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Erheblicher Brandschaden kann Mietverhältnis beenden

LG Berlin – Az.: 63 S 189/18 – Urteil vom 25.02.2020

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Köpenick vom 11.06.2018, Az. …, wird zurückgewiesen.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Köpenick vom 11.06.2018, Az. …, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Kläger als Gesamtschuldner 47 % und die Klägerin zu 2. darüber hinaus 53 % zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Kläger als Mieter nehmen die Beklagte u.a. auf Mängelbeseitigung, Feststellung des Fortbestands eines Mietverhältnisses über die Wohnung …. 17, 3. OG rechts sowie – die Klägerin zu 2. – auf Schadensersatz in Anspruch. Die Kläger mieteten eine Vierzimmerwohnung mit 93,47 qm. Der Kläger zu 1. wohnte im Oktober 2016 vorübergehend nicht mehr in der Wohnung. Die Wohnung liegt in einem Haus mit vier Obergeschossen und einem unbewohnten Dachgeschoss. Die Miete betrug 552,59 EUR nettokalt zzgl. Nebenkosten in Höhe von 200,96 EUR.

Am 17. Oktober 2016 kam es aus ungeklärten Gründen zu einem Brand im Dachstuhl. Aufgrund von Löschwasser war die Wohnung der Kläger nicht bewohnbar. Sämtliche nichttragenden Wände und Decken im Haus mit Ausnahmen der Außenwände und der Stein-Stahl-Decken wurden nach dem Brand entfernt. Die Zwischendecke unterhalb der Wohnung des Klägers bestand zu 50% aus einer Holzdecke, die entfernt wurde. Zwischenzeitlich wurde das Haus saniert und im 3. Obergeschoss wurden zwei Zweizimmerwohnungen mit einem anderen Grundriss errichtet. Diese sind an Dritte vermietet.

Mit Schreiben vom 24.5.2017 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern, dass die Mietsache untergegangen sei, und erklärte hilfsweise die fristlose/fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses.

Beide Kläger machten folgende Ansprüche geltend:

1. Mängelbeseitigung/Wiederherstellung Wohnung

2. Feststellung Fortbestand des Mietverhältnisses

Die Klägerin zu 2. begehrte ferner:

3. Schadensersatz 22.10.2016-11.2.2017 Ersatzwohnung 2.078,85 EUR

4. Schadensersatz 1.2.2017-31.10.2017 Ersatzwohnung 2.240,73 EUR

5. Schadensersatz Ersatzwohnung ab 1.11.2018 je 248,97 EUR/mtl.

Die Kläger waren der Auffassung, dass durch den Brand keine Unmöglichkeit eingetreten sei und die Wohnung hätte getrocknet und instandgesetzt werden können. Die Klägerin zu 2. habe nach dem Brand mit ihrer Tochter zunächst bei ihren Eltern gewohnt. Vom 22.10.2016 bis 11.2.2017 habe sie ein 75 m² großes möbliertes Apartment in der … Straße 62 zum Preis von 1.500,00 EUR bruttowarm gemietet. Die Mietdifferenz für 22.10.2016-11.2.2017 habe für die 20 % kleinere Wohnung abzüglich des Möblierungszuschlags (250,00 EUR) sowie Kosten für Strom und Internet (75 EUR) 2.078,85 EUR betragen. Ab dem 1.2.2017 habe sie eine 71,75 m² große Wohnung in der … 21 zum Preis von 630,68 EUR nettokalt zuzüglich Betriebskosten 132,52 EUR und Abschlägen für die Gasheizung von 66 EUR gemietet. Für die Zeit von 1.2.2017-31.10.2017 betrage die Mietdifferenz 2240,73 EUR und seit November 2018 248,97 EUR monatlich. Der Klägerin zu 2. stehe ein Anspruch auf Schadensersatz bzw. Aufwendungsersatz gemäß § 555a Abs. 3 BGB zu.

