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Ermächtigung WEG-Verwalter zum Abschluss TV-Mehrnutzervertrag

AG Ludwigslust – Az.: 44 C 261/19 WEG – Urteil vom 01.04.2020

I. Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.05.2019, beschlossen um 18:00 Uhr im Versammlungsraum des …, zu TOP 8 („Beratung und Beschlussfassung zur Nachgenehmigung des neuen Kabelfernsehenvertrages mit Vodafone Kabel Deutschland“)

„Die Eigentümer genehmigen den durch die Verwaltung abgeschlossenen Vertrag … für monatlich 54,11 € netto zuzüglich Umsatzsteuer für sieben Wohnungen. Der Vertrag beginnt am 01.01.2019 und läuft 60 Monate. Während der Laufzeit verzichtet … auf regelmäßige Preiserhöhungen. Die Wohneinheiten (Sondereigentumseinheiten) Nr. 1, 2, 5 und 6 tragen die Kosten für den Vertrag ab 01.06.2019 allein. Die angefallenen Kosten für die Zeit vom 01.01.2019 bis 31.05.2019 werden von allen Eigentümern nach dem bisherigen angewandten Verteilungsschlüssel getragen. Die Verwaltung wird beauftragt, zu versuchen, die zukünftigen Kosten für den Vertrag zu reduzieren, in dem die Anzahl der Nutzer auf vier verringert wird.“

wird für unwirksam erklärt.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 13.522,08 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung in der Wohnungseigentümergemeinschaft Hans… in …, deren vormalige Verwalterin die … GmbH war.

Diese hatte auf der Eigentümerversammlung vom Januar 2018 den Eigentümern ein Tarifangebot der … unterbreitet, ohne dass jedoch auf dieser Versammlung bereits eine Entscheidung hierüber getroffen worden wäre. Unter Tagesordnungspunkt 12 der Eigentümerversammlung vom 16.05.2018 beschlossen die Eigentümer einstimmig, das Angebot nicht anzunehmen.

Die Kläger tragen vor:

Der Beschluss vom 16.05.2018 zum Tagesordnungspunkt 12 habe eine bindende Anweisung an die vormalige Verwalterin beinhaltet, keinen neuen Kabelanschlussvertrag mit … abzuschließen. Allerdings habe diese dennoch Ende 2018 den bestehenden Kabelvertrag gekündigt. Hiervon seien die Kläger von der Firma … mit Schreiben vom 13.12.2018 informiert worden. Die frühere Verwalterin der Eigentümergemeinschaft habe damit vorsätzlich gegen eine ausdrückliche Anweisung der Eigentümerversammlung verstoßen.

Der in der Eigentümerversammlung vom 29.05.2019 unter Tagesordnungspunkt 8 gefasste Beschluss betreffend die nachträgliche Genehmigung des von der vormaligen Verwalterin begann … abgeschlossenen neuen Vertrages mit der … sei unwirksam. Denn es fehle bereits an der Vorlage von drei Vergleichsangeboten. Aufgrund der langen Vertragsbindung von 60 Monaten mit den daraus resultierenden Rechten und Pflichten wäre es zwingend erforderlich gewesen, vergleichende Angebote zu unterbreiten, wobei die auch zu beachten sei, dass die monatlichen Kosten von ehemals 18,30 € inklusive Mehrwertsteuer auf 64,39 € inklusive Mehrwertsteuer gestiegen seien. Selbst der eigenmächtig von der vormaligen Verwalterin abgeschlossene neue Vertrag sei weder der Einladung zur Eigentümerversammlung beigefügt gewesen noch sei er in der Eigentümerversammlung vorgestellt worden. Da ausweislich Tagesordnungspunkt 2 des Protokolls lediglich die allgemeine Versorgungslage seit dem 16.01.2019 diskutiert bzw. erörtert worden sei, hätten die Eigentümer keine Kenntnis vom konkreten Vertragsinhalt gehabt. Zudem sei der angefochtene Beschluss unbestimmt. Denn den Beschluss sei nicht zu entnehmen, wie hoch die Kosten seien, die die Eigentümer nach dem 01.06.2019 tragen sollten. Ein Verteilerschlüssel sei nicht benannt. Für die Vergangenheit sei ein Verteilerschlüssel für alle sieben Wohneinheiten festgelegt gewesen.

Sämtliches Handeln der vormaligen Verwalterin sei nicht auf ordnungsgemäße Verwaltung sondern auf Schadloshaltung von gegen sie persönlich gerichteten Ansprüchen gerichtet. Da die vormalige Verwalterin vorsätzlich dolos gehandelt habe, sei das Bestehen von Ansprüchen gegen sie selbstverständlich und könne nicht durch nachträgliche Genehmigung von Mehrheiten der Eigentümer geheilt werden. Der Beschluss widerspräche bereits deshalb ordnungsgemäßer Verwaltung. Denn hiermit sei der bereits gefasste Beschluss in der Angelegenheit vom 16.05.2018 ad absurdum geführt worden. Die vormalige Verwalterin habe weder Angebote eingeholt noch sich um die Angelegenheit gekümmert und Vergleichsangebote vorgelegt. Dies habe sie auch nicht mehr gekonnt, da sie ja bereits entgegen der ausdrücklichen Weisung einen Vertrag geschlossen habe, welcher nach außen hin wirksam sei aber im Innenverhältnis wegen Überschreitung der eigenen Vollmacht zwingend Schadensersatzansprüche auslöse. Es bestehe die Vermutung, dass die vormalige Verwalterin für den Abschluss des eigenmächtig abgeschlossenen Kabelvertrages eine Provision bekommen habe.

