Das Landgericht München I hat in seinem Beschluss Az.: 14 S 6310/23 vom 13.07.2023 die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens bestätigt. Die Überzeugung des Amtsgerichts, dass die Polizeimeldung des Beklagten eine nachhaltige Störung des Hausfriedens darstellte, wurde als gerechtfertigt angesehen. Die fristlose Kündigung wurde letztlich aufgrund der fehlenden Nachweisbarkeit der Unverleumdlichkeit der Aussagen des Beklagten und der wiederholten oder lang anhaltenden Beeinträchtigung des Hausfriedens durch die Polizeimeldung begründet.
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Übersicht
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die fristlose Kündigung durch die Klägerin wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens durch den Beklagten war wirksam.
- Das Amtsgericht stellte fest, der Beklagte tätigte einen Notruf mit verleumderischem Inhalt zum Nachteil des Mieters und dessen Lebensgefährtin.
- Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zur Störung des Hausfriedens durch den Beklagten ist nicht zu beanstanden.
- Das Amtsgericht hat die Beweise umfassend erhoben und gewürdigt.
- Das Berufungsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts gebunden, sofern keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit und Vollständigkeit bestehen.
- Die Berufung ersetzt unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Amtsgerichts durch ihre eigene.
- Das Berufungsgericht sieht keinen Rechtsfehler im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts.
- Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg und wird zurückgewiesen.
Fristlose Kündigung wegen Nachbarstreit: Wenn Hausfrieden bricht
Konflikte zwischen Mietern können schnell eskalieren und zu erheblichen Spannungen innerhalb einer Wohngemeinschaft oder eines Mehrfamilienhauses führen. In solchen Fällen können die betroffenen Vertragsparteien mitunter zu drastischen Maßnahmen greifen, um dem Ärger ein Ende zu bereiten. Eine fristlose Kündigung des Mietvertrags wegen einer nachhaltigen Störung des Hausfriedens stellt dabei eine der letzten Optionen dar. Allerdings müssen hierfür hohe Hürden überwunden werden, da das Recht auf Wohnen ein bedeutendes Gut darstellt.
Der vorliegende Fall zeigt exemplarisch, wie ein Gericht die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung wegen Hausfriedensbruch prüft und welche Aspekte dabei eine Rolle spielen. Anschließend werden die wesentlichen Erkenntnisse aus der gerichtlichen Entscheidung zusammengefasst, um Mieter und Vermieter für die Problematik zu sensibilisieren und mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen.
Der Fall vor dem Landgericht München I im Detail
Fristlose Mietvertragskündigung bei nachhaltiger Störung des Hausfriedens durch das LG München I
Im vorliegenden Fall geht es um die fristlose Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund der nachhaltigen Störung des Hausfriedens, die durch das Landgericht München I im Beschluss Az.: 14 S 6310/23 vom 13.07.2023 behandelt wurde. Der Konflikt entstand, nachdem der Beklagte bei der Polizei eine Ruhestörung meldete, die von Naziparolen begleitet wurde, ausgesprochen durch einen anderen Mieter. Die Klägerin, Eigentümerin des Wohnobjekts, sah darin eine nachhaltige Störung des Hausfriedens, die eine fristlose Kündigung rechtfertigte. Der Beklagte wiederum betrachtete die Kündigung als unbegründet und forderte die Räumung und Herausgabe der Wohnung.
Juristische Auseinandersetzung und Gerichtsentscheidungen
Die rechtliche Auseinandersetzung begann beim Amtsgericht, das die Räumungsklage der Vermieterin stattgab, ohne eine Räumungsfrist zu gewähren. Der Beklagte legte gegen dieses Urteil Berufung ein, wobei er insbesondere die Vollständigkeit und Richtigkeit der Beweisaufnahme in Frage stellte. Er bezweifelte, dass die gemeldeten Äußerungen von der Polizei tatsächlich festgestellt wurden und argumentierte, dass die angebliche Ruhestörung bereits vor Eintreffen der Polizei abgeklungen sei. Das Landgericht München I beabsichtigte jedoch, die Berufung zurückzuweisen, da sie aus seiner Sicht offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hatte.
