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Entfernung einer Parabolantenne vom Balkon – Anspruch des Vermieters

LG Hamburg, Az.: 316 S 44/14, Urteil vom 16.09.2014

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Hamburg vom 13. 3. 2014 (Az. 40a C 483/13) verurteilt, die auf dem zu der Wohnung K. 3 II. OG rechts in … H. gehörenden Balkon installierte Parabolantenne fachgerecht zu entfernen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A)

Entfernung einer Parabolantenne vom Balkon - Anspruch des Vermieters
Symbolfoto: Von unge255_photostock /Shutterstock.com

Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) wendet sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Hamburg, mit dem ihre Klage abgewiesen wurde. Mit dieser Klage hatte sie als Vermieterin vom Beklagten als Mieter die Entfernung einer Parabolantenne vom zu der Wohnung gehörenden Balkon begehrt. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs.1 S. 1 Nr.1 ZPO). Die Parteien streiten insbesondere über die Frage, ob es möglich ist kritische, Berichterstattung über die Heimat des Beklagten (Iran) in seiner Heimatsprache Farsi statt über Satellit über das Internet zu empfangen – insbesondere die Sender BBC persia und VOA persia.

Mit Urteil vom 13. 3. 2009 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Abwägung zwischen dem Grundrecht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, und dem Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, ergebe, dass ersteres überwiege, so dass kein Beseitigungsanspruch aus § 541 BGB bzw. aus § 1004 BGB bestehe. In der Sache hat das Amtsgerichts dieses Abwägungsergebnis (unter Zitierung des eingeholten Sachverständigengutachtens) damit begründet, dass der Empfang des Senders BBC persia über Internet in der Bildqualität in jedem Fall sehr schlecht sei, sich bei bewegten Szenen kaum etwas erkennen lasse und beim Programmstart zunächst Reklamespots eingeblendet würden. Teilweise sei die Vollbilddarstellung problematisch. Die Bildqualität sei insgesamt schlechter als bei Antennenempfang. Beim Sender VOA persia sei die Darstellung als Vollbild mit einem Flashplayer von ADOBE fehlerhaft gewesen; es sei hier nur ein verschobener und abgeschnittener Bildausschnitt angezeigt worden.

In erster Instanz hatte die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen, die auf dem zu der Wohnung K. 3 II. OG rechts in … H. gehörenden Balkon installierte Parabolantenne fachgerecht zu entfernen.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des am 13. 03. 2014 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Hamburg zum Az.: 40a C 483/13 nach den im ersten Rechtszuge zuletzt gestellten Anträgen der Berufungsklägerin zu erkennen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beide Parteien haben in der Berufungsinstanz weitere Rechtsausführungen gemacht, insoweit wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26. 8. 2014 Bezug genommen. Weiter wird ergänzend auf die erstinstanzlichen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

I.

Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf fachgerechte Entfernung der auf dem zu der Wohnung K. 3 II. OG rechts in … H. gehörenden Balkon installierten Parabolantenne aus § 1004 BGB zu.

Das amtsgerichtliche Urteil geht vom Ansatz her zutreffend davon aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG NJW 1994, 1147) im Rahmen der Entscheidung, ob ein Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch besteht, eine Abwägung zwischen dem Recht des Mieters aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 GG, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, und dem Grundrecht des Vermieters als Eigentümer aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG zu erfolgen hat und dass vor diesem Hintergrund das vertragliche formularmäßige Verbot gem. § 15c des Mietvertrages eine unangemessene Benachteiligung darstellt und gem. § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist. Insoweit weist das Amtsgericht weiter zu Recht darauf hin, dass man einen ausländischen Mieter (obgleich grundsätzlich dem geschützten Informationsbedürfnis durch Breitbandkabel- oder Internetanschluss genüge getan werden kann), nicht auf einen Kabel- oder Internetanschluss verweisen kann, wenn dieser ihm gar keinen oder keinen ausreichenden Zugang zu seinen Heimatprogrammen verschafft (BGH NJW-RR 2005, 596) und dass zudem erforderlich ist, dass der Mieter ohne nennenswerte Schwierigkeiten und in einwandfreier Qualität die von ihm gewünschten Heimatsender empfangen kann.

So liegt es aber entgegen der Feststellungen in dem amtsgerichtlichen Urteil ausweislich des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens hier. Nach dem Gutachten ist der Empfang der Sender, auf die der Beklagte besonderen Wert legt, gerade ohne nennenswerte Schwierigkeiten und in einwandfreier Qualität möglich. Die Feststellungen in dem amtsgerichtlichen Urteil decken sich gerade nicht mit dem Gutachten.

