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Fristlose Kündigung Mietvertrag wegen Störung des Hausfriedens

AG München – Az.: 418 C 6420/17 – Urteil vom 14.09.2017

I. Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung Nr. 21 im 1.OG, Mitte des Anwesens … …, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad und Diele sowie Kellerraum Nr. 3.21 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 4.700,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung.

Mit Mietvertrag vom 27.11.2008 mietete die Beklagte von der Klägerin die im 1.Stock des Anwesens … gelegene Wohnung.

Die Gesamtmiete beträgt Euro 386,43, die sich aus der Grundmiete in Höhe von Euro 219,89, einer Garagenmiete in Höhe von Euro 50,00 und Betriebskosten in Höhe von Euro 116,54 zusammensetzt. Ebenfalls am 27.11.2008 haben die Parteien einen Garagenmietvertrag abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 27.01.2017 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis außerordentlich wegen Störung des Hausfriedens. Insoweit wird auf Bl. 41-44 der Akten Bezug genommen.

In der Klageschrift vom 24.03.17 kündigte die Klägerin erneut außerordentlich wegen Störung des Hausfriedens.

Die Klägerin trägt vor, die Beklagte störe seit längerem den Hausfrieden. Die Beklagte würde beim Verlassen und bei Betreten des Anwesens grundsätzlich die Hauseingangstür offenstehen lassen, sie tyrannisiere ihre Mitbewohner durch Lärm, lasse im Keller regelmäßig das Licht brennen und verschließe die Feuerschutztür. Ferner beschimpfe und beleidige sie die Nachbarn, sie gieße Wasser aus ihrer Wohnung und habe einen Teppich ihrer Nachbarin entwendet.

Die Klägerin beantragt: Die Beklagte wird verurteilt, die Wohnung Nr. 21 im ersten Obergeschoss, Mitte des Anwesens …, bestehend aus einem Zimmer, Küche, Bad und Diele sowie Kellerraum Nr. 3.21 gemäß dem als Anlage K1 vorgelegten Mietvertrag beigefügten Plan, dort gelb umrandet, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Beklagte beantragt: Klageabweisung sowie die Gewährung einer Räumungsfrist.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe den Hausfrieden nicht gestört. Sie ist der Auffassung, daß die Kündigung schon wegen des Fehlens einer Abmahnung unwirksam sei.

Das Gericht hat am 07.08.17 Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen … . Insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.08.2017 Bezug genommen.

Ergänzend wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß § 546 Abs. 1 BGB zu. Da das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 27.01.2017 beendet wurde.

Die isolierte Kündigung des Wohnraummietvertrages war möglich, da gemäß Nr. 16 der Zusatzvereinbarungen zum Mietvertrag der Garagenstellplatz zwar nur gemeinsam mit dem Wohnraummietvertrag gekündigt werden kann, aber eine solche umgekehrte Regelung für den Wohnraummietvertrag im Mietvertrag gerade nicht getroffen wurde.

Das Kündigungsschreiben der Klägerin erfüllt nach Form und Inhalt die Voraussetzungen der §§ 568 Abs. 1, 569 Abs. 4 BGB.

Es liegt ein die außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund nach § 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB vor. Ein wichtiger Grund liegt dann vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Ablegung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Der Kündigungstatbestand des § 543 Abs: 1 BGB ist hier in mehrerlei Hinsicht erfüllt:

Fristlose Kündigung Mietvertrag wegen Störung des Hausfriedens
(Symbolfoto: Von Andrey_Popov/Shutterstock.com)

Das Gericht ist aufgrund der Aussagen der Zeugen … davon überzeugt, daß die Beklagte am 19.06.2016 den Fußabstreifer vor der Wohnungstür der Nachbarin … … entwendet hat. So hat die Zeugin … ausgesagt, sie habe den Fußabstreifer, der vor ihrer Eingangstür gelegen habe, im Müll gefunden, habe ihn gewaschen und dann wieder vor die Eingangstür gelegt. 2 Tage später sei der Fußabstreifer wieder entwendet worden und im Müll gefunden worden. Dies sei von ihrer Nachbarin beobachtet worden. Diese habe ihr erzählt, daß sie gesehen habe, wie die Beklagte den Fußabstreifer genommen habe und in den Müll geschmissen habe. Die Zeugin … hat ausgesagt, sie habe gesehen, daß die Beklagte den Teppich weggenommen habe und in den Müll geschmissen habe. Beide Zeuginnen haben auf das Gericht einen vernünftigen und sehr glaubwürdigen Eindruck gemacht. Trotz der jeweils von den Zeuginnen geschilderten erheblichen Beeinträchtigungen durch die Beklagte waren die Aussagen nicht von Belastungseifer geprägt. Der Diebstahl zum Nachteil einer Nachbarin ist eine Straftat und damit zugleich eine Vertragsverletzung. Dies wiegt so schwer, daß der Klägerin eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Aufgrund der glaubwürdigen Aussage der Zeugin … steht ferner fest, daß die Beklagte am 25.11.2016 die Klägerin mit einem Schimpfwort beschimpft hat. Die Zeugin … hat dies glaubwürdig ausgesagt, konnte sich aber an die konkrete Beleidigung nicht mehr genau erinnern. Die Zeugin war sich sicher, daß sie von der Beklagten beleidigt wurde, sie wußte aber nicht mehr genau, ob sie mit den Worten Arschloch und Wucher beleidigt worden ist. Damit hat die Beklagte eine Vertragsverletzung begangen, da eine Straftat zum Nachteil einer Nachbarin vorliegt. Auch dies wäre bereits allein ein Kündigungsgrund.

Aufgrund der Beweisaufnahme steht ferner fest, daß die Beklagte am 16.08.16, als die Nachbarinnen … auf der Terrasse von Frau … saßen, von ihrer darüberliegenden Wohnung eimerweise Wasser auf die Terrasse geschüttet hat und dann die Polizei gerufen hat. Dies haben beide Zeuginnen glaubwürdig ausgesagt. Auch dies stellt eine Vertragsverletzung durch die Beklagte dar.

Zudem steht aufgrund der Aussage der Zeugen … fest, daß die Beklagte regelmäßig die Hauseingangstür offenstehen läßt und regelmäßig die Kellerlichte angeschaltet hat. Damit verstößt die Beklagte gegen die Hausordnung, in der geregelt ist, daß die Hauseingangstüre stets geschlossen zu halten sei und auf einen sparsamen Umgang mit Energie zu achten sei.

Letztlich kann es dahingestellt bleiben, ob der Diebstahl oder die Beleidigung jeweils für sich einen ausreichenden Kündigungsgrund darstellen. Jedenfalls liegt in der Gesamtschau eine Störung des Hausfriedens i.S.d. § 569 Abs. 2 BGB vor. Bei der Nutzung von Wohnräumen durch mehrere Mietparteien ist ein gewisses Maß an Rücksichtnahme vorauszusetzen. Jede Mietpartei muß sich bei der Nutzung der Mieträume so verhalten, daß die anderen Mieter nicht beeinträchtigt werden. Die Beklagte hat erhebliche Verhaltenspflichten verletzt und dies hat zu einer Beeinträchtigung der anderen Mietparteien geführt. Daher liegt eine Störung des Hausfriedens vor. Die Störung ist aufgrund der zahlreichen Vorfälle auch nachhaltig. Eine Vertragsfortsetzung ist nicht zumutbar. Es besteht auch der erforderliche zeitliche Zusammenhang zwischen den Vertragsverletzungen und der Kündigung nach § 314 Abs. 3 BGB. Der letzte Verstoß war ca. 2 Monate vor der Kündigung, damit ist der erforderliche Zusammenhang gewahrt. Insoweit ist zu beachten, daß es dem Vermieter nicht zum Nachteil gereichen kann, wenn er nach einer Vertragsverletzung nicht sofort kündigt, sondern die weitere Entwicklung abwartet.

Eine Abmahnung der Beklagten nach § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB ist hier gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB entbehrlich. Die Notwendigkeit einer Fristsetzung oder Abmahnung entfällt hier bereits deshalb, da diese offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Durch die zahlreichen Vertragsverstöße und das massive Fehlverhalten der Beklagten ist die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwerwiegend erschüttert worden, daß sie auch durch eine Abmahnung nicht wieder hergestellt werden könnte. Daneben ist die Fristsetzung oder Abmahnung auch deshalb entbehrlich, weil die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen und Abwägung der beidseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Die Vertragsverletzungen wurden gegenüber Nachbarn begangen, die im gleichen Haus wohnen. Aufgrund dieser Umstände ist eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht länger zumutbar. Darüber hinaus ist auch hier im Rahmen der anzustellenden Abwägung zu berücksichtigen, daß die Beklagte sich für die teilweise strafrechtlich relevanten Vertragsverletzungen auch nicht entschuldigt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 7 und 11, 711 Satz 1 ZPO.

Der Beklagten war eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO nicht zu gewähren. Grundsätzlich sind im Rahmen der Entscheidung nach § 721 ZPO die Interessen des Mieters und Vermieters gegeneinander abzuwägen. Dabei sind insbesondere das Alter und Bedürfnis des Mieters, die Dauer des Mietverhältnisses, der Bedarf des Vermieters, das Bereitstehen von Ersatzwohnraum, sowie die Art und Weise der Pflichtverletzung und das Verschulden der Parteien gegeneinander abzuwägen. Unter Berücksichtigung der genannten Punkte, insbesondere aufgrund der Art und Weise sowie der Intensität der Pflichtverletzungen der Beklagten war eine Räumungsfrist nicht zu gewähren. Selbst wenn die Beklagte demnächst arbeitslos würde und von Sozialleistungen leben müsse, so überwiegen die Interessen der Klägerin.

 

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