AG Hamburg – Az.: 43b C 168/20 – Urteil vom 23.03.2021
Die Beklagte zu 1) wird als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 2) verurteilt, den Wohnraum in dem Objekt ……… bestehend aus drei Zimmern, einer Küche und einem Bad zu räumen und in vertragsgerechtem Zustand an die Klägerin herauszugeben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen.
Die Beklagte zu 1) darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung hinsichtlich des Herausgabeanspruchs in Höhe von Euro 5.000,00 und im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von Euro 10.000,00 (hinsichtlich des Heräusgabeausspruchs) bzw. im Übrigen Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Mit der Klage verlangt die Klägerin Herausgabe einer Mietwohnung nach einer Kündigung, die auf Rauschgifthandel aus der Wohnung heraus gestützt wurde.
Die Parteien schlossen am 21.4.2004 einen Mietvertrag über die im Tenor genannten Räumlichkeiten. Das Mietverhältnis ist als Wohnraummietverhältnis anzusehen. Mit einem „Bodenraummietvertrag“ vom 15.5.2006, der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) wurde im ……… ein Bodenraum „hinzugemietet“. In diesem Vertrag wird unter Ziff. 5 klargestellt, dass es sich um einen separaten Mietvertrag handele, der unabhängig von dem vorgenannten Mietvertrag sei.
Am 12.02.2020 durchsuchte die Polizei die Wohnung. In dem Durchsuchungsprotokoll vom 12.02.2020 (Anl. K 5), das von der Beklagten zu 1) als Zeugin unterzeichnet wurde, sind in 22 Positionen u.a. Drogen wie Ecstasy, Haschisch Marihuana, Heroin, Kokain in unterschiedlichen Mengen verzeichnet.
Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 21.2.2020 (Anl. K 3) „Wegen Rauschgifthandel in der Mietwohnung ……… fristlose und hilfsweise fristgemäß. In dem Kündigungsschreiben wird der Bodenraum, der Gegenstand des Bodenraummietvertrages vom 15.5.2006 ist, nicht erwähnt. Die Beklagte zu 1) verweigerte die Entgegennahme der an den Beklagten zu 2) gerichteten Kündigung, da dieser nicht in der ……… ohne. Die Zustellung an den Beklagten zu 2) erfolgte unter einer Anschrift in der ……… in Hamburg.
In einem mit dem Briefkopf: „In ……… derzeit Krankenstation ………“ und mit oberhalb des Adressatenfeldes vorhanden Zeile, die lautet „……… versehenen Schreiben an die Klägerin vom 27.2.2020 (Anl. K 4) heißt es u.a. „Tatsache ist, ich lebe seit vielen Jahren in Lebensgemeinschaft und Hausstand in der ……… zusammen.“ Das Schreiben endet mit einer unleserlichen Unterschrift über den gedruckten Worten „i.A. Effing (Sohn)“.
Durch Versäumnisurteil vom 03.07.2020 wurde der Beklagte zu 2) entsprechend des Klageantrages verurteilt.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldnerin neben dem Beklagten zu 2) zu verurteilen, den Wohnraum in dem ………, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, einem Bad und einem Bodenraum zu räumen und in vertragsgerechtem Zustand an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagte zu 1) beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 1) trägt vor, sie habe von dem Vorhandensein der am 12.2.2020 sichergestellten Gegenstände in ihrer Wohnung keine Kenntnis gehabt. Der Beklagte zu 2) sei am 11.2.2020 in der Wohnung erschienen, weil er bei dem Transport einer ab 7.00 Uhr des 12.2.2020 erwarteten Warenlieferung habe helfen wollen. Sie selbst sei erst am späten Abend des 11.2.2020 in die Wohnung zurückgekehrt und sofort zu Bett gegangen.
Der Beklagte zu 2) hat vorgetragen, die Drogen nach der überraschenden Rückkehr der Beklagten zu 1) am späten Abend des 11.2.2021 in der Wohnung verteilt bzw. versteckt zu haben.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist überwiegend (d.h. bis auf den Anspruch auf Herausgabe des Bodenraums) begründet.