Der Beklagte ist iranischer Herkunft und möchte Sender und Fernsehprogramme in seiner Heimatsprache Farsi empfangen können, wobei für ihn wegen ihrer kritischen Berichterstattung über die politischen Vorkommnisse im Iran dabei die Sender BBC Farsi und VOA Persia von besonderem Interesse sind, die über das Breitbandkabel nicht zu empfangen sind.

Hinsichtlich dieser beiden Sender ist indes nach den Feststellungen des erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachtens über Internet der Empfang sehr wohl auch in guter Bildqualität möglich. Hinsichtlich des Senders BBC Percia hat der Gutachter in seinem Gutachten vom 8. 11. 2013 (dort Seite 5/6) ausgeführt, dass bei dem Empfang über die Webseite http://www.livestation.com/en/bbc-persian zunächst eine deutschsprachige Reklame von ca. 25 Sekunden Dauer eingeblendet wird, bevor die eigentliche Fernsehsendung zu empfangen ist. Der Sender kann dann aber in guter Qualität auf dem Bildschirm angesehen werden. Zur Darstellung als Vollbild wird der so genannte Flashplayer der Firma ADOBE verwendet, der unter Windows gratis zur Verfügung steht. Zum Vergleich zwischen dem Empfang über Antenne und über die Webseite http://www.livestation.com/en/bbc-persian hat der Sachverständige die Abbildungen 3 und Abbildung 4. (Seite 8 des Gutachtens) beigefügt, aus denen sich ergibt, dass der Internetempfang sogar besser ist als der über Antenne, da er anders als der Antennenempfang nicht verzerrt ist und keine anderweitigen Nachteile in der Darstellung ersichtlich sind.

Erst danach kommen Ausführungen des Gutachters zum Empfang über die Website http://delicast.com/tv/BBC Persian, wo attestiert wird, dass ein weiteres Programm (Media Player) zum Betrachten des Films gestartet werden muss und die Bildqualität hier in jedem Fall sehr schlecht sei. Diese Feststellungen beziehen sich indes allein auf dem Empfang über die Website delicast.com und gerade nicht auf den zuvor abgehandelten Empfang über die Website livestation.com, wo ja gerade attestiert wird, dass der Sender damit in guter Qualität auf dem Bildschirm angesehen werden kann (s. o.).

Die problematische Vollbilddarstellung bezieht sich im Gutachten (dort S. 6) sodann allein auf den Empfang über http://bbc.co.uk/persian/tvandradio/2013/08/000001 bbcpersian llivetv.shtml und wiederum nicht auf den Empfang über livestation.com.

Die Feststellungen in dem Urteil, wonach der Empfang des Senders BBC Persia über Internet in der Bildqualität in jedem Fall sehr schlecht sei und sich bei bewegten Szenen kaum etwas erkennen lasse, trifft daher nur den Empfang über eine konkrete Website zu. Die Feststellung, dass die Vollbilddarstellung problematisch sei, trifft nur auf eine andere konkrete Website zu. Hinsichtlich einer dritten Website (www.livestation.com) hat der Gutachter hingegen als Einschränkung lediglich festgestellt, dass beim Programmstart zunächst ca. 25 Sekunden Reklamespots eingeblendet werden, indes keine Einschränkungen in der Wiedergabequalität.

Hinsichtlich des Senders VOA Persia unterscheidet das Sachverständigengutachten beim Internetempfang ebenfalls zwischen dem Empfang über livestation.com und delicast.com. Bei livestation.com wird danach wiederum zunächst eine deutschsprachige Reklame von ca. 25 Sekunden Dauer eingeblendet wird, bevor die eigentliche Fernsehsendung zu empfangen ist (Gutachten vom 8. 11. 2013, dort Seite 6). Auch hier heißt es dann aber, dass der Sender dann in guter Qualität auf dem Bildschirm angesehen werden kann. Allerdings ist hier die Darstellung als Vollbild mit dem Flashplayer von ADOBE fehlerhaft, hier wird nur ein verschobener und abgeschnittener Bildausschnitt angezeigt (Abbildungen 9 und 10, Bl. 11 des Gutachtens).

Allerdings heißt es im Gutachten weiter, dass bei dem Empfang über die Webseite http://delicast.com/tv/Iran/VOA Persian TV ein externer Media-Player gestartet werden muss, der Sender dann aber in guter Qualität auf dem Bildschirm angesehen werden kann und der Empfang hier deutlich besser als bei BBC Persia ist (Abbildungen 11 und 12, Seite 12 des Gutachtens; der Internetempfang ist ausweislich der Abbildungen hier besser als der Antennenempfang).

