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Fehlerhafte Ladung zur Eigentümerversammlung führt zu ungültigen Beschlüssen

LG Frankfurt/Main – Az.: 2-13 S 38/21 – Urteil vom 15.09.2022

In dem Rechtsstreit hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2022 für Recht erkannt:

1. Die Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf bis 16.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt mit ihrer gegen die übrigen Wohnungseigentümer der WEG gerichteten Anfechtungsklage die (Teil-)Ungültigerklärung verschiedener auf der Versammlung vom 29.10.2020 gefasster Beschlüsse.

Das Amtsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Wegen der Begründung der Entscheidung sowie der tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Zu ergänzen ist, dass die Verwalterin mit Schreiben vom 08.10.2020 zur Versammlung eingeladen hatte. Wegen des Inhalts des Einladungsschreibens, insbesondere der ihm beiliegenden „Informationen zur Durchführung der Eigentümerversammlung“, der Tagesordnung und der Vollmachtsvordrucke wird auf die Anlage … Bezug genommen. Die Versammlung fand an einem Wochentag, um 10.00 Uhr, im Büro der Verwaltung statt, welches sich ca. 20 km von der Liegenschaft entfernt befindet. In der Einladung wurde aufgrund der Corona-Situation gebeten, nicht persönlich zu erscheinen und ein vorbereitetes Vollmachtsformular zu nutzen. … Einem Eigentümer hatte die Verwalterin unter dem 20.10.2020 mitgeteilt, dass die Versammlung ein reines Abfragen von Abstimmverhalten sein werde.

Mit ihrer Berufung wenden sich die Beklagten gegen das Urteil und begehren unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils Klageabweisung. Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.

II.

Im Ergebnis zu Recht hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen, weshalb die zulässige Berufung keinen Erfolg haben konnte.

1. Das Verfahren ist nach dem bisherigen Verfahrensrecht – gegen die übrigen Eigentümer – weiter zu führen (§ 48 Abs. 5 WEG), dies obschon die Klage erst nach dem 01.12.2020 zugestellt wurde. Denn es kommt entscheidend allein auf die Anhängigkeit, also den Klageeingang bei Gericht an (BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 48 Rn. 24); eingegangen ist die Klage hier vor dem 01.12.2020, nämlich am 27.11.2020.

2. Durch die WEG-Reform 2020 ist, entgegen der Auffassung der Berufung, auch für die Abrechnungsbeschlüsse das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht entfallen. Die Frage, ob Beschlüsse, für welche nach dem neuen Recht keine umfassende Beschlusskompetenz mehr besteht (wie hier die Beschlüsse über die Genehmigung der Abrechnung und des Wirtschaftsplans), da dem neuen Recht eine Übergangsvorschrift nicht zu entnehmen ist (vgl. BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 47 Rn. 3), mit Inkrafttreten des WEMoG (teil-)ungültig werden, kann dahinstehen. Denn es ergäbe sich allenfalls eine Unwirksamkeit ex nunc mit Inkrafttreten der Reform, jedoch keine rückwirkende Unwirksamkeit ex tunc. Steht aber jedenfalls noch die Wirksamkeit vor Inkrafttreten des WEMoG in Frage, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, solange Auswirkungen der Beschlussanfechtung auf Folgeprozesse nicht sicher auszuschließen sind (vgl. BGH NJW 2011, 2660), auch hier ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis anzunehmen.

3. In der Sache sind die angefochtenen Beschlüsse nicht nichtig. Ein etwaiger, hier aber schon nicht zu erkennender, Verstoß gegen landesrechtliche Corona-Schutz-VO würde nicht zur Beschlussnichtigkeit führen. Eine Ungültigerklärung auf dieser Grundlage scheidet aus, weil die Klägerin diese Rüge nicht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist des § 45 WEG geltend gemacht (zur CoronaSchutzVO Hessen siehe Kammer, Beschluss vom 29.03.2021 – 2/13 T 7/21, BeckRS 2021, 5639, NJW-RR 2021, 590).

a) Die angefochtenen Beschlüsse waren aber für ungültig zu erklären, weil durch die Einladung zur Versammlung die Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Wohnungseigentümer in gravierender Weise beeinträchtigt waren, was unter Würdigung der Gesamtumstände letztlich das Teilnahmerecht der Wohnungseigentümer verletzte. Hier liegen schwerwiegende Verstöße gegen die anerkannten Grundsätze zur Wahl von Zeit und Ort der Versammlung vor, die unter Würdigung der Gesamtumstände der Einladung dazu führten, dass den Eigentümern die Teilnahme verwehrt wurde.

aa) Die Wahl von Zeit und Ort war grob ermessensfehlerhaft. In Kombination mit den, bei isolierter Betrachtung wohl noch zulässigen, Hinweisen aus den Schreiben im Vorfeld der Versammlung, kam dies einer Ausladung gleich, wodurch das Teilnahmerecht in gravierender Weise unterlaufen wurde.

Auf die Verstöße kann sich die Klägerin auch mit Erfolg berufen. …

(i) Die Versammlungszeit muss verkehrsüblich und zumutbar sein (OLG Düsseldorf WuM 1993, 305). Eine Einberufung zur „Unzeit“ (zB Vormittag oder früher Nachmittag eines Arbeitstages) ist im Regelfall nicht zulässig (OLG Frankfurt a. M. NJW 1983, 398). Auf die Arbeitstätigkeit der Eigentümer ist Rücksicht zu nehmen (BeckOGK/Hermann, 1.3.2022, WEG § 24 Rn. 110; BeckOK WEG/Bartholome, 47. Ed. 1.1.2022, WEG § 24 Rn. 79; Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 24 Rn. 25; Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 24 Rn. 54b). Deshalb sollte der Beginn der Eigentümerversammlung regelmäßig werktags nicht vor 17:00 Uhr liegen (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 24 Rn. 36 mwN). Ausnahmsweise kann bei vorhersehbar langer Versammlungsdauer das Abhalten der Versammlung werktags ab 15 Uhr ordnungsgemäß sein (für eine auf fünf Stunden konzipierten Versammlung bei einer Anlage mit mehr als 500 Wohnungseigentümern OLG Köln ZMR 2005, 77).

Unter Anlegung dieser Maßstäbe war die Wahl der Versammlungszeit, werktags um 10:00 Uhr, grob ermessensfehlerhaft. Ausnahmeumstände, die dies hätten rechtfertigen können, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Mit einer ungewöhnlich langen Dauer der Versammlung war gerade nicht zu rechnen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die WEG sich allein oder zumindest ganz überwiegend aus Mitgliedern zusammensetzt, die nicht (mehr) werktätig sind. Hiergegen spricht bereits die Größe der Anlage.

(ii) Auch die Wahl des Versammlungsorts, gerade auch in Kombination mit der gewählten Uhrzeit, war ermessensfehlerhaft.

Damit allen Wohnungseigentümern die Teilnahme ermöglicht und nicht erschwert wird, muss der Ort der Eigentümerversammlung verkehrsüblich zu erreichen, um den Wohnungseigentümern zumutbar sein (BGH NJW 2002, 1647, 1651) und grundsätzlich allen Wohnungseigentümer die Teilnahme ermöglicht werden (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 24 Rn. 30). Den Maßstab für die Erreichbarkeit setzt grundsätzlich der selbst nutzende Eigentümer (BeckOK WEG/Bartholome, 47. Ed. 1.1.2022, WEG § 24 Rn. 70; Bärmann/Pick/Emmerich, 20. Aufl. 2020, WEG § 24 Rn. 34). Deshalb sollte die Versammlung in der Regel in der Gemeinde stattfinden, in der sich die Wohnanlage befindet, und zwar möglichst in deren Nähe. Nach den Umständen des Einzelfalls kann ein Ausweichen in eine Nachbargemeinde sinnvoll sein, wenn dort eine geeignete Versammlungsstätte zur Verfügung steht (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 24 Rn. 31). Allerdings muss die Örtlichkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln in zumutbarer Zeit erreichbar sein (BeckOK WEG/Bartholome, 47. Ed. 1.1.2022, WEG § 24 Rn. 70).

Nach diesen Grundsätzen erweist sich auch die Wahl des Versammlungsorts, der 20 km von der Liegenschaft entfernt liegt und für eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine Fahrt von 45 Minuten und einen zusätzlichen Fußweg von 21 Minuten erfordert, als ermessensfehlerhaft. Dies gilt umso mehr, als dass die mit der Entfernung verbundene An- und Abreisezeit Werktätigen mit Blick auf die Versammlungszeit eine Teilnahme noch weiter erschwerte.

Zwar stand die die übliche Versammlungsstätte im Ort der Liegenschaft unstreitig nicht zur Verfügung. Ihre Behauptung, ein anderer Versammlungsraum in Nähe der Liegenschaft sei nicht zu organisieren gewesen, haben die Beklagten jedoch weder substantiiert noch unter Beweis gestellt, weshalb eine Rechtfertigung für das ausnahmsweise Ausweichen auf einen entfernten und mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur beschwerlich zu erreichenden Versammlungsort nicht gegeben ist.

(iii) Schließlich wird auch durch das Einladungsschreiben und das Schreiben vom 20.10.2020 deutlich, dass die Intention war, eine Versammlung ohne vor Ort präsente Eigentümer abzuhalten.

Die Einladung ist allerdings nicht schon wegen eines fehlenden Hygienekonzepts fehlerhaft. Im Gegenteil, die Einladung verweist ausdrücklich auf die beabsichtigten Maßnahmen (Mundschutz, Abstand, eigener Kugelschreiber, eigene Getränke etc.), die nicht zu beanstanden sind. Auch der Hinweis, dass die Versammlung abgebrochen werden muss, wenn die Anzahl der erschienenen Eigentümer zu einer Unterschreitung der Mindestabstandsregeln führe, war unter den damaligen Umständen gerechtfertigt, ebenso das Bewerben der Möglichkeit, sich vertreten zu lassen (vgl. Kammer, Urteil vom 17.12.2020 – 2-13 S 108/20, ZWE 2021, 134 = NJW-RR 2021, 144).

Jedoch blieb es in der Gesamtbetrachtung nicht bei der Bewerbung der Vertretungsmöglichkeit. Mit Blick auf die Wahl von Zeit und Ort der Versammlung verblieb nach den Aussagen, dass kein Raum für Gespräche und Diskussionen sei und es um eine reine Stimmabfrage gehe, kein Zweifel mehr, dass das Erscheinen jeglicher Wohnungseigentümer unerwünscht wäre. Wie effektiv dieses Vorgehen war, zeigt sich auch daran, dass kein einziger der vielzähligen Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnahm.

bb) Bei einer Gesamtwürdigung der oben genannten Umstände liegt hier eine gravierende Beeinträchtigung der Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Wohnungseigentümer vor, die das Teilnahmerecht der Wohnungseigentümer verletzte. Daher kommt es auf die Kausalität der Beeinträchtigungen für die Beschlussfassung nicht an.

Verstöße gegen formelle Vorgaben zur Beschlussfassung, wie etwa derer zu Zeit und Ort der Versammlung, führen grundsätzlich, so auch hier, nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse (BeckOK BGB/Hügel, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 24 Rn. 11 mit Verweis auf BayObLG NJW-RR 2004, 1312; Grüneberg/Wicke § 24 WEG Rn. 11; bei Nichteinladung BGH NJW 2012, 3571 Rn. 5).

Insoweit führen Verstöße gegen formelles Recht grundsätzlich nur dann zur Ungültigerklärung, wenn sie sich auf die Beschlussfassung auswirkten. Dabei spricht zwar eine tatsächliche Vermutung für die Kausalität (vgl. LG München I ZWE 2020, 349 Rn. 22). Allerdings hat der Anfechtende bei einem Einberufungsmangel darzulegen, dass er ohne diesen an der Versammlung teilgenommen hätte (Grüneberg/Wicke § 23 WEG Rn. 20). Bei ausreichender Darlegung des Anfechtenden trägt die Beweislast, wer sich auf die Nichtursächlichkeit beruft. Dabei erfolgt eine Ungültigerklärung nicht, wenn die Nichtursächlichkeit des Fehlers zweifelsfrei feststeht (BeckOK BGB/Hügel, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 24 Rn. 11) oder kein vernünftiger Zweifel daran in Betracht kommt, dass auch bei ordnungsgemäßer Einladung und Durchführung der Versammlung der Beschluss ebenso zustande gekommen wäre (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 24 Rn. 41 mwN). Es ist darauf abzustellen, „wie sich die Dinge in einer Eigentümerversammlung entwickelt hätten, in welcher der nicht ordnungsgemäß geladene Wohnungseigentümer erschienen wäre und die Möglichkeit gehabt hätte, durch von ihm vorgetragene Argumente das Abstimmungsergebnis zu beeinflussen. Deshalb kann nicht allein maßgeblich sein, dass der Beschluss von einer bestimmten Mehrheit der Wohnungseigentümer getragen worden ist und dieselbe Mehrheit den Beschluss in einer Wiederholungsversammlung erneut gefasst hat. Denn es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass sich alle Wohnungseigentümer zu dem Beschlussgegenstand den Argumenten des nicht ordnungsgemäß Geladenen verschlossen hätten“ (MüKoBGB/Hogenschurz, 8. Aufl. 2021, WEG § 24 Rn. 41). Ob diese Voraussetzungen hier erfüllt sind, kann dahinstehen.

Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt es auf die Frage, ob die gefassten Beschlüsse auch bei einer Mitwirkung des (ausgeschlossenen) Mitglieds die erforderliche Mehrheit gefunden hätten, nicht an, wenn schwerwiegende Verstößen vorliegen, die dazu führen, dass das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht eines Mitglieds in gravierender Weise unterlaufen wird (BGH NJW-RR 2020, 840 Rn. 18 mwN). So liegt es hier.

Schwerwiegende Verstöße in diesem Sinne hat der Bundesgerichtshof bislang angenommen in Fällen, in denen ein Wohnungseigentümer unberechtigt von der Teilnahme an der Versammlung ausgeschlossen wurde (BGH NJW-RR 2020, 840 Rn. 18), bei einem Entzug des Stimmrechts und dem Ausschluss von der Versammlung (BGH NJW 2011, 679 Rn. 10) sowie bei einem faktischen Ausschluss von der Ausübung des Stimmrechts durch das Erwecken des Eindrucks, der betreffende Eigentümer sei nach der Teilungserklärung nicht stimmberechtigt (BGH NJW-RR 2017, 464 Rn. 17).

Schwerwiegende Verstöße können nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hingegen nicht schon angenommen werden, wenn ein Wohnungseigentümer unbeabsichtigt- etwa, weil seine Einladung auf dem Postweg verlorengegangen ist – an der Eigentümerversammlung nicht teilnehmen oder nicht vertreten sein kann (BGH NJW-RR 2020, 840 Rn. 18).

Nach den genannten Maßstäben ist hier in der Gesamtwürdigung von einem schwerwiegenden Verstoß auszugehen.

Während allein in einer Einladung zur Unzeit oder an einen entfernteren Ort wohl noch kein schwerwiegender Verstoß liegt, mithin die Kausalität zu untersuchen wäre (vgl. LG München I ZWE 2020, 349; LG Berlin ZWE 2013, 458), nimmt die Kammer hier bei Würdigung der Gesamtumstände eine gravierende Beeinträchtigung der Teilnahme- und Mitwirkungsrechte an. Die Bestimmungen zu Zeit und Ort der Versammlung sowie die Einladungshinweise verstärken sich wechselseitig und führten letztlich dazu, dass die Eigentümer von der Versammlungsteilnahme abgehalten wurden, weil ihnen diese nur unter Inkaufnahme unzumutbarer Belastungen möglich gewesen wäre.

Bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung (vgl. BGH NJW 2018, 52 Rn. 74) ist daher die Rechtsfolge der Ungültigerklärung ohne Klärung der Frage der Kausalität gerechtfertigt.

Die Eigentümerversammlung ist die zentrale Möglichkeit der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte schlechthin. Auch wenn in Pandemiezeiten aufwendig, muss auch in jenen der Verwalter alles daran setzen, diese – regelmäßig nur einmal jährliche stattfindende- Versammlung für alle möglich zu machen. Die Regeln zur Einladung, der Wahl von Zeit und Ort der Versammlung dienen dem Schutz der Ausübungsmöglichkeit der Mitgliedschaftsrechte.

Dass der Vermeidungsstrategie des Verwalters keine böse Absicht zu Grunde lag, sondern er mit Blick auf die damals vorherrschende Pandemielage handelte, ist insoweit nicht von Belang. Denn die subjektive Willensrichtung des Einladenden ist kein Kriterium zur Entscheidung, ob ein schwerwiegender Eingriff vorliegt (vgl. BGH NJW-RR 2020, 840); maßgeblich ist die Sicht des Eigentümers und die Schwere der Beeinträchtigung seiner Teilnahme- und Mitwirkungsrechte.

b) Nach alledem kam es auf die weiteren Angriffe der Klägerin nicht an, die Beschlüsse waren bereits wegen eines formalen Mangels für ungültig zu erklären.

Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass das Rederecht der Klägerin schon deshalb nicht beschnitten worden sein kann, weil sie an der Versammlung nicht teilnahm.

Dass die Versammlung lediglich drei Minuten dauerte, steht der Gültigkeit der Beschlüsse nicht entgegenstehen. Eine Mindestdauer schreibt das Gesetz nicht vor. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist nicht ersichtlich. Vor dem Hintergrund, dass unstreitig kein Wohnungseigentümer an der Versammlung teilnahm und die Abstimmung mit Hilfe vorbereiteter (Ankreuz-)Vollmachten erfolgte, ist die Kürze der Versammlung auch nachvollziehbar.

Unbedenklich ist auch das Zurverfügungstellen von Vollmachtsmustern. Denn es bestand weder ein Zwang, Vollmachten zu erteilen, noch bei abzugebenden Vollmachten Weisungen zu geben.

Dass aus dem Protokoll der Versammlung nicht ersichtlich ist, dass die Verwalterin die Beschlussfähigkeit feststellte, dürfte ebenso nicht zur Ungültigerklärung der Beschlüsse führen. Sofern nicht durch Vereinbarung vorgesehen, führen inhaltliche Mängel des Protokolls nicht zur Ungültigkeit der gefassten Beschlüsse (vgl. BGH NJW 1997, 2956). Hier sieht § 13 Ziffer 7 der Teilungserklärung zwar vor, dass zu Beginn die Beschlussfähigkeit festzustellen ist. Dass dies auch zu protokollieren ist, fordert die Teilungserklärung nicht.

Ebenso dürfte nicht zu beanstanden sein, dass das Protokoll lediglich vom Versammlungsleiter/Protokollführer sowie einer weiteren Person der Verwalterin unterschrieben wurde. Zum einen enthält § 13 Ziffer 8 der Teilungserklärung nur eine Soll-Vorschrift (vgl. zu zwingenden Regelungen („ist“) BGH NJW 1997, 2956; NZM 2012, 509; NJW 2016, 568). Zum anderen wäre die Gemeinschaftsordnung ergänzend dahingehend auszulegen, dass bei Abwesenheit von Eigentümern die alleinige Unterschrift des Verwalters ausreicht (vgl. BGH NJW 2016, 568).

Schließlich macht ein bloßer Verstoß gegen die gesetzliche Regelung des § 24 Abs. 6 S. 2 WEG aF die gefassten Beschlüsse nicht fehlerhaft, sondern schmälert nur den Beweiswert des Protokolls als Privaturkunde i.S. des § 416 ZPO (BGH NJW 1997, 2956).

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

Die Streitwertfestsetzung folgt in entsprechender Anwendung von § 48 Abs. 5 WEG nF auch für die Berufung noch aus § 49a GKG aF; § 71 Abs. 1 S. 2 GKG findet insoweit keine Anwendung (BGH Beschl. v. 30.09.2021 – V ZR 258/20 Rn. 18 f.). Die Kammer folgt der nicht angegriffenen Festsetzung des Amtsgerichts aus dem Beschluss vom 22.03.2021.

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