Es werde bestritten, dass der analoge Fernsehempfang zum 16.01.2019 eingestellt worden sei. Sei nicht Sache des vormaligen Verwalters gewesen, über einen Vertragsschluss zu entscheiden. Das Treffen von Sachentscheidungen sei den Eigentümern vorbehalten und nicht der Verwaltung. Die Beklagten könnte nicht behaupten, die Kläger hätten durch den Beschluss keine Nachteile. Statt weiterer Ausführungen sei auf den Wortlaut des Beschlusses verwiesen, demzufolge die Eigentümer den durch die Verwaltung abgeschlossenen Vertrag genehmigt hätten.

Dies bedeute auch eine Genehmigung zu Lasten der Kläger. Sodann sei eine abweichende Kostenregelung getroffen worden. Insofern bestehe keine Beschlusskompetenz. Der Beschluss sei deshalb schon aus diesem Grunde nichtig. Der darauffolgende Satz („die angefallenen Kosten für die Zeit vom 01.01.2019 bis zum 30.05.2019 werden von allen Eigentümern nach dem bisherigen angewandten Verteilungsschlüssel getragen“) sei wiederum widersprüchlich. Nunmehr sollten also doch wieder die Kläger Kosten tragen. Wenn im weiteren die Verwaltung beauftragt worden sei, zu versuchen, die zukünftigen Kosten für den Vertrag zu reduzieren, indem die Anzahl der Nutzer auf vier verringert werde, bedeute dies nichts anderes, als dass der Vertrag auch für fünf Nutzer genehmigt sei und lediglich ein unklarer Auftrag erteilt werde zur Kostenreduzierung für eine Partei, welche auch immer dies sei. Die Argumentation der Beklagten sei daher falsch. Insbesondere sei falsch, dass die Kläger von dem Beschluss nicht betroffen seien.

Die Kläger beantragen, den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.05.2019 um 18:00 Uhr im Versammlungsraum des …, zu TOP 8 („Beratung und Beschlussfassung zur Nachgenehmigung des neuen Kabelfernsehenvertrages mit …). bel Deutschland“)

„Die Eigentümer genehmigen den durch die Verwaltung abgeschlossenen Vertrag … für monatlich 54,11 € netto zuzüglich Umsatzsteuer für sieben Wohnungen. Der Vertrag beginnt am 01.01.2019 und läuft 60 Monate. Während der Laufzeit verzichtet … auf regelmäßige Preiserhöhungen. Die Wohneinheiten (Sondereigentumseinheiten) Nr. 1, 2, 5 und 6 tragen die Kosten für den Vertrag ab 01.06.2019 allein. Die angefallenen Kosten für die Zeit vom 01.01.2019 bis 31.05.2019 werden von allen Eigentümern nach dem bisherigen angewandten Verteilungsschlüssel getragen. Die Verwaltung wird beauftragt, zu versuchen, die zukünftigen Kosten für den Vertrag zu reduzieren, in dem die Anzahl der Nutzer auf vier verringert wird.“

für ungültig zu erklären.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten tragen vor: Die Beschlussanfechtungsklage sei unzulässig. Aus dem Beschluss zu Tagesordnungspunkt 8 der Eigentümerversammlung vom 29.05.2019 sei unschwer feststellbar, dass die Kosten für den Vertrag nur die verklagten übrigen Eigentümer ab 01.06.2019 allein trügen. Die Kläger seien von dem Beschluss nur insofern betroffen als sie entlastet, nämlich von kostenfrei gestellt würden.

Die Kostenfreistellung müsse inzwischen schon gar nicht mehr durch die Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgen. Vielmehr habe die Firma … inzwischen den Vertrag reduziert auf vier Anschlüsse und den fünften Anschluss der Kläger gesperrt. Die Kläger seien von den gesamten Vorgängen um den Mehrfachanschluss des …-Kabelnetzes überhaupt nicht mehr berührt.

Die vormalige Verwalterin habe nicht den bestehenden Kabelvertrag gekündigt. Dieser Vertrag sei durch einen neuen Vertrag anderen Inhalts ersetzt worden.