Damit können nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz die Sender VOA Persia (über delicast.com) und BBC Persia (über livestation.com) über das Internet jeweils zumindest in gleicher Qualität wie über Parabolantenne empfangen werden – allein wird bei dem Empfang von BBC Persia (über livestation.com) dabei zunächst eine deutschsprachige Reklame von ca. 25 Sekunden Dauer eingeblendet, bevor die eigentliche Fernsehsendung zu empfangen ist.

Dieser Umstand der 25sekündigen Werbung vor Empfangsmöglichkeit der eigentlichen Sendung stellt die einzige in die Abwägung einzustellende Einschränkung im Vergleich zum Empfang über eine Parabolantenne dar. Hingegen kann im Rahmen der Abwägung nach dem Sachverständigengutachten gerade nicht – wie es das Amtsgericht getan hat – in die Abwägung eingestellt werden, dass die Sender lediglich in sehr schlechter Qualität empfangen werden können, da dies nicht der Feststellung im Gutachten entspricht. Die Einschränkung hinsichtlich der 25sekündigen Werbung führt zur Überzeugung der Kammer aber nicht dazu, dass das Informationsbedürfnis des Beklagten nicht hinreichend über Internetempfang befriedigt werden könnte und im Rahmen der vorzunehmenden Grundrechtsabwägung das Grundrecht auf Informationsfreiheit überwiegen würde.

Es handelt sich dabei um einen lediglich geringen Nachteil bei der Informationserlangung, der für die Grundrechtsausübung kein wesentliches Erschwernis darstellt, so dass er in die Abwägung lediglich mit sehr geringem Gewicht einzufließen hat. Zum einen sind Werbeunterbrechungen und Werbeeinblendungen in der heutigen Zeit etwas Normales und gesellschaftlich weitgehend Akzeptiertes. Zum anderen ist die Werbeeinblendung mit ca. 25 Sekunden recht kurz. Zudem liegt sie auch direkt am Anfang, vor Beginn der eigentlichen Sendung, so dass sie leicht umgangen werden kann. So kann man etwa den Empfang schlicht eine halbe Minute vor Beginn der Sendung, die man zu sehen wünscht, starten und ggf. zunächst noch etwas anderes machen, so dass selbst diese kurze Werbephase (da kalkulierbar am Anfang des Empfangs gelegen) leicht umgangen werden kann. Diese Einschränkung ist mithin für das Informationsinteresse marginal und vermag das Abwägungsergebnis des Amtsgerichts (das einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt hatte) nicht zu tragen.

Hingegen überwiegt hier im Rahmen der Abwägung das Interesse der Klägerin als Eigentümerin des Hauses an der Entfernung der Parabolantenne aus Art. 14 GG. Dieses Grundrecht der Klägerin ist (obgleich die Parabolantenne nicht substanzverletzend an dem Balkon befestigt ist) auch nicht nur gänzlich am Rande tangiert, da die Parabolantenne gem. Anlage K 2 (Foto) ganz erheblich über die Balkonbrüstung in den Raum vor dem Haus ragt und damit deutlich sichtbar ist, so dass der optische Eindruck spürbar beeinträchtigt ist (vgl. ebenso die von Beklagtenseite eingereichten Lichtbilder gem. Anlage B 1), auch wenn sie nicht mit dem Balkon fest verschraubt ist, sondern über einen Eimer fixiert wird (vgl. Anlage B 1). Bei der Abwägung ist zudem zu beachten, ob die Parabolantenne an einer das Stadtbild prägenden Gebäudefassade oder an der der Straße abgewandten Seite installiert ist (vgl. dazu Schmidt-Futterer-Eisenschmid MietR Kommentar, 11. Aufl. § 535 Rn 480). Hier befindet sich die Parabolantenne auf der Straßenseite, ist also auf der das Stadtbild prägenden Gebäudefassadenseite installiert (vgl. etwa Anlage B 1). Auch ist die Parabolantenne eher groß, so dass sie nicht als gänzlich unauffällig zurücktritt. Daher steht im Rahmen der Abwägung einer nicht ganz unerheblichen Beeinträchtigung des Eigentums auf Vermieterseite keine nennenswerte Einbuße an Informationsmöglichkeit auf Mieterseite entgegen, wenn der Beklagte als Mieter auf den Empfang über das Internet verwiesen wird, so dass die Abwägung hier zugunsten der Klägerin ausfällt.

Hinzu kommt (worauf es allerdings nicht streitentscheidend ankommt) dass, wie die Klägerin bereits erstinstanzlich mit den Aufstellungen gem. Anlagen K 4 und K 5 vorgetragen hatte, über das Internet sogar bis zu 38 iranische Sender empfangen werden können, was weiter für eine umfassende Informationsmöglichkeit des Beklagten über den Fernsehempfang via Internet auch über die Sender VOA Persia und BBC Persia hinaus spricht.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91Abs.1, 708 Nr. 10,713 ZPO.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.

 

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