Kernpunkte der rechtlichen Bewertung durch das LG München I
Das LG München stützte seine Entscheidung auf die Beweisführung und die rechtlichen Erwägungen des Amtsgerichts. Die Überzeugung des Amtsgerichts, dass die vom Beklagten getätigte Polizeimeldung eine nachhaltige Störung des Hausfriedens darstellte, wurde als gerechtfertigt angesehen. Das Gericht folgte der Einschätzung, dass der Beklagte nicht nachweisen konnte, dass seine Aussagen zur „Naziparty“ und den ausgerufenen Parolen nicht verleumderisch waren. Ferner wurde die Bedeutung einer „nachhaltigen Störung“ betont, die eine wiederholte oder lang anhaltende Beeinträchtigung erfordert, um eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.
Schlussfolgerungen der Kammer und endgültige Entscheidung
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz auf der Grundlage des § 529 ZPO, wonach das Berufungsgericht an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden ist, solange keine konkreten Anhaltspunkte erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen aufkommen lassen. In diesem Fall sah das Berufungsgericht keine hinreichenden Gründe, von den Feststellungen des Amtsgerichts abzuweichen. Das Gericht wies die Berufung zurück und bestätigte die fristlose Kündigung, da es die Beweiswürdigung des Amtsgerichts für nicht zu beanstanden hielt.
✔ FAQ zum Thema: Fristlose Mietvertragskündigung
Was versteht man unter einer „nachhaltigen Störung des Hausfriedens“?
Eine nachhaltige Störung des Hausfriedens setzt voraus, dass eine Mietpartei die gemäß § 241 Abs. 2 BGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Mieter nicht mehr als unvermeidlich gestört werden, in schwerwiegender Weise verletzt.
Für die von § 569 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Nachhaltigkeit der Störung genügen regelmäßig weder einmalige noch vereinzelte Vorfälle. Vielmehr muss die Störung entweder besonders schwerwiegend oder besonders häufig vorkommen, so dass eine stete Wiederholungsgefahr gegeben ist.
Zu den typischen Fällen einer nachhaltigen Hausfriedensstörung gehören fortlaufende Streitereien mit Nachbarn und deren Beleidigung, Beleidigungen des Vermieters, Lärm insbesondere in den Ruhezeiten, Sachbeschädigung, Belästigungen sowie die Missachtung der Hausordnung. Auch Straftaten im Haus wie Diebstahl, Beleidigungen oder Bedrohungen können als nachhaltige Störung gewertet werden.
Wie kann ein Mieter sich gegen eine fristlose Kündigung wehren?
Ein Mieter kann sich auf verschiedene Weise gegen eine fristlose Kündigung wehren:
Zunächst sollte der Mieter die Kündigung genau prüfen. Enthält sie formale Fehler wie fehlende Unterschrift, falsche Anschrift etc. ist sie unwirksam. Auch muss der Kündigungsgrund genau angegeben sein.
Ist die Kündigung formal korrekt, sollte geprüft werden, ob die angegebenen Gründe tatsächlich eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Dafür muss ein wichtiger Grund vorliegen, der dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht. Bei Störungen des Hausfriedens müssen diese nachhaltig sein, also besonders schwerwiegend oder häufig vorkommen. Einmalige oder geringfügige Vorfälle reichen in der Regel nicht aus.
Zudem muss der Vermieter den Mieter in den meisten Fällen vor einer fristlosen Kündigung abgemahnt und ihm die Möglichkeit zur Verhaltensänderung gegeben haben. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann eine Abmahnung entbehrlich sein.
Hält der Mieter die Kündigung für unberechtigt, sollte er dem Vermieter unverzüglich schriftlich widersprechen und die Gründe darlegen. Reagiert der Vermieter nicht oder besteht er auf der Kündigung, bleibt dem Mieter noch die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage vor Gericht. Damit kann er die Wirksamkeit der Kündigung gerichtlich überprüfen lassen. Bis zu einer Entscheidung kann der Mieter in der Wohnung bleiben.
Parallel sollte der Mieter, soweit möglich, die Kündigungsgründe beseitigen, also z.B. Ruhestörungen einstellen, Mietrückstände ausgleichen etc. Damit nimmt er dem Vermieter die Grundlage für die fristlose Kündigung und verbessert seine Chancen, die Wohnung zu behalten.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Regelung zur fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses aufgrund einer erheblichen Verletzung des Mieters gegenüber seinen Pflichten, die den Hausfrieden nachhaltig stört. Im vorliegenden Fall wurde die fristlose Kündigung aufgrund der nachhaltigen Störung des Hausfriedens durch den Beklagten vollzogen. Die genaue Auslegung dieses Paragraphen ist entscheidend, um zu bewerten, ob die vom Beklagten verursachten Störungen als „nachhaltig“ gelten können.
