AG München – Az.: 485 C 32840/10 – Urteil vom 01.08.2011
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.690,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz
– aus 584,82 € seit 25.08.2010
– aus 1.047,00 € seit 06.01.2010
– aus 1.047,00 € seit 05.02.2010
– aus 1.047,00 € seit 05.03.2010
– aus 1.047,00 € seit 06.04.2010
– aus 805,50 € seit 06.05.2010
– aus 805,50 € seit 04.06.2010
– aus 805,50 € seit 06.07.2010
– aus 805,50 € seit 06.08.2010
– aus 822,50 € seit 04.09.2010
– aus 822,50 € seit 06.10.2010
– aus 822,50 € seit 05.11.2010
– aus 822,50 € seit 04.12.2010 zu bezahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 11/10 des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 11.690,82 €.
Tatbestand
Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt von der Beklagten als Eigentümerin mehrerer Einheiten die Zahlung rückständiger Beitragsforderungen.
Die Beklagte errichtete das gegenständliche Anwesen als Bauträgerin. Sie ist unter anderem noch Eigentümerin der Einheiten mit den Nummern 66, 101, 102, 218, 226, 239 o und 306. Nach § 7 der Gemeinschaftsordnung ist eine Instandhaltungsrücklage anzusammeln. Die Beträge dafür sind in den monatlich zu entrichtenden Zahlungen an den Verwalter enthalten. Nach § 8 der Gemeinschaftsordnung haben die Eigentümer die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß der in der Gemeinschaftsordnung getroffenen Regelung zu tragen. § 8 Ziffer 6 lautet:
„Der aufteilende Eigentümer ist nicht verpflichtet, Zahlungen gemäß §§ 7 und 8 zu leisten, solange die in seinem Eigentum stehenden Einheiten nicht bewohnt, bzw. nicht genutzt werden.“
Auf der Eigentümerversammlung vom 27.07.2010 genehmigten die Eigentümer unter TOP 4 die Jahresgesamt- und Einzelabrechnungen 2009. Auf die Einheit 101 der Beklagten entfiel in der Einzelabrechnung ein Saldo in Höhe von 1.923,34 €.
Ebenso auf der Eigentümerversammlung vom 27.07.2010 genehmigten die Eigentümer mehrheitlich unter TOP 10 die Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne 2010. Auf die Einheiten der Beklagten entfielen danach Beitragsforderungen in Höhe von monatlich 214,50 € für die Einheit 101, 314,00 € für die Einheit Nr. 102, 42,50 € für die Einheit 239 o und 466,00 € für die Einheit 306. Vorgerichtlich hatte die Beklagte der Klägerin mitgeteilt, die Einheit 102 sei seit dem 01.05.2010 genutzt worden, die Einheit 306 sei seit dem 01.01.2010 und die Einheit 239 o seit dem 01.12.2009 genutzt worden.
Die Klägerin trägt vor, aus der Jahreseinzelabrechnung 2009 für die Einheit 101 schuldet die Beklagte jedenfalls den Betrag von 854,82 €, da diese Einheit im Jahr 2009 von September bis Dezember genutzt worden sei. Für das Jahr 2010 schulde die Beklagte für die Einheit 101 die Beiträge für die ersten vier Monate, da die Einheit in diesem Zeitraum genutzt worden sei als Verkaufs- und Lagerraum.
Die Einheit 102 sei bereits ab dem 01.01.2010 von der Beklagten als Baubüro genutzt worden. Die Einheiten 239 o und 306 seien so wie von der Beklagten vorgerichtlich mitgeteilt im gesamten Jahr 2010 genutzt worden. Daraus ergebe sich eine Beitragsschuld für das Jahr 2010 in Höhe von insgesamt 10.836,00 €. Im Übrigen komme es nicht darauf an, ob die Einheiten tatsächlich, wie unter Beweis gestellt, genutzt worden seien, denn die Regelung in § 8 Ziffer 6 der Gemeinschaftsordnung sei unwirksam, sodass die Beklagte unabhängig von der tatsächlichen Nutzung dieser Einheiten zur Zahlung der Beitragsforderungen verpflichtet sei.
Zuletzt beantragt die Klägerin:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.690,82 € nebst Zinsen zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt: Klageabweisung.
Sie trägt vor, die Regelung in § 8 Ziffer 6 der Gemeinschaftsordnung sei wirksam. Insbesondere verstoße diese Regelung nicht gegen den allein als Maßstab heranzuziehenden § 242 BGB. Die Klageerhebung verstoße auch gegen die Beschlussfassung gemäß TOP 9 a der Eigentümerversammlung vom 08.02.2010. Gemäß dieser Beschlussfassung hätte zunächst eine außergerichtliche Lösung zu finden gesucht werden müssen. Zudem habe man die Beauftragung einer bestimmten Rechtsanwaltskanzlei beschlossen. Die Nutzung der Einheit 101 seit September 2009 wird bestritten. Es sei unzutreffend, dass die Einheit 102 im Jahr 2010 als Baubüro genutzt worden sei. Auch die Einheit 239 o sei nicht genutzt worden. Zutreffend sei lediglich, dass die Einheit 306 von einer Mieterin genutzt worden sei.