Die Kläger haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, im Wege der Mangelbeseitigung die Bewohnbarkeit der Wohnung … 17 in … Berlin im 3. OG rechts wiederherzustellen, die Wohnung in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen und die Spuren und Schäden des Brandes vom 17.10.2016 zu beseitigen,

2. festzustellen, dass das Mietverhältnis über die im Antrag zu Ziffer 1. genannte Wohnung zu den bisherigen Konditionen fortbesteht,

3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 2. für den Zeitraum vom 22.10.2016 bis zum 11.2.2017 Schadensersatz in Höhe von 2.078,85 EUR zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 2. für den Zeitraum vom 1.2.2017 bis zum 31.10.2017 Schadensersatz in Höhe von 2.240,73 EUR zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 2. für den Zeitraum ab dem 1.11.2017 bis zur Beseitigung der in Ziffer 1 genannten Mängel und der Wiedereinräumung des Besitzes an der zu Ziffer 1 genannten Wohnung für jeden Monat gegebenenfalls anteilig 248,97 EUR zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, es sei Unmöglichkeit hinsichtlich der Überlassung des Besitzes an der Wohnung eingetreten, da diese vollständig zerstört worden sei. Der komplette Innenbereich des Gebäudes habe wegen Schäden durch Löschwasser und Schimmelbefall neu errichtet werden müssen. Alle Innenwände und Zwischendecken mit Ausnahme der tragenden Wände und der Stahl-Stein-Decken hätten entfernt werden müssen. Aufgrund statischer Erfordernisse sei eine neue Raumaufteilung der Wohnungen erforderlich geworden und die Wohnung der Kläger habe nicht in der bisherigen Form wiederhergestellt werden können.

Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich des Antrags zu 2. und hinsichtlich des Antrags zu 5. in Höhe von 75,65 EUR monatlich stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Mietverhältnis bestehe fort, da keine Unmöglichkeit und kein Leistungsausschluss gemäß § 275 Abs. 1 BGB vorlägen. Die Zumutbarkeitsgrenze gemäß § 275 Abs. 2 BGB sei nicht überschritten, weil das teilweise zerstörte Gebäude wieder aufgebaut worden ist. Unerheblich sei der andere Zuschnitt der nunmehr entstandenen zwei Zweizimmerwohnungen, da diese entweder verbunden werden könnten oder beide dem Mietverhältnis unterlägen. Die Kündigungen seien unwirksam, da kein Kündigungsgrund vorläge und die beiden wiederhergestellten Wohnungen den Klägern überlassen werden konnten. Ein Anspruch auf Wiederherstellung der Wohnung im Wege der Mängelbeseitigung (Antrag zu 1) bestehe nicht, da dieser durch die Beseitigung der Spuren des Brandes bereits erfüllt sei. Was die Kläger darüber hinaus mit dem Antrag verlangen, sei nicht bestimmt oder vollstreckungsfähig. Die Anträge auf Schadensersatz wegen der Mietdifferenz zu 2 und 3 seien mangels Verschuldens unbegründet, weil der Brand nicht von der Beklagten zu vertreten sei. § 555a Abs. 3 BGB betreffe nur Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahmen, die hier nicht einschlägig seien. Ein Anspruch bestehe erst ab Mai 2018, da der Wohnraum zu diesem Zeitpunkt wiederhergestellt worden war und die Beklagte die Überlassung an die Kläger durch Vermietung an Dritte vereitelt habe. Die Mietdifferenz betrage 75,65 EUR bis zur Wiedereinräumung des Besitzes. Eine Berücksichtigung der Flächendifferenz sei entgegen der Auffassung der Klägerin zu 2 nicht begründet.

