LG Berlin, Az.: 65 S 411/15,Urteil vom 08.02.2017
In dem Rechtsstreit hat die Zivilkammer 65 des Landgerichts Berlin in Berlin – Mitte, Littenstraße 12-17, 10179 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 27.01.2017 für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 13.10.2015 – 18 C 146/15 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil mit nachfolgenden Ergänzungen Bezug genommen:
Der Kläger hat gegen das ihm am 19.10.2015 zugestellte Urteil am 18.11.2015 Berufung eingelegt und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet.
Mit der Berufung beanstandet der Kläger, das Amtsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Beklagte zu 1) in das Mietverhältnis eingetreten sei. Dem stehe insbesondere die im Jahr 1994 erfolgte Untervermietung der zwischenzeitlich verstorbenen Eltern der Beklagten zu 1), die ursprünglich Mieter des Reihenendhauses waren, entgegen.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Neukölln vom 13. Oktober 2015 – 18 C 146/15, werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, die Wohnung/das Reihenendhaus des Klägers, …… , … Berlin, bestehend auf 4 ½ Zimmern, 1 Küche, 3 Korridoren, 1 Bad/WC und einem Hausgarten, zu räumen und an den Kläger herauszugeben nebst sämtlichen zu den Mieträumen passenden Schlüsseln.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten insofern an ihrem erstinstanzlichen Vorbringen fest.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Schriftsätze und die diesen beigefügten Anlagen Bezug genommen.
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe des Reihenendhauses in der …… , … Berlin, weil das Mietverhältnis weder durch die Kündigung vom 18.03.2015 noch durch die in der Klageschrift vom 08.06.2015 und die nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils am 13.10.2015 ausgesprochene Kündigung beendet worden ist.
a) Die Kündigung des Klägers vom 18.03.2015 ist unwirksam. Der Kläger hatte kein Recht zur Kündigung gem. § 564 S. 2 BGB. Danach kann der Vermieter dann, wenn bei Tod des Mieters keine Personen im Sinne des § 563 BGB in das Mietverhältnis eintreten und das Mietverhältnis deswegen mit dem Erben fortgesetzt wird, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, nachdem er vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt hat, dass ein Eintritt in das Mietverhältnis nicht erfolgt ist. Diese Voraussetzungen lagen hier jedoch nicht vor, weil die Beklagte zu 1) nach dem Tod ihrer Mutter, die (zuletzt die einzig verbliebene) Mieterin des Hauses war, gem. § 563 Abs. 2 S. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten ist.
Danach treten Kinder des Mieters, die in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter leben, mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder Lebenspartner eintritt. Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass die Beklagte zu 1) in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrer Mutter, der verstorbenen Mieterin, gelebt hat. Der Bundesgerichtshof hat insoweit entschieden, dass ein Kind gem. § 563 Abs. 2 S. 1 BGB nicht wie ein übriger Angehöriger den Haushalt mit dem verstorbenen Mieter zusammen geführt haben muss, sondern lediglich in dessen Haushalt gelebt haben muss. Insofern seien keine überspannten Anforderungen zu stellen (BGH, Urteil vom 10.12.2014 – VIII ZR 25/14). Dies ergibt sich im Übrigen schon aus dem Gesetzeswortlaut, denn gem. § 563 Abs. 2 S. 2 BGB müssen andere Familienangehörige mit dem Mieter einen gemeinsamen Haushalt geführt haben, während es bei Kindern des Mieters genügt, dass sie mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben (so auch Streyl in Schmidt-Futterer, 12. Aufl. 2015, § 563 BGB Rn. 38).
Die Beklagte zu 1) hat gemeinsam mit ihrer verstorbenen Mutter bis zu ihrem Tod in einem gemeinsamen Haushalt gelebt. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die Beklagte zu 1) insofern beweisbelastet ist. Allerdings hat diese konkret dargelegt, seit 1994 gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Beklagten zu 2), und ihrer Mutter gemeinsam in dem Reihenhaus zu leben. So hat sie ein Schreiben der ehemaligen Vermietern vom 18.01.1994 vorgelegt, in dem der Mutter der Beklagten die Untervermietung an sie und ihren Ehemann, den Beklagten zu 2) ab Februar 1994 genehmigt wird. Ausdrücklich wird von einem Untermietzuschlag abgesehen, da die Beklagten fortan in einem gemeinsamen Haushalt mit den Mietern leben (Bl. 32 d.A.) Ferner trägt die Beklagte zu 1) vor, seit 1994 in dem Haus polizeilich gemeldet zu sein und seitdem dort ihren Lebensmittelpunkt zu haben. Ferner habe sie dort ihre Mutter bis zu ihrem Tode gepflegt. Vor dem Hintergrund dieses konkreten Vortrages der Beklagten, durfte der Kläger sich nicht auf einfaches Bestreiten beschränken. Aus welchen Gründen der Kläger davon ausgeht, dass die Beklagte zu 1) nicht mit ihrer Mutter in einem Haus gelebt haben soll, trägt er nicht vor. Wie das Amtsgericht zutreffend feststellt, schließt das Untermietverhältnis des verstorbenen Mieters mit dem Eintrittsberechtigten einen gemeinsamen Haushalt nicht aus (vgl. Streyl in Schmidt-Futterer, 12. Aufl. 2015, § 563 BGB Rn. 39). Insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei Kindern des Mieters das Führen eines gemeinsamen Haushalts gerade nicht Eintrittsvoraussetzung ist, sondern diese nur in einem Haushalt mit dem Mieter gelebt haben müssen, ist hier nicht zu erkennen, weshalb allein das bestehende Untermietverhältnis einem Zusammenleben in einem Haushalt entgegenstehen sollte.
b) Auch die in der Klageschrift ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Ein Kündigungsgrund nach § 573 BGB oder § 543 BGB ist insofern nicht ersichtlich. Der Kläger begründet die Kündigung damit, die Beklagte zu 1) habe auch nach Zugang der Kündigung „nichts von dem Wohnen des Beklagten zu 2)“ in dem Reihenendhaus mitgeteilt. Wie aus der Untermietgenehmigung hervorgeht, wurde der Rechtsvorgängerin des Klägers mitgeteilt, dass auch der Beklagte zu 2) im gemeinsamen Haushalt mit den Mietern lebt. Dieses Wissen muss sich der Kläger als Rechtsnachfolger zurechnen lassen. Der Umstand, dass der Beklagte zu 2) auch nach Zugang der (nach obigen Ausführungen unwirksamen) Kündigung vom 18.03.2015 in dem Haus wohnte, führt zu keiner anderen Beurteilung.
c) Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Verkündung des erstinstanzlichen Urteils im Schriftsatz vom 13.10.2016 ausgesprochene Kündigung kann in der Berufungsinstanz nicht berücksichtigt werden. Denn hierbei handelt es sich um einen neuen Streitgegenstand, sodass die auf diese Weise herbeigeführte nachträgliche Klagehäufung (§ 260 ZPO) wie eine Klageänderung im Sinne der §§ 263, 533 ZPO zu behandeln ist (BGH, Urteil vom 04.02.2015 – VIII ZR 175/14; BGH, Beschluss vom 27.10.2015 – VIII ZR 288/14).
Gem. § 533 Nr. 2 b) ZPO setzt eine Klageänderung in der Berufungsinstanz voraus, dass diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Neue Tatsachen hat das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zu berücksichtigen, soweit dies zulässig ist. Ein Zulassungsgrund nach § 531 Abs. 2 ZPO ist hier nicht ersichtlich, insbesondere wäre es dem Kläger möglich gewesen, die Kündigung gem. § 563 Abs. 4 BGB wegen eines in der Person des Eingetretenen liegenden wichtigen Grundes auch im ersten Rechtszug auszusprechen. Die Behauptung des Klägers, die Beklagten hätten die Bausubstanz des Hauses beschädigt, worin der Kläger den in der Person des Eingetretenen liegenden wichtigen Grund sieht, ist auch nicht unstreitig.
2. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
3. Die Revision ist gem. § 543 Abs. 1, 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf der Grundlage des Gesetzes, seiner Materialien und höchstrichterlich bereits entwickelter Maßstäbe.