Die Beklagte zu 1) ist zur Herausgabe der Mieträume verpflichtet. Die Kündigung vom 21.2.2020 ist als fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB wirksam.
Die Kündigung wurde wirksam auch an den Beklagten zu 2) zugestellt. Die Zustellung an den Beklagten zu 2) konnte unter der Anschrift ……… erfolgen. Die Beklagte zu 1) war nach § 21 Ziff. 2 des Mietvertrages zur Entgegennahme der Kündigung auch gegenüber dem Beklagten zu 2) berechtigt. Da der Klägerin unstreitig nicht bekannt gewesen ist, dass die R.straße 16 nicht mehr der Ort war, an dem Willenserklärungen gegenüber dem Beklagten zu 2) zugehen konnten, konnte die Kündigung an diese Anschrift gerichtet werden. Ohnehin ist jedoch aufgrund des Inhaltes der Anlage K 4 davon auszugehen; dass der Beklagte zu 2) noch in der R.straße 16 wohnte. Die Beklagten haben sich nicht zu dem Inhalt der Anlage K 4 geäußert, der nur so verstanden werden kann, dass beide Beklagte in der ……… wohnten. Auch wenn es am Ende des Schreibens „i.A. ………“ heißt, so wird damit nur eine Unterschrift des Beklagten zu 2) ersetzt. Der Inhalt des Schreibens – auch wegen des zeitlichen Zusammenhangs mit der am 26.2.2020 erfolgten Zustellung durch die Gerichtsvollzieherin – kann jedoch zugrunde gelegt werden.
Die Wohnung wurde von dem Beklagten zu 2) zum Zweck des Drogenhandels genutzt. Hiervon ist (1.) aufgrund der Menge der am 12.2.2020 vorgefundenen Drogen sowie (2.) den völlig unglaubwürdigen Erklärungen der Beklagten auszugehen. Die Kenntnis der Beklagten zu 1) hiervon ist unerheblich (3.).
1. Dass die Drogen von der Polizei am 12.2.2020 vorgefunden worden sind ist ohne weitere Beweisaufnahme zu unterstellen.
Die Beklagte zu 1) selbst hat das Durchsuchungsprotokoll unterzeichnet. Ihr ist es daher verwehrt, das Vorhandensein der sichergestellten Drogen zu bestreiten. Dies steht im Übrigen auch in Widerspruch zu der spontanen Einlassung des Beklagten zu 2) im Termin am 23.2.2020, er habe die Drogen in der Wohnung verteilt bzw. versteckt.
Das Vorhandensein der Drogen kann mit einer Drogenabhängigkeit des Beklagten zu 2) nicht erklärt werden. Die Menge der Drogen spricht eindeutig dagegen. Der Besitzt derartiger Mengen ist für einen Eigenbedarf völlig unüblich. Das Gericht kann den umfangreichen Drogenbesitz nicht anders bewerten als dies das Strafgericht im Urteil gegen den Beklagten zu 2) getan hat.
Voraussetzung für die fristlose Kündigung ist ferner das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der hier vorliegt. Die Vielzahl verschiedener Drogen lässt nur den Schluss zu, dass der Beklagte zu 2) mit Drogen gehandelt hat. Wer nur für den Eigenkonsum Drogen verwahrt, verfügt nicht über derart ansehnliche Vorräte. Der Beklagte zu 2) hat die Wohnung als Lagerort für die Vorräte genutzt. Es kommt nicht darauf an, ob er in der Wohnung Drogenkäufer oder -lieferanten empfangen hat.
Eine Abmahnung war angesichts des strafwürdigen Verhaltens des Beklagten zu 2) gemäß § 543 Abs. 3 Ziff. 2 BGB entbehrlich.
2. Die Verteilung der Drogen am späten Abend des 11.2.2020 oder in der Nacht vom 11. auf den 12.2.2020 an verschiedenen Stellen in der Wohnung durch den Beklagten zu 2) in Unkenntnis der Beklagten zu 1) ist nicht nachvollziehbar. Wenn es richtig sein sollte, dass der Beklagte zu 2) am 11.2.2020 bereits die Wohnung betrat, bevor die Beklagte zu 1) dort erschien, so muss dies mit den vorgefundenen Drogen geschehen seih. Warum diese sodann in der Wohnung verteilt und versteckt wurde, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Der Beklagte hätte seinen Drogenkonsum vornehmen können, ohne die Drogen in der Wohnung zu verteilen.
