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Fristlose Mietvertragskündigung – Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung

LG Düsseldorf – Az.: 23 S 27/17 – Urteil vom 06.12.2017

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 06.04.2017 (Az. 78 C 3180/15) teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die von ihnen innegehaltene und im 5. OG rechts hinten befindliche Wohnung (WE 13a), xxx, bestehend aus 3 Zimmern, einer Küche, einer Diele/Flur, ein Bad/Dusche/WC, ein Balkon/Terrasse, sowie einem Kellerraum zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist von drei Monaten eingeräumt.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 2.301,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.03.2015 zu zahlen

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagten 794,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.10.2015 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 12 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 88 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 15 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 85 %.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung sowie Zahlung rückständiger Mietzinsen und Nutzungsersatz in Anspruch. Widerklagend nehmen die Beklagten die Klägerin auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch.

Mit Mietvertrag vom 08.04.2013 vermietete die Klägerin den Beklagten eine im 5. OG des Hauses xxx gelegene Dreizimmerwohnung zu einer Nettomiete von 532,00 EUR und Bruttomiete von 767,00 EUR. Seit Herbst 2013 kam es in Küche und Schlafzimmer zu Schimmelbefall, welchen die Beklagten der Hausverwaltung der Klägerin anzeigten. Die Beklagten minderten ab April 2015 die Bruttomiete um 20 % i.H.v. 153,40 EUR und machten von April bis November 2015 ein Zurückbehaltungsrecht i.H.v. 60 % der Bruttomiete (460,20 EUR) geltend. Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich Räumung der Wohnung sowie Leistung der ausstehenden Mietzinsen geltend gemacht. Die Beklagten haben widerklagend Ersatz der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht, die hinsichtlich der Kündigung sowie der Mangelbeseitigung erforderlich geworden seien.

Das Amtsgericht Neuss hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 08.01.2016, konkretisiert durch Beschluss vom 03.02.2016, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 22.06.2016 (Bl. 82 d.A.) verwiesen.

Das Amtsgericht Neuss hat mit Urteil vom 06.04.2017 (Az. 78 C 3180/15) sowohl der Klage als auch der Widerklage teilweise stattgegeben. Ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung stehe der Klägerin nicht zu, weil die Kündigungen vom 20.05.2015, 12.06.2015, 14.08.2015, 22.06.2016 und 09.01.2017 nicht wirksam seien. Die Beklagten hätten sich nicht in Zahlungsverzug befunden, ihnen habe sowohl ein Minderungs- als auch ein Zurückbehaltungsrecht zugestanden. Die Wohnung sei wegen Schimmelbefalls der Küche und des Schlafzimmers mit einem erheblichen Mietmangel behaftet gewesen. Der Klägerin sei der Nachweis nicht gelungen, dass der Schimmelbefall nicht bauseitig bedingt sei. Der Sachverständige habe festgestellt, dass Wasser durch die Fugen der Fassade in die Außenwände eingedrungen sei. Ebenso habe der Sachverständige ausgeführt, dass die nachträgliche Bearbeitung der schadhaften Fugen nicht ordnungsgemäß erfolgt sei und auch eine Hydrophobierung bei vorhandenen Rissen das Eindringen von Wasser nicht verhindere. Das Minderungsrecht der Beklagten scheitere auch nicht daran, dass der Sachverständige ebenfalls Nutzungsfehler der Beklagten festgestellt habe. Im Rahmen seiner Anhörung habe er jedoch – insoweit nicht protokolliert – ausgeführt, dass selbst optimales Mieterverhalten durch Beheizung und Belüftung der Wohnung den Schimmelbefall nicht verhindert hätte. Insoweit sei ab April 2015 eine Mietminderung in Höhe von 20 % sowie von April bis August 2015 ein Mieteinbehalt in Höhe weiterer 60 % angemessen gewesen. Der Klägerin stehe gegen die Beklagten jedoch ein Anspruch auf Auszahlung des Mieteinbehalts in Höhe von 2.301,00 EUR zu, weil das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten entfallen sei, nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.03.2017 nach wie vor einen Fugenschaden bestritten habe. Das Zurückbehaltungsrecht könne nur solange ausgeübt werden, wie es noch seinen Zweck erfülle, den Vermieter unter Druck zu setzen. Sei nicht mehr zu erwarten, dass der Vermieter seiner Verpflichtung zur Beseitigung des Mietmangels nachkomme, habe das Zurückbehaltungsrecht seinen Zweck verfehlt. Den Beklagten stehe im Rahmen der Widerklage gegen die Klägerin nur insoweit ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu, wie sie zur Abwendung der Räumungsklage rechtsanwaltliche Unterstützung in Anspruch genommen hätten. Dass zur Durchsetzung der Mangelbeseitigung ebenfalls rechtsanwaltliche Unterstützung erforderlich gewesen sei, hätten die Beklagten nicht substantiiert dargetan.