Gegen das jeweils am 13.6.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 15.6.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 18.7.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Kläger haben gegen das Urteil mit einem am 13.7.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 20.8.2018 mit einem am 20.8.2018 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung die Abweisung der Klage weiter. Die Wohnung sei ohne Verschulden der Beklagten untergegangen und könne nicht durch die neu geschaffenen Wohnungen ersetzt werden. Das Amtsgericht habe mehr zugesprochen als beantragt, nämlich ein Wohnrecht in zwei verbundenen Wohnungen. Sämtliche nichttragenden Wände, Decken/Böden und das Treppenhaus hätten entfernt werden müssen, weil sie durch das Löschwasser zerstört worden seien bzw. ein Rückbau wegen Schimmelpilzbefall und Kontamination mit organischen und chemischen Schadstoffen erforderlich gewesen sei. Bei der vorliegenden Leistungsfreiheit nach § 275 Abs. 1 BGB sei ein Rückgriff auf § 275 Abs. 2 BGB nicht möglich.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Amtsgerichts Köpenick – … – vom 11. Juni 2018 abzuweisen.

Die Kläger beantragen, das Urteil des Amtsgerichts Köpenick vom 11. Juni 2018 – … – insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen wurde und die Beklagte unter Abänderung des Urteils zu verurteilen,

1. die Wohnung … 17 in … Berlin im 3. OG rechts, bestehend aus zwei Zimmern, Kammer, Küche, Korridor und Palette mit einer Größe von 71,75 m², in ihrem ursprünglichen Grundriss wiederherzustellen und den Klägern den Besitz an dieser Wohnung wieder einzuräumen,

2. der Klägerin zu 2. für den Zeitraum vom 22.10.2016 bis zum 11.2.2017 Schadensersatz in Höhe von 2.078,85 EUR zu zahlen,

3. der Klägerin zu 2. für den Zeitraum vom 1.2.2017 bis zum 31.10.2017 Schadensersatz in Höhe von 2.240,73 EUR zu zahlen,

4. der Klägerin zu 2. für den Zeitraum ab dem 1.11.2017 bis zur Wiedereinräumung des Besitzes an der laut Ziffer 1 wiederhergestellten Wohnung … 17 in … Berlin im 3. OG rechts, bestehend aus zwei Zimmern, Kammer, Küche, Korridor und Palette mit einer Größe von 71,75 m² monatlich Schadensersatz in Höhe von 248,97 EUR (gegebenenfalls anteilig) zu zahlen sowie ferner die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung beider Kläger und die Berufung der Klägerin zu 2. zurückzuweisen.

Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung ihre abgewiesenen Anträge weiter, dabei unter Erweiterung des Antrags zu 1. um die Wiedereinräumung des Besitzes an einer Zweizimmerwohnung mit 71,75 qm. Sie sind der Auffassung, dass die Wohnung nicht untergegangen sei. Entscheidend sei, dass die Wohnung aus einer Etage und einer in dieser Etage zugewiesenen Lage bestehe, die durch die Außenmauern und gegebenenfalls tragenden Zwischenwände begrenzt sei. Der tragende Kern des Gebäudes sei unverändert erhalten geblieben. Jede Wohnung sei identifizierbar gewesen und deren Bestandteile seien austauschbar. Die Kläger sind der Auffassung, dass es auf die Zumutbarkeit des Herstellungsaufwandes für den Vermieter ankomme, wobei Versicherungsleistungen zu berücksichtigen seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll des Termins zur mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben aufgrund Beweisbeschlusses vom 10.09.2019, Bl. 125/II d.A., durch Vernehmung der Zeugen …, … und …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 14.01.2020, Bl. 157ff./II d.A., Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet und die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Die Klage ist unbegründet.

Die Feststellungsklage betreffend den Fortbestand des Mietverhältnisses (Klageantrag zu 2) ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig, weil das Mietverhältnis bereits vor der Kündigung durch den Brand aufgrund Unmöglichkeit der Besitzverschaffung geendet hat.