- § 569 Abs. 2 BGB: Diese Vorschrift präzisiert die Bedingungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund, insbesondere wenn der Mieter den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar wird. In diesem Fall beruft sich die Klägerin auf diese Regelung, um die Räumung und Herausgabe der Wohnung durchzusetzen.
- § 286 ZPO (Zivilprozessordnung): Bestimmt die Beweiswürdigung durch das Gericht, die auf der vollen Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit einer Tatsache basieren muss. Das Gericht muss in diesem Fall entscheiden, ob die dargelegten Behauptungen des Beklagten glaubhaft sind und ob die Aussagen der Zeugen die Anschuldigungen untermauern.
- § 522 Abs. 2 ZPO: Ermöglicht einem Gericht die Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung, wenn die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat. Dies wurde vom Landgericht München I angewandt, um die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, da das Gericht die Auffassung vertrat, dass keine wesentlichen neuen Tatsachen vorliegen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen würden.
- § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO: Regelt die Bindung des Berufungsgerichts an die vom Erstgericht festgestellten Tatsachen, es sei denn, es bestehen konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Feststellungen begründen. Im Kontext dieses Falles bedeutet dies, dass das Berufungsgericht die vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen zur nachhaltigen Störung des Hausfriedens als Grundlage für seine Entscheidung heranzieht, solange keine offensichtlichen Fehler in der Beweisführung vorliegen.
➜ Das vorliegende Urteil vom Landgericht München I
LG München I – Az.: 14 S 6310/23 – Beschluss vom 13.07.2023
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 27.04.2023, Az. 472 C 2227/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe:
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Wohnung im Anwesen … in der Folge fristloser, hilfsweise ordentlicher Kündigungen wegen behaupteter nachhaltiger Störung des Hausfriedens in Anspruch.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Mietverhältnisses sowie der ausgesprochenen Kündigungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Die Klägerin vertrat bereits in erster Instanz die Auffassung, dass die ausgesprochenen Kündigungen formell und materiell wirksam seien. Sie könne mithin Räumung und Herausgabe des verfahrensgegenständlichen Mietobjekts verlangen.
Der Beklagte vertritt den Standpunkt, dass die Kündigungen vollumfänglich unwirksam seien. Der Beklagte ließ in erster Instanz im Rahmen der Klageerwiderung vortragen, es sei richtig, dass er sich tatsächlich über den Mieter … beschwert habe, weil aus der Wohnung des Herrn … von diesem und anderen Mitbewohnern regelmäßig Sätze wie folgende deutlich zu hören gewesen seien: M. raus, Neger raus aus Deutschland, Deutschland den Deutschen, wir sind das Volk, schwarze Monster, schleppt mir den L. heran, Heimatfront und Volksfront. Weiter führte der Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung aus, dass er, der Beklagte, tatsächlich am 05.10.2021 die Polizei gerufen habe, da eine lautstarke Party stattgefunden habe, in welcher Naziparolen gebrüllt worden seien. Das völlig inakzeptable Verhalten des Mieters … habe nicht erst im Jahr 2021 eingesetzt, so der Beklagte, vielmehr handele es sich hierbei um einen sich seit mindestens 2017 hinziehenden Dauerzustand, welcher im Laufe der Jahre bis zum Umzug des Mieters … im Januar 2022 zunehmend eskaliert sei. Dass er, der Beklagte, gegenüber der Zeugin … den Mieter … als Nazi bezeichnet habe, bestritt er.
Im Schriftsatz vom 30.09.2022 führt der Beklagte auf Seite 4 aus, es sei zu bestreiten, dass er bei seinem Anruf bei der Polizei gesagt habe, dass eine große Naziparty gefeiert werde. Soweit in der Kündigung vom 19.10.2021 ausgeführt werde, dass er, der Beklagte, Herrn … bereits früher als Neonazi bezeichnet habe, sei dies falsch und werde bestritten. Falsch und zu bestreiten sei weiterhin, dass er Herrn … in einem beleidigenden und ehrverletzenden Zusammenhang mit einer Naziparty angezeigt habe. Er, der Beklagte, habe die Polizei informiert, weil es zu einer Ruhestörung gekommen sei. Inwieweit hierauf eine Kündigung gestützt werden könne, erschließe sich nicht. Er habe wegen des ausgehenden Lärms die Polizei verständigt. Diese sei angerückt. Zum Zeitpunkt des Eintreffens der Polizei sei der Lärm abgeklungen gewesen, was nichts daran ändere, dass es zunächst einen Grund für den Anruf bei der Polizei gegeben habe.
