LG Berlin, Az.: 63 T 18/14
Beschluss vom 21.02.2014
Wohnraummiete: Voraussetzungen für den Erlass einer Sicherungsanordnung im Prozess auf Wohnungsräumung und Mietzahlung
In dem Rechtsstreit wird die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg vom 17.06.2013 – 5 C 167/11 – auf ihre Kosten bei einem Wert von 11.560,00 EUR zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe

Die Klägerin ist gemäß Mietvertrag vom 28.07.2009 Vermieterin der Beklagten, die eine 4-Zimmerwohnung innehalten. Der monatliche Mietzins beträgt 940,00 EUR zuzüglich 250,00 EUR Betriebskosten- und 100,00 EUR Heizkostenvorschuss, insgesamt 1.290,00 EUR monatlich.
Mit der am 09.12.2011 rechtshängig gewordenen Klage verlangt die Klägerin die Zahlung des Mietzinses für Juli und August 2011 in Höhe von insgesamt 2.580,00 EUR sowie die Räumung und Herausgabe der Wohnung aufgrund der fristlosen Kündigung vom 28.08.2011.
Mit Schriftsatz vom 09.11.2012 und vom 07.05.2013, letzterer den Beklagten zugestellt am 23.05.2013 begehrt sie klageerweiternd Mietzins/Nutzungsentschädigung für die Zeit bis einschließlich Mai 2013 in voller Höhe.
Die Beklagten wenden Minderungsrechte wegen diverser Mängel u.a. an der Heizung und den Fenstern der streitgegenständlichen Wohnung ein; sie berufen sich ferner auf ein diesbezügliches Zurückbehaltungsrecht und machen widerklagend Mängelbeseitigung und Feststellung einer Minderungsquote von insgesamt 100% sowie im Wege der Eventualwiderklage Schadensersatzansprüche geltend.
Mit Schriftsatz vom 07.05 2013 hat die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verpflichten, für die nach Rechtshängigkeit fällig gewordene Mietforderungen bzw. Nutzungsentschädigungen mindestens in Höhe von 23.120,00 EUR Sicherheit sowie fortlaufend ab dem Monat Juni 2013 jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats nach § 283 a Abs. 1 ZPO zu leisten und mit Glaubhaftmachung durch eidesstattliche Versicherung des Hausverwalters vom 06.05.2013 geltend gemacht, wegen der mittels Darlehen erfolgten Finanzierung der streitgegenständlichen Wohnung sei sie auf die ausbleibenden Mieteinnahmen angewiesen.
Die Beklagen haben beantragt, den Antrag auf Erlass der Sicherungsanordnung zurückzuweisen.
Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 17.06.2013 zurückgewiesen und zur Begründung unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss vom 18.09.2012 ausgeführt, es fehle der Klage an der erforderlichen hohen Erfolgsaussicht, weil sowohl das Vorliegen der behaupteten Mängel als auch eine etwaige Minderung sowie der Umfang eines Zurückbehaltungsrechts streitig und – insbesondere wegen des zugleich hiervon abhängenden Räumungsanspruchs – nicht zulässigerweise durch Teilentscheidungen hinreichend vorab zu klären seien. Im Übrigen ergebe sich auch keine besonderer Nachteil für die Klägerin aus der Finanzierung des Erwerbs der Wohnung mittels Darlehen, hierbei handele es sich vielmehr um ein allgemeines Risiko, welches nicht von der Sicherungsanordnung zu schützen sei.
Die Klägerin hat gegen den ihr am 21.06.2013 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz vom 02.07.2013, per Fax am selben Tag bei Gericht eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie beanstandet, ausweislich des Hinweisbeschlusses vom 18.09.2012 hätten die streitgegenständlichen Zahlungsansprüche mindestens in Höhe von 75% Erfolg, dies lasse sich dem bereits vorhandenen Beweisergebnis entnehmen. Soweit Tilgungsraten durch den Mietausfall nicht bedient werden könnten, liege hierin – auch im Falle einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts auf der Vermieterseite – eine Existenzgefährdung, die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen sei.
