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Fristlose Kündigung Mietvertrag bei Falschangaben zum Einkommen

AG Gießen – Az.: 42 C 273/21 – Urteil vom 23.03.2022

In dem Rechtsstreit hat das Amtsgericht Gießen aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2022 für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Kläger verlangen von den Beklagten die Räumung der von diesen bewohnten Wohnung.

Durch Mietvertrag vom 11.07.2020 mieteten die Beklagten von den Klägern mit Wirkung ab dem 01.11.2020 Räumlichkeiten im Anwesen ### zu Wohnzwecken an. Die Parteien vereinbarten, dass eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses frühestens zum 31.10.2025 erklärt werden könne. Als Mietzins wurde eine monatliche Nettomiete von 1.250 Euro sowie eine monatliche Betriebskostenvorauszahlung vom 250 Euro vereinbart.

In einer dem Vertragsabschluss vorausgehenden Selbstauskunft vom 06.07.2020 gab der Beklagte zu 2) an, bei einer Firma ### beschäftigt zu sein und über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.200,00 Euro zu verfügen. Tatsächlich war dieses Arbeitsverhältnis jedoch bereits am 30.06.2020 beendet.

Die Beklagte zu 1) gab in der Selbstauskunft korrekt an, sich in einem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu befinden und ein monatliches Nettoeinkommen von 3.900 Euro zu beziehen.

Die Beklagten bewohnen die Räumlichkeiten gemeinsam mit einem Kind, dass derzeit die KITA in ### besucht.

Unter Bezugnahme auf die falsche Selbstauskunft des Beklagten zu 2) und eine damit verbundene arglistige Täuschung kündigten die Bevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 27.05.2021 das Mietverhältnis fristlos:

Im Hinblick auf ein behauptetes unbefristetes Beschäftigungsverhältnis des Beklagten zu 2) wird auf die von der Beklagtenseite vorgelegten Vertragsdokumente und Gehaltsabrechnungen (Bl. 102-115 d. A.) Bezug genommen.

Die Kläger behaupten, sie hätten den Mietvertrag nicht abgeschlossen, wenn sie gewusst hätten, dass der Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses arbeitslos war.

Die Kläger beantragen,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die von ihnen gemieteten, im Erdgeschoss rechts und im Untergeschoss rechts gelegenen Räumlichkeiten in dem Objekt ###, in den als Anlagen K 1 und K 2 beigefügten Plänen rot umrandet zu räumen und an die Kläger herauszugeben;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Kläger Euro 1.390,87 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2021 zu bezahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 2) habe dem Kläger zu 2) am 16.07.2020 mündlich mitgeteilt, dass ein Arbeitsverhältnis seit dem 30.06.2020 nicht mehr bestehe. Der Kläger zu 2) habe daraufhin erklärt, dass sei kein Problem. Der Beklagte zu 2) befinde sich seit dem 01.04.2021 wieder in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet und verfällt daher der Abweisung.

Die Kläger haben gegen die Beklagten keinen Anspruch gem. § 546 Abs. 1 BGB auf Räumung der von diesen bewohnten Wohnung.

Das Mietverhältnis wurde durch die fristlose Kündigung vom 21.05.2021 nicht beendet.

Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen, § 543 Abs. 1 S. 1 BGB. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, 543 Abs. 1 S. 2 BGB.

Der Vermieter ist berechtigt, sich vor Vertragsschluss über die Bonität und Zuverlässigkeit des potentiellen Mieters ein gewisses Bild zu machen. Deshalb kann er den Mieter nicht nur nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen, sondern auch nach der Person und Anschrift des Vorvermieters, der Dauer des vorangegangenen Mietverhältnisses und der Erfüllung der mietvertraglichen Pflichten fragen (BGH NJW 2014, 1954).

Zwar hat der Mieter gegenüber dem bisherigen Vermieter keinen Anspruch auf Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung (BGH NJW 2010, 1135); dies bedeutet aber nicht, dass der Mieter eine gleichwohl erteilte Bescheinigung verfälschen oder eine solche Bescheinigung unter Angabe falscher Daten selbst ausstellen kann. Die Vorspiegelung unzutreffender Einkommens-, Vermögens-, Familien- oder sonstiger Verhältnisse, um den Vermieter zum Vertragsschluss zu bewegen, ist als erhebliche Verletzung vorvertraglicher Pflichten zu bewerten, die eine Vertragsfortsetzung für den Vermieter unzumutbar machen und die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigen kann (BGH a.a.0.). Wird die Offenbarungspflicht verletzt, so kann der Vermieter nach § 543 Abs. 1 BGB kündigen (AG München ZMR 2016, 121) oder wahlweise anfechten, wenn der Anfechtungstatbestand der §§ 119 oder 123 BGB vorliegt.

Der Umstand, dass das Mietverhältnis bereits in Vollzug gesetzt worden ist, steht der Kündigung nicht entgegen. Etwas anderes wird gelten, wenn das Mietverhältnis bereits relativ lange dauert und sich die Verletzung der Aufklärungspflicht nicht ausgewirkt hat. Gleiches gilt, wenn sich die tatsächlichen Umstände, die der Mieter bei Vertragsschluss verschleiert hat, zwischenzeitlich geändert haben (Blank/Börstinghaus/Blank/Börstinghaus, 6. Aufl. 2020, BGB § 543 Rn. 48).

Vorliegend kommt es bei der vorzunehmenden Interessensabwägung aus der Sicht des erkennenden Gerichts entscheidend darauf an, dass das Einkommen der Beklagten zu 1) mit 3.900 Euro netto alleine mehr als ausreicht, um die monatliche Bruttomiete von 1.500 Euro zu zahlen. Das Interesse der Kläger bei der Frage nach dem Einkommen besteht alleine darin, Rückschlüsse auf die Bonität der Beklagten und damit auf ihre Fähigkeit zur Vertragserfüllung (regelmäßige Mietzahlung) ziehen zu können. Aufgrund des ausreichenden Gehalts der Beklagten zu 1) hat sich die Täuschung des Beklagten zu 2) daher nicht auf das Mietverhältnis ausgewirkt.

Zudem hatten sich die tatsächlichen Umstände, die der Beklagte zu 2) bei Vertragsschluss verschleiert hatte, noch vor dem Ausspruch der Kündigung geändert. Durch die vorgelegten Dokumente, nämlich den Arbeitsvertrag des Beklagten zu 2) mit der ### GmbH und den Arbeitsvertrag mit der ### GmbH hat er zur Überzeugung des Gericht nachgewiesen, dass er sich bereits seit dem 01.04.2021 wieder in einem Beschäftigungsverhältnis befand und mit einem monatlichen Nettogehalt von 1.867,23 Euro bei der #### GmbH bzw. 2.572,27 Euro bei der der ### GmbH auch ein monatliches Nettogehalt erzielt bzw. erzielte, dass sich nicht wesentlich von dem in der Selbstauskunft genannten Nettoeinkommen von 2.200,00 Euro unterscheidet.

Die Klage war daher – auch in Bezug auf mit dem Klageantrag zu 2) geltend gemachte Nebenforderung – mit der sich aus § 91 ZPO ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet in den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO ihre gesetzliche Grundlage.

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