Wegen eines Rückstands beim Hausgeld verlangte die WEG von ihrem Mitglied die Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten für die Erstmahnung. Doch die Forderung scheiterte an einem einfachen Beweisproblem: dem Nachweis der Kenntnisnahme über die erhöhten Wohngelder.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten: Wann ist ein Wohnungseigentümer wirklich im Zahlungsverzug?
- Was genau war passiert?
- Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?
- Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?
- Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss ich die Anwaltskosten der WEG für die erste Mahnung wirklich bezahlen?
- Wann muss ich Anwaltskosten für Hausgeldschulden nicht erstatten?
- Wie muss die WEG mir einen neuen Beschluss über die Hausgelderhöhung zustellen?
- Was tun, wenn die WEG Anwaltskosten fordert, obwohl ich sofort bezahlt habe?
- Gilt die digitale Ablage von WEG-Beschlüssen in einer Cloud als rechtliche Zustellung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 980b C 18/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Hamburg–St. Georg
- Datum: 18.09.2025
- Aktenzeichen: 980b C 18/25 WEG
- Verfahren: Forderungsklage auf Schadensersatz
- Rechtsbereiche: Wohnungseigentumsrecht, Schuldrecht (Verzug)
- Das Problem: Eine Wohnungseigentümergemeinschaft forderte von einem Eigentümer die Erstattung der Anwaltskosten, die durch das erste Mahnschreiben entstanden. Der Eigentümer hatte seine rückständigen Hausgelder sofort nach Erhalt des Anwaltsschreibens beglichen, weigerte sich aber, die Kosten zu zahlen.
- Die Rechtsfrage: Muss ein Eigentümer die Anwaltskosten der Gemeinschaft tragen, wenn er zu spät zahlt, aber nachweislich keine Kenntnis von den neuen, erhöhten Forderungsbeträgen hatte?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Klage ab. Ein Eigentümer gerät nicht in Verzug, wenn er die Zahlung aufgrund fehlender Kenntnis über die Höhe der neuen Beträge nicht leisten konnte und dies nicht verschuldet hat.
- Die Bedeutung: Die Kosten für ein erstes anwaltliches Mahnschreiben sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Eigentümer sind nicht verpflichtet, ohne konkrete Mitteilung regelmäßig bei der Verwaltung nach neuen Beschlüssen zu fragen oder Ablagen in einer Cloud zu prüfen.
Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten: Wann ist ein Wohnungseigentümer wirklich im Zahlungsverzug?
Ein Wohnungseigentümer zahlt monatelang zu wenig Hausgeld. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) beauftragt einen Anwalt, der die ausstehende Summe einfordert – und seine eigenen Gebühren gleich mit. Der Eigentümer begleicht zwar umgehend die Schulden, weigert sich aber, die Anwaltskosten zu tragen.

Ein alltäglicher Konflikt, der vor dem Amtsgericht Hamburg–St. Georg landete und in einem aufschlussreichen Urteil vom 18. September 2025 (Az. 980b C 18/25 WEG) eine grundsätzliche Frage klärte: Wann genau gerät ein Eigentümer in Zahlungsverzug, und unter welchen Umständen muss die Gemeinschaft die Kosten für die anwaltliche Erstmahnung selbst tragen? Die Entscheidung offenbart, dass nicht der Versand einer Mitteilung, sondern deren nachweisbare Kenntnisnahme durch den Eigentümer entscheidend ist.
Was genau war passiert?
Der Beklagte ist Mitglied einer Hamburger Gemeinschaft der Wohnungseigentümer und besitzt dort eine Wohnung sowie eine Garage. Bis Ende 2024 zahlte er dafür monatlich ein sogenanntes Wohngeld – also eine Vorauszahlung auf die Betriebs- und Verwaltungskosten – von insgesamt 196,00 Euro. In einer Eigentümerversammlung am 15. Oktober 2024 beschloss die Gemeinschaft, über die neuen Wirtschaftspläne für das Jahr 2025 in einem schriftlichen Umlaufverfahren abzustimmen.
Die Hausverwaltung setzte diesen Beschluss um und versandte am 23. Dezember 2024 die entsprechenden Abstimmungsunterlagen an alle Eigentümer. Das Ergebnis des Umlaufbeschlusses war eine deutliche Erhöhung des Wohngeldes: Ab dem 1. Januar 2025 sollte der Eigentümer monatlich 420,25 Euro zahlen. In dem Begleitschreiben verwies die Verwaltung zudem auf weiterführende Informationen in einer Cloud, für deren Zugriff eine Registrierung notwendig war.
Der betroffene Eigentümer zahlte jedoch von Januar bis Anfang März 2025 weiterhin nur den alten Betrag. Dadurch entstand ein Rückstand von 672,75 Euro. Die GdWE fackelte nicht lange und beauftragte am 6. März 2025 einen Rechtsanwalt. Dieser forderte den Eigentümer schriftlich auf, den Rückstand bis zum 21. März zu begleichen und zusätzlich die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 159,94 Euro zu erstatten.
Die Reaktion des Eigentümers kam prompt: Er überwies die fehlenden 672,75 Euro, verweigerte aber die Zahlung der Anwaltsgebühren. Er argumentierte, das Schreiben der Verwaltung vom 23. Dezember 2024 habe ihn nie erreicht. Erst durch das Anwaltsschreiben habe er von der Erhöhung des Wohngeldes erfahren. Die GdWE sah das anders und zog vor Gericht, um die Anwaltskosten einzuklagen. Sie war der Ansicht, der Eigentümer sei seiner Pflicht zur Zahlung nicht nachgekommen und müsse daher den entstandenen Schaden – die Anwaltskosten – ersetzen.
Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?
Im Zentrum dieses Falles steht der juristische Begriff des Schuldnerverzugs. Er ist die entscheidende Voraussetzung dafür, dass ein Gläubiger – hier die GdWE – die Kosten für die Rechtsverfolgung als Schaden ersetzt verlangen kann.
- Der Verzug nach § 286 BGB: Ein Schuldner gerät in Verzug, wenn er eine fällige Leistung trotz Mahnung nicht erbringt. Eine Mahnung ist unter bestimmten Umständen entbehrlich, etwa wenn für die Zahlung eine feste Kalenderzeit bestimmt ist (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB), was bei monatlichen Wohngeldzahlungen typischerweise der Fall ist. Die Folge des Verzugs ist unter anderem die Pflicht, den sogenannten Verzugsschaden zu ersetzen (§ 280 Abs. 1 und 2 BGB). Dazu können auch die Kosten für einen Rechtsanwalt zählen.
- Verzug nur bei Verschulden (§ 286 Abs. 4 BGB): Dies ist die entscheidende Einschränkung und der Dreh- und Angelpunkt des Urteils. Ein Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Vereinfacht gesagt: Wer ohne eigenes Verschulden nicht zahlen kann, weil er beispielsweise die Höhe der Schuld gar nicht kennt, gerät auch nicht in Verzug.
- Der Umlaufbeschluss im WEG-Recht (§ 23 Abs. 3 WEG): Dieser Paragraph erlaubt es Wohnungseigentümern, Beschlüsse auch ohne eine Versammlung schriftlich zu fassen. Ein solcher Beschluss wird jedoch erst wirksam, wenn das Ergebnis festgestellt und den Eigentümern mitgeteilt wird. Wie diese „Mitteilung“ auszusehen hat, war eine der Kernfragen des Verfahrens.
Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?
Das Amtsgericht Hamburg–St. Georg wies die Klage der Eigentümergemeinschaft vollständig ab. Die Richter kamen zu dem Schluss, dass der Wohnungseigentümer zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung nicht in Verzug war und die GdWE daher keinen Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten hat. Die Begründung folgt einer klaren und für die Praxis bedeutsamen Logik.
