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Erleichterte Vermieterkündigung von Wohnraum in einem gemeinsam genutzten Zweifamilienhaus

AG Bergheim – Az.: 22 C 205/10 – Urteil vom 03.01.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten

Tatbestand

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin eines Wohnhauses in der K-Straße 10 in … F. Das Wohnhaus besteht aus zwei Wohneinheiten. Die Beklagten mieteten mit Mietvertrag vom .. . .. …. eine der beiden Wohnungen. Die Klägerin bewohnte die andere Wohneinheit. Mit Schreiben vom .. . .. …. sprach die Klägerin den Beklagten gegenüber eine auf § 573a Abs. 1 BGB gestützte Kündigung des Mietverhältnisses zum .. . .. …. aus. Wegen der Einzelheiten wird auf das zur Gerichtsakte gereichte Kündigungsschreiben der Klägerin verwiesen. Unter dem .. . .. …. schrieb die Klägerin die Beklagten erneut an und teilte ihnen mit, dass das Haus verkauft werde und aus diesem Grunde eine Vermessung der Wohnung der Beklagten stattfinden müsse. Wegen der Einzelheiten wird auf das zur Akte gereichte Schreiben der Klägerin vom .. . .. …. verwiesen. Mit Schreiben vom .. . .. …. ließen die Beklagten das Kündigungsverlangen der Klägerin zurückweisen. Unter dem .. . .. …. ließ die Klägerin durch ein Maklerbüro eine Anzeige im Internet schalten, in welcher sie das gesamte Wohnhaus zum Verkauf anbot. Wegen der Einzelheiten des Inserats wird auf den zur Akte gereichten Ausdruck der Anzeige vom .. . .. …. verwiesen. Nachdem die Beklagten die von ihnen gehaltene Wohnung nicht zum .. . .. …. geräumt hatten, forderte die Klägerin die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom .. . .. …. erneut auf, die Wohnung zu räumen. Gleichzeitig wurden die Beklagten aufgefordert, die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten der Klägerin bis zum .. . .. …. zu begleichen. Die Beklagten verblieben in der Wohnung. Auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten der Klägerin zahlten sie nicht. Am .. . .. …. zog die Klägerin aus ihrer Wohneinheit aus. Das Haus steht nach wie vor in ihrem Eigentum.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Räumung und Herausgabe von den Beklagten gehaltenen Wohnung und verlangt Ersatz ihrer außergerichtlichen Kosten. Sie ist der Auffassung, die streitgegenständliche Immobilie erfülle die Voraussetzungen des § 573a Abs. 1 BGB. Sie behauptet, es handele sich bei den beiden Wohnungen nicht um selbständige Einheiten. Ursprünglich seien alle Räume miteinander verbunden gewesen. Erst nachträglich seien zwei Wohneinheiten geschaffen worden. Insbesondere seien die Wohnungen nicht bautechnisch durch eine Brandschutzmauer getrennt. Die Ende 2009 bzw. Anfang 2010 unternommenen Verkaufsbemühungen der Klägerin hätten lediglich den Zweck eines „Verkaufstests“ gehabt. Voraussetzung für eine Veräußerung – egal ob mit oder ohne Mieter – sei immer gewesen, dass ein solcher Kaufpreis erzielt werden würde, welcher die Verbindlichkeiten des Hauses in vollem Umfang abdecken könne. Ein solcher sei damals nicht erzielt worden.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Mieträume in der K-Straße 10 in … F bestehend aus einer Küche, einem Bad, einer Dusche mit WC, einem Flur und Diele sowie einem Kellerraum geräumt, samt aller vorhandenen Wohnungsschlüssel an die Klägerin herauszugeben,

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 661,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem .. . .. …. zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten sind der Auffassung, die beiden Wohnungen seien wie Doppelhaushälften zu bewerten. Sie meinen ferner, das Sonderkündigungsrecht des § 573a BGB greife nicht zugunsten der Klägerin. Sie behaupten, die Klägerin habe bereits in der Absicht gekündigt, das gesamte Haus veräußern zu können.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 546 BGB. Das Mietverhältnis besteht nach wie vor fort und ist nicht durch Kündigung der Klägerin vom .. . .. …. zum .. . .. …. beendet worden.

Die Voraussetzungen einer für die Klägerin erleichterten Kündigung nach § 573a BGB sind nicht erfüllt. Es kann dahinstehen, ob es sich bei der streitgegenständlichen Wohneinheit überhaupt um eine dem Anwendungsbereich der Norm unterfallende Wohnung handelt. Denn selbst bei unterstellter Eröffnung des Anwendungsbereichs muss das besondere vermieterseitige Kündigungsinteresse bei § 573a BGB bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, hier also bis zum .. . .. …., vorhanden gewesen sein. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

Die privilegierte Kündigungsmöglichkeit nach § 573a BGB beruht auf der Erwägung, dass das enge Zusammenleben von Vermieter und Mieter in einem Haus oder einer Wohnung ein Mindestmaß an Harmonie voraussetzt; mangelt es hieran, so soll der Vermieter berechtigt sein, das Mietverhältnis ohne Angabe von Gründen zu beenden (Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 10. Aufl., § 573a Rn. 1). Der Grund für die privilegierte Kündigungsmöglichkeit entfällt jedoch, wenn der Vermieter nach Ausspruch der Kündigung, aber noch vor Ablauf der Kündigungsfrist den Entschluss zur Aufgabe der Wohnung fasst. In einem solchen Fall ist der Vermieter nach § 242 BGB verpflichtet, den Mieter über die beabsichtigte Wohnungsaufgabe zu informieren und ihm einen Vertrag über die Aufhebung der Kündigungswirkungen anzubieten (so auch LG Duisburg NZM 2005, 216; LG Stuttgart WuM 2007, 75).

Der BGH vertritt zum Parallelproblem der Eigenbedarfskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ebenfalls die Ansicht, dass der spätere Wegfall des Eigenbedarfs nach wirksamem Kündigungsausspruch dann – allerdings auch nur dann – noch zu berücksichtigen ist, wenn der Eigenbedarf vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist (BGH NJW 2006, 220). In einem solchen Fall ist der Vermieter verpflichtet, den Mieter darüber zu unterrichten und ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses anzubieten (OLG Düsseldorf NJW 1982, 54). Diese Erwägungen gelten nach Auffassung des Gerichts aber auch für die vorliegende Fallgestaltung der privilegierten Kündigung nach § 573a BGB. Einseitige Gestaltungserklärungen, wie insbesondere die Kündigung aus Dauerschuldverhältnissen, führen – sofern ihre tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind – die gewollten Rechtswirkungen zu dem gesetzlich vorgesehenen oder individuell bestimmten Zeitpunkt herbei. Eine Kündigung beendet das Mietverhältnis erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist. Daher können auch solche Umstände, die vor Ablauf der Kündigungsfrist offenbar werden, die gewollten Rechtswirkungen noch beeinflussen bzw. der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB den Eintritt der Rechtswirkungen einer Kündigung noch verhindern. Das besondere, hinter § 573a BGB stehende Schutzbedürfnis des Vermieters, sich bei Zusammenleben mit dem Mieter auf engem Raum auf einfache Weise wieder von diesem lösen zu können, besteht gerade nicht mehr, wenn der Vermieter den Entschluss fasst, nunmehr dem Mieter weichen zu wollen. In einem solchen Fall fehlt es an einem Grund, dem Mieter weiterhin einen Wohnungswechsel zuzumuten. Der Vermieter ist sodann wegen der ihm allgemein obliegenden Pflicht, den berechtigten sozialen Interessen des Mieters in zumutbarem Maße Rechnung zu tragen, und dem Sinn und Zweck des zugunsten des Mieters geltenden Kündigungsschutzes gehalten, den Mieter gemäß § 242 BGB auf die Veränderung der Sachlage hinzuweisen und sich zur Fortsetzung des Mietverhältnisses bereit zu erklären. Den Interessen des Vermieters wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass diesem das Recht unbenommen bleibt, erneut eine Kündigung nach § 573a BGB auszusprechen, sollte dessen Absicht zur Aufgabe oder Veräußerung seiner Wohnung später wieder entfallen.

Im vorliegenden Fall erfolgte der Kündigungsausspruch der Klägerin mit Schreiben vom .. . .. ….. Danach sollte das Mietverhältnis, nach §§ 573a, 573c BGB richtig berechnet, zum .. . .. …. enden. Die Absichten der Klägerin zur Aufgabe ihrer Wohnung sind innerhalb der Kündigungsfrist eindeutig zu Tage getreten, ohne dass sie den Beklagten einen Vertrag über die Aufhebung der Kündigungswirkungen angeboten hat. Dies ergibt sich aus der Internetanzeige der Klägerin, welche jedenfalls am .. . .. …. geschaltet war, und aus dem Schreiben der Klägerin vom .. . .. …., in welchem sie den Verkauf des Hauses ankündigt. Soweit die Klägerin den entgegnet, es seien zu dieser Zeit lediglich „Verkaufstests“ unternommen worden, welche nicht den gewünschten Preis gebracht hätten, wohingegen eindeutige Verkaufsabsichten bei der Klägerin erst Anfang 2011 aufgekommen seien, so ist dieser Vortrag unerheblich. So führt die Klägerin im Schriftsatz vom .. . .. …. selbst aus, zur Veräußerung – mit oder ohne Mieter – bereit gewesen zu sein, wäre ein entsprechender Preis erzielt worden. Dass sich die preislichen Vorstellungen des Verkäufers mit denen des Käufers decken ist aber Voraussetzung eines jeden Kaufabschlusses, so dass die Klägerin ihre Bemühungen nicht lediglich als „Tests“, sondern auch als Veräußerungsversuch gegen sich gelten lassen muss, wenngleich es sich um einen aus Klägersicht untauglichen Versuch gehandelt hat. Selbst wenn die Klägerin davon ausgegangen sein sollte, kein angemessenes Angebot zu erhalten, war sie gegen ein angemessenes Angebot doch gerade zur Veräußerung bereit, so dass sie widersprüchlich vorträgt, wenn sie nunmehr zu behaupten scheint, dass sie selbst ein angemessenes Angebot wegen des „Testcharakters“ des Inserats nicht angenommen hätte.

Wegen des fortdauernden Rechts der Beklagten zum Besitz nach § 986 Abs. 1 S. 1 BGB schulden diese der Klägerin auch keine Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 985 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 5.760,00 (§ 41 Abs. 2 GKG).

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