Beweis wurde nicht erhoben. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 25.05.2011 (vgl. Blatt 26 d. Akte) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin wirksam von dem Prozessbevollmächtigten vertreten. Der wirksamen Beauftragung und Bevollmächtigung durch die die Klägerin vertretende Hausverwaltung steht der Beschluss zu TOP 9 a vom 08.02.2010 nicht entgegen. In dem Beschluss zu TOP 9 a wurde die Beauftragung einer bestimmten Rechtsanwaltskanzlei beschlossen. Die Wirksamkeit der Beauftragung der nunmehrigen Bevollmächtigten folgt jedoch aus § 1 o und p des Verwaltervertrages.
Die Klage ist auch vollumfänglich begründet. Die Ansprüche der Klägerin ergeben sich aus den Beschlüssen zu TOP 4 und TOP 10 der Eigentümerversammlung vom 27.07.2010. Danach schuldet die Beklagte der Klägerin 854,82 € aus dem Beschluss über die Genehmigung der Jahreseinzelabrechnung 2009 für die Einheit Nr. 101 der Beklagten. Weiterhin schuldet die Beklagte aus dem Beschluss über die Genehmigung der Gesamt- und Einzelwirtschaftspläne 2010 Beitragszahlungen für das Jahr 2010 in Höhe von 966,00 € für die Einheit 101, 3768,00 € für die Einheit 102, 510,00 € für die Einheit 239 o und 5592,00 € für die Einheit 306.
Ob die Einheiten in dem von der Klägerin vorgetragenen Umfang genutzt wurden oder ob sie entgegen dem eigenen vorgerichtlichen Vortrag der Beklagten nicht genutzt wurden, kann dahinstehen. Für die Beitragsschuld der Beklagten ist es unerheblich, ob die Einheiten genutzt wurden. § 8 Ziffer 6 der Gemeinschaftsordnung ist nach § 242 BGB unwirksam.
Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bestimmt sich grundsätzlich nach dem Gesetz. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 können die Wohnungseigentümer jedoch abweichende Vereinbarungen treffen. Diese Gestaltungsfreiheit gilt auch dann, wenn der teilende Eigentümer Regelungen der Gemeinschaftsordnung in der Teilungserklärung vorgibt. Schranken für den Inhalt der Gemeinschaftsordnung ergeben sich jedoch aus den Grenzen der Privatautonomie nach den §§ 134, 138 BGB (BGH NZM 2011, 246). Darüber hinaus unterliegen die Bestimmungen einer Inhaltskontrolle nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB (BGH a. a. O.; Riecke-Schmid/Elzer § 10 WEG, Randnummer 222, Spielbauer/Then § 10 WEG Randnummer 13, Bärmann/Klein § 10 WEG Randnummer 104).
Die Regelung in § 8 Ziffer 6 der Gemeinschaftsordnung führt zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit offensichtlich unvereinbaren Ergebnissen. Die Vereinbarung ist wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 134 BGB nichtig. Im Extremfall, dass die Beklagte als aufteilende und veräußernde Eigentümerin nur eine Einheit veräußert und die übrigen behält und leerstehen lässt, würde die Regelung in § 8 Ziffer 6 der Gemeinschaftsordnung zur Folge haben, dass der erste und einzige Erwerber nicht nur sämtliche Verwaltungs- und Betriebskosten, sondern auch sämtliche Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung zu tragen hätte. Auch in dem Fall, dass die Beklagte mehrere Einheiten behalten würde, um sie zu vermieten, würde diese Regelung dazu führen, dass das Leerstandsrisiko statt von der Eigentümerin von den übrigen Miteigentümern zu tragen wäre. Eine solche Befreiung des aufteilenden Eigentümers von den Kosten der von ihm noch nicht veräußerten Einheiten ohne jegliche zeitliche und sachliche Einschränkung ist nicht möglich. Es ist auch kein sachlicher Grund ersichtlich, warum der aufteilende Eigentümer auf Dauer nicht an den Kosten der Ansammlung einer Instandhaltungsrücklage beteiligt werden sollte, nur weil er bestimmte Einheiten nicht veräußert oder nicht vermietet oder selber nutzt.
Die Beklagte schuldet daher jedenfalls die geltend gemachten Beträge.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Der Streitwert entspricht der klageweise geltend gemachten Forderung, § 3 ZPO.