Kein Verzug ohne Verschulden: Warum fehlendes Wissen den Eigentümer schützte
Das Gericht stellte den Grundsatz des § 286 Abs. 4 BGB in den Mittelpunkt: Ohne Verschulden kein Verzug. Der Eigentümer hatte glaubhaft dargelegt, dass er von der Erhöhung des Wohngeldes keine Kenntnis hatte. Er zahlte weiterhin den ihm bekannten, alten Betrag. Da ihm die Information über die neue, höhere Zahlungspflicht fehlte, konnte er diese objektiv nicht erfüllen. Das Gericht sah hierin einen Umstand, den der Eigentümer nicht zu vertreten hatte. Die Folge: Ein Verzug war bis zum Erhalt des anwaltlichen Schreibens, das ihn erstmals über die neuen Beträge informierte, nicht eingetreten. Da er die Forderung danach unverzüglich beglich, lag zu keinem Zeitpunkt ein schuldhafter Zahlungsverzug vor.
Die Grenzen der Mitteilung: Warum ein versandter Brief kein angekommener Brief ist
Die GdWE argumentierte, sie habe ihre Pflicht erfüllt, indem die Verwaltung das Schreiben vom 23. Dezember 2024 an alle Eigentümer versandt habe. Es habe keine Rückläufer gegeben, und andere Eigentümer hätten das Schreiben ja offensichtlich erhalten, da sie die neuen Beträge zahlten. Dieses Argument ließ das Gericht nicht gelten. Es stellte klar, dass der Zugang einer Mitteilung ein individueller Vorgang ist. Die Tatsache, dass eine Sendung bei anderen ankommt, beweist nicht, dass sie auch den konkreten Adressaten erreicht hat. Die Beweislast für den Zugang liegt im Streitfall beim Absender – also bei der GdWE. Da sie den Zugang des Schreibens beim Beklagten nicht nachweisen konnte, musste das Gericht davon ausgehen, dass er die Information nicht erhalten hatte.
Digitale Ablage vs. aktive Information: Wieso die Cloud keine Bringschuld begründet
Auch der Verweis der Verwaltung auf zusätzliche Informationen in einer Cloud änderte nichts an der Bewertung des Gerichts. Die Richter machten deutlich, dass die bloße Bereitstellung von Dokumenten in einem digitalen Speicher keine aktive Mitteilungspflicht ersetzt. Ein Wohnungseigentümer ist nicht verpflichtet, regelmäßig und ohne konkreten Anlass eine Cloud zu durchsuchen, um sich über mögliche neue Beschlüsse zu informieren. Eine solche Pflicht könnte nur dann entstehen, wenn eine automatisierte Benachrichtigung über neue Uploads eingerichtet wäre – was die GdWE hier aber nicht nachweisen konnte. Der Hinweis auf die Cloud war somit rechtlich unbeachtlich.
Keine allgemeine Erkundigungspflicht für Eigentümer
Schließlich verwarf das Gericht das Argument der Klägerin, der Eigentümer hätte eine besondere Erkundigungspflicht gehabt. Die GdWE meinte, da in der Versammlung im Oktober 2024 ein Umlaufverfahren für den Wirtschaftsplan angekündigt wurde, hätte der Eigentümer proaktiv bei der Verwaltung nachfragen müssen. Dem widersprachen die Richter deutlich. Die Ankündigung eines möglichen Verfahrens begründet keine Pflicht des Eigentümers, sich fortlaufend über dessen Status zu erkundigen. Es liegt allein in der Verantwortung der Verwaltung, das Ergebnis eines Beschlusses aktiv und nachweisbar an alle Eigentümer zu kommunizieren.
Zusammenfassend stellte das Gericht fest: Da zum Zeitpunkt der anwaltlichen Beauftragung kein Verzug vorlag, war die Einschaltung des Anwalts eine verfrühte Maßnahme. Die dadurch entstandenen Kosten können nicht als Verzugsschaden auf den Eigentümer abgewälzt werden. Die Klage war daher unbegründet.
Was bedeutet das Urteil jetzt für Sie?
Die Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg–St. Georg hat erhebliche praktische Bedeutung für das Verhältnis zwischen WEG-Verwaltungen und Wohnungseigentümern. Sie schärft die Anforderungen an eine saubere Kommunikation und zeigt die Grenzen der Kostenerstattung auf.
Checkliste für WEG-Verwaltungen und Verwaltungsbeiräte
- Nachweisbaren Versand sicherstellen: Verlassen Sie sich bei wichtigen, kostenrelevanten Beschlüssen (wie Wirtschaftsplänen) nicht auf den einfachen Briefversand. Nutzen Sie für die Mitteilung des Beschlussergebnisses eine nachweisbare Zustellungsform, z.B. ein Einschreiben mit Rückschein oder den Versand per Gerichtsvollzieher.
- Kommunikationswege klar regeln: Wenn Sie digitale Plattformen wie eine Cloud nutzen, regeln Sie in der Gemeinschaftsordnung oder durch Beschluss klar, wie die Benachrichtigung über neue Dokumente erfolgt und ob diese Form der Zustellung als ausreichend anerkannt wird.
- Erst mahnen, dann Anwalt einschalten: Auch wenn bei Wohngeldern rechtlich ein Verzug ohne Mahnung eintreten kann, ist es kaufmännisch und juristisch klüger, bei ausbleibenden Zahlungen zunächst eine einfache, kostenfreie Zahlungserinnerung zu versenden. Das vermeidet teure Rechtsstreitigkeiten über die Erstattung von Anwaltskosten, wenn der Eigentümer die fehlende Kenntnis einwendet.
- Anwaltskosten für Erstmahnung vermeiden: Die Beauftragung eines Anwalts allein für eine Erstmahnung ist riskant. Gerichte sehen dies oft als nicht erforderlich an. Die Kosten dafür sind in der Regel nur erstattungsfähig, wenn der Schuldner bereits nachweislich in Verzug ist.
Checkliste für Wohnungseigentümer
- Kontaktdaten aktuell halten: Stellen Sie sicher, dass Ihre Hausverwaltung immer über Ihre korrekte und aktuelle Postanschrift sowie E-Mail-Adresse verfügt. Dokumentieren Sie die Mitteilung von Adressänderungen.
- Protokolle prüfen: Nehmen Sie an Eigentümerversammlungen teil oder lesen Sie sich die Protokolle aufmerksam durch. So sind Sie über anstehende Beschlüsse wie Umlaufverfahren informiert.
- Bei Unklarheiten aktiv nachfragen: Wenn Sie den Eindruck haben, eine Information (z.B. zum neuen Wirtschaftsplan) fehle Ihnen, fragen Sie proaktiv bei der Verwaltung nach. Dokumentieren Sie Ihre Anfrage schriftlich.
- Auf Anwaltsschreiben sofort reagieren: Erhalten Sie ein anwaltliches Mahnschreiben, prüfen Sie den Sachverhalt umgehend. Wenn die Hauptforderung berechtigt ist, begleichen Sie diese sofort, um weitere Kosten zu vermeiden. Der strittige Punkt der Anwaltsgebühren kann separat geklärt werden, wie dieser Fall zeigt.
Die Urteilslogik
Die Möglichkeit, Anwaltskosten als Verzugsschaden geltend zu machen, hängt zwingend vom nachweisbaren Verschulden des Schuldners ab.
- Kenntnis schafft Verzug: Ein Schuldner gerät nicht in Zahlungsverzug, wenn ihm die Kenntnis über die Höhe der fälligen Leistung ohne eigenes Verschulden fehlt.
- Der Absender trägt die Beweislast: Wer eine verbindliche Zahlungspflicht mitteilt, muss im Streitfall den tatsächlichen Zugang der Information beim Empfänger zweifelsfrei nachweisen.
- Passive Bereitstellung ersetzt keine aktive Mitteilung: Die bloße digitale Hinterlegung von Dokumenten in einem digitalen Speicher erfüllt die aktive Mitteilungspflicht gegenüber einem Eigentümer nicht.
Die Gerichte schützen den Schuldner, solange der Gläubiger die lückenlose und nachweisbare Informationskette nicht sicherstellt.
Benötigen Sie Hilfe?
Müssen Sie die vorgerichtlichen Anwaltskosten der WEG tatsächlich tragen? Kontaktieren Sie uns für eine professionelle Einschätzung Ihrer rechtlichen Erfolgsaussichten.
Experten Kommentar
Viele Verwaltungen verlassen sich auf den einfachen Postweg, um höhere Hausgelder mitzuteilen – doch wer beweisen will, dass die Forderung dem Eigentümer bekannt war, muss auch den Zugang nachweisen. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie: Die Gemeinschaft kann die Kosten für die anwaltliche Erstmahnung nur dann erfolgreich auf den Eigentümer abwälzen, wenn dieser verschuldet in Verzug geraten ist. Fehlt der Zugangsnachweis für den Beschluss, fehlt das nötige Verschulden, und die Beauftragung des Anwalts war schlicht verfrüht. Wer als WEG also seine vorgerichtlichen Anwaltskosten erstattet haben will, muss bei wichtigen Beschlüssen konsequent auf nachweisbare Zustellungswege wie das Einschreiben setzen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss ich die Anwaltskosten der WEG für die erste Mahnung wirklich bezahlen?
Nein, das müssen Sie nicht zwingend. Anwaltskosten gelten als Verzugsschaden und sind nur erstattungsfähig, wenn Sie nachweislich vor der Beauftragung des Anwalts in schuldhaftem Verzug waren. Wenn Ihnen die Mitteilung über die erhöhten Hausgelder fehlte, fehlt das notwendige Verschulden für den Verzug, da Sie die korrekte Schuldhöhe nicht kennen konnten. Die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) trägt die Beweislast dafür, dass die Information Sie rechtzeitig erreicht hat.
Ein schuldhafter Verzug ist die zwingende Voraussetzung für die Forderung von Schadensersatz, wozu die Anwaltsgebühren zählen. Sie geraten nur dann in Verzug, wenn Sie die Nichtzahlung nach den gesetzlichen Bestimmungen zu vertreten haben (§ 286 Abs. 4 BGB). Konnten Sie die neue Zahlungspflicht nicht erfüllen, weil die Verwaltung Ihnen die neue Schuldhöhe nicht nachweisbar zustellte, können Sie das Ausbleiben der Leistung nicht vertreten. Ohne dieses Verschulden ist die Einschaltung des Anwalts rechtlich betrachtet eine verfrühte Maßnahme der WEG selbst.
Nehmen wir an: Die WEG schaltet den Anwalt ein, obwohl Sie erst durch dessen Schreiben von den erhöhten Beträgen erfuhren. Ein Verzug war bis zum Erhalt des anwaltlichen Schreibens, das Sie erstmals über die neuen Beträge informierte, noch nicht eingetreten. Da die WEG den Zugang der Mitteilung beweisen muss, aber oft nur einen einfachen Briefversand vorweisen kann, gelingt der Nachweis des Verzugs nur selten. Ist der Zugang nicht bewiesen, müssen Sie die entstandenen Anwaltskosten nicht übernehmen.
Begleichen Sie die unstrittige Hausgeldschuld schnellstmöglich, aber lehnen Sie die Anwaltskosten schriftlich ab, indem Sie auf das fehlende Verschulden hinweisen. Diese allgemeinen Informationen ersetzen keine individuelle Rechtsberatung.
Wann muss ich Anwaltskosten für Hausgeldschulden nicht erstatten?
Die Erstattungspflicht entfällt, wenn Sie die Forderung der WEG nicht zu vertreten haben. Entscheidend ist der Nachweis, dass Ihnen die geänderte oder erhöhte Schuldhöhe unbekannt war. Ohne dieses Wissen liegt gemäß § 286 Abs. 4 BGB kein juristisches Verschulden vor. Da Anwaltskosten ausschließlich als Verzugsschaden entstehen, müssen Sie diese Kosten nicht übernehmen, wenn kein rechtzeitiger Verzug vorlag.
Der juristische Verzug tritt nur ein, wenn Sie die Leistung schuldhaft unterlassen haben. Das bedeutet, die WEG muss beweisen, dass Ihnen die Mitteilung über den Beschluss, der die Hausgelderhöhung festlegte, nachweisbar zugegangen ist. Konnte die Verwaltung den individuellen Zugang dieser Information nicht belegen, konnten Sie die höhere Summe objektiv nicht zahlen. Damit fehlt das Verschulden, und die Grundlage für den Verzugsschaden (die Anwaltskosten) entfällt.
Ihre Pflicht als Wohnungseigentümer beinhaltet außerdem keine allgemeine Erkundigungspflicht. Sie müssen nicht proaktiv bei der Verwaltung nach dem Status von Beschlüssen fragen, die Ihre Zahlungen betreffen. Die Verwaltung handelt verfrüht, wenn sie einen Anwalt einschaltet, bevor der Verzug durch die nachweisbare Kenntnisnahme des neuen Beschlusses eintreten konnte. Die Kosten für diese voreilige Einschaltung muss die Eigentümergemeinschaft in der Regel selbst tragen.
Fordern Sie von der WEG schriftlich den konkreten Nachweis (zum Beispiel eine Kopie des Rückscheins) über den individuellen Zugang des Beschlussdokuments, das die Erhöhung festlegte.
Wie muss die WEG mir einen neuen Beschluss über die Hausgelderhöhung zustellen?
Der bloße Versand eines Beschlusses durch die Verwaltung genügt nicht, um eine erhöhte Zahlungspflicht wirksam zu machen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (WEG) trägt die volle Beweislast und muss den individuellen Zugang des Dokuments bei jedem einzelnen Eigentümer nachweisen. Ein einfacher Brief reicht dafür nicht aus, denn er bietet keinen Beleg für die tatsächliche Zustellung beim Adressaten.
Die Regel: Ein Beschluss, der eine höhere Zahlungspflicht wie die Hausgelderhöhung auslöst, wird erst wirksam, wenn das Ergebnis dem Eigentümer nachweisbar mitgeteilt wurde (§ 23 Abs. 3 WEG). Die WEG als Absender muss im Streitfall beweisen, dass Sie als Empfänger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatten. Wenn die Verwaltung lediglich behauptet, der Brief sei verschickt worden, ohne dies belegen zu können, ist die Zustellung juristisch angreifbar.
Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, muss die WEG eine Zustellform wählen, die einen unzweifelhaften Nachweis erbringt. Dazu gehören Zustellungen per Einschreiben mit Rückschein oder über einen Gerichtsvollzieher. Die Tatsache, dass alle anderen Eigentümer das Dokument erhalten und die neue Höhe gezahlt haben, ist für Ihren Einzelfall unerheblich. Eine nicht bewiesene Zustellung verhindert den Eintritt eines schuldhaften Zahlungsverzugs.
Überprüfen Sie umgehend Ihre Gemeinschaftsordnung, ob dort spezifische, nachweisbare Kommunikationswege für beschlussrelevante Mitteilungen definiert wurden.
Was tun, wenn die WEG Anwaltskosten fordert, obwohl ich sofort bezahlt habe?
Reagieren Sie sofort und weisen Sie die Forderung nach den Anwaltskosten schriftlich zurück. Ihre sofortige Begleichung der Hauptschuld, nachdem Sie durch den Anwalt erstmals über die korrekte Höhe informiert wurden, beweist Ihren Zahlungswillen. Dadurch entkräften Sie das zentrale Argument der WEG: dass Sie schuldhaft in Zahlungsverzug geraten sind.
Anwaltsgebühren gelten als Verzugsschaden und müssen nur ersetzt werden, wenn Sie vor der Beauftragung des Anwalts schuldhaft in Verzug waren. Weil die WEG Ihnen die Erhöhung des Hausgeldes nicht nachweisbar zustellen konnte, fehlte Ihnen die Kenntnis der Schuld. Ohne dieses Wissen fehlt Ihnen das notwendige Verschulden, was die Grundlage für den Verzug gemäß § 286 Abs. 4 BGB entzieht. Die Einschaltung des Anwalts war somit eine verfrühte Maßnahme, deren Kosten die Gemeinschaft selbst tragen muss.
In diesem Fall fungierte das anwaltliche Schreiben de facto als erste wirksame Mitteilung der Forderungshöhe. Da Sie die Hauptforderung unverzüglich nach Erhalt bezahlt haben, war der Zweck der Mahnung erfüllt, die Kosten waren jedoch nicht gerechtfertigt, weil der fehlende Verzug bestand. Verfassen Sie daher ein formelles Antwortschreiben an die Kanzlei, um die Zahlung der Anwaltsgebühren explizit abzulehnen.
Senden Sie der Kanzlei ein Antwortschreiben mit dem Betreff „Zurückweisung der Kostenforderung – Fehlender Verzug nach § 286 Abs. 4 BGB“.
Gilt die digitale Ablage von WEG-Beschlüssen in einer Cloud als rechtliche Zustellung?
Nein, die passive Ablage von WEG-Beschlüssen in einem digitalen Speicher ersetzt nicht die aktive Informationspflicht der Verwaltung. Wohnungseigentümer sind nicht verpflichtet, ohne konkreten Anlass ständig digitale Plattformen nach neuen Dokumenten zu durchsuchen. Die Verwaltung trägt die Verantwortung für die nachweisbare Mitteilung des Beschlussergebnisses.
Gerichte betonen, dass die Verwaltung eine sogenannte aktive Bringschuld hat. Sie muss den individuellen Zugang des Beschlusses beim Eigentümer beweisen. Die bloße Bereitstellung von Dokumenten im Internet erfüllt diese Pflicht nicht, da sie lediglich eine Holschuld beim Eigentümer erzeugt. Ohne eine klare, nachweisbare Mitteilung fehlt dem Eigentümer die Kenntnis über die Statusänderung des Beschlusses, was einen schuldhaften Verzug verhindert.
Die Cloud-Ablage wäre nur dann juristisch wirksam, wenn die Gemeinschaft zusätzlich eine automatisierte Benachrichtigung über neue Uploads eingerichtet und den Zustellungsnachweis dieser Benachrichtigung erbringen könnte. Ohne diesen Nachweis lehnen Richter die Annahme ab, dass Eigentümer proaktiv die digitale Plattform nach wichtigen Informationen durchsuchen müssen. Eine allgemeine Scan-Pflicht für Eigentümer, sich fortlaufend über den Status von WEG-Beschlüssen zu informieren, existiert nicht.
Nutzen Sie digitale Services, fordern Sie von Ihrer Verwaltung immer eine klare, schriftliche Regelung über die rechtsverbindliche Akzeptanz dieser Ablageform als offizielle Mitteilung.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beweislast
Die Beweislast bestimmt im Zivilprozess, welche Partei die tatsächlichen Voraussetzungen für eine ihr günstige Rechtsfolge nachweisen muss. Das Gesetz legt damit fest, wer das Risiko trägt, wenn eine Tatsache (zum Beispiel der Zugang eines Briefes) vor Gericht nicht geklärt werden kann; wer sich auf eine Tatsache beruft, muss diese in der Regel beweisen.
Beispiel: Im Streit um die Anwaltskosten trug die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Beweislast dafür, dass der Beschluss zur Erhöhung des Hausgeldes dem Eigentümer tatsächlich zugegangen war.
Umlaufbeschluss
Ein Umlaufbeschluss ist eine Regelung im Wohnungseigentumsrecht, die es der Gemeinschaft ermöglicht, über bestimmte Angelegenheiten schriftlich abzustimmen, ohne physisch eine Versammlung abhalten zu müssen. Diese Verfahrensweise nach § 23 Abs. 3 WEG soll die Entscheidungsfindung erleichtern und beschleunigen; der Beschluss ist allerdings erst wirksam, wenn das Ergebnis allen Eigentümern nachweisbar mitgeteilt wird.
Beispiel: Die Eigentümergemeinschaft fasste im vorliegenden Fall den Beschluss zur Erhöhung des Wohngeldes mittels eines Umlaufbeschlusses, dessen Ergebnis die Hausverwaltung anschließend aktiv kommunizieren musste.
Verschulden
Juristen verstehen unter Verschulden das subjektive Vertretenmüssen einer Pflichtverletzung, was in der Regel Vorsatz oder Fahrlässigkeit umfasst. Dieses Prinzip ist essenziell im Schadensersatzrecht, denn nur wer die Nichtleistung zu vertreten hat, kann in schuldhaften Verzug geraten und muss den daraus resultierenden Schaden ersetzen (§ 286 Abs. 4 BGB).
Beispiel: Da der Eigentümer ohne Verschulden keine Kenntnis von der neuen Hausgeldhöhe hatte, konnte er die höhere Zahlungspflicht objektiv nicht erfüllen.
Verzugsschaden
Der Verzugsschaden bezeichnet alle zusätzlichen Kosten, die einem Gläubiger dadurch entstehen, dass der Schuldner eine fällige Leistung nicht rechtzeitig erbringt (im Sinne des § 280 BGB). Durch diese Regelung soll der Gläubiger so gestellt werden, als wäre die Leistung pünktlich erfolgt, wobei die Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung oft zum Verzugsschaden zählen.
Beispiel: Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klagte die vorgerichtlichen Anwaltskosten als Verzugsschaden ein, weil sie der Auffassung war, der Eigentümer sei seiner Zahlungspflicht nicht nachgekommen.
Vorgerichtliche Anwaltskosten
Diese Kosten sind die Gebühren, die der Anwalt für eine außergerichtliche Tätigkeit (zum Beispiel eine Mahnung oder ein Forderungsschreiben) berechnet, bevor eine Klage bei Gericht eingereicht wird. Die Geltendmachung vorgerichtlicher Anwaltskosten setzt zwingend voraus, dass der Schuldner bereits in Zahlungsverzug war, als die Kanzlei beauftragt wurde.
Beispiel: Die Richter mussten klären, ob der Eigentümer die vorgerichtlichen Anwaltskosten für die erste Zahlungsaufforderung tragen musste, obwohl er die Hauptforderung nach Erhalt des Schreibens sofort beglich.
Zahlungsverzug
Zahlungsverzug liegt vor, wenn ein Schuldner eine fällige und mahnfähige Geldleistung trotz Fälligkeit nicht erbringt und die Verzögerung der Zahlung zu vertreten hat (§ 286 BGB). Der Verzugseintritt markiert den Zeitpunkt, ab dem der Schuldner haftet und dem Gläubiger den sogenannten Verzugsschaden (wie Zinsen oder Anwaltskosten) ersetzen muss.
Beispiel: Ein schuldhafter Zahlungsverzug lag in diesem Fall nicht vor, da der Wohnungseigentümer die Erhöhung des Wohngeldes ohne eigenes Verschulden nicht zur Kenntnis nehmen konnte.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg-St. Georg – Az.: 980b C 18/25 WEG – Endurteil vom 18.08.2025
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.