Das Mietverhältnis mit einem Herausgabeanspruch hinsichtlich der Wohnung gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht nicht, weil die Leistung wegen Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen ist. Die §§ 536ff. BGB enthalten nur insoweit eine Sonderregelung der Leistungsstörungsproblematik, als es um die Folgen von Sach- und Rechtsmängeln geht. Bei einer (vollständigen oder partiellen [„teilweisen“]) Zerstörung der Mietsache liegt indessen kein bloßer Mangel, sondern (Voll- oder Teil-)Unmöglichkeit der Erfüllung vor, deren Rechtsfolgen sich ausschließlich nach den allgemeinen Vorschriften und damit insbesondere nach den §§ 275, 280, 283, 311a, 323 und 326 BGB richten. Liegt die Unmöglichkeit bereits vor Vertragsabschluss vor, so handelt es sich um den eigenartigen Fall der anfänglichen Unmöglichkeit. Tritt die Unmöglichkeit dagegen – wie hier – später (nach Vertragsabschluss) ein, brennt z.B. das vermietete Gebäude ab, so ergeben sich die Rechtsfolgen in erster Linie aus den §§ 275, 283, 323 und 326 BGB. Der Vermieter wird folglich frei (§ 275 BGB), sodass der Mieter ebenfalls keine Miete mehr zu zahlen braucht (§ 326 Abs. 1 BGB).

Die weiteren Rechtsfolgen richten sich dann allein danach, ob eine Partei und gegebenenfalls welche die Unmöglichkeit zu vertreten hat (§§ 280 Abs. 1, 283 und 326 Abs. 2 BGB). Hat keine der beiden Parteien die Unmöglichkeit zu vertreten, so erlischt das Mietverhältnis, ohne dass es dafür einer besonderen Kündigung bedürfte (LG Karlsruhe NZM 2005, 221 mwN LG Dresden NZM 2008, 165, vgl. Staudinger/V Emmerich (2018) Vorbemerkung BGB § 536, Rn. 5).

Den Vermieter trifft auch keine Verpflichtung, die zerstörte Mietsache wiederherzustellen. Die Wiederaufbaupflicht ist nämlich Ausfluss der Pflicht zur Gebrauchsüberlassung. Wird der Vermieter aber wegen der Unmöglichkeit gem. § 275 BGB von seiner Pflicht zur Gebrauchsüberlassung frei, entfällt auch seine Pflicht zum Wiederaufbau. Den Vermieter trifft auch dann keine Wiederherstellungspflicht, wenn er die Zerstörung zu vertreten hat. Die Rechte des Mieters sind dann auf den Schadensersatzanspruch oder ggf. auf das Rücktrittsrecht bzw. Kündigungsrecht beschränkt (Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 14. Aufl. 2019, BGB § 536 Rn. 551).

Bei der Abgrenzung, ob eine Unmöglichkeit vorliegt oder nur ein Instandsetzungsbedarf, ist auf Folgendes abzustellen: Maßgebend für die richtige Einordnung ist, ob die Beschädigung wirtschaftlich einer vollständigen Zerstörung gleichsteht bzw. ob dem Vermieter die Wiederherstellungskosten nach den Umständen des Falles zuzumuten sind. Ist somit eine erhebliche Beschädigung der völligen Zerstörung der Mietsache gleichzustellen, greifen die Unmöglichkeitsregeln ein und der Vermieter wird von seiner Primärleistungspflicht frei (§ 275 Abs. 1 BGB). Ist die Mietsache zwar erheblich beschädigt, führt aber eine Abwägung (§ 242 BGB) zu dem Ergebnis, dass die Sache als nicht zerstört anzusehen ist, kann die grundsätzliche Pflicht zur Instandsetzung entfallen, wenn dem Vermieter die Wiederherstellung der Sache nicht zuzumuten ist. Diese Fälle werden, wie schon vor der Schuldrechtsreform unter dem Gesichtspunkt diskutiert, ob die aufzuwendenden Kosten noch innerhalb der Opfergrenze liegen. Wegen der grundsätzlichen Verantwortlichkeit des Vermieters für die Einhaltung objektbezogener öffentlich-rechtlicher Vorschriften ist ein Wegfall der Wiederherstellungspflicht infolge des Erreichens der Opfergrenze auf enge Ausnahmen beschränkt. Die Opfergrenze ist erreicht, wenn zwischen dem Reparaturaufwand einerseits und dem Nutzen der Reparatur für den Mieter sowie dem Wert des Mietobjekts und den aus ihm zu ziehenden Einnahmen andererseits ein krasses Missverhältnis entsteht. Somit lässt sich eine Überschreitung der „Opfergrenze‟ nicht aus einer bloßen Gegenüberstellung zwischen Sanierungskosten und Verkehrswert herleiten. Vielmehr ist eine Würdigung aller Umstände erforderlich, wie beispielsweise ein etwaiges Verschulden des Schuldners (§ 275 Abs. 2 S. 2 BGB), vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 14. Aufl. 2019, BGB § 536 Rn. 556, 557.