Mit Endurteil vom 27.04.2023 hat das Amtsgericht … der auf Räumung und Herausgabe gerichteten Klage stattgegeben, eine Räumungsfrist wurde nicht gewährt.
Mit Schriftsatz vom 17.05.2023, beim Berufungsgericht am selben Tag eingegangen, hat die beklagte Partei gegen das vorstehende Urteil Berufung eingelegt. Die diesbezügliche Begründung ist mit Schriftsatz vom 29.06.2023 erfolgt.
Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 31.05.2023 beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagtenpartei führt in der Rechtsmittelinstanz im Wesentlichen aus, dass das Amtsgericht der Klage zu Unrecht stattgegeben habe. Gerügt würde die Verletzung materiellen Rechts. Weiterhin bestünden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen. So habe die durchgeführte Beweisaufnahme gerade nicht ergeben, dass der Beklagte gegenüber der Polizei behauptet habe, dass eine große Naziparty gefeiert und Naziparolen bzw. rechte Parolen gebrüllt worden seien. Die Zeugen …, …. und …. hätten diese bestrittene Behauptung schon deshalb nicht bestätigen können, weil keiner dieser Personen den Telefonanruf des Beklagten entgegengenommen und keiner der Zeugen das Telefonat mitgehört habe.
… habe ausgesagt, dass Hintergrund des Einsatzes am 05.10.2021 die Mitteilung über eine Ruhestörung gewesen sei. Es sei, so … um eine WG, die von Rechtsradikalen bewohnt sein soll, gegangen. Es sei von einem Singen mit Liedern „Nieder mit Deutschland und der Kanzlerin“ geschildert worden. Der Zeuge … der den Anruf des Beklagten selbst nicht entgegengenommen habe, habe nicht bestätigen können, dass der Beklagte behauptet habe, dass eine Naziparty stattfinde. Somit, so der Beklagte in der Berufungsbegründung, sei die Aussage „Naziparty“ und das Brüllen von Naziparolen ebenso beweislos geblieben, wie auch der genaue Inhalt des Wortlauts des Telefongesprächs. Aufgrund der Beweisaufnahme stehe daher lediglich fest, dass es einen Anruf wegen einer Ruhestörung gegeben habe sowie, dass Lieder mit einem zweifelhaften Inhalt gesungen worden seien. Weiterhin stehe auch fest, dass bei Eintreffen der Polizei keine Ruhestörung mehr habe festgestellt werden können.
Die Berufung hat weiter ausgeführt, das Amtsgericht habe die nachhaltige Störung des Hausfriedens darin begründet gesehen, dass ein Notruf mit verleumderischem Inhalt zum Nachteil des Zeugen … und dessen Lebensgefährtin (vom Beklagten) getätigt worden sei. Die Berufung ist der Auffassung, die Störung des Hausfriedens könne aber nicht mit dem verleumderischen Inhalt des Anrufs des Beklagten begründet werden, da nicht bekannt sei, welche Angaben der Beklagte in seinem Telefonanruf gemacht habe.
Die Berufung rügt zudem, der fristlose Kündigungsgrund „Störung des Hausfriedens“ setze eine nachhaltige Störung voraus. Dies bedeute, dass sich eine Störung über einen längeren Zeitraum hinziehe, was der Fall sei, wenn sich einzelne Störungen über längere Zeit wiederholten oder eine schwere Störung eine hinreichend lange Zeit nachwirke. Aus Sicht der Berufung könne im vorliegenden Fall nur die zweite Alternative in Betracht kommen, weil weitere Störungen des Hausfriedens nicht bewiesen worden seien.
Hierzu, so die Berufung, sei indes nichts vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt worden.
Die Berufung rügt weiter, das Gericht führe im Urteil zum Ergebnis der Beweiswürdigung aus, es sei davon überzeugt sei, dass am 05.10.2021 keine Naziparty stattgefunden habe. Diese Beweiswürdigung, so die Berufung, ergebe keinen Sinn. Sie setzte sich nämlich mit etwas auseinander, was zunächst hätte beweisen werden müssen, nämlich, dass der Beklagte behauptet habe, dass eine Naziparty stattgefunden habe.
Dieser Beweis sei indes nicht erbracht worden.
Die Berufung rügt weiter, die in der Kündigung vom 24.08.2021 dargelegten Gründe könnten für die Erfolglosigkeit einer Abmahnung nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB, wie es das Amtsgericht getan habe, nicht herangezogen werden, weil diese prozessual als nicht vorliegend anzusehen seien.
Außerdem ist die Berufung zu den Ausführungen des Amtsgerichts, wonach wegen der massiven und schwerwiegenden Vertragsverletzung eine vorherige Abmahnung entbehrlich gewesen sei, der Ansicht, die vom Amtsgericht zur Begründung zitierte Kommentarstelle (Schmidt-Futterer/Streyl, § 543, Rz. 64) befasse sich mit der Entbehrlichkeit von Abmahnungen im Zusammenhang mit Strafanzeigen. Der Beklagte habe am 05.10.2021 aber keine Strafanzeige gestellt.
Weiter ist die Berufung der Auffassung, wenn das Amtsgericht unter Bezugnahme auf BGH XII ZR 188/08 ausführe, dass eine Abmahnung auch deshalb entbehrlich gewesen sei, weil das für die Fortsetzung des Mietvertrags unerlässliche Vertrauensverhältnis derart zerstört sei, dass eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich sei, weil das zerstörte Vertrauen durch die Abmahnung nicht wiederhergestellt werden können, so könne das Vertrauensverhältnis, auf welches das Gericht abziele, nur im Verhältnis zur Klägerin, der Vermieterin, nicht zum Mieter … bestehen. Dies bedeute aber, dass durch den Anruf des Beklagten bei der Polizei wegen der Ruhestörung das Vertrauensverhältnis zur Vermieterin zerstört worden sein müsste.
Hierzu sei jedoch gar nichts vorgetragen und unter Beweis gestellt worden. Die Vermieterin, welche eine juristische Person sei, sei durch den nächtlichen Einsatz nicht gestört worden, der Vermieterin sei auch kein Fehlverhalten vorgeworfen worden und die Vermieterin sei auch keines rechtsradikalen Verhaltens bezichtigt worden.
Zusammenfassend trägt die Berufung vor, das Urteil des Amtsgerichts beruhe ausnahmslos auf der Annahme, dass der Beklagte bei seinem Anruf bei der Polizei behaupte habe (und auch davor schon), dass der Zeuge … ein Nazi sei sowie, dass eine große Naziparty verbunden mit Ruhestörungen stattfinde, weswegen ein Polizeieinsatz ausgelöst worden sei. Diesen Sachverhalt habe das Amtsgericht seiner Entscheidung indes nicht zugrundelegen können, weil dieser Sachverhalt nicht festgestanden habe. Die Klägerin habe nicht beweisen können, dass der Beklagte am 05.10.2021 behauptet habe, dass der Zeuge ein Nazi sei, noch, dass er behauptet habe, dass eine Naziparty stattfinde.
Das Urteil beruhe auch, so die Berufung, auf den aufgezeigten Rechtsfehlern, da bei richtiger Rechtsanwendung und Zugrundelegung des richtigen Sachverhalts die Klage abgewiesen worden wäre.
II.
Das Endurteil des Amtsgerichts … vom 27.04.2023 begegnet aus Sicht der Kammer keinen rechtlichen Bedenken. Der Prüfungsumfang des Berufungsgerichts bemisst sich nach § 529 ZPO. Hiernach sind die vom Gericht der ersten Instanz festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen. Berücksichtigungsfähige neue Tatsachen im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wurden nicht dargelegt. Eine Rechtsverletzung im angefochtenen Urteil ist nicht erkennbar. Dabei kann zunächst auch auf das nachvollziehbar und zutreffend begründete Urteil des Amtsgerichts verwiesen werden.
Das Amtsgericht hat den Anspruch der Klagepartei gegen den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung zu Recht bejaht.