Das Amtsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 30.12.2013 nicht abgeholfen und zur Begründung u.a. ausgeführt, wegen der wechselseitigen Abhängigkeit des Räumungsanspruchs von Art und Umfang etwa vorliegender Mängel genüge ein möglicher Teilerfolg der gesamten Klage nicht. Es fehle schließlich an einer Offenlegung der Vermögensverhältnisse, deren Ergebnis einen das allgemeine Prozessrisiko des späteren Forderungsausfalls übersteigenden Nachteil für die Klägerin erkennen lassen müsse.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 283 a Abs. 1 Satz 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Amtsgericht den Antrag der Klägerin nach § 283 a Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Anordnung einer Sicherheitsleistung zurückgewiesen. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung und des Nichtabhilfebeschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Die dortige Zurückweisung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Räumungsverfügung nach § 940 a Abs. 3 ZPO war allerdings nicht veranlasst, weil der entsprechende Antrag der Klägerin – ersichtlich und zu Recht – nur vorsorglich gestellt war. Er ist ohne vorherige Sicherungsanordnung gegenstandslos.
Der Antrag auf Erlass der Sicherungsanordnung ist unbegründet.
Die Sicherungsanordnung nach § 283 a Abs. 1 Satz 1 ZPO soll Forderungsausfälle bei langdauernden Hauptsacheverfahren verhindern, indem der Mieter unter bestimmten Voraussetzungen für das während des Verfahrens weiter fällig gewordene Nutzungsentgelt Sicherheit leisten muss. Das soll den tatsächlichen Wert eines erst später in der Hauptsache ergehenden Zahlungstitels sichern und dem beklagten Mieter den Anreiz nehmen, den Prozess zur Zahlungsverzögerung zu missbrauchen (Gesetzesbegründung BT-Drucksache 17/10485 Seite 2, 15 und 27/28).
Zu sichern sind hierbei nur Geldforderungen, die selbst Streitgegenstand der Zahlungsklage sind und die nach Eintritt der Rechtshängigkeit bis zum Erlass der Sicherungsanordnung fällig geworden sind. Die Sicherheit kann dabei nur für solche Ansprüche gefordert werden, die auch eingeklagt sind (OLG Celle v. 17.09.2013 – 2 W 205/13, NZM 2013, 729; AG Langenfeld v. 03.06.2013 – 25 C 113/13, NZM 2014, 76; Streyl in Schmidt-Futterer, 11. Aufl. 2013, § 283 a ZPO Rn 14 m.w.N.). Der Antrag der Klägerin ist somit, soweit er sich auf die ab Juni 2013 fällig werdenden Ansprüche bezieht, schon deshalb unbegründet, weil insoweit weder eine Klage auf zukünftige Leistung gemäß § 259 ZPO noch eine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO rechtshängig sind.
In Bezug auf die bis einschließlich Mai 2103 geltend gemachten Zahlungsansprüche, die Gegenstand der rechtshängigen Klage sind, fehlt es einerseits an der notwendigen „hohen Erfolgsaussicht“: Zwar ist der für den Überzeugungsmaßstab neu eingeführte Rechtsbegriff im Einzelnen streitig (sehr hohe Wahrscheinlichkeit: Zehelein WuM 2013, 138. Hinz ZMR 2012, 162 und Lützenkirchen ZMR 2012, 606; dem Vollbeweis ähnlich: Streyl in Schmidt-Futterer, 11. Aufl. 2013, § 283 a Rn 19). Darauf kommt es hier jedoch nicht an.
Da nämlich eine zumindest nicht unerhebliche Bedeutung der Sicherungsanordnung darin liegt, Voraussetzung der Räumungsverfügung zu sein, bedarf es im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussicht der Anlegung eines hohen Maßstabs an die erforderliche Überzeugung (Streyl. a.a.O. Rn 21). In Ansehung des in diesem Zusammenhang geltenden Strengbeweises kann – bei Streit über mögliche Gegenrechte des Mieters – jedenfalls nicht vor dem weitestgehendem Abschluss einer Beweisaufnahme über die gerügten Mängel eine solche Überzeugungssituation eintreten (vgl. i.Ü. auch Börstinghaus in Börstinghaus/Eisenschmid, Arbeitskommentar Mietrechtsänderung 2013, § 283a ZPO Rdn. 20; Bacher in BeckOK ZPO Stand 01.10.2014, § 283a, Rn 21). Vorliegend ist ausweislich des Beweisbeschlusses vom 14.05.2013 die Beweisaufnahme nicht einmal abgeschlossen, vielmehr soll über die behauptete Schimmelbildung noch ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Damit ist nicht nur eine mögliche Minderungsquote, sondern in Ansehung der beabsichtigten Räumungsverfügung die Begründetheit des Räumungsanspruchs gänzlich offen, so dass es auf die von der Klägerin ohne weitere Grundlage spekulativ prognostizierte maximale Minderungsquote von 25% nicht ankommt.
