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Fristlose Kündigung bei Mietrückstand von mehr als 1 Monat

LG Itzehoe – Az.: 7 O 12/20 – Urteil vom 20.01.2021

1. Die Beklagten werden verurteilt, die von Ihnen innegehaltene Gewerbeimmobilie in der D. Chaussee in H. mit einer Grundstücksfläche von ca. 4.678 m² und einer Gebäudenutzfläche von ca. 2.500 m² nebst Außenlagerfläche, Parkplätzen und diversen Einbauten zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 142.800,00 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von den Beklagten die Räumung einer von der Klägerin gemieteten Gewerbeimmobilie und Zahlung rückständiger Mieten.

Die Klägerin beabsichtigte im Jahr 2019, ihren auf dem Grundstück D. Chaussee in H. betriebenen Geschäftsbetrieb für CNC-Zerspanung zu veräußern. In einem „Firm Letter of Intent“ vom 21.06.2019 (Anlage K3, Blatt 77 ff. d.A.) wurde vereinbart, dass die Transaktion in zwei Teilen geschehen sollte. In einem ersten Schritt sollte zum Stichtag 01.7.2019 das Anlagevermögen der Klägerin an die Beklagte zu 1) mit Sitz in K und das Umlaufvermögen der Klägerin an eine noch zu gründende „Neue S. GmbH“ verkauft werden. In einem zweiten Schritt sollte der Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin, Herr S., zum Stichtag 30.9.2019 die in seinem Eigentum stehende Gewerbeimmobilie in der D. Chaussee an eine noch zu gründende „N. G. GmbH“ verkaufen.

In der Folge wurden zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) der „Kaufvertrag Anlagevermögen“ vom 2.7.2019 (Blatt 80 ff. d.A.) und zwischen der Klägerin und der „S. GmbH i.G.“ der „Kaufvertrag Umlaufvermögen“ vom 2.7.2019 (Blatt 86 ff. d.A.) geschlossen.

Ausweislich § 4 des Kaufvertrages über das Anlagevermögen sollte die Beklagte zu 1) von der Klägerin im Wege der Vertragsübernahme sämtliche Rechte und Pflichten aus den Verträgen mit Kunden, Lieferanten für Waren und Dienstleistungen, etc. übernehmen. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Verträge, wird auf die Anlagen auf Blatt 80 ff. bzw. Blatt 86 ff. der Akten verwiesen.

Zudem wurde am 18.10./21.10.2019 zwischen der Klägerin und den Beklagten zu 1) und 2) ein Mietvertrag über die Gewerbeimmobilie in der D. Chaussee in H. geschlossen. Hinsichtlich der Mietzeit wurde in § 2 des Vertrages eine Laufzeit vom 01.10.2019 bis 30. September 2020 vereinbart. Der Mietvertrag sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, falls er nicht von einer Vertragspartei 6 Monate vor seinem Ablauf gekündigt würde. Die Nettomiete sollte ausweislich des § 3 des Mietvertrages 15.000 Euro, 17.850 Euro brutto, betragen. Ausweislich des § 6 des Mietvertrages war die Miete spätestens zum 3. Werktag eines Monats im Voraus zu zahlen. Hinsichtlich des genauen und weiteren Inhalts des Mietvertrages wird auf die Anlage K1 (Bl. 19 ff. d.A.) verwiesen.

Zur Übertragung des Eigentums an dem in Rede stehenden Grundstück an die Beklagten bzw. eine neu zu gründende G. GmbH ist es bislang nicht gekommen.

Die Beklagten nahmen zum 1.7.2019 den Betrieb auf dem in Rede stehenden Grundstück auf.

Nach dem 1.7.2019 erfolgten durch ehemalige Kunden der Klägerin und nun neue Kunden der Beklagten noch Zahlungen auf das Konto der Klägerin, die diese jedenfalls teilweise an die Beklagten auskehrte. Die genaue Höhe der Zahlungseingänge bei der Klägerin und der an die Beklagten ausgekehrten Beträge ist zwischen den Parteien streitig.

Die Beklagten zahlten für den November 2019 keine Miete an die Klägerin. Am 21.11.2019 erklärte der Geschäftsführer der beiden Beklagten gegenüber der Klägerin die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 63.000 Euro gegen die klägerischen Mietforderungen.

Die Beklagten zahlten sodann auch für den Zeitraum Dezember bis Februar 2020 keine Miete an die Klägerin.

