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Fristlose Mietvertragskündigung aufgrund wiederholter Ruhestörung durch das Hören lauter Musik

AG Peine – Az.: 16 C 284/17 – Urteil vom 07.08.2019

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die von ihm bewohnte Wohnung …, 2. Obergeschoss rechts, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Flur, einem Bad/WC, einem Kellerraum und einem Abstellraum im Nebengebäude zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

2. Dem Beklagten wird eine Räumungsfrist gewährt bis zum: 31.03.2020.

3. Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Hinsichtlich des Räumungstitels wird dem Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 3.700,00 abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Hinsichtlich des übrigen Titels wird dem Beklagten nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des insoweit aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Mit der Klage macht die Klägerin als Vermieterin gegen den Beklagten als Mieter der im Tenor bezeichneten Wohnung einen Anspruch auf Räumung dieser Wohnung geltend. Die Parteien waren durch Mietvertrag vom 15.8.2013 miteinander verbunden. In dem Mietvertrag befindet sich der Passus, dass Musik auf Zimmerlautstärke zu hören sein.

Es kam nachfolgend zu Streitigkeiten wegen angeblich ruhestörenden Lärms des Beklagten durch zu lautes Musikhören; die betreffenden Umstände sind streitig.

Der damalige Mitmieter, der Zeuge … suchte am 26.4.2017 den Beklagten mit dem Vorwurf auf, dass er viel zu laut Musik höre. Am 17.5.2017 beschwerte sich der Zeuge erneut bei der Beklagten darüber, dass dieser an diversen Tagen (8., 9., 10., 11., 13., 14. und 17.5.2017) jeweils nachmittags mehrere Stunden unerträglich laut Musik gehört habe. Ein letztes Gespräch diesbezüglich zwischen dem Zeugen … und dem Beklagten fand am 31.5.2017 statt.

Wegen der angeblichen Ruhestörung erging eine Abmahnung durch Schreiben des anwaltlichen Vertreters der Klägerin vom 15.6.2017 (Anlage K4).

Mit der Klageschrift vom 1.8.2017 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristlos und hilfsweise ordentlich. Für die Kündigung wurde sich auf sämtliche behaupteten Ruhestörungen durch zu lautes Musikhören bezogen.

Am 9.8.2017 konsultierte der Zeuge … wegen angeblicher Ruhestörungen aus der Wohnung des Beklagten die Polizei. Die Polizei erschien dann auch vor Ort. Zu dieser Zeit wurde eine Lärmbelästigung durch die Polizei nicht oder nicht mehr festgestellt.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe in seiner Wohnung oftmals Musik gehört mittels einer Musikanlage und zwar so laut, dass ein ohrenbetäubender Lärm entstanden sei. Dadurch habe sich namentlich der Zeuge … erheblich in seiner Ruhe gestört gefühlt. Es sei an folgenden Tagen zu entsprechenden Ruhestörungen gekommen: 19., 20. und 21. April 2017, 8., 9., 10., 11., 13., 14., 17., 19., 26., 29. und 30. Mai 2017, 2., 6., 12. Juni 2107, 11., 13. Und 15. Juli 2017. Für die Zeiten der Ruhestörungen wird im Übrigen auf die Klageschrift und genauer Bl. 2-3 der Akte Bezug genommen.

Weiter behauptet die Klägerseite, dass es bereits am 1.6.2017 eine Abmahnung (Anlage K3) gegeben habe. Diese Abmahnung habe den Beklagten nicht interessiert und er habe weiterhin viel zu laut Musik.

Die Klägerin beantragt: Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin die von ihm bewohnte Wohnung …, 2. Obergeschoss rechts, bestehend aus zwei Zimmern, einer Küche, einem Flur, einem Bad/WC, einem Kellerraum und einem Abstellraum im Nebengebäude zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, unter einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden, die sich im Falle einer Verurteilung zum Auszug erheblich verschlimmern werde. Er habe Musik jeweils nur in Zimmerlautstärke gehört und niemanden gestört. Der Zeuge sei gegebenenfalls Lärmsensibel bzw. die Wohnung nicht hinreichend isoliert.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … in der mündlichen Verhandlung vom 24.1.2018, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … sowie die mündliche Vernehmung des Sachverständigen im Termin vom 10.4.2019, in welchem zudem der Beklagte noch informatorisch angehört wurde gemäß § 141 ZPO. Schließlich wurde eine ergänzende schriftliche Stellungnahme des Sachverständigen eingeholt, die dem Gericht am 6.5.2019 vorlag. Für die Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten, das Ergänzungsgutachten sowie die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen sowie auf die Sitzungsprotokolle ausdrücklich Bezug genommen.