Das Gericht muss ferner davon ausgehen, dass der Beklagte zu 2) nicht nur ausnahmsweise am 11. und 12.2.2020 in der Wohnung anwesend gewesen ist, um – wie die Beklagte zu 1) vorträgt – Hilfestellung bei dem Transport einer am Morgen des 12.2.2020 erwarteten Lieferung eines schweren Trimm-Dich-Gerätes zu leisten. Vielmehr muss angenommen werden, dass er die Wohnung über die Zeit seiner Anwesenheit am 11./12.2.2020 als Aufbewahrungsort von Drogen genutzt hat. Dies ist eine offenkundig vertragswidrige Nutzung.
Aus dem Inhalt der Anlage K 4 folgt nicht nur, dass dem Beklagten zu 2) unter der Anschrift ……… die Kündigung zugegangen ist, sondern auch, dass er regelmäßig dort wohnte. Hiervon ist auch auszugehen, weil der Durchsuchungsbeschluss vom 7.2.2020 bereits die Durchsuchung der Wohnung in der ……… angeordnet hat. Dem Gericht sind zwar nicht im Einzelnen die Ermittlungen bekannt, die die Voraussetzungen einer Durchsuchung dieser Wohnung erfüllt haben, die Beklagten haben jedoch in bemerkenswerter Weise mit keinem Wort erwähnt, wo denn der Beklagte zu 2) sonst gewohnt hat.
3. Es kommt nicht darauf an, ob die Beklagte zu 1) Kenntnis davon hatte, dass die Drogen vorhanden gewesen sind. Allein das Verhalten des Beklagten zu 2) überschreitet die Grenzen des vertragsgemäßen Gebrauchs. Er ist Mitmieter der Wohnung gewesen, so dass nicht einmal der Beklagten zu 1) sein Verhalten zugerechnet werden muss. Für eine Kündigung wegen einer Vertragsverletzung ist das Fehlverhalten eines Mitmieters ausreichend, Auch wenn es richtig sein sollte, dass er sie nicht regelmäßig genutzt hat, rechtfertigt sein Vertragsverstoß allein eine Kündigung. Der Beklagte zu 2) ist aufgrund seiner formellen Mieterstellung nicht lediglich als Besucher anzusehen, dessen Exzessverhalten der Mieterin u.U. nicht zuzurechnen wäre.
Die absurde Darstellung des Beklagten zu 2), er habe erst nach seinem Erscheinen in der Wohnung die Drogen dort verteilt, lässt zugleich die Einlassung der Beklagten zu 1) nicht ansatzweise nachvollziehbar erscheinen. Sie mag erst am 11.2.2020 spät und übermüdet in die Wohnung zurückgekehrt sein. Dies räumt jedoch nicht den Umstand aus, dass die Verteilung der Drogen in der Wohnung nicht kurzfristig und spontan erfolgt ist.
Es ist somit davon auszugehen, dass die Drogen bereits in der Zeit zuvor in der Wohnung vorhanden gewesen sind, so dass die Beklagte zu 1) sie wahrgenommen haben muss, oder für eine über den Zeitraum der Anwesenheit des Beklagten zu 2) am 11. und 12.2020 hinausgehenden Zeitraum dort verbleiben sollten.
4. Die Beklagte zu 1) ist nicht zur Herausgabe des Bodenraums verpflichtet. Die Kündigung vom 21.02.2012 bezieht sich nicht auf diesen Bodenraum. Es liegt auch kein einheitliches Mietverhältnis vor, da in dem Bodenraummietvertrag klargestellt worden ist, dass das Bodenraummietverhältnis unabhängig von dem als Gewerberaummietverhältnis bezeichneten im April 2004 geschlossenen Mietverhältnis sei. Gegen ein einheitliches Mietverhältnis spricht ferner, dass der Vertrag nur von der Beklagten zu 1), der Wohnraummietvertrag dagegen von beiden Beklagten abgeschlossen wurde.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 2, 708 Nr. 7, 711 ZPO.