe manchmal Wäsche gewaschen. Er habe auch meist die Einkäufe gemacht, das sei mit seinem Bruder abgesprochen gewesen. Er habe auch Essen für seinen Bruder eingekauft. Er habe etwa drei- bis viermal pro Woche für seinen Bruder mitgekocht.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Kläger seien nicht prozessführungsbefugt, da nicht alle drei Erben die Klage erhoben haben. Der Beklagte sei mit dem Tod seines Bruders gemäß § 563 Abs. 2 Satz 3 BGB in den Mietvertrag eingetreten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig. Insbesondere musste die Klage nicht auch von dem Halbruder der Kläger erhoben werden. Denn dieser ist durch Abschichtungsvereinbarung aus der Erbengemeinschaft ausgeschieden, so dass die Erbengemeinschaft nur noch aus den Klägern zu 1) und 2) besteht.

Die Klage ist auch begründet.

Die Erbengemeinschaft bestehend aus den Klägern hat einen Anspruch gegen den Beklagten gemäß § 823 BGG auf Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.

Die Kläger sind als Erben ihres Vaters, des Mieters der streitgegenständlichen Wohnung, gemäß § 857 BGB Besitzer der Wohnung geworden. Die Weigerung des Beklagten, die Wohnung an die Kläger herauszugeben, stellt eine Beeinträchtigung des geerbten Besitzes dar. Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch zu, der auf Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands durch Besitzaufgabe gerichtet ist (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 563 Rn. 64).

Durch den Verbleib in der Wohnung maßt sich der Beklagte ein Besitzrecht an, das ihm nicht zusteht.

Der Beklagte hat kein Recht zum Besitz an der streitgegenständlichen Wohnung. Denn er ist nicht aufgrund des Todes des Mieters auf Mieterseite in das Mietverhältnis eingetreten. Vielmehr ist die Erbengemeinschaft gemäß § 564 BGB auf Mieterseite in das Mietverhältnis eingetreten. Ein – vorrangiger – Eintritt des Beklagten in das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 2 Satz 3 BGB liegt nicht vor. Denn der Beklagte führte mit dem verstorbenen Mieter, seinem Bruder, in der letzten Zeit vor dessen Tod nicht einen gemeinsamen Haushalt in der streitgegenständlichen Wohnung.

Durch § 563 BGB wird der Bestand des Mietverhältnisses zugunsten derer geschützt, die mit dem Mieter als „Hausgenossen“ besonders verbunden waren. Dazu gehören Personen, die mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt führten, auch wenn es sich nicht um Ehe- oder Lebenspartner oder Kinder des Verstorbenen handelt. Ziel der Regelung ist es, den privilegierten Personen die den Lebensmittelpunkt bildende Wohnung zu erhalten (MünchKomm/Häublein, BGB, 7. Aufl., § 563 Rn. 1).

Das Eintrittsrecht ist an das Führen eines gemeinsamen Haushalts mit dem Verstorbenen gebunden. Die Wohnung muss der gemeinsame Lebensmittelpunkt gewesen sein (MünchKomm/Häublein, BGB, 7. Aufl., § 563 Rn. 16). Das bloße Zusammenleben innerhalb einer Wohnung impliziert noch keine gemeinsame Haushaltsführung. Das Gesetzt schützt nicht jeden, der, wie etwa ein Untermieter oder ein Mitbewohner in einer Wohngemeinschaft, in der Wohnung des Verstorbenen lebte (MünchKomm/Häublein, a.a.O.). Typisch für den gemeinsamen Haushalt sind wechselseitige Beiträge zum Nutzen (auch) des anderen. Die gemeinsame Haushaltsführung muss zum Zeitpunkt des Todes des Mieters bestehen.

Eine gemeinsame Haushaltsführung setzt voraus, dass der Mieter und die weitere Person über den Aufenthalt in der Wohnung hinaus im Haushalt zusammen wirken, zusammen entscheiden und zusammen die Kosten tragen in Bezug auf die typischen Pflichten, die in einem Haushalt anfallen wie Reinigung, tägliches Einkaufen, Nahrungszubereitung, Anschaffung von größeren Haushaltsgegenständen sowie Versorgung und Pflege in Krankheitsfällen. Weitere Indizien können die gemeinsame Versorgung von Kindern oder anderer Angehöriger, eine Verfügungsbefugnis über Einkommen und Vermögensgegenstände des jeweils anderen und eine gemeinsame Freizeitgestaltung sein (Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 13. Aufl., § 563 BGB Rn. 39).