In zutreffender Weise ist das Erstgericht dabei von der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 19.10.2021 wegen nachhaltiger Störung des Hausfriedens durch das Verhalten des Beklagten vom 05.10.2021 ausgegangen.
Auf Grundlage seiner – auch durch die Kammer einer Entscheidung zugrunde zu legenden – Feststellungen war das Amtsgericht davon überzeugt, dass die kündigungsgegenständliche nachhaltige Störung des Hausfriedens seitens des Beklagten in Form eines vom ihm getätigten Notrufs mit verleumderischem Inhalt zum Nachteil des Mieters und Zeugen … und seiner Lebensgefährtin, der Zeugin … als erwiesen zu erachten sei.
Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden.
Soweit die Berufung die Beweiswürdigung angreift, vermag sie keine Fehler oder Verstöße gegen Denkgesetze aufzuzeigen, welche Zweifel an den Feststellungen begründen würden. Sie ersetzt vielmehr in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes durch ihre eigene; dies ist der Kammer in ihrer Entscheidung aber verwehrt. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichtes unterliegt nur in dem nach § 529 Abs. 1 ZPO beschränkten Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht.
Konkrete Anhaltspunkte zu Zweifeln an der Vollständigkeit des seitens des Amtsgerichts zugrunde gelegten Sachverhaltes, die nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO erneute Feststellungen des Berufungsgerichts gebieten, können sich etwa aus Fehlern der Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Urteil oder aus dem Übergehen des erstinstanzlichen Vorbringens ergeben (vgl. BGH NJW 2004, 1876).
Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1, 2. Halbsatz ZPO ist das Berufungsgericht an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern ergeben, die dem Amtsgericht bei der Feststellung des Sachverhaltes unterlaufen sind. Ein solcher Verfahrensfehler liegt namentlich vor, wenn die Beweiswürdigung in dem erstinstanzlichen Urteil den Anforderungen nicht genügt, die von der Rechtsprechung zu § 286 Abs. 1 ZPO entwickelt worden sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich ist, oder wenn sie gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH NJW 1987, 1557). Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt u.a. dann vor, wenn Umständen Indizwirkungen zuerkannt werden, die sie nicht haben können oder wenn die Ambivalenz von Indiztatsachen nicht erkannt wird (BGH NJW 1991, 1894).
Dies ist hier jeweils nicht der Fall.
Das Amtsgericht hat die Beweise vielmehr – soweit erforderlich – erhoben und ausführlich gewürdigt.
Ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 01.02.2023 ist insbesondere eine umfassende Vernehmung der Zeuginnen bzw. Zeugen …, … und RA … durchgeführt worden. Der Beklagte ist laut Sitzungsniederschrift vom 22.07.2022 informatorisch angehört worden.
In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Erstgericht dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass die kündigungsrelevante nachhaltige Störung des Hausfriedens durch den Beklagten als erwiesen zu erachten sei.
Dabei ist zu betonen, dass für die Beweiswürdigung nach § 286 ZPO die folgenden Grundsätze gelten:
Eine Tatsache ist erst dann zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, wenn das Gericht von der Wahrheit der jeweiligen bestrittenen Tatsache(n) überzeugt ist.
Ein bloßes Glauben, Wähnen oder Fürwahrscheinlichhalten berechtigen das Gericht hingegen nicht zur Bejahung eines streitigen Tatsachenvortrags, wobei objektive Wahrscheinlichkeitserwägungen allenfalls Grundlage und Hilfsmittel für die richterliche Überzeugungsbildung sein können. Zwingend hinzukommen muss die subjektive persönliche Entscheidung des Gerichts, ob es die streitige Tatsachenbehauptung als wahr erachtet (BGH NJW 2014, 71; Zöller/Greger, § 286 ZPO Rn. 18). Andererseits ist mehr als eine subjektive Überzeugung des Gerichts zum Beweis einer streitigen Tatsachenbehauptung auch nicht erforderlich. Absolute Gewissheit zu verlangen, hieße, die Grenze menschlicher Erkenntnisfähigkeit zu ignorieren. Dass die Sachverhaltsfeststellung durch das Abstellen auf ein persönliches Überzeugtsein mit subjektiven Einflüssen belastet wird, ist im Bereich menschlichen Richtens zwangsläufig und unvermeidbar.