Dies habe folgenden Hintergrund:

die Firma … GmbH habe den analogen Fernsehempfang in Boizenburg am 16.01.2019 endgültig eingestellt. Analoger Fernsehempfang sei in Boizenburg nicht mehr möglich. Die vormalige Verwalterin sei im November 2018 darüber informiert worden, dass der analoge Fernsehempfang „zum Jahreswechsel“ eingestellt werde. Ein konkretes Datum sei ihr nicht genannt worden. Die vormalige Verwalterin sei zu dieser Zeit nicht in der Lage gewesen, eine Wohnungseigentümerversammlung einzuberufen. Sie habe daher auf ihre Kompetenz zur Notgeschäftsführung zurückgegriffen und einen neuen Vertrag für den digitalen Radio- und Fernsehempfang abgeschlossen. Gekündigt habe diese im weiteren gar nichts. Vielmehr habe die Firma … GmbH, wie sich aus der Anlage K 2 ergebe, den Einzelnutzervertrag der Kläger zum 31.12.2018 gekündigt. Wäre der Vertrag von … GmbH nicht zum Jahreswechsel gekündigt worden, hätten die Kläger nach Abschaltung des analogen Empfangs spätestens am 17.01.2019 keinen Empfang mehr gehabt.

Die Kläger seien durch den Beschluss vom neunter 20.05.2019, welcher hier angefochten werde, nur insofern betroffen, als sie schon durch diesen Beschluss vollständig entlastet würden. Inzwischen seien auch die übrigen Eigentümer durch die Firma … GmbH vollständig entlastet. Entweder hätten die Kläger inzwischen keinen Fernsehempfang mehr oder hätten, wenn sie weiter über Kabel empfangen wollten, inzwischen einen Einzelnutzervertrag bei … GmbH, der erheblich teurer sei als der Mehrfachnutzervertrag, in welchen sie vor Klageerhebung einbezogen gewesen wären.

Die Kläger wüssten genau, dass der analoge Fernsehempfang am 16.01.2019 eingestellt worden sei. Sie wüssten dies schon deshalb, da sie selbst keinen analogen Fernsehempfang mehr hätten.

Es bleibe dabei, dass die Kläger keinerlei Nachteile hätten.

Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Die Beklagten haben das von ihnen vorgetragene mangelnde Rechtsschutzbedürfnis der Kläger nicht nachgewiesen.

Dieses ergibt sich – entgegen des Vortrags der Beklagten – schon aus dem zu TOP 8 gefassten Beschluss selbst. Zwar zählt dem Beschluss zufolge die im Eigentum der Kläger stehende Wohneinheit Nr. 4 nicht zu den Wohneinheiten, die die Kosten für den Vertrag ab 1.6.2019 tragen. Jedoch sieht der Beschluss vor, dass der Vertrag am bereits am 1.1.2019 beginnt und die angefallenen Kosten für die Zeit vom 1.1.2019 bis 31.5.2019 von allen Eigentümern (also unter Einschluss der Kläger) nach dem bisher angewandten Verteilungsschlüssel getragen werden.

Die Klage ist auch begründet.

Der zum Tagesordnungspunkt 8 gefasste Beschluss der Eigentümerversammlung vom 29.5.2019 ist unwirksam.

Er entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da er gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt, § 21 Abs. 4 WEG.

Der Beschluss über die (nachträgliche) Genehmigung des Abschlusses eines Vertrags mit einer Vertragslaufzeit von fünf Jahren widerspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil der damalige Verwalter nicht mindestens drei Vergleichsangebote (vgl. Heinemann, in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 21 WEG, Rn. 77) eingeholt und den Vertragstext nicht den Eigentümern mit der Einberufung der Eigentümerversammlung übersandt hatte (vgl. Schultzky, in: Jennißen, a.a.O., § 24 WEG, Rn. 56).

Dieser Vertrag durfte von der damaligen Verwalterin auch nicht ohne vorherige Genehmigung der Wohnungseigentümer geschlossen werden. Denn ein TV-Mehrnutzervertrag für eine Wohnungseigentümergemeinschaft als Ersatz für bestehende TV-Einzelnutzerverträge der einzelnen Wohnungseigentümer ist nicht von der Befugnis des Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 2 WEG umfasst; vielmehr unterliegt dies der vorrangigen Geschäftsführungsbefugnis der Wohnungseigentümer gemäß § 21 Abs. 1, 3, 5 Nr. 2 WEG (vgl. AG Düsseldorf ZMR 2012, 585 f.).

Der Abschluss dieses Vertrages war auch nicht von der Vertretungsmacht des – vormaligen – Verwalters nach § 27 Abs. 1 Nr. 3 WEG gedeckt, da hiernach nur Notmaßnahmen erfasst sind, zu denen der Abschluss eines Vertrages mit einer Vertragslaufzeit von 60 Monaten nicht zählt (vgl. Staudinger/Jacoby (2018) WEG § 27, Rn. 74_1). Einer Beweiserhebung über die Frage, ob seitens der Firma … GmbH der analoge Fernsehempfang am 16.1.2019 eingestellt wurde, bedurfte es daher nicht.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Eine abweichende Kostenentscheidung nach § 49 Abs. 2 WEG war vor dem Hintergrund nicht angezeigt, da die Unzumutbarkeit des Abschlusses eines Vertrages mit einer Laufzeit von 60 Monaten in der Rechtsprechung vereinzelt (vgl. LG Hamburg ZMR 2017, 918 f.) auch anders beurteilt wird; vor diesem Hintergrund fehlt es an dem nach § 49 Abs. 2 WEG erforderlichen groben Verschulden des vormaligen Verwalters.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 49 a GKG.

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