Aufgrund der Vielgestaltigkeit der Lebensverhältnisse können jedoch diese Voraussetzungen nicht stets schematisch kumulativ verlangt werden; vielmehr muss sich ein Gesamtbild ergeben, nach dem jeder der Bewohner unter den genannten Gesichtspunkten zur Haushaltsführung beigetragen hat und so die Lasten des Haushalts arbeits- und anteilig auf die Bewohner verteilt waren (LG Heidelberg WuM 2014, 37). Entscheidend ist das miteinander Wohnen im Sinne eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes (Schmidt-Futterer/Streyl, a.a.O.).

Mitglieder einer Wohngemeinschaft fallen nicht in den Kreis der Eintrittsberechtigten, wenn es sich um eine nicht auf Dauer angelegte, reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft handelt. Ist die Wohngemeinschaft hingegen zum Zweck der gemeinsamen Lebensgestaltung und Haushaltsführung auf Lebenszeit angelegt, liegen die Voraussetzungen für einen Eintritt gemäß § 563 Abs. 2 BGB vor.

Die Gesamtschau der Ausgestaltung des Zusammenlebens zwischen dem Erblasser und dem Beklagten in der streitgegenständlichen Wohnung, wie es von Beklagtenseite dargetan ist, ergibt nicht, dass eine gemeinsame Haushaltsführung im Sinne eines Miteinanderlebens der Brüder vorlag. Die Aufteilung der Miete und das gelegentliche gemeinsame Einnehmen von Mahlzeiten genügt nicht. Das Vorbringen des Beklagten zu einer Aufteilung der Haushaltsaufgaben ist nicht ausreichend. Hierfür genügt nicht, dass der Beklagte nach seinem Vorbringen auch für seinen Bruder eingekauft, teilweise für beide gekocht und manchmal Wäsche gewaschen hat. Welche Pflichten im Haushalt der Verstorbene übernommen hatte, hat der Beklagte nicht vorgetragen. Aus dem Vorbringen der Beklagtenseite ergibt sich weder, dass beide gemeinsam über die Haushaltsaufgaben entschieden hätten, noch dass es gemeinsame Anschaffungen gegeben habe oder die Brüder mit gemeinsamer Haushaltskasse gewirtschaftet hätten. Der Beklagte hat keine weiteren Umstände vorgetragen, die die Annahme begründen würden, dass eine zum Zweck der gemeinsamen Lebensgestaltung und Haushaltsführung angelegte Wohngemeinschaft zwischen den Brüdern bestand.

Gegen die Annahme einer gemeinsamen Haushaltsführung, wie sie für die Anwendung des § 563 Abs. 2 BGB erforderlich ist, spricht, dass jeder der beiden eine Lebensgefährtin hatte und sich der Vater der Kläger auch nach dem Vorbringen des Beklagten häufig bei seiner Lebensgefährtin aufhielt, mit der er ein gemeinsames Kind hatte.

Aus dem Vorbringen der Beklagtenseite ergibt sich nicht, dass der Erblasser in der letzten Zeit vor seinem Tod seinen Lebensmittelpunkt in der streitgegenständlichen Wohnung hatte. Dass er dort gemeldet war und persönliche Sachen dort aufbewahrte, ist unerheblich. Der Beklagte hat nicht vorgetragen, dass der Erblasser regelmäßig eines der beiden Zimmer in der Wohnung allein oder gemeinsam mit dem Beklagten genutzt hätte. Darüber hinaus hat der Beklagte unstreitig in seinen letzten Lebensmonaten, als er krank war, nur noch bei seiner Lebensgefährtin gelebt, ohne dass ersichtlich wäre, dass die Absicht bestanden hätte, in die streitgegenständliche Wohnung zurückzukehren.

Der von Beklagtenseite benannte Zeuge war nicht zu hören. Dieser wurde für die Behauptung benannt, dass die beiden Brüder gemeinsam in der Wohnung gelebt und einen gemeinsamen Haushalt geführt hätten. Das Führen eines gemeinsamen Haushalts ist von dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten jedoch nicht substantiiert dargetan. Eine Vernehmung des Zeugen würde unter diesen Voraussetzungen auf eine Ausforschung hinauslaufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Die Voraussetzungen des § 708 Nr. 7 ZPO liegen nicht vor.

Dem Beklagten war nicht gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist zu gewähren. Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 721 ZPO liegen nicht vor. Denn es wird vorliegend nicht auf Räumung von Wohnraum erkannt.

 

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