Das Gericht muss sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen. Hierbei handelt es sich um eine Gewissheit, welche den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGHZ 53, 256 = NJW 1970, 946; BGH NJW 2014, 71; Zöller/Greger, a.a.O. Rn. 19).
Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen – hier durchgeführten – Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht für wahr zu erachten ist. Unter Beachtung der Denk- und Naturgesetze, Erfahrungssätze und der gesetzlichen Beweisregeln hat das Gericht im Verlauf des Rechtsstreits gewonnene Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung zu bewerten. Dabei darf es zum Beispiel einer Partei mehr Glauben schenken als einem beeideten Zeugen und trotz mehrerer bestätigenden Zeugenaussagen das Gegenteil einer Beweisbehauptung als bewiesen ansehen. Das Gericht muss nach der Wahrheit streben, darf sie aber nicht zu der Voraussetzung seiner Entscheidung machen. Deshalb muss es sich mit einer persönlichen Gewissheit begnügen, die den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (siehe hierzu auch Endurteil der Kammer vom 27.11.2019 – 14 S 11886/19, BeckRS 2019, 35276 = ZMR 2020, 652).
Zu einer solchen persönlichen Gewissheit vermochte das Erstgericht unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Handlungen des Beklagten vorliegend durchaus zu gelangen. Dabei brauchte es auch nicht von einem non liquet zu Lasten der Klägerin auszugehen.
Im Übrigen verfangen die Angriffe der Berufung nicht.
Hierzu im Einzelnen:
1. Soweit die Berufung der Ansicht ist, die Beweisaufnahme habe nicht ergeben, dass der Beklagte der Polizei mitgeteilt habe, dass eine große Naziparty stattfinde und rechte Parolen gebrüllt würden, und folglich diese nicht bewiesenen Aussagen auch nicht als Rechtfertigung für die Kündigung herangezogen werden könnten, kann dem von Seiten der Kammer nicht gefolgt werden. Das diesbezügliche Vorbringen der Berufung ist auch im Übrigen nicht geeignet, die erstgerichtliche Entscheidung in – zumal berufungsrechtlich relevanter Weise – infrage zu stellen.
Vielmehr hat sich das Erstgericht ausweislich seiner Beweiserhebung und -würdigung (S. 9 ff. des Endurteils) explizit mit den konkreten Umständen befasst und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Beklagte am 05.10.2021 dem polizeilichen Notruf wissentlich erfundene Tatsachen mitgeteilt und in Folge einen größeren Polizeieinsatz bei den Zeugen … und … ausgelöst hat.
Entgegen der Ansicht der Berufung, kommt es hierbei nicht darauf an, ob nachgewiesen ist, dass der Beklagte bei seiner Meldung der Ruhestörung etwa wörtlich mitgeteilt habe, dass eine „große Nazi-Party“ stattfinde. Maßgeblich ist allein, dass der Anzeigevorgang seitens des Beklagten so gehalten war, dass der Notruf so verstanden werden musste, dass die vom Beklagten behaupteten Ruhestörungen von rechtsradikalen Personen verursacht würden. So ergibt sich aus den Entscheidungsgründen, welche die Angaben des Zeugen … wiedergeben, ganz klar, dass der Zeuge … aussagte, der ein Kommissar habe das Wort „Nazi-Party“ verwendet. Dies entspricht seiner protokollierten Aussage im Termin vom 01.02.2023, in welcher er zu dem Moment ausführte, als am frühen Morgen des 05.10.2021 ca. sieben Polizeibeamte gegen seine Wohnungstüre gehämmert hatten:
„Was mich erschreckt hat, war, dass sie teilweise mit gezogenen Schlagstöcken dastanden. Es wurde geäußert, dass eine größere Party veranstaltet werden soll mit rechtsradikalen Personen. Der eine Kommissar hat das Wort Nazi-Party benutzt.“ (vgl. S. 8 der Sitzungsniederschrift vom 01.02.2023). Somit waren die Polizeibeamten, auf der Grundlage der vom Amtsgericht als glaubhaft gewerteten Aussage des Zeugen … an seiner Wohnungseingangstüre offensichtlich in der Erwartung erschienen, dort eine Party mit rechtsradikalen Personen vorzufinden.
Diesen Eindruck hatte auch die Zeugin … welche in ihrer Zeugeneinvernahme angab:
„Die sind davon ausgegangen, dass sie auf eine große Nazi-Party treffen.“ (vgl. S. 14 der Sitzungsniederschrift vom 01.02.2023).
