LG Aschaffenburg – Az.: 22 S 116/17 – Urteil vom 11.01.2018
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg, Zweigstelle Alzenau i.Ufr., vom 21.06.2017, Az.: 130 C 7/17 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1. genannte Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen. 5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.200,– € festgesetzt.
Gründe
I.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1 Var. 1, 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zu Grunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 Var. 2 ZPO). Die Kündigung vom 10.11.2016 hat das streitgegenständliche Mietverhältnis zwischen den Parteien nicht beendet. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
1. Der Klägerin steht kein Kündigungsrecht gem. §§ 573, 573a BGB wegen Eigenbedarfs bzw. unter erleichterten Voraussetzungen in einem vom Vermieter selbst bewohnten Gebäude zu. Diese Kündigungsmöglichkeiten haben die Parteien vertraglich wirksam ausgeschlossen. Dabei ist es zunächst rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht aufgrund der getroffenen Feststellungen unter Würdigung der Aussagen der Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2017 davon ausgegangen ist, dass es sich bei den streitgegenständlichen Mietvertragsklauseln um Allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, die von der Klägerin gestellt wurden. Die Beweiswürdigung des Tatrichters ist nur darauf nachprüfbar, ob sie in sich widersprüchlich ist, den Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen zuwiderläuft oder einzelne Teile des Beweisergebnisses ungewürdigt lässt (Zöller/Heßler, a.a.O., § 546 ZPO, Rn. 13). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Soweit in der Berufungsbegründung darauf verwiesen wird, dass nach den Feststellungen des Urteils das Formular seitens des Beklagten im Internet gefunden und ausgedruckt wurde und dieser – und nicht die Klägerin – Verwender sei, folgt dem die Kammer nicht. Der Berufungsführerin ist lediglich zuzugeben, dass in den Entscheidungsgründen unter I.1. a.E. eine Verwechslung der Parteibezeichnung vorliegt. Es handelt sich allerdings hierbei um eine offensichtliche Unrichtigkeit, wie sich schon aus dem Kontext des Absatzes selbst ergibt. Das Amtsgericht hat die informatorische Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2017 vielmehr in Bezug genommen und zutreffend gewürdigt. Anhaltspunkte für eine hiervon abweichende Sichtweise lassen sich auch dem Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 21.06.2017 nicht entnehmen. Dort hat die Klägerin auf Nachfrage des Gerichts ausgeführt, dass sie das Mietvertragsformular aus dem Internet hat. Sie hat auch bekundet, dass sie es ausgedruckt, mitgebracht und ausgefüllt hat. Eine Unwirksamkeit gem. § 307 BGB scheidet damit in der vorliegenden Konstellation aus. Auf eine unangemessene Benachteiligung kann sich der Vertragspartner des Verwenders berufen, nicht jedoch die Klägerin als Verwenderin bezüglich einer von ihr gestellten Klausel.
2. Ein vollständiger Ausschluss der Kündigungsrechte zu Lasten des Vermieters ist entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus anderen Gründen unwirksam. Die Möglichkeit eines Ausschlusses der Regelungen der §§ 573, 573a BGB ergibt sich bereits aus einem Umkehrschluss der Regelungen des §§ 573 Abs. 4 bzw. 573a Abs. 4 BGB. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch aus der Kumulation der beiden Regelungen keine Unwirksamkeit. Es steht den Mietvertragsparteien nach der gesetzlichen Regelung gerade frei einen weitgehenden Kündigungsausschluss zu Gunsten des Mieters zu vereinbaren. Ausweislich des Wortlautes des § 2 des Mietvertrages handelt es sich auch – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht um einen beiderseitigen Kündigungsausschluss, sondern um einen – zulässigen – Kündigungssauschluss allein zu Lasten des Vermieters.
3. Die Ausführungen der Klägerin zu § 314 BGB erachtet die Kammer im Übrigen für nicht durchgreifend. Die mietvertraglichen Bestimmungen der §§ 543, 569 BGB gehen bei der Wohnraummiete als leges speciales vor (MüKoBGB/Gaier BGB § 314 Rn. 9, beck-online). Die Vorschriften über die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses sind als abschließende spezielle Regelung konzipiert (vgl. nur BGH, Versäumnisurt. v. 13.7.2016 – VIII ZR 296/15, NZM 2016, 791 unter Verweis auf die eindeutigen Gesetzesmaterialien). Bestandteil dieser Sonderregelung ist etwa, dass bei der außerordentlichen fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses nach §§ 569, 543 BGB der wichtige Grund im Kündigungsschreiben angegeben werden muss. Die Angabe der Kündigungsgründe im Kündigungsschreiben ist eine kraft Gesetzes angeordnete Wirksamkeitsvoraussetzung, weil Abs. 4 eine zwingende Formvorschrift ist (BeckOK BGB/Wöstmann BGB § 569 Rn. 21, beck-online). Schon diese Anforderungen können nicht über § 314 BGB unterlaufen werden. Eine derartige Angabe ist in der streitgegenständlichen Kündigung ohnehin nicht enthalten.
4. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass auch die Überzeugungsbildung des Amtsgerichts hinsichtlich des Gesundheitszustandes des Ehemannes der Klägerin für den – allein maßgeblichen Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung – keinen Bedenken begegnet. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts ist – wie oben angeführt – nur unter sehr engen Voraussetzungen angreifbar, die hier ersichtlich nicht gegeben sind. Die Berufung der Klägerin hat damit in der Sache keinen Erfolg und war zurückzuweisen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG festgesetzt.