Mit Schriftsatz vom 20.2.2020 erklärte die Klägerin, die mittlerweile die hiesige Zahlungsklage gegen die Beklagten erhoben hatte, vertreten durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten und unter Beifügung einer Originalvollmacht (Anlage K 02, Bl. 37 d.A.), im hiesigen Verfahren gegenüber den Beklagten die außerordentliche Kündigung des Mietvertrages. Der Schriftsatz wurde am 19.3.2020 an die Beklagtenvertreterin zugestellt.

Mit weiterem anwaltlichem Schriftsatz vom 24.3.2020 (Bl. 45 d.A.) erklärte die Klägerin sodann erneut die Kündigung des Mietvertrages zum 30.9.2020. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses auf Blatt 44c der Akten hat die Beklagtenvertreterin diesen an sie zugestellten Schriftsatz am 2.4.2020 erhalten.

Die Beklagten zahlten auch für die Monate Oktober und November 2020 keine Miete an die Klägerin. Mit Schreiben vom 25.11.2020, dem Geschäftsführer der beiden Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2020 übergeben, erklärte die Klägerin wegen dieser Mietrückstände erneut die außerordentliche Kündigung des streitgegenständlichen Mietvertrages.

Die Klägerin beantragt,

1.die Beklagten gesamtschuldnerisch dazu zu verurteilen, an die Klägerin 71.400 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. aus 17.850 Euro ab dem 5.11.2019, aus weiteren 17.850 Euro ab dem 5.12.2019, aus weiteren 17.850 Euro ab dem 4.1.2020 und aus weiteren 17.850 Euro ab dem 6.2.2020 zu bezahlen,

2.die Beklagten dazu zu verurteilen, die von Ihnen innegehaltene Gewerbeimmobilie in der D. Chaussee in H. mit einer Grundstücksfläche von ca. 4.678 m² und einer Gebäudenutzfläche von ca. 2.500 m² nebst Außenlagerfläche, Parkplätzen und diversen Einbauten zu räumen und an die Klägerin herauszugeben,

3.die Beklagten gesamtschuldnerisch dazu zu verurteilen, künftig ab dem März 2020 monatlich, jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus, eine Nutzungsentschädigung von 17.850 Euro nebst Zinsen in Höhe 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem jeweiligen Folgetag an die Klägerin zu zahlen, und zwar bis zur vollständigen Räumung und Herausgabe des im Klagantrag zu 3. bezeichneten Grundstücks und Gebäudes an die Klägerin.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben zunächst behauptet, von den durch die Klägerin noch nach dem 1.7.2019 vereinnahmten Kundenzahlungen, die den Beklagten zustehen, in Höhe von rund 200.000,00 Euro sei noch ein Gesamtbetrag von 23.000 Euro nicht an die Beklagten ausgekehrten worden. Der Geschäftsführer der Klägerin verweigere die Auszahlung mit einer konstruierten Begründung.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.01.2021 behaupten die Beklagten hierzu nunmehr, die Klägerin habe insgesamt Zahlungen in Höhe von mindestens 153.937,06 Euro vereinnahmt, wie sich aus der als Anlage B2 eingereichten Aufstellung vom 26.08.2019 ergebe. Hiervon entfielen 41.160,48 Euro noch auf Rechnungen der Klägerin und 110.978,86 Euro auf Rechnungen der Beklagten zu 2).

Die Klägerin habe hiervon nur insgesamt 20.500,00 Euro an die Beklagte ausgekehrt. In Höhe der Differenz zu den Einnahmen von 153.937,06 Euro habe die Klägerin den Beklagten gegenüber mit streitigen und nicht belegten Forderungen aufgerechnet.

Darüber hinaus behaupten die Beklagten, die in der Aufstellung vom 26.8.2019 angegebenen 30.000 Euro als Eingang für „Lohnabschlag“ habe nicht die Klägerin oder Dritte bezahlt, sondern es handele sich um eine Zahlung der Beklagten zu 1).

Die Beklagten behaupten weiter, dass die Klägerin vor Übernahme des Geschäftsbetriebs durch die Beklagten einen Auftrag der Firma W. KG für die Erstellung von Bauteilen des Typs „Nieschockelement“ erhalten habe. Die Klägerin habe mit der Auftraggeberin vereinbart, dass diese eine Anzahlung in Höhe von 40.000 Euro netto, 47.600 Euro brutto, für die Finanzierung der Materialanschaffung für den Auftrag zahle. Entsprechend sei mit der Rechnung vom 6.6.2019 (Anlage B4) gegenüber der Auftraggeberin eine „Anzahlung Nieschockelemente“ abgerechnet worden und der Betrag auch vereinnahmt worden.

Angeschafft habe das Material jedoch später die Beklagte zu 2), der gegenüber die Auftraggeberin nach Rechnungsstellung sodann moniert habe, dass ein Betrag in Höhe von 47.600 Euro brutto bereits gezahlt worden sei, weshalb die Beklagte zu 2) eine Gutschrift in dieser Höhe habe erstellen müssen. Der Geschäftsführer der Klägerin habe eine Auskehrung mit der Begründung abgelehnt, die Rechnung sei für angebliche „Vorbereitungshandlungen“ gestellt worden, ohne diese näher zu konkretisieren.

Die Beklagten behaupten weiter, aufgrund der Nichtzahlung durch die Klägerin, habe es ihr von vorneherein an der nötigen Liquidität gefehlt. Ihr seien Zinsschäden in Höhe von mindestens rund 8.600,00 Euro und Säumnis- und Verspätungszuschläge für Forderungen von Krankenkassen und Finanzamt wegen verspäteter Beitragszahlungen in Höhe von 6.019,96 Euro entstanden. Des Weiteren habe die Beklagte zu 2) aufgrund verspäteter Zahlungen von Lieferanten keinen Skontoabzug mehr erhalten, und so 2.257,98 Euro netto, 2.687,11 Euro brutto mehr an ihre Lieferanten zahlen müssen.

Die Beklagten behaupten, im Rahmen des Güterichterverfahrens sei es ausdrücklicher Wunsch der Klägerin gewesen, dass die aufgrund der dort erfolgten Vergleichsverhandlungen erfolgte Teilzahlung der Beklagten vom 17.11.2020 in Höhe von 8.700,00 Euro verrechnet werden solle. Sie sind der Auffassung, dass die Klägerin vor diesem Hintergrund aufgrund des Zahlungsrückstandes für die Monate November und Dezember 2020 nun nicht berechtigt sei, das Mietverhältnis erneut fristlos zu kündigen.

Die Klägerin behauptet, sie habe bereits vor dem 1.7.2019 Leistungen für die W. KG mit einem Gegenwert von ca. 73.000 Euro ausgeführt.

Die Beklagten haben mit den behaupteten Gegenforderungen in Höhe von 63.000 Euro und in Höhe von 3.547,77 Euro mit Schriftsatz vom 30.4.2020 (Bl. 69 f. d.A.) (hinsichtlich der 63.000,00 Euro vorsorglich erneut) die Aufrechnung gegen die Mietforderungen der Klägerin erklärt.

Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.01.2020 haben die Beklagten die Aufrechnung mit den an sie auszukehrenden weiteren (nun erstmals behaupteten) Beträgen, soweit noch nicht zur Aufrechnung gestellt, gegenüber den offenen Mietforderungen der Klägerin erklärt.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 17.01.2021 haben die Beklagten weitere Gegenforderungen in Höhe von 16.429,36 Euro behauptet. Sie haben zudem behauptet, dass die Beklagten auf den Abschluss des von der Güterichterin vorgeschlagenen Vergleichs vom 16.11.2020 (Bl. 123 ff. d.A.) vertraut hätten. Hierin habe auf ausdrücklichen Wunsch der Klägerin vereinbart werden sollen, dass die durch die Beklagten am 17.11.2020 geleistete Zahlung auf die Mietforderung der Klägerin für Dezember 2020 verrechnet werde.

Tatsächlich habe die Klägerin kein Interesse an dem Vergleichsschluss gehabt und habe den Vergleich wenige Tage später platzen lassen, um so einen Grund für die weitere fristlose Kündigung vom 25.11.2020 zu konstruieren.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, jeweils nebst Anlagen, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist hinsichtlich des auf Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Betriebsgrundstücks gerichteten Antrags zu 2) zulässig und begründet. Über diesen Antrag kann auch nach § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Teilurteil entschieden werden, da nicht die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht. Denn die erneute Kündigung der Klägerin vom 25.11.2020 ist durch die erst mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 13.01.2021 erklärte weitere Aufrechnung mit behaupteten Gegenforderungen der Beklagten nicht unwirksam geworden im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB (dazu sogleich) und hat damit unabhängig von Bestehen und Höhe von möglichen aufrechenbaren Forderungen Bestand.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagten als Gesamtschuldner einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Betriebsgrundstücks in der D. Chaussee in H. aus § 546 BGB.

Nach dieser Vorschrift ist der Mieter verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben.

1. Das ursprünglich zwischen den Parteien mit dem Mietvertrag vom 18.10./21.10.2019 begründete Mietverhältnis ist spätestens aufgrund der Kündigung der Klägerin vom 25.11.2020 beendet.

Nach § 543 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 a Alt. 1 BGB).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Denn die Beklagten haben unstreitig die gesamten Mieten für die Monate Oktober und November 2020, und damit für zwei aufeinanderfolgende Termine, nicht an die Klägerin gezahlt.

Die Ansprüche der Klägerin sind auch nicht durch eine von den Beklagten bereits vor der Kündigungserklärung vom 25.11.2020 erklärte Aufrechnung erfüllt worden. Die Beklagte hat zwar unstreitig am 21.11.2019 die Aufrechnung gegen Mietforderungen der Klägerin mit behaupteten Gegenforderungen in Höhe von 63.000,00 Euro erklärt. Mit weiterer Aufrechnungserklärung vom 30.4.2020 hat die Beklagte zudem erneut die Aufrechnung mit den behaupteten Gegenforderungen in Höhe von 63.000,00 Euro sowie mit einer nunmehr behaupteten weiteren Gegenforderung in Höhe von 3.547,77 Euro erklärt. Bis zum 30.04.2020 bestanden rechnerisch jedoch bereits Mietrückstände in Höhe von mindestens 71.400,00 Euro, so dass diese Aufrechnungserklärungen, das Bestehen der behaupteten Gegenforderungen vorausgesetzt, bereits nicht ausreichten, um die zu diesem Zeitpunkt rechnerisch offenen Mietforderungen der Klägerin zu befriedigen.

Eine weitere Aufrechnungserklärung durch die Beklagten ist vor der Kündigungserklärung vom 25.11.2020 nicht erfolgt.

Soweit die Beklagten nunmehr mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.1.2021 die Aufrechnung mit behaupteten weiteren Gegenforderungen erklärt haben, macht diese Erklärung die klägerische außerordentliche Kündigung vom 25.11.2020 nicht unwirksam im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB.

Nach dieser Vorschrift wird die Kündigung, wenn sich der Mieter von seiner Schuld durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach der Kündigung die Aufrechnung erklärt, unwirksam. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte sich durch Aufrechnung von ihrer Mietschuld befreien konnte, denn jedenfalls erfolgte die Aufrechnungserklärung nicht unverzüglich im Sinne der Norm.

Unverzüglich bedeutet nach der hier anzuwendenden Legaldefinition aus § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern.

Daraus folgt, dass die Anfechtung bzw. hier Aufrechnung nicht jeweils „sofort“, etwa immer schon spätestens am Tage nach Erlangung der Kenntnis, zu erklären ist. Vielmehr kann von einem schuldhaften Zögern nur ausgegangen werden, wenn das Zuwarten nicht durch die Umstände des Falles geboten ist. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB stellt mithin keine starre Frist auf; vielmehr will die Regelung sicherstellen, dass in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien ermittelt werden kann, nach Ablauf welchen Zeitraums die Anfechtung bzw. Aufrechnung möglich und zumutbar war. Das Interesse des Anfechtungsgegners an Rechtssicherheit und dasjenige des Anfechtenden an einem überlegten Vorgehen sind dabei gegeneinander abzuwägen (vgl. Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 121 Rn. 7). Unter Anlegung dieser Maßstäbe stellt es ein schuldhaftes Zögern der Beklagten dar, dass sie die Aufrechnung mit weiteren behaupteten Gegenforderungen erst mit dem nachgelassenen Schriftsatz vom 13.01.2021 erklärt haben. Die Beklagten haben nach ihrem eigenen Vortrag Kenntnis von der durch die Klägerin noch vereinnahmten und vermeintlich den Beklagten zustehenden Beträge in Höhe von 153.937,06 Euro bereits aus einer Aufstellung der Klägerin vom 26.8.2019. Da die Beklagten als Kaufleute auch Überblick über ihre Bankkonten haben müssen, muss von Ihnen auch erwartet werden, dass sie davon Kenntnis hatten, dass die Klägerin nach den Behauptungen der Beklagten bis zum 13.1.2021 hiervon lediglich 20.500 Euro an die Beklagten ausgekehrt haben soll. Verzögerungen auf Grund von Mängeln der kaufmännischen Organisation sind dem Kaufmann zuzurechnen (Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2018, § 121 Rn. 9). Die Beklagten haben zudem in diesem Rechtsstreit bereits mit der Klageerwiderung vom 24.04.2020 das Bestehen von Gegenforderungen in Höhe von 63.000 Euro behauptet, ohne aber hierzu substantiiert vorzutragen. Dass eine weitere Substantiierung hierzu würde erfolgen müssen, musste den anwaltlich vertretenen Beklagten klar sein. Sie haben sodann im Rahmen des durchgeführten Güterichterverfahrens mit der Klägerin auch umfangreich über das Bestehen von Forderungen und Gegenforderungen verhandelt. Nach dem Vorbringen der Beklagten aus der Klagerwiderung 24.04.2020 soll es auch vorgerichtlich bereits mehrere Besprechungen zu dieser Thematik gegeben haben. Von den Beklagten war, sollten ihre Behauptungen zutreffend sein, also eine Kenntnis dieser Umstände bereits am 25.11.2020 – dem Tag der Kündigung – zu erwarten, so dass es kaum erklärlich ist, warum die Beklagten mit der Aufrechnungserklärung 7 Wochen zugewartet haben. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Weihnachts- und Jahreswechselfeiertage, sowie der Pandemie. Den Beklagten wäre danach auch angesichts der existenziellen Bedeutung der Kündigung des Mietvertrages eine deutlich frühere Aufrechnungserklärung, jedenfalls noch im Jahr 2020, möglich und zumutbar gewesen.

Soweit die Beklagten der Auffassung sind, die Klägerin habe kein Recht zu der außerordentlichen Kündigung vom 25.11.2020 gehabt, da sie im Rahmen des Güterichterverfahrens darauf hingewirkt habe, dass die Zahlung der Beklagten vom 17.11.2020 in Höhe von 8.700,00 Euro auf den Dezember 2020 verrechnet werde, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Zu denken wäre hier an einen Verstoß der Klägerin gegen den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB im Sinne eines widersprüchlichen Verhaltens.

Ein solches Verhalten ist hier aber nicht feststellbar, da es ausweislich der Akten nicht allein an der Klägerin lag, dass der avisierte Vergleich nicht zustande kam. So hat die Beklagtenvertreterin mit Schriftsatz vom 20.11.2020 mitgeteilt, dass dem Vergleich noch nicht zugestimmt werden könne, da noch nicht geklärt sei, ob die Beklagten die im Vergleich vorgesehene Mietbürgschaft werde stellen können. Mit Schriftsatz vom 23.11.2020 führte die Beklagtenvertreterin dann noch zu weiterem Änderungsbedarf an dem Vergleichstext aus.

2. Ein Verstoß der Klägerin gegen Treu und Glauben hätte sich vorliegend im Ergebnis aber auch gar nicht auf das Kündigungsrecht der Klägerin ausgewirkt. Denn selbst unter Berücksichtigung einer Zahlung von 8.700,00 Euro durch die Beklagten wäre die außerordentliche fristlose Kündigung auf Grundlage von § 543 Abs. 2 Nr. 3 a Alt. 2 BGB wirksam gewesen. Nach dieser Vorschrift liegt ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB nämlich auch dann vor, wenn der Mieter für zwei aufeinanderfolgende Termine mit einem nicht unerheblichen Teil der Miete in Verzug ist. Das ist vorliegend der Fall, da sich auch bei der Berücksichtigung einer Zahlung von 8.700,00 Euro der Mietrückstand für die Monate November und Dezember 2020 auf insgesamt 26.300,00 Euro belaufen hätte. Angesichts dessen, dass nach § 569 Abs. 3 Nummer 1 BGB der rückständige Teil der Miete nur dann als nicht unerheblich anzusehen ist, wenn er die Miete für einen Monat übersteigt, ist ein solcher Mietrückstand, der die Höhe einer eineinhalbfachen Monatsmiete erreicht als erheblich anzusehen. Da § 569 Abs. 3 Nummer 1 BGB Wohnraummieter besonders schützt, ist ein Mietrückstand von mehr als einem Monat bei anderen Mietverhältnissen erst recht erheblich (BGH NJW 2008, 3210). Dies gilt vorliegend umso mehr, als sich aus dem Vorbringen der Beklagten, dass Schwierigkeiten bestünden, eine Mietbürgschaft durch eine Bank zu stellen, erhebliche Zweifel an der Kreditwürdigkeit der Beklagten ergeben.

Der weitere Vortrag der Beklagten zu dieser Thematik aus dem Schriftsatz vom 17.1.2021 war nach § 296a ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Aus Vorhergesagtem ergibt sich aber auch dessen Unerheblichkeit für die Wirksamkeit der Kündigung vom 25.11.2020.

II. Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorbehalten. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 7, 711, 709 S. 1 ZPO.

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