Dieser von den beiden Zeugen geschilderte Eindruck entspricht auch den Angaben des Zeugen … . Der Zeuge gab an, er sei auf Streife gewesen, als ihm sein Kollege die Mitteilung gemacht habe. Der Notruf sei nicht bei ihm eingegangen, er könne nur den Wortlaut mitteilen, den ihm sein Kollege gesagt habe.
Hintergrund des Einsatzes am 05.10.2021 sei die Mitteilung über eine Ruhestörung gewesen. Es sei um eine WG gegangen, die von Rechtsradikalen bewohnt sein solle. Es sei von einem Singen mit Liedern „Nieder mit Deutschland und der Kanzlerin“ geschildert wurden.
Daher seien sie mit mehreren Streifen hingefahren, da es brisanter geklungen habe (vgl. S. 5 der Sitzungsniederschrift vom 01.02.2023). Auch hat das Amtsgericht ausdrücklich seinem Urteil den Umstand zu Grunde gelegt, dass der Zeuge … angegeben hat, dass es bei der Mitteilung nicht nur um eine Ruhestörung gegangen sei, sondern explizit auch von einem rechtsradikalen Hintergrund gesprochen worden war, denn sonst wären die Beamten auch nur mit einer und nicht mit drei Streifen dort hingefahren.
Aufgrund dieser Feststellungen des Amtsgerichts ist es von Seiten der Kammer nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht letztlich zu der Schlussfolgerung gelangt ist, der Beklagte habe bewusst wahrheitswidrig bei Absetzung seines Notrufs diesen so formuliert, dass eben nicht nur eine Ruhestörung mitgeteilt, sondern ausdrücklich ein rechtsradikaler Hintergrund behauptet wurde. Völlig zutreffend hat das Amtsgericht auch erkannt, dass es hierbei auf den genauen Wortlaut der Äußerung nicht ankommt. Dass das Amtsgericht nach diesen Schilderungen keinen Zweifel an diesem Sachverhalt hatte, ist von Seiten der Kammer nicht nur höchst nachvollziehbar, sondern vielmehr die einzig lebensnahe Schlussfolgerung. Dafür, dass der Beamte, der den Notruf entgegengenommen hat, neben der unstreitig mitgeteilten Ruhestörung bewusst oder unbewusst wahrheitswidrig einen rechtsradikalen Hintergrund behauptet hätte, um unnötigerweise anstelle von einer Streife drei Streifen in die … zu schicken, gibt es keinerlei objektive Anhaltspunkte. Beachtet man in diesem Kontext die „Strafanzeige“ des Beklagten vom 13.10.2020 gegenüber der Staatsanwaltschaft … I (Bl. 70 f. d.A.), ebenfalls gerichtet u.a. gegen die beiden Zeugen … und … so hat der Beklagte auch hierin ausdrücklich die Zeugen bezichtigt, ein rechtsradikales Lied zu grölen und angeben, es habe für ihn den Anschein, dass die WG äußerst rechtslastig, gut vernetzt und organisiert sei. Gleiches gilt für sein Schreiben vom 29.06.2021 (Bl. 71 d.A.) an die Hausverwaltung, in welchem der Beklagte ebenfalls die Zeugen konkreter rechtsradikaler und menschenverachtender Äußerungen bezichtigt hat. Auch vor diesem gesamten Hintergrund bestand daher keinerlei Notwendigkeit seitens des Amtsgerichts, den Beamten, der den Notruf angenommen hat, zu vernehmen. Die bloße Möglichkeit, der Beklagte sei missverstanden worden, oder der Beamte habe den Sachverhalt falsch wiedergegeben, ist derart abwegig, dass eine Vernehmung dieses Beamten reine Ausforschung gewesen wäre. Ein Rechtsfehler seitens des Amtsgerichts liegt somit nicht vor.
2. Soweit die Berufung rügt, die Störung des Hausfriedens könne nicht mit dem verleumderischen Inhalt des Anrufs des Beklagten begründet werden, da nicht bekannt sei, welche Angaben der Beklagte in seinem Telefonanruf gemacht habe, kann dem nicht gefolgt werden. Wie unter vorstehender Ziffer ausgeführt, kommt es auf den genauen Wortlaut des Anrufs nicht an. Maßgeblich ist, dass der Notