LG Berlin, Az.: 65 S 201/10, Urteil vom 01.03.2011
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neukölln vom 22. April 2010 – 10 C 229/09 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2, 544 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
II.
1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist begründet. Die der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen eine andere Entscheidung, §§ 513, 529, 546 ZPO.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung des Kautionsbetrages einschließlich Anlagezinsen in Höhe von 773,42 € aus §§ 812 Abs. 1, 551BGB i. V. m. § 22 des Mietvertrages vom 17. Dezember 2001. Der Geltendmachung des Anspruchs steht dauerhaft die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen, § 214 Abs. 1 BGB.
Der Lauf der Verjährung begann gemäß § 199 BGB mit dem 31. Dezember 2005 und endete gemäß § 195 BGB mit Ablauf des 31. Dezember 2008.
Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder – ohne grobe Fahrlässigkeit – erlangen müsste .
a) Ein Anspruch ist im Sinne des § 199 BGB entstanden, sobald er geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Aufschiebend bedingte Ansprüche entstehen mit dem Eintritt der Bedingung (Grothe in MünchKommBGB, 5. Auflage, 2006 § 199 Rn. 4, 6).
Der Mieter erwirbt mit Leistung der Sicherheit nach allgemeiner Ansicht einen aufschiebend bedingten Anspruch auf ihre Rückgewähr. Die Bedingung tritt ein, wenn der Mieter die Mietsache zurückgegeben hat. Der Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters ist ab diesem Zeitpunkt erfüllbar, aber noch nicht fällig. Er wird fällig, wenn der Vermieter übersehen kann, ob er zur Befriedigung seiner Ansprüche auf die Kaution zurückgreifen muss (vgl. BGH Urteil v. 18.01.2006 – VIII ZR 71/05 – Rn. 9; Urteil v. 24.03.1999 – XII ZR 124/97 in NJW 1999, 1857; Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., 2008, § 551 Rn. 8, m. w. N.; Bieber in MünchKommBGB, 5. Aufl., 2008, § 551 Rn. 29, jew zit. nach beck-online; Riecke in Miet- und Wohnungseigentumsrecht, 2008, Kap. 7 Rn. 133f.). Dem ist der Gesetzgeber der Mietrechtsreform ausdrücklich gefolgt. Er hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch davon abgesehen, eine Rückzahlungsfrist gesetzlich festzulegen, denn die Frage, welche Überlegungs- und Prüfungsfrist dem Vermieter zuzubilligen ist, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates in BT-Ds. 14/4553, S. 99).
Nach diesen Maßstäben ist die Bedingung für die Erfüllbarkeit des Kautionsrückzahlungsanspruchs mit Rückgabe der Mietsache am 31. Mai 2005 eingetreten. Fällig wurde der Anspruch der Klägerin spätestens nach Ablauf von sechs Monaten ab diesem Zeitpunkt, also mit Ablauf des 30. November 2005.
Hinsichtlich der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs haben die Parteien in § 22 des Mietvertrages eine zulässige Vereinbarung über die Abrechnungsfrist getroffen. Soweit das Amtsgericht die Klausel zu Lasten der Mieterin dahin ausgelegt hat, dass der Vermieter im Zweifel mit der Abrechnung über die Kaution generell zuwarten und den gesamten Kautionsbetrag zurückhalten könne, findet dies weder im Wortlaut noch in § 305c Abs. 2 BGB oder den ergänzend heranzuziehenden allgemeinen Grundsätzen zum Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters eine Stütze.
Der Begriff der „Reserve“ umschreibt bereits dem Wortsinn eine Rücklage, d. h. den Einbehalt eines Teilbetrages, nicht aber des gesamten Kautionsbetrages. Diesem Verständnis entgegen steht zudem, dass die Klausel durch Satzstellung und Wortlaut eindeutig die Verpflichtung des Vermieters ausspricht, innerhalb von 6 Monaten abzurechnen. Der Einbehalt einer Reserve ist als Ausnahme formuliert.
Selbst wenn die Regelung insoweit unklar wäre, so würden etwaige Unklarheiten zu Lasten des Verwenders gehen, hier des Vermieters, nicht aber der Mieterin, § 305c Abs. 2 BGB. Die Klägerin hätte auf der Grundlage der mietvertraglichen Vereinbarung sechs Monate nach Rückgabe der Mietsache, d. h. ab dem 1. Dezember 2005 einen Abrechnungs- und Kautionsrückzahlungsanspruch erfolgreich durchsetzen können.
Selbst wenn die Rechtsauffassung der Klägerin zur Unwirksamkeit der Klausel unterstellt würde, ergäbe sich keine andere rechtliche Bewertung.
Welche Abrechnungs- und Prüfungsfrist dem Vermieter als angemessen zuzubilligen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Allgemeinen, d. h. für den Fall, dass keine besonderen Umstände gegeben sind, wird dem Vermieter eine Frist von zwei bis sechs Monaten zugebilligt (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, 2011, § 551 Rn. 97f.). Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts muss der Mieter nicht generell abwarten, bis die Frist zur Erteilung der Betriebskostenabrechnung abgelaufen ist. Dies liefe darauf hinaus, dass der Mieter bei Vereinbarung von Betriebskostenvorauszahlungen nie vor Ablauf eines weiteren Jahres die Mietkaution zurückfordern könnte, § 556 Abs. 3 BGB. Angesichts des Umstandes, dass sich die Höhe der Vorauszahlungen an den voraussichtlich anfallenden Kosten zu orientieren hat, ist eine so weit gehende einseitige Bevorzugung des Sicherungsinteresses des Vermieters weder angemessen noch berechtigt. Die Auffassung widerspricht zudem ersichtlich der Intention des Gesetzgebers sowie den von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätzen. Die vom Gesetz gewünschte zügige Auseinandersetzung der wechselseitigen Ansprüche (vgl. auch § 548 BGB) wird dadurch ohne sachlichen Grund verzögert und die einzelfallorientierte, regelmäßig kürzere Prüfungsfrist des Vermieters letztlich auf die Jahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB ausgedehnt, dies einseitig zu Lasten des Mieters, der häufig auf die baldige Rückzahlung der Kaution angewiesen ist (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage, 2011, § 551 Rn. 99, m. w. N.).
b) Die Entstehung des Rückzahlungsanspruchs des Mieters, der den Bezugspunkt des § 199 Abs. 1 BGB bildet, hängt entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht etwa von der tatsächlichen Erteilung der Abrechnung durch den Vermieter ab. Dies würde bedeuten, dass der Zeitpunkt, von dem an der Mieter die Rückzahlung verlangen und gegebenenfalls gerichtlich durchsetzen kann, in das Belieben des Vermieters gestellt würde. Auch dies widerspricht dem Ansatz des Gesetzgebers und den in Rechtsprechung sowie Literatur entwickelten Grundsätzen, die zu Recht allein an den Ablauf einer Prüfungs- und Überlegungsfrist, nicht aber an die tatsächliche Abrechnung anknüpfen.
c) Da die Klägerin auch Kenntnis von den Anspruch begründenden Tatsachen und der Person des Schuldners hatte, liegen auch weiteren Voraussetzungen des § 199 BGB vor.
d) Der Erhebung der Einrede der Verjährung durch den Beklagten steht auch nicht etwa § 242 BGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Selbst wenn dem Beklagten vertragswidriges Verhalten wegen einer Überschreitung der in § 22 des Mietvertrages vereinbarten Frist zur Last gelegt würde, ist es ihm nicht verwehrt, sich auf die zu einem früheren Zeitpunkt eingetretene Fälligkeit des Abrechnungs- und Rückzahlungsanspruchs der Klägerin zu berufen. Es gibt – abgesehen von schwer wiegenden Ausnahmefällen – keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass nur der Rechte geltend machen kann, der sich selbst rechtstreu verhält. Unabhängig davon fehlt es hier ersichtlich an einem Ursachenzusammenhang. Über die Kaution wurde bereits im Februar 2006 abgerechnet. Die Beklagte hatte vor Eintritt der Verjährung mehr als zwei Jahre Zeit, ihren Anspruch gerichtlich geltend zu machen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, denn die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht die Entscheidung des Revisionsgerichts.