Gegen die nur teilweise Klagestattgabe richtet sich die Berufung der Klägerin, mit welcher sie ihren Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie Zahlung weiter Mietzinsen bzw. Nutzungsersatz in Höhe von 767,00 EUR gegen die Beklagten und ihren Antrag auf Widerklageabweisung vollumfänglich weiterverfolgt. Das Sachverständigengutachten sei in sich widersprüchlich. Die Erklärung des Sachverständigen, dass Wasser durch die Fugen in das Mauerwerk des Gebäudes eindringe, beruhe auf einer bloßen Beobachtung der Fassade mittels eines Fernrohrs. Ebenso sei die Aussage des Sachverständigen, dass die nachträgliche Bearbeitung der schadhaften Fugen nicht ordnungsgemäß sei, eine reine Mutmaßung, zumal die eigenen Messungen des Sachverständigen an der Wand keine Feuchtigkeit ergeben hätten. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen sei, dass selbst optimales Mieterverhalten den Schimmelbefall nicht verhindert hätte. Diese Aussage sei nicht protokolliert worden und stehe im Übrigen im Widerspruch zu den schriftlichen Erklärungen des Sachverständigen. Der Zeuge C. habe bei einer Baubegehung am 17.02.2017 keine schadhaften Fugen feststellen können. Daher habe es der Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens bedurft. Im Übrigen seien die Arbeiten zur Mangelbeseitigung am 17.06.2016 ausreichend gewesen. Der Sachverständige habe auch nicht festgestellt, dass die Mangelbeseitigung nur durch Arbeiten an der Außenfassade zu erreichen sei.

Die Beklagten haben den Mieteinbehalt in Höhe von 2.031,00 EUR nach wie vor nicht beglichen und zahlen weiterhin einen Minderbetrag an Mietzinsen in Höhe von 153,40 EUR. Wegen weiteren Zahlungsverzugs der Beklagten mit insgesamt 5.693,35 EUR erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 01.07.2017 erneut die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten unter Abänderung des am 06.04.2017 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Neuss als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. die von ihnen innegehaltene und im 5. OG rechts hinten befindliche Wohnung (WE 13a), xxx, bestehend aus 3 Zimmern, einer Küche, einer Diele/Flur, ein Bad/Dusche/WC, ein Balkon/Terrasse, sowie ein Kellerraum zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben,

2. an die Klägerin über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus, weitere 767,00 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (12.09.2015) zu zahlen,

3. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen sowie die Einräumung einer angemessenen Räumungsfrist.

Die Beklagten vertreten mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 24., 27., und 29.11.2017 die Ansicht, die mit klägerischem Schriftsatz vom 01.07.2017 ausgesprochene erneute Kündigung sei verspätet, soweit sie sich auf die Nichtzahlung des zurückbehaltenen Betrags von 2.301,00 EUR beziehe. Die Klägerin hätte bereits früher bestreiten können, dass die Fugen unfachmännisch ausgebessert worden seien und das Zurückbehaltungsrecht schon im Jahr 2015 entfallen lassen sowie die Kündigung hierauf können. Daher sei das Kündigungsrecht auch materiell verwirkt. Die Klägerin hätte die Beklagten wegen des zurückbehaltenen Betrags vor Kündigungsausspruch erneut mahnen und mit der Rückzahlung in Verzug setzen müssen. Das Zurückbehaltungsrecht sei schließlich wieder aufgelebt, weil die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren sowie in der Berufungsbegründung vom 19.06.2017 zu erkennen gegeben habe, zur Mangelbeseitigung doch bereit zu sein. Die neue Kündigung könne schließlich nicht als wirksame Klageänderung in der Berufung berücksichtigt werden. Zudem sei die Kündigung wegen eines Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz unwirksam, da der Mietrückstand falsch berechnet worden sei.

Die Beklagten haben ursprünglich mit einer Anschlussberufung ihren Antrag auf Klageabweisung vollumfänglich weiterverfolgt und sich darauf berufen, dass ihnen nach wie vor ein Minderungsrecht zustehe und sie auch zutreffend von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht hätten. Sie seien nicht zur Auszahlung des Mieteinbehalts in Höhe von 2.031,00 EUR verpflichtet. Mit Schriftsatz vom 02.11.2017 haben die Beklagten ihre Anschlussberufung zurückgenommen.

Von der Darstellung des Sachverhalts im Übrigen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen. Weitere Änderungen und Ergänzungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.

II.

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig und hinsichtlich des Räumungsantrags begründet. Hinsichtlich des Leistungsantrags sowie der Widerklage ist sie unbegründet.

1. Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die Berufungsbegründung genügt den formellen Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO.

2. Die Berufung ist hinsichtlich des Räumungsantrags begründet. Hinsichtlich des Leistungsantrags sowie der Widerklage ist sie unbegründet.

a) Die Klägerin hat einen Anspruch aus §§ 546 Abs. 1, 985 BGB auf Räumung und Herausgabe der Mietwohnung. Die Klägerin hat das Mietverhältnis mit der im Prozess erneut erklärten außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 01.07.2017 wirksam gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB beendet. Die Beklagten sind in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug, der die Miete für zwei Monate erreicht. Die Beklagten haben Mietzinsen von insgesamt 5.693,35 EUR bei einer monatlichen Miete von 767,00 EUR einbehalten. Die widerklagend in Abzug zu bringende Forderung von 794,92 EUR ist hierfür unerheblich. Ebenso unerheblich ist, ob die Miete tatsächlich um 153,40 EUR gemindert ist, obwohl die Klägerin Maßnahmen zur Mangelbeseitigung unternommen hat. Denn allein der erstinstanzlich ausgeurteilte Leistungsanspruch der Klägerin i.H.v. 2.301,00 EUR berechtigt vorliegend zur Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB. In dieser Höhe machten die Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht geltend, welches nach Rücknahme der Anschlussberufung nicht mehr streitgegenständlich ist. Es ist auch unerheblich, dass – wie die Beklagten gegen die neuerliche Kündigung einwenden – das erstinstanzliche Urteil nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist. Das Kündigungsrecht infolge eines Zahlungsrückstandes erfordert lediglich das materielle Vorliegen eines entsprechenden Anspruchs, nicht jedoch eines dahinlautenden Titels.

Den Beklagten steht kein Zurückbehaltungsrecht gem. § 320 BGB mehr zu, weil nach dem Schriftsatz der Klägerin vom 16.03.2017 nicht mehr zu erwarten war, dass sie weitere Maßnahmen zur Beseitigung eines etwaigen Mietmangels veranlassen wird. Ein Zurückbehaltungsrecht kann nur so lange aufrechterhalten werden, wie es noch seinen Zweck erfüllt, den Vermieter zur Mangelbeseitigung anzuhalten (BGH NJW 2015, 3087, 3092). Ist es aufgrund der Höhe des Mieteinbehalts und/oder des verstrichenen Zeitraums nicht zu erwarten, dass der Vermieter seiner Verpflichtung zur Beseitigung des Mietmangels unter dem Druck des Mieteinbehalts nachkommen wird, hat das Zurückbehaltungsrecht seinen Zweck, den Vermieter zur Vertragstreue anzuhalten, verfehlt (BGH NJW 2015, 3087, 3092).

Die erneut erklärte Kündigung im Schriftsatz vom 01.07.2017 kann im Berufungsverfahren Berücksichtigung finden. Die Klägerin hat ihre Räumungsklage auch auf diese erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausgesprochene Kündigung gestützt. Die dadurch erfolgte Einführung eines neuen Streitgegenstandes, der neben dem bisherigen Streitgegenstand in einem Eventualverhältnis steht, ist als Klageänderung nach § 533 ZPO zu behandeln (BGH NJW 1985, 1841, 1842; NJOZ 2015, 15, 16). Nach § 533 ZPO ist eine Klageänderung im Berufungsrechtszug zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und sie auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zu Grunde zu legen hat (Nr. 2). Sachdienlich ist eine Klageänderung bereits dann, wenn ihre Zulassung den Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt, so dass sich ein weiterer Prozess vermeiden lässt (BGH BeckRS 2013, 00267, Rn. 11; NJOZ 2015, 15, 16). Das ist bei einer im Berufungsrechtszug eingeführten neuen Kündigung stets der Fall (BGH NJOZ 2015, 15, 16).

Die Kündigung vom 01.07.2017 war auch nicht wegen Nachlässigkeit der Klägerin als verspätet zurückzuweisen. Die Klägerin hat ihr Kündigungsrecht nicht dadurch verloren, dass sie die Voraussetzungen des Wegfalls des Zurückbehaltungsrechts nicht bereits früher geschaffen hat. Es ist schon nicht ersichtlich, dass die Weigerung zur Mängelbeseitigung bereits 2015 feststand und unmittelbar hätte geäußert werden können. Die materiellen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 3 lit. b BGB lagen in dem Moment des Wegfalls des Zurückbehaltungsrechts vor, ohne dass es einer weiteren Mahnung bedurfte. Die Nichtzahlung der Beklagten zog allein deshalb nicht schon zuvor ein Kündigungsrecht nach sich, weil den Beklagten ein Druckmittel zur Mängelbeseitigung zustand. Dass dieses Druckmittel über einen bestimmten Zeitraum hinweg aufrechterhalten wurde, geht nicht zulasten der Partei, der damit ein bestimmtes Verhalten auferlegt werden sollte. Das Zurückbehaltungsrecht lebt auch nicht durch Äußerungen der Klägerin über die Mängelbeseitigung wieder auf. Nach seinem Wegfall bedurfte es einer erneuten ausdrücklichen Erklärung.

Die Klägerin hat das Kündigungsrecht auch nicht verwirkt. Die Vorschrift des § 314 Abs. 3 BGB findet im Wohnraummietrecht zunächst grundsätzlich keine Anwendung (BGH NZM 2016, 791). Ein Kündigungsrecht kann lediglich nach Treu und Glauben aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung dann ausgeschlossen sein, wenn der Mieter darauf vertrauen durfte, dass der Vermieter einen Vorfall nicht zum Anlass für eine Kündigung nimmt. Hieran fehlt es bei einem mehr als nur unerheblichen Zahlungsrückstand bei einer unberechtigten Nichtzahlung infolge mangelbedingter Minderung (Meyer-Abich, NZM 2017, 97, 101; LG Berlin, BeckRS 2015, 13664). Darüber hinaus hatte die Klägerin bereits zuvor mehrfach die Kündigung wegen Zahlungsrückstands ausgesprochen, sodass keinerlei Vertrauenstatbestand für die Beklagten bestand.

Die Kündigungserklärung ist auch nicht wegen Unbestimmtheit formunwirksam. Die Anforderungen hieran dürfen nicht überspannt werden. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordert für die Kündigung lediglich, dass sich aus der Erklärung der Wille zur Vertragsbeendigung deutlich ergibt (Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 542 BGB, Rn. 13). Dies trifft auf die Kündigung vom 01.07.2017 zu. Hieraus wird auch hinreichend deutlich, dass sie auch auf dem Mietrückstand i.H.v. 2.301,00 EUR beruht.

Den Beklagten war antragsgemäß eine Räumungsfrist einzuräumen, gem. § 721 Abs. 1 ZPO. Im Hinblick auf die Dauer des Mietverhältnisses, den Zeitpunkt der Kündigung und die weiteren, insbesondere familiären Umstände der Beklagten erscheint die tenorierte Räumungsfrist sowohl erforderlich als auch angemessen.

b) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 767,00 EUR gem. § 535 Abs. 2 BGB zu. Die Entscheidung des Amtsgericht, ihr anstelle des beantragten ausstehenden Mietzinses i.H.v. 3.068,00 EUR lediglich 2.301,00 EUR zuzusprechen, ist nicht zu beanstanden. Der Wegfall des Zurückbehaltungsrechts führte lediglich zu einem Zahlungsrückstand in dieser Höhe. Die Miete war nämlich gem. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert, da sie wegen des Schimmels in Küche und Schlafzimmer mit einem erheblichen Sachmangel behaftet war. Das Amtsgericht Neuss hat keine fehlerhaften Tatsachenfeststellungen im Sinne des § 529 ZPO getroffen, indem es auf Grundlage des Sachverständigengutachtens einen hinreichenden Beweis dafür erkannt hat, dass der Mangel nicht lediglich durch die Beklagten verursacht worden ist. Der Mieter kommt seiner Darlegungslast bereits mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels nach, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) braucht er hingegen nicht vorzutragen. Von ihm ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die – ihm häufig nicht bekannte – Ursache dieser Symptome bezeichnet (BGH NJW 2012, 382, Ls. 2).

Ist zwischen den Parteien streitig, ob der aufgetretene Schimmelpilzbefall vom Mieter wegen des Verstoßes gegen die ihm obliegende Obhutspflicht zu vertreten ist, trägt der Vermieter zunächst die Beweislast dafür, dass es sich nicht um von außen eindringende oder im Mauerwerk aufsteigende Feuchtigkeit handelt (LG Hamburg, Urt. v. 17.09.2009, 307 S 39/09, DS 2010, 367).

Dieser Beweis ist der Klägerin nach zutreffender erstinstanzlicher Würdigung des Sachverständigengutachtens nicht gelungen. Ausweislich des Sitzungsprotokolls kommt der Sachverständige zu eindeutigen Ergebnissen: „In meinem Gutachten habe ich niedergelegt, dass zunächst bauseitige Mängel da waren, nämlich in Gestalt mangelhafter Verfugung. [ … ] Ich meine, dass auch [ … ] die neuen Fugen nicht ordnungsgemäß ausgeführt w[u]rden, so dass dort Feuchtigkeit eindringen kann. Früher ist jedenfalls durch die Fugen Feuchtigkeit im Mauerwerk aufgenommen worden. [ … ] Hinzu kommt aber auch eine Mitverursachung auf Mieterseite.“ Danach war die vor den Nachbesserungsarbeiten an der Außenfassade vorhandene Verfugung ursächlich für den Schimmelpilzbefall. Es ist unschädlich, dass sich weder aus dem Gutachten des Sachverständigen selbst noch aus dem Sitzungsprotokoll vollständig nachvollziehen lässt, aus welchen Untersuchungen im Einzelnen sich diese Erkenntnisse zusammensetzen. Tatsächlich stützt sich diese deutliche Aussage des Sachverständigen unter Abgleich mit seinem schriftlichen Gutachten im Wesentlichen auf die Begutachtung der nachgebesserten Fugen. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Fugen (auch) im Bereich der Wohnung der Beklagten nachgebessert worden sind, sowie dass diese Nachbesserung unfachmännisch ausgeführt worden war. Auch ohne weitergehende Untersuchung der vorherigen Verfugung sind damit die Rückschlüsse des Sachverständigen weder widersprüchlich noch auf reinen Vermutungen basierend. Es ist nicht erforderlich, dass sich sämtliche gutachterlichen Ergebnisse aus der Verschriftlichung nachvollziehen lassen, solange die Ergebnisse klar und eindeutig sowie plausibel auf die dargestellte Untersuchung zurückzuführen sind.

Zudem erfolgte nicht lediglich eine Begutachtung der Fugen von außen mittels eines Fernrohrs, sondern auch eine Begutachtung und Dokumentation des Pilzbefalls von innen. In diesem Zusammenhang konnte der Sachverständige erkennen, dass der Pilzbefall jahreszeitenbedingt deutlich stärker als zum Begutachtungszeitpunkt ausfallen kann. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die eindeutigen Ergebnisse des Gutachtens nicht auch aus der Begutachtung der Innenwände folgen, sondern sich allein auf Vermutungen hinsichtlich des Anlasses der Neuverfugungen stützen.

Dem steht nicht entgegen, dass das Nutzungsverhalten der Beklagten mitursächlich für den Feuchtigkeitsschaden war. Der Sachverständige äußerte in der mündlichen Verhandlung, dass selbst bei optimalem Mieterverhalten ein Schimmelpilzbefall nicht zu vermeiden gewesen wäre. Das Amtsgericht hat dies gewürdigt und entschieden, dass der Mitverursachungsbeitrag das Recht, die Miete zu mindern, nicht in entscheidungserheblicher Weise geschmälert habe. Es konnte diese Aussage ohne fehlerhafte Tatsachenfeststellung berücksichtigen. Hierfür ist unschädlich, dass sie keinen Eingang in das Sitzungsprotokoll gefunden hat. Zum Tatbestand des Berufungsurteils zählen auch in den Urteilsgründen wiedergegebene tatsächliche Feststellungen (BGH NJW 1992, 1107, 1108; Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf, Beck-OK ZPO § 559 Rn. 3).

Schließlich war auch die angenommene Minderungshöhe nicht rechtsfehlerhaft. Welche Herabsetzung der Miete angemessen ist, richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalls, in erster Linie nach der Schwere des Mangels, dem Grad und der Dauer der Tauglichkeitsminderung, dem Absinken auf den Mindeststandard bzw. dessen Unterschreiten und der dadurch bewirkten Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit der Mietsache (Eisenschmid, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 536 Rn. 389). Eine Minderung um 20% berücksichtigt den Mitverursachungsbeitrag der Beklagten durch die Stellung der Möbel, Heiz- und Lüftungsgewohnheiten.

c) Die teilweise Stattgabe der Widerklage durch das Amtsgericht auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 794,92 EUR im Zusammenhang mit der erstmals erklärten Kündigung war nicht abzuändern, da den Beklagten gem. § 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch hierauf zusteht. Die ursprüngliche Kündigung der Klägerin war unwirksam, stellte eine vertragliche Pflichtverletzung dar und die Beklagten konnten sich zur Zurückweisung des Räumungsanspruchs anwaltlicher Hilfe bedienen. Wie unter b) ausgeführt, war die Miete gem. § 536 Abs. 1 S. 2 BGB gemindert.

4) Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aufgrund des Verzugs der Beklagten aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 97 Abs. 1, 100 Abs. 4, 516 Abs. 3 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 7 ZPO.

V.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Der Rechtsstreit weist auch ansonsten keine über den Einzelfall hinausgehenden Bezüge auf.

VI.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird nach §§ 41 Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 1 GKG auf 10.765,92 EUR festgesetzt:

Räumungsantrag: 9204,00 EUR (767,00 x 12)

Leistungsantrag Klägerin: 767,00 EUR

Widerklage: 794,92 EUR

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