LG Berlin – Az.: 64 S 218/18
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 17. September 2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 211 C 41/18 – durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Die den Beklagten gewährte Räumungsfrist wird bis zum 31. Mai 2019 verlängert.
Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung vom 16. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Amtsgericht hat die Beklagten zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung verurteilt. Dem hat die Kammer lediglich noch Folgendes hinzuzufügen:
Das streitgegenständliche Mietverhältnis ist wirksam durch die Kündigung vom 11. Juli 2017 beendet worden. Die gegenseitige Empfangsvollmacht der Mieter füreinander aus § 19 Nr. 2 des Mietvertrages gilt auch im Verhältnis zu den Beklagten. Soweit das Mietverhältnis gemäß § 564 S. 1 BGB mit Erben fortgesetzt wird, gelten die Bestimmungen des Mietvertrages fort. Im Übrigen hatte die Erblasserin die streitgegenständliche Wohnung nicht alleine, sondern zusammen mit Herrn Conan angemietet, sodass § 19 Nr. 2 des Mietvertrages bereits zwischen den ursprünglichen Parteien des Mietverhältnisses einen Anwendungsbereich hatte. Auch kann die Kammer die Auffassung der Beklagten, dass eine postmortale Vollmacht erforderlich gewesen sei, nicht nachvollziehen. Denn es geht hier nicht um eine Bevollmächtigung durch die Erblasserin.
Die Beklagten werden durch die Fortgeltung von Bestimmungen aus dem Mietvertrag nicht unangemessen benachteiligt. Zum einen haben sie die Möglichkeit, den Mietvertrag innerhalb eines Monats gemäß § 564 S. 2 BGB außerordentlich zu kündigen oder ihre Haftung auf den Nachlass zu beschränken. Zum anderen begründet § 19 Nr. 2 des Mietvertrages entgegen der Auffassung der Beklagten keine Zugangsfiktion. Denn Erklärungen des Vermieters müssen zumindest einem Mieter zugehen.
Das Amtsgericht geht zu Recht davon aus, dass die Ausführungen des Bundesgerichtshofes (BGH, Rechtsentscheid vom 10. September 1997 – VIII ARZ 1/97 – NJW 1997, 3437) zu dem Näheverhältnis zwischen Mitmietern auf die Erbengemeinschaft übertragbar sind. Denn die gemeinsame Stellung als Erben lässt ebenso wie bei Mitmietern vermuten, dass der jeweilige Miterbe Erklärungen des Vermieters an andere Miterben weitergibt. Unerheblich ist dabei, dass die Beklagten im konkreten Fall in keinem nahen Verhältnis stehen.
Die Kündigung vom 11. Juli 2017 erfolgte fristgerecht im Sinne des § 564 S. 2 BGB. Denn für die Kündigung des Vermieters ist maßgeblich, wann er von der Person des oder der Erben Kenntnis erlangt hat (Blank/Börstinghaus/Blank, 5. Aufl. 2017, BGB § 564 Rn. 46, beck-online). Vorliegend hat der Kläger unstreitig erst am 12. Juni 2017 von der Erbenstellung der Beklagten zu 2. erfahren.
Die Kammer weist ergänzend und hilfsweise darauf hin, dass das Mietverhältnis ohnehin schon durch das Kündigungsschreiben vom 11. Januar 2017 (Anlage K5, Bl. 19 d.A.) nach § 564 S. 2 BGB beendet wurde. Dieses ging dem Beklagten zu 1. innerhalb einer Monatsfrist seit seiner Anzeige des Erbfalls gegenüber dem Kläger zu. Da es sich bei der Sicherung der Wohnung und der Anzeige des Erbfalls gegenüber dem Vermieter aus Sicht der Erbengemeinschaft um eine „notwendige Maßregelung“ im Sinne des § 2038 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BGB handelte, die jeder Miterbe unabhängig von den anderen vornehmen kann, war der Beklagte zu 1. nach Auffassung der Kammer schon nach dieser Norm, unabhängig von den Regelungen im Mietvertrag, passiv vertretungsbefugt, die Kündigungserklärung in Empfang zu nehmen und insoweit die Verwaltung des Nachlasses allein mit Wirkung auch für die Beklagte zu 2. wahrzunehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können einzelne Miterben ein Mietverhältnis nach § 2038 Abs. 1 S. 2 BGB sogar mit Wirkung für die ganze Erbengemeinschaft aktiv kündigen, obwohl darin eine Verfügung über Nachlassgegenstände im Sinne des § 2040 BGB liegt, an der grundsätzlich sämtliche Miterben mitwirken müssen (vgl. BGH – XII ZR 210/05 -, Urt. v. 11.11.2009, BGHZ 183, 131 ff., zitiert nach juris). Dass die Beklagte zu 2. im Schreiben vom 11. Januar 2017 keine Erwähnung fand, ist nach Ansicht der Kammer unschädlich. Aus Sicht des Beklagten zu 1. lag auf der Hand, dass der Kläger das Mietverhältnis gegenüber der Erbengemeinschaft, bestehend aus allen Miterben, kündigen wollte, aber auf Grund des vorangegangenen Schreibens des Beklagten zu 1. vom 19. Dezember 2016 (Anlage K3, Bl. 17 d.A.) davon ausging, es gebe nur einen Erben.
Die Kammer regt deshalb an, die Berufung zurückzunehmen und weist vorsorglich darauf hin, dass sich die Gerichtsgebühren für das Berufungsverfahren in diesem Falle halbieren würden (vgl. Nr. 1220, 1222 Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz).
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen.
II.
Die den Beklagten gewährte Räumungsfrist war unter Abwägung der Interessen beider Parteien gemäß § 721 Abs. 3 S. 1 ZPO zur Abwendung der Obdachlosigkeit des Beklagten zu 1. wie geschehen zu verlängern.
III.
Der Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 719, 707 ZPO war mangels Erfolgsaussichten der Berufung zurückzuweisen.