OLG Düsseldorf – Az.: I-24 U 106/10 – Urteil vom 12.04.2011
Das Versäumnisurteil des Senats vom 08. Februar 2011 bleibt aufrecht erhalten. Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der weiteren außergerichtlichen Auslagen der Streithelferin werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts Bezug genommen wird, hat das Landgericht u. a. den von der Klägerin (Gewerberaumvermieterin) für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. Mai 2009 gegen den Beklagten (gewerblicher Mieter) geltend gemachten Betriebskostennachzahlungsanspruch aus der Abrechnung vom 1. Juli 2009 in zuletzt noch anhängiger Höhe (7.113,13 € nebst gesetzlicher Zinsen seit 3. 7. 2009) mangels formeller Wirksamkeit der Abrechnung als derzeit unbegründet abgewiesen.
Dagegen richtet sich die von ihrer Streithelferin (Abrechnungsdienstleisterin) unterstützte Berufung der Klägerin. Unter Rücknahme ihres Zinsantrags für die Zeit vom 3. Juli bis zum 22. November 2009 (Tag vor Eintritt der Rechtshängigkeit) verfolgt sie mit ihrem Rechtsmittel ihr erstinstanzliches Ziel im Übrigen unverändert weiter. In dem am 08. Februar 2011 verkündeten Versäumnisurteil hat der Senat auf die Berufung der Klägerin das am 28. Mai 2010 verkündete Urteil des Einzelrichters der 1. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Unter Abweisung der Widerklage und der weitergehenden Klage wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 7.113,13 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. November 2009 zu zahlen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin zu 12% und der Beklagte zu 88%; die Kosten des zweiten Rechtszuges werden der Klägerin zu 5%, dem Beklagten zu 95% auferlegt. Die außergerichtlichen Auslagen der Streithelferin werden dem Beklagten in Höhe von 88 % für den ersten und in Höhe von 95 % für den zweiten Rechtszug auferlegt; im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nicht statt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dagegen richtet sich der rechtzeitig eingelegte Einspruch des Beklagten, mit dem er unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Zurückweisung der Berufung erstrebt. Die Klägerin und ihre Streithelferin bitten um Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Einspruch des Beklagten ist unbegründet. Auf die zulässige Berufung ist das angefochtene landgerichtliche Urteil zu Recht ganz überwiegend im Sinne der Klägerin abgeändert worden. Das Vorbringen des Beklagten im Einspruchsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung.
1. Zwar war die Abrechnung vom 3. Juli 2009 in der Gestalt, in der sie dem Beklagten präsentiert worden ist, formell unwirksam, weil ihr die Abrechnung der Gesamtkosten fehlte (vgl. zum notwendigen Inhalt einer Betriebskostenabrechnung Senat MDR 2009, 1355 m.w.Nachw.). Diesen Mangel hat die Klägerin aber, was der Beklagte mit dem Landgericht unbeachtet gelassen hat, mit Eintritt der Rechtshängigkeit am 23. November 2009 behoben, indem sie die gesamte Abrechnung, dieses Mal einschließlich der Gesamtkostenabrechnung, als Anlage zur Klageschrift und zu der für den Beklagten bestimmten beglaubigten Ablichtung erneut beigefügt hat.
a) Im Ergebnis unschädlich für die formelle Wirksamkeit der Betriebskostenabrechnung ist, dass die Vorauszahlungen des Beklagten nicht schon in der Einzelabrechnung, sondern erst in dem Anschreiben vom 1. Juli 2009 berücksichtigt worden sind (vgl. BGH NJW 2009, 283 [juris Tz 27] und BGH, Beschl. v. 11. 08. 2010, Az. VIII ZR 45/10 [juris Tz 18]); auch die fehlende Subtraktion ist formell unschädlich, weil sich das Resultat aus der Einzelabrechnung und dem Anschreiben gleichsam von selbst ergibt.
b) Der Rechtsauffassung des Beklagten, die Fälligkeit einer formell wirksamen Abrechnung sei darüber hinaus aufgeschoben bis zum Ablauf einer angemessenen Prüfungsfrist, ist nicht zu folgen. Sie widerspricht der Regelung des § 271 Abs. 1 BGB, wonach der Gläubiger die Leistung sofort verlangen kann, wenn für sie eine Zeit weder bestimmt noch den Umständen zu entnehmen ist. Daraus folgt, dass mit dem Zugang der formell wirksamen Betriebskostenabrechnung am 23. November 2009 auch deren Fälligkeit eingetreten ist (vgl. BGH NJW 2006, 1419, 1421 [Rz. 20] m.w.Nachw.).