Andererseits mangelt es hier auch und vor allem an der Darlegung eines besonderen Nachteils für die Klägerin.
Der Vermieter muss wegen des gesetzgeberisch erklärten Zwecks der Sicherungsanordnung – nämlich dem Schutz des Vermieters vor schon eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Mieters – darlegen, dass ihm der Ausfall der im Prozessverlauf fällig gewordenen Mietforderungen bzw. Ansprüche auf Nutzungsentschädigung besondere wirtschaftliche Nachteile zufügen würde, etwa weil er auf die Mieteinnahmen aus der streitgegenständlichen Wohnung zur Sicherung seiner Altersversorgung angewiesen ist. Das allgemeine Prozessrisiko eines jeden Gläubigers, die Forderung nicht realisieren zu können, reicht hingegen als Sicherungsinteresse nicht aus (vgl. Gesetzesbegründung BT-Drucksache 17/1045, S. 46; OLG Celle a.a.O.), worauf bereits das Amtsgericht zu Recht hingewiesen hat. Auch vermag eine Sicherungsanordnung nicht, einem im Verlaufe des Rechtsstreits eintretenden Liquiditätsengpass des Vermieters abzuhelfen, da erst nach der Entscheidung in der Hauptsache die Zugriffsmöglichkeit für ihn überhaupt eintritt (Streyl, a.a.O. Rn 29). Weil es sich weiterhin bei der Anordnung auch nicht um einen bloßen Unterfall des Arrests gemäß §§ 935 ff. ZPO handelt, sondern dieser für mietrechtliche Konstellationen vom Gesetzgeber vielmehr für unzureichend erachtet worden ist (so: Gesetzesbegründung BT-Drucks. 17/10485 S. 27), genügt zur Darlegung besonderer Nachteile für den Vermieter die mögliche Vollstreckungsvereitelung oder –erschwerung, die vorliegend unterstellt werden kann, allein nicht, sondern es muss die durch den Fortgang des Prozesses sich verschlechternde Leistungsfähigkeit des Vermieters hinzutreten.
Bei gewerblichen Vermietern ist vor allem von Bedeutung, in welcher Relation die Höhe der zu sichernden Forderung zu Größe und Umsatz seines Unternehmens steht (BT-Drucksache 15/3594, 20; Bacher a.a.O. Rn 20). Benötigt der Vermieter die laufenden Einnahmen aus dem Mietobjekt zur Finanzierung desselben, so soll ein besonderer Nachteil üblicherweise zu verneinen sein, wenn die verbleibenden Mieteinnahmen ausreichen, um den laufenden Zahlungspflichten nachzukommen (OLG Celle a.a.O.).
Der im vorliegenden Fall glaubhaft gemachte Vortrag, die Klägerin bedürfe „der Mietzahlungen für die Zins- und Tilgungsleistungen“ des zum Zwecke des Kaufs der Wohnung in Anspruch genommenen Darlehens, lässt in Ansehung der obigen Kriterien jede Konkretisierung vermissen. Weder ist erkennbar, in welcher Höhe das Darlehen valutiert noch welche Raten hierauf zu erbringen sind; die Vermögensverhältnisse der offensichtlich nach außen gewerblich als Vermieterin tätigen Klägerin sind ebenso wenig dargelegt wie die Auswirkung der ausbleibenden Mietzahlungen auf ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Ganzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine solche Entscheidung. Vielmehr beruht die Entscheidung ersichtlich auf den besonderen Umständen des Einzelfalles.
Der Wert einer Sicherheitsleistung bestimmt sich regelmäßig nach der Ausfallgefahr, welche mit einem Bruchteil der Hauptsache zu bewerten ist, soweit nicht wegen Zahlungsunfähigkeit des Gegners Uneinbringlichkeit droht (vgl. Herget in Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 3 Rn. 16 „Sicherheitsleistung“); danach geht die Kammer hier von 50% der bezifferten zu sichernden Forderung aus.