Im vorliegenden Fall ist nach Auffassung der Kammer von einer vollständigen Zerstörung der Wohnung auszugehen, die zu einer Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 ZPO führt, so dass es auf die Opfergrenze gemäß § 275 Abs. 2 BGB nicht ankommt. Zunächst kommt es nicht darauf an, ob sich aus den eingereichten Fotos das Vorhandensein von nichttragenden Wänden ergibt, da diese unstreitig aufgrund des Löschwassereinsatzes zerstört waren und abgetragen werden mussten. Die Mietsache ist durch den Brand und den Löschwassereinsatz so erheblich zerstört worden, dass vollständige Zerstörung vorliegt und nicht nur eine teilweise Zerstörung. Denn nach dem in erster Instanz unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beklagten bestand die Zwischendecke unter der streitgegenständlichen Wohnung zu 50 % aus einer Holzbalkendecke mit Schüttung, die aufgrund der Schäden vollständig entfernt werden musste und nur noch ein Teil aus Stahl-Stein-Decke stehengeblieben ist (vgl. Foto 2 der Anlage B1). In Verbindung mit der unstreitig notwendigen Entfernung der nichttragenden Wände verblieben nur die Außenwände der Wohnung und ein Teil des Bodens und der Decke der Wohnung. Dies reicht nicht aus, um von einem Fortbestand der Mietsache auszugehen, da wesentliche Teile der Abgeschlossenheit der Wohnung in Form von Decken und Böden fehlten. Soweit danach im Wesentlichen nur noch die Außenmauern und die tragenden Wände intakt waren, fehlt es an dem Fortbestand eines zum Gebrauch geeigneten Mietobjekts, sei es auch ein mit Schäden versehenes. Es kommt dabei nicht darauf an, wie weit das Gebäude als Ganzes hinsichtlich seiner tragenden Bestandteile zerstört bzw. nicht zerstört worden ist, da für den Bestand des Mietvertrages allein auf den Zustand der Wohnung abzustellen ist.

Es reicht ferner nicht aus, dass nach dem Schadensereignis die Lage der Wohnung innerhalb des Hauses identifizierbar war und mit demselben oder einem anderen Grundriss hätte wiederhergestellt werden können. Denn die Eigenschaft als Mietobjekt ging bereits dadurch verloren, dass ihre äußere Hülle in Form von Decken und Böden so weit zerstört war, dass nicht mehr von einer Instandsetzungsfähigkeit gesprochen werden kann.

Dass an selber Stelle im Gebäude zwei neue Zweizimmerwohnungen mit anderen Grundrissen errichtet wurden, ist unerheblich, da keine Pflicht zum Wiederaufbau bestand und die Leistungspflicht zu diesem späteren Zeitpunkt bereits untergegangen war. Daher kommt es ferner nicht darauf an, dass die neue Wohnung nunmehr an Dritte vermietet worden ist.

Aufgrund objektiver Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB endete das Mietverhältnis mit dem Schadensereignis. Auf eine Verantwortlichkeit für den Brand kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Ebenso kann das Überschreiten einer Opfergrenze dahingestellt bleiben.

Die Berufung der Beklagten ist ferner begründet hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung einer Mietdifferenz ab Mai 2018 (Klageantrag zu 5). Insoweit besteht mangels Fortbestands des Mietverhältnisses kein Anspruch.

Die Berufung der Kläger ist unbegründet. Ein Anspruch der Kläger auf Wiederherstellung und Herausgabe der Wohnung (Berufungsantrag zu 1) besteht nicht, weil das Mietverhältnis aus den oben genannten Gründen nicht fortbesteht.

Ferner besteht kein Anspruch der Klägerin zu 2. auf Zahlung von Schadensersatz / Aufwendungsersatz (= Berufungsanträge zu 2. bis 4). Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 536a BGB bzw. § 280 BGB bestehen mangels Verschuldens der Beklagten nicht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, dass die Beklagte schuldhaft zu viele Bestandteile der Wohnung entkernt und somit eine Unmöglichkeit herbeigeführt hätte oder bei dem Wiederaufbau eine Wiederherstellung der Vierzimmerwohnung versäumt hätte. Die Kammer schließt sich den Aussagen der Zeugen an, denen zufolge eine vollständige Entkernung erforderlich war.

Der Zeuge … gab an, dass im dritten Obergeschoss aus statischen Gründen und darüber hinaus aufgrund Schimmelbefalls ein rohbauähnlicher Zustand hätte hergestellt werden müssen und man sich zu einer großflächigen Entkernung entschlossen habe, einschließlich der Entfernung der Holzdecken mit Ausnahme der Holzbalken. Zum Zwecke der Austrocknung hätten ferner nichttragende Wände, u.a. aus Ziegelsteinmauerwerk und Hohllochziegeln, entfernt werden müssen. Anderweitige, für Teilbereiche denkbare, Trocknungsmaßnahmen für den Putz seien als unwirtschaftlich verworfen worden.

Der Zeuge … hat aus Sicht eines mikrobiologischen Sachverständigen ergänzend ausgeführt, dass aufgrund des Umfangs des Schimmelpilzbefalls eine technische Trocknung nicht sinnvoll gewesen sei und er einen Rückbau einschließlich Holzbalkendecken und Schüttung für erforderlich gehalten habe. Hinsichtlich der Schüttung habe es aus gesundheitlichen Gründen keine Sanierungsalternativen gegeben. Der mit dem Wiederaufbau beauftragte Architekt, der Zeuge …, bekundete, dass eine Entkernung einschließlich der Dielen und Schüttung den Vorgaben der Versicherung und den anerkannten Regeln der Technik und der Baukunst entsprochen habe. Nichttragende Wände seien abzureißen gewesen, um die Decken sanieren zu können. Veränderte Grundrisse hätte sich dadurch ergeben, dass auf den Stahl-Stein-Decken aus statischen Gründen zur Reduzierung der Lasten keine Wände mehr hätten aufgestellt werden dürfen. Der alte Grundriss der streitgegenständlichen Wohnung sei auch deshalb nicht herzustellen gewesen, weil die Kosten einer dazu erforderlichen neuen Decke aus wirtschaftlichen Gründen von der Versicherung nicht übernommen worden seien. Die Aussagen sind glaubhaft, so dass zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass die Entkernung in dem erfolgten Umfang erforderlich war und eine Wiederherstellung des alten Grundrisses aus statischen Gründen nicht mit einem vertretbaren Aufwand möglich war.

Die Einwände der Kläger gegen das Ergebnis der Beweisaufnahme greifen nicht durch. Dem Tatbestand der angefochtenen Entscheidung zufolge ist der Brand im Dachstuhl der … 17 ausgebrochen. Der Zeuge … hat entgegen der Auffassung der Kläger nicht ausgesagt, dass es keine statischen Probleme im 3. Obergeschoss gegeben habe. Das Gegenteil hat vielmehr der Zeuge … bestätigt. Der Grundriss der alten Wohnung der Kläger war – ungeachtet der bauordnungsrechtlichen Unzulässigkeit der Zusammenlegung von Wohnungen – nicht wiederherzustellen, weil nach den Angaben des Zeugen … eine ausreichende Tragfähigkeit der Stahl-Stein-Decke nicht gegeben war. Zutreffend ist zwar, dass alles, was einmal gebaut und zerstört wurde, theoretisch erneut errichtet werden kann. Hierzu war die Beklagte im konkreten Fall jedoch nicht verpflichtet, zumal die Kosten hierfür nicht von der Gebäudeversicherung getragen wurden. Ferner hat die Möglichkeit einer Sandstrahlung fliesenloser Wände (Zeuge …) keine Auswirkung auf das Erfordernis der Abtragung von zerstörten bzw. verschimmelten Decken und Schüttungen. Zudem mussten die Dielen, auf denen einzelne Wände standen, wegen umfangreichen Angriffs durch Wasser zur Sanierung aufgenommen werden (Zeuge …) und die Erhaltung einzelner Teilwandflächen habe ohne Anschlüsse keinen Sinn ergeben (Zeuge …). Auf die Relation zwischen Sanierungskosten und Neubaukosten kommt es für die Frage eines Verschuldens bei der Sanierung nicht an. Nach fiktiven Rekonstruktionskosten wurden die Zeugen von den Klägern nicht gefragt.

Zutreffend ist, dass der Zeuge … keine Angaben zur Notwendigkeit des Abtrags der Holzbalken der Decken gemacht hat. Demgegenüber hat sich aus der Aussage die Notwendigkeit des Abtrags von Einschub, Schüttung und Holzdielen ergeben, so dass von den Decken kein funktionaler Kern übrigblieb.

Der Zeuge … hat laut Protokoll seiner Vernehmung nicht bekundet, dass die Schimmelbildung zum Teil auf fehlender Querlüftung beruhe oder der Einsatz von Trocknungsgeräten einen entscheidenden Unterschied herbeigeführt hätte. Seine Angaben zu Vorgaben der Berufungsgenossenschaft zu Über-Kopf-Arbeiten dürften sich auf den Umgang mit kontaminierten Materialien beschränken, jedoch kann dies offenbleiben, da sich die Frage des Arbeitens an Decken von oben oder von unten nicht auf die (hier gegebene) Erforderlichkeit ihres Rückbaus erstreckt.

Entgegen der Auffassung der Kläger liegt ein Verschulden der Beklagten nicht in dem Unterlassen einer „genauen Untersuchung“. Die Beklagte ist offenbar den einstimmigen seinerzeitigen Empfehlungen der vernommenen Zeugen gefolgt, die auch zwischenzeitlich nicht durch einen konkreten abweichenden Sachvortrag in Frage gestellt worden sind. Für die Einholung eines Sachverständigengutachtens laut Schriftsatz vom 4.2.2020 besteht daher kein Raum.

Soweit die Kläger ausführen, dass die Beklagte ihnen mitgeteilt habe, dass sie nach Abschluss der Sanierungsarbeiten wieder in ihre Wohnung würden zurückziehen können, ist damit mangels Bestimmtheit kein Verzicht gemäß § 397 BGB auf eine Kündigung oder den Einwand der Unmöglichkeit verbunden. Entgegen der Auffassung der Kläger bedarf es hinsichtlich der Statik in Bezug auf Trennwände keines weiteren Sachverständigengutachtens, da nicht hinreichend in Zweifel gezogen worden ist, dass aufgrund der heute gültigen Zuschläge für leichte nicht tragende Trennwände eine ausreichende Tragfähigkeit der Deckenkonstruktionen im Rahmen einer Sanierung nicht mehr gegeben war (vgl. Anlage B2, Ziffer 6 und 7).

Soweit sich die Einwände der Kläger im Übrigen mit der Frage des Eintritts der Unmöglichkeit auseinandersetzen, verbleibt es bei der oben genannten Auffassung der Kammer und es kommt im Rahmen des § 275 Abs. 1 BGB nicht auf ein Vertretenmüssen des Eintritts der Unmöglichkeit oder eine Kostenrelation an. Hinsichtlich eines Verschuldens der Beklagten im Zusammenhang mit der Sanierung werden keine weiteren neuen Aspekte aufgezeigt, die dem Ergebnis der Beweisaufnahme entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 2 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7 und 10, 711 ZPO. Gründe, gemäß 543 Abs. 2 ZPO, die Revision zuzulassen, lagen nicht vor.

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