2. Soweit der Beklagte meint, die Klägerin müsse von sich aus insbesondere das ungewöhnliche Anwachsen der Heizkosten im Vergleich zu der vorhergehenden Abrechnungsperiode erläutern, ist das von Rechtsirrtum beeinflusst.
a) Die Höhe der Heizkosten hängt im Wesentlichen von vier Faktoren ab:
– Kosten der insgesamt bezogenen Energie (incl. Nebenkosten)
– Verbrauch des jeweiligen Nutzers
– zutreffende Kosten- und Verbrauchserfassung
– zutreffende Umlegung der Gesamtkosten auf den einzelnen Nutzer
b) Dem Beklagten ist es verfahrensrechtlich versagt, die inhaltliche Richtigkeit der abgerechneten Heizkosten bloß pauschal mit deren angeblich ungewöhnlichen Höhe zu bestreiten, ohne sich dabei konkret auf die Unrichtigkeit bestimmter zugrundeliegender Berechnungsfaktoren zu beziehen (vgl. Senat NZM 2010, 866, 868 sub B I 2 b bb; ZMR 2003, 570; OLG Düsseldorf -10. ZS- OLGR Düsseldorf 2001, 59 und 2006, 492 jew. m. w. Nachw.). Soweit der Beklagte für ein konkretes Bestreiten einzelner Berechnungsfaktoren der Kenntnis der zugrundeliegenden Abrechnungsbelege bedarf (z. B. die Belege über die Bezugskosten), muss er sich deren Kenntnis auf dem dafür vorgesehenen Weg (vgl. BGH aaO [Rz. 22 ff.]) rechtzeitig verschaffen (vgl. Senat aaO). Von dieser ihm rechtlich und tatsächlich gebotenen Möglichkeit hat der Beklagte ersichtlich keinen Gebrauch gemacht. Er hat vielmehr erstmals in der Einspruchsverhandlung vor dem Senat Einsicht in die Heizkostenbelege gefordert, die ihm die Klägerin auf dem dafür vorgesehenen Weg (vgl. BGH aaO) auch gewähren will. Das pauschale Bestreiten der Richtigkeit der Heizkostenabrechnung ist deshalb prozessual unbeachtlich, § 138 Abs. 2 ZPO.
3. Soweit der Beklagte erstmals mit der Einspruchsschrift konkrete materielle Mängel der Betriebskostenabrechnung geltend macht, insbesondere die Richtigkeit der angesetzten Energiebezugskosten bestreitet, ist er mit diesem verspäteten Vortrag ausgeschlossen.
a) Der Beklagte ist mit diesem Vortrag bereits gemäß §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.
aa) Nach dieser Bestimmung sind im Berufungsrechtszug vorgebrachte neue Angriffs- und Verteidigungsmittel u. a. nur dann zuzulassen, wenn sie infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, insbesondere also dann, wenn das erstinstanzliche Gericht entweder einen nach § 139 Abs. 2 ZPO gebotenen Hinweis unterlassen oder einen rechtlich unzutreffenden Hinweis erteilt hat und der defizitäre Vortrag auf diesem Verfahrensfehler beruht (vgl. BGH NJW-RR 2004, 927 f und NJW-RR 2005, 167, 168). Denn nach dem Sinn und Zweck der Präklusionsvorschrift ist die Zulassung neuen Vorbringens im zweiten Rechtszug wegen eines Verfahrensfehlers des Erstgerichts nur dann geboten, wenn dessen Rechtsansicht den erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien beeinflusst hat und daher (mit-)ursächlich dafür geworden ist, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert.
bb) So verhält es sich aber im Streitfall nicht. Richtig ist zwar, dass das Landgericht einen unrichtigen Hinweis zur materiellen Rechtslage, nämlich zur Frage der Fälligkeit der Betriebskostenabrechnung aus den schon genannten Gründen (oben sub I. 1) erteilt hat. Auf diesem unrichtigen rechtlichen Hinweis beruht aber nicht der defizitäre erstinstanzliche Vortrag des Beklagten. Der beruht vielmehr darauf, dass er unabhängig von der (unrichtigen) Rechtsauffassung des Landgerichts in seiner (im Übrigen verspäteten) Klageerwiderung selbst die Rechtslage unrichtig beurteilt hat. Hätte das Landgericht die Rechtslage zutreffend eingeschätzt und hätte es diese den Parteien dann auch mitgeteilt, hätte der Beklagte im Kammertermin allenfalls noch die materielle Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung pauschal bestreiten können. Aber auch das wäre auf den Prozessausgang aus den schon genannten Gründen (oben sub I 2) ohne Einfluss geblieben.
b) Der Beklagte ist unabhängig von der Präklusion gemäß §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO mit dem neuen Vortrag auch gemäß §§ 282 Abs. 2, 296 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Spätestens nach dem Zugang der ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten erteilten Hinweise des stellvertretenden Senatsvorsitzenden in der prozessleitenden Verfügung vom 21. September 2010 hätte er reagieren und zur Frage der materiellen Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung konkret vortragen müssen. Hätte er das bis zum Ablauf der ihm zur Stellungnahme gesetzten Frist am 12. Oktober 2010 getan, hätte der Senat den Sachverhalt noch rechtzeitig aufklären können. Würde der verspätete Vortrag auf das gegengerichtete konkrete Vorbringen der Klägerin jetzt noch berücksichtigt, würde das, was auf der Hand liegt, zur Verzögerung des Rechtsstreits führen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91a ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Rechtsstreit gibt dem Senat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen.