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Formularmäßiger Wohnraummietvertrag –  Berechnung der Wohnfläche nach DIN 277

AG Charlottenburg – Az.: 214 C 53/11 – Urteil vom 20.12.2011

1. Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 27.09.2011, Aktenzeichen: 214 C 53/11, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rückzahlung überzahlter Miete wegen Wohnflächenabweichung.

Der Kläger war zusammen mit Frau … Mieter der Wohnung im Vorderhaus, Dachgeschoss rechts in der …, bestehend aus fünf Zimmern nebst Küche, Toilette, Dusche, Bad, Diele. Die Wohnung war nicht preisgebunden. Die monatliche Nettokaltmiete betrug 1.418 EUR. Mietbeginn war der 1. Juni 2006. Das Mietverhältnis endete mit Ablauf November 2010. Der Kläger hat ab August 2010 seine Mietzahlungen eingestellt.

In § 1 des Mietvertrags ist festgehalten, dass die Wohnung mit einer Größe von circa 176 m² gemäß DIN 277 vermietet wird. Unter Zugrundelegung der DIN 277 ist die Wohnungsfläche im Mietvertrag zutreffend angegeben.

Der Kläger behauptet, die Mitmieterin, Frau …, habe ihr zustehende Ansprüche aus dem Mietverhältnis an den Kläger abgetreten. Der Kläger behauptet weiter, die tatsächliche Wohnfläche betrage unter Zugrundelegung der Wohnflächenverordnung lediglich circa 130 m². Er ist der Ansicht, eine Vereinbarung der Berechnung der Wohnfläche nach DIN 277 sei wegen einer treuwidrigen, unangemessenen Benachteiligung des Klägers unwirksam und es sei daher bis einschließlich Juli 2010 monatlich 370,61 EUR zu viel an Miete gezahlt worden.

Antragsgemäß ist am 27. September 2011 Versäumnisurteil mit folgendem durch Beschluss vom 9. November 2011 korrigierten Inhalt ergangen:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.869,77 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10. November 2010 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gegen dieses, der Beklagten am 30. September 2011 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte mit einem am 13. Oktober 2011 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt und den Einspruch mit bei Gericht am 27. Oktober 2011 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Kläger beantragt, das Versäumnisurteil vom 27.09.2011 aufrecht zu erhalten.

Die Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 27.9.2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, nicht Vermieterin der vom Kläger gemieteten Wohnung gewesen zu sein. Sie ist unter Berufung auf die Rechtsprechung des BGH und des Landgerichts Berlin der Ansicht, die Festsetzung der Wohnfläche nach DIN 277 im Mietvertrag sei auch bei Annahme eines Wohnungsmietvertrags wirksam. Zudem handle es sich um einen Gewerbemietvertrag und nicht um einen Wohnungsmietvertrag

Entscheidungsgründe

I.

Formularmäßiger Wohnraummietvertrag -  Berechnung der Wohnfläche nach DIN 277
Symbolfoto: Von kazoka/Shutterstock.com

Durch den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch (§§ 339, 340 ZPO) gegen das Versäumnisurteil, wurde der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor Eintritt der Versäumnis befand, § 342 ZPO.

Die zulässige Klage ist unbegründet, sodass das Versäumnisurteil nach § 343 ZPO aufzuheben und die Klage abzuweisen war.

Es liegt mangels Wohnflächenabweichung von mehr als 10 % kein Mangel der gemieteten Wohnung vor. Die Wohnungsfläche ist unter Zugrundelegung der DIN 277 im Mietvertrag zutreffend angegeben. Es kann daher offen bleiben, ob die Beklagte passivlegitimiert ist oder ob sich die Klage gegen die falsche Partei richtete.

Die Vereinbarung im von der Beklagten gestellten Formularmietvertrag, die Mietfläche nicht nach der Berechnungsverordnung für Wohnflächen, sondern nach der für den Mieter ungünstigeren DIN 277 zu berechnen, ist rechtswirksam. Insbesondere bei einer Maisonette-Wohnung mit Dachschrägen im ausgebauten Spitzboden ist es nach dem BGH auch denkbar, als Wohnfläche die reine Grundfläche der Wohnung nach der DIN 277 (DIN 277 – Grundflächen und Rauminhalte von Bauwerken im Hochbau) anzusetzen, ohne dabei einen Abzug von Flächen mit einer lichten Höhe unter 2 Meter vorzunehmen (BGH NJW 04, 2230). Nach zutreffender herrschender Meinung ist eine solche Vereinbarung nicht nur individualvertraglich möglich, sondern auch durch eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (LG Berlin 63 S 267/05 und 63 S 170/04). Die Vereinbarung der DIN 277 ist keine unbillige Abweichung von der Wohnflächenverordnung im Sinne von §§ 307 Abs. 2 Nr. 1, 536 Abs. 4 BGB. Die anderweitige Definition der Wohnfläche entspricht der Billigkeit, da auch die DIN 277 für Berechnung von Gebäuderaumflächen konzipiert ist. Die letztzitierte Entscheidung des LG Berlin hat der BGH ausdrücklich bestätigt und eine Revision gegen dieses Urteil durch einstimmigen Beschluss des Senats zurückgewiesen (BGH, Beschluss vom 19.07.2006, VIII ZR 150/05).

Zudem ist fraglich, ob § 307 Abs. 1 und 2 überhaupt anwendbar ist. Es dürfte vielmehr durch die Vereinbarung der DIN 277 schon keine Abweichung von gesetzlichen Regelungen vorliegen, wie dies für eine Inhaltskontrolle von allgemeinen Geschäftsbedingungen notwendig ist (vgl. § 307 Abs. 3 BGB). Die Wohnflächenverordnung gilt ausweislich ihres § 1 nur für preisgebundenen Wohnraum. Eine verbindliche Regelung zur Berechnung der Flächen von preisfreiem Wohnraum fehlt. Lediglich für den Fall, dass die Parteien keine Vereinbarung darüber treffen, was unter Wohnfläche zu verstehen ist, ist nach der herrschenden Meinung die Wohnflächenverordnung heranzuziehen (vgl. BGH NJW 04, 2230 m. w. N.). Nach dem BGH ist es aber möglich, die Wohnfläche auch anders zu definieren. Eine solche andere Definition kann sich dabei auch aus der Ortsüblichkeit einer Berechnungsart ergeben (BGH a. a. O.). Damit wird klar, dass der BGH bei preisfreiem Wohnraum die Wohnflächenverordnung nur als Auslegungshilfe des Begriffes Wohnfläche ansieht und nicht als analog anzuwendende dispositive Rechtsvorschrift, denn eine Ortsüblichkeit alleine stellt noch keine abweichende Vereinbarung, auch keine konkludente Vereinbarung dar. Der Begriff der Wohnfläche ist damit frei definierbar, ohne dass eine Abweichung von Rechtsvorschriften vorliegt. Die Regelung über die Wohnfläche ist daher nur an §§ 305 c, 307 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 BGB zu messen. Auch soweit die Regelung nicht nur die Anrechnung von Flächen unterhalb von Dachschrägen, sondern auch das Zimmer 4 unterhalb der Galerie betrifft, kann nicht von einer völlig überraschenden Regelung und schon gar nicht von einer unverständlichen Regelung im Sinne der vorgenannten Vorschriften ausgegangen werden. Die Raumhöhe ist vielmehr hoch genug, um damit rechnen zu müssen, dass der Raum vollständig als Wohnfläche einbezogen wird.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Kostentrennung wegen der Säumnis der Beklagten unterbleibt, da das Versäumnisurteil nicht rechtmäßig ergangen ist; die Klage war von vornherein unschlüssig.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf 708 Nr. 11 ZPO. Die Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO wurde aus Versehen nicht aufgenommen.

 

 

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