Für den Sachvortrag der Parteien wird im Übrigen Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Rechtsgrundlage für die außerordentliche fristlose Kündigung ist § 543 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 569 Abs. 2 BGB.

I. Kündigung: Pflichtverletzung des Beklagten

Es steht zur gerichtlichen Überzeugung gemäß § 286 ZPO fest, dass der Beklagte durch vielfaches zu lautes Musikhören zu den von der Klägerin behaupteten Zeiten den Hausfrieden nachhaltig gestört hat. Ein wichtiger Grund für die außerordentliche liegt damit vor.

Im Einzelnen:

1. Zeuge …

Diese Überzeugung stützt sich zunächst auf die Aussage des Zeugen …

a) Ergiebigkeit

Die Aussage war ergiebig. Der Zeuge hat nämlich ausgeführt, vom 1.1.2015 in dem betroffenen Objekt gewohnt zu haben und als Schichtarbeiter auch tagsüber schlafen zu müssen. Der Beklagte habe oft laut Musik gehört, und die Musik sei so laut gewesen, dass er nicht habe schlafen können. Der Musiklärm sei mehrmals wöchentlich tagsüber aufgetreten. Der Zeuge hat ein Lärmprotokoll geführt. Für die Lärmbelästigungen wird ausdrücklich Bezug genommen auf das von dem Zeugen gefertigte Lärmprotokoll (Inhalt/Hülle Blatt 67 der Akte). Auf einer Skala von eins (ganz leise) bis zehn (ganz laut) würde er den Lärm auf 9-10 beziffern. Er sei letztlich wegen des Lärms ausgezogen.

Damit steht auch fest, dass es sich nicht um trivialen, sondern um starken Lärm handelte, der eine Pflichtverletzung von solchem Gewicht begründet, dass sie im Grundsatz als Grundlage für eine außerordentliche Kündigung in Betracht kommt. Denn ruhestörender Lärm (unabhängig von der Quelle, zum Beispiel durch Musizieren, lauten Fernseh- oder Rundfunkempfang) auch außerhalb der üblichen Ruhezeiten vermag grundsätzlich einen wichtigen Grund zu begründen, wenn dieser nicht vereinzelt, sondern wiederholt auftritt (MüKoBGB/Bieber, 7. Aufl. 2016, BGB § 543 Rn. 12). Dass der Zeuge nur übermäßig lärmempfindlich sei und er leise Musik zu lauter „hochgestuft“ habe, konnte das Gericht ausschließen. Herr … steht als Schichtarbeiter „mitten im Leben“. Er lebte erkennbar nicht isoliert. Seine Einstufung auf der Skala kann daher nicht mit Überempfindlichkeiten erklärt werden.

b) Glaubhaftigkeit

Die Aussage des Zeugen … ist glaubhaft.

Der Zeuge konnte detaillierte Angaben in Verbindung mit dem von ihm angefertigten Lärmprotokoll machen.

Wenn der Zeuge ausführt, er habe mit Oropax nicht schlafen können, zeigt das, dass er sich über den Lärm und wie er sich davor schützen könne intensive Gedanken gemacht hat. Auch seine psychische Lage – dass er gelegen habe und in nervöser Erwartung weiterer Störungen keine Ruhe mehr habe finden können – ist eine plausible Empfindung und damit ein Wahrheitskriterium im Sinne der Rechtsprechung des BGH.

Für die Glaubhaftigkeit spricht des Weiteren, dass der Zeuge Situationen schildern konnte, bei welchen er den Beklagten ausdrücklich auf die zu laute Musik angesprochen habe. Dies hat auch der Beklagte nicht in Abrede genommen. Für ein solches Klingeln bei dem Beklagten, welcher auch für den, der sich gestört fühlt, erfahrungsgemäß immer belastend ist, hätte ohne Ruhestörungen kein nachvollziehbarer Anlass bestanden.

Dass der Lärm vorhanden war, indiziert schlussendlich auch der Auszug des Zeugen.

c) Glaubwürdigkeit

Der Zeuge hatte keinen Grund, dem Beklagten ungerechtfertigterweise Lärm vorzuwerfen. Daher ist er auch glaubwürdig.

2. Zeuge …

Ergänzend stützt sich die gerichtliche Überzeugung darauf, dass der Zeuge … ausgesagt hat, in einer Zeit vor dem Einzug des Zeugen … ebenfalls Musik aus der entsprechenden Wohnung des Beklagten wahrgenommen zu haben. Dies hat der Zeugin in einer schriftlichen Darstellung, Blatt 71 der Akte, noch weitergehend konkretisiert. Es steht dabei zur gerichtlichen Überzeugung fest, dass auch dieser Zeuge aufgrund des Lärms ausgezogen ist. Verwiesen wird insofern auf seine Darstellung Blatt 71 der Akte sowie auf das Kündigungsschreiben der Eheleute … vom 30.10.2014, Anlage K2, Blatt 9 der Akte. Darin heißt es, dass der Grund für die Kündigung eine drastisch verschlechterte Lebens-und Wohnqualität seit dem Einzug des neuen Mieters, des Beklagten, sei. Dieser würde regelmäßig laut Musik hören, zum Beispiel am Sonntagnachmittag.

Dies deckt sich mit den Erfahrungen des Zeugen …

3. Zeugin …

Das Gericht verkennt nicht, dass die Zeugin … ausgesagt hat, dort seit dem Jahr 2000 zu wohnen und zuletzt gegenüber dem Beklagten gewohnt zu haben; dabei habe sie zwar ab und zu mal Musik gehört, könne aber nicht sagen, ob die aus der Wohnung des Beklagten gekommen sei. Lärm aus der Wohnung des Beklagten habe sie nicht wahrgenommen.

Das Gericht vermag der Aussage nicht zu folgen. Der Aussage widersprechen die eindeutigen Aussagen der anderen Zeugen.

Weitere Zeugenaussagen waren nicht hinreichend ergiebig.

Fristlose Mietvertragskündigung aufgrund wiederholter Ruhestörung durch das Hören lauter Musik
(Symbolfoto: Von Pheelings media/Shutterstock.com)

II. Außerordentliche Kündigung: Interessenabwägung

Letztlich kommt es auf eine Interessenabwägung an. Namentlich sind die für den Bestand des Mietverhältnisses sprechenden Umstände, für welche der Mieter die Darlegungs- und Beweislast trägt, gegen die Interessen des Vermieters an der Vertragsbeendigung abzuwägen. Auch und gerade bei der Frage der Berechtigung einer fristlosen Kündigung wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens durch einen psychisch kranken Mieter ist es die Pflicht des Tatrichters, die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes gegeneinander abzuwägen (siehe zuletzt nur BGH Beschl. v. 24.11.2009 – VIII ZR 174/09, BeckRS 2009, 87284).

In der Abwägung überwiegt das Aufhebungsinteresse der Klägerin als Vermieterin. Denn dieses Interesse ist besonders gewichtig, dass zum nachhaltigen, wiederholten und besonders intensiven Lärmstörungen durch rücksichtsloses Musikhören kam, die bei einer Rücksichtnahme, wäre sie auch nur ansatzweise vorhanden gewesen, zumindest nach den jeweiligen Hinweisen des Mitmieters … leicht abbestellen gewesen wäre, um eine pflegliches Miteinander wiederherzustellen.

Das Bestandsinteresse des Beklagten als Mieter hat dahinter zurückzutreten, trotz der gewichtigen Interessen, die sich aufgrund der psychischen Erkrankung des Beklagten und den aus einer Beendigung erwachsende Nachteilen ergeben.

Zunächst einmal kann das Verhalten des Beklagten nicht als schuldlos angesehen werden. Dabei benennt § 543 Abs. 1 BGB als ein Abwägungskriterium das Verschulden der Vertragsparteien an dem Entstehen des Kündigungsgrundes. Für den Fall des verhaltensauffälligen Mieters ist damit in die Abwägung mit einzubeziehen, ob dieser aufgrund der bestehenden Erkrankung keine Steuerungsfähigkeit hat (s. dazu Schindler, WM, 2018, 255, 257). Anzeichen für das Fehlen einer Steuerungsfähigkeit haben sich indes nicht ergeben.

Das Gericht ist allerdings überzeugt auf Grundlage des Gutachtens des Sachverständigen …, dass bei dem Beklagten eine posttraumatische Belastungsstörung besteht. Der Sachverständige hat für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt, dass die Wohnung eine große persönliche Bedeutung habe und ihm einen schützenden (protektiven) Raum biete. Einen Suizid im Falle des Auszugs aus der Wohnung hielt er eher für unwahrscheinlich. Eine Reaktion in affektiver Weise in Gestalt einer zunehmenden Depression oder auch eine manische Reaktion, die sich etwa dahingehend äußern könne, dass er sich der Räumung widersetzt, halte er demgegenüber für naheliegend. Dabei könne – müsse aber nicht – eine Instabilität sich so weitreichend, dass er ein Kandidat für eine akute psychiatrische Behandlung werde.

Zunächst ist allerdings auszuführen, dass der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme ausgeführt hat, dass die betreffenden affektiven Reaktionen stufenweise und sich dabei steigernd auftreten würden. Das Urteil sei belastend, die letztlich von dem Sachverständigen angegebenen möglichen Folgen verwirklichten sich in voller Wirkung aber erst bei dem tatsächlichen Auszug. Dies reicht nach zutreffender Auffassung als Härtegrund nicht aus. Denn: Besteht die Möglichkeit, dass sich die Gefahr im Falle der Zwangsräumung verwirklicht, so ist dieser Umstand nicht im Erkenntnis-, sondern – wie allgemein bei Vollstreckungshindernissen – erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB § 569 Rn. 23; BGH NZM 2005, 300).

Lediglich höchst hilfsweise wird ausgeführt:

Selbst wenn man der vorgenannten Auffassung nicht folgen und bereits bei der Interessenabwägung im Erkenntnisverfahren auch die Folgewirkungen bei der Räumungsvollstreckung – also dem schlussendlichen Auszug – berücksichtigen wollte, ergäbe sich letztlich kein anderes Abwägungsergebnis.

Denn auch in diesem Fall wären die gesundheitlichen Folgen mangels eines naheliegenden Suizids nicht so schwerwiegend, dass das Eigentumsrecht der Klägerin zurücktreten müsste.

Es wäre zwar nach dem Ergebnis des Gutachtens eine Verschlimmerung der Depression oder auch eine manische Reaktion möglich, jedoch ist mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass über eine angemessene Kündigungsfrist erreicht werden kann, dass der Beklagte Zeit hat, sich auf die Situation vorzubereiten und gegebenenfalls mit einer Therapie, die ihn stabilisiert und auch den Auszug vorbereitet, zumindest zu beginnen.

Entsprechend hat der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten auf Blatt 217 der Akte ausgeführt, dass er den zunächst unterbreiteten Vergleichsvorschlag des Gerichts mit einem komfortablen Auszugstermin von 12-15 Monaten, beginnend naheliegend mit dem Termin der betreffenden Stellungnahme (1.2.2019), für zumutbar und zielführend erachte (wörtlich heißt es: „durchaus anzustrebende Lösung“).

Da das Gericht, wie noch auszuführen sein wird, eine Frist für die Räumung bis zum 31.3.2020 gewährt, kann dem Petitum des Sachverständigen, einen komfortablen Auszugstermin zu ermöglichen, auf diesem Wege Rechnung getragen werden.

Weiter ist zu beachten, dass das Interesse des Beklagten am Bestand des Mietverhältnisses aus besonderen Gründen an Gewicht verloren hat.

Namentlich ist das Gericht überzeugt, dass er sich nicht angemessen um eine zeitnahe Therapie bemüht hat.

Anerkannt ist, dass die Belange des Mieters dann zurücktreten können, wenn dieser sich in seiner Krankheit einrichtet und trotz Behandlungsmöglichkeit keine hinreichenden Bemühungen um eine Besserung unternimmt (Schindler, WM 2018, 255, 257).

Hier hat der Beklagte zwar ausgeführt, sich um Therapiemöglichkeiten bemüht zu haben, allerdings waren diese Bemühungen nach dem Dafürhalten des Gerichts auf unterem Niveau anzusiedeln. So hat er sich nach seiner Aussage zunächst darum gekümmert, eine Art Gesprächstherapie bei einer Einrichtung in Peine zu machen; er hat hierzu ausgeführt, dabei gehe es darum, eine vernünftige Lebensperspektive aufzubauen, nicht um eine Therapie im engeren Sinne. Notwendig ist aber nach der Einschätzung von … eine psychologische Therapie im engeren Sinne. Diesbezüglich äußerte der Beklagte, er habe sich einmal telefonisch an die Berliner Charité gewandt, da habe man ihn aber abgewiesen, da man dort Menschen, die unter dem Verdacht eines Sexualdeliktes stehen, was damals für den Beklagten zutreffend war, nicht aufnehme. Sodann hat der Beklagte ausgeführt, dass er sich erst wieder im Jahr 2018 dahingehend bemüht habe, eine Therapie anzustrengen. Insofern habe er zum Januar 2019 einen ersten Termin für ein Gespräch in den … Kliniken erhalten. Diesen habe er dann krankheitsbedingt nicht wahrnehmen können.

Insgesamt waren derartige Bemühungen nicht hinreichend. Der Beklagte hätte sich nach der angeblich ablehnenden Haltung der Berliner Charité umgehend um alternative Einrichtungen bemühen müssen. Auch in Ansehung der langen zeitlichen Abstände der durch die Einrichtung Wahrendorff ermöglichten Termine hätte genügend Anlass bestanden, sich zeitnah nach Alternativen umzusehen.

III. Kündigung: Abmahnung

Weiter ist das Gericht auch überzeugt, dass die Abmahnung vom 1.6.2017 (Anlage K3) dem Beklagten zugegangen ist. Dies stützt das Gericht auf die Aussage des Zeugen …. Er hat dazu ausgeführt, er und seine Frau hätten sichergehen wollen, dass der Beklagte das Schreiben auch erhält; sie seien daher extra nach Peine gefahren mit dem Abmahnschreiben; der Zeuge selbst habe es bei dem Beklagten eingeworfen. Am 3. Juni um 16:20 Uhr habe die Zustellung vorgenommen. Das habe er sich aufgeschrieben habe den Zettel mitgebracht. Er wundere sich, dass der Zugang durch den Beklagten bestritten werde, denn etwa drei Tage nach der Zustellung habe der Beklagte ihm auf den Anrufbeantworter gesprochen, das sei namentlich am 6. Juni 10:24 Uhr gewesen, und habe dort auf die Abmahnung Bezug genommen und erklärt, dass er zum Anwalt gehen werde.

Die Aussage des Zeugen ist glaubhaft.

Es liegen mehrere Realitätskriterien, die auf eine Wahrheit der Aussage schließen lassen, im Sinne der Rechtsprechung des BGH vor.

Namentlich hat der Zeuge Gedanken und Empfindungen nachvollziehbar geschildert, die Aufschluss über seine Motivation geben.

Weiter hat der Zeuge geschildert, eine namentlich von ihm benannte weitere Person angetroffen zu haben und dieser das Schreiben gezeigt zu haben. Da eine solche Angabe jedenfalls theoretisch überprüfbar ist bzw. der Zeuge davon ausgehen musste, ist das sogenannte Verstrickungskriterium insofern erfüllt.

IV. Räumungsfrist für den Beklagten, § 721 ZPO

Das Gericht hat eine großzügige Räumungsfrist von nunmehr noch weiteren acht Monaten bestimmt, § 721 ZPO. Hierfür war es maßgeblich, einen angemessenen Interessenausgleich zu finden. Der Sachverständige hat ausgeführt, eine stationäre Therapie sei anzustreben. Es solle dem Beklagten ermöglicht werden, zumindest einen ersten Therapieabschnitt vor dem Auszug zum Abschluss zu bringen um dann gegebenenfalls in eine ambulante Therapie überzugehen. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beklagte selbst einen nächsten Gesprächstermin in den … Kliniken für Mai 2019 angegeben hat und er sich zudem spätestens ab vorliegende Gutachten ganz deutlich über die Therapienotwendigkeit im klaren sein musste, erscheinen die acht Monate, beginnend mit dem Tag des Urteils, bereits als großzügig bemessen, im Ergebnis aber vertretbar, um der besonderen Situation des Beklagten unter Berücksichtigung seiner Erkrankung gerecht zu werden.

V. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Ziffer 7 und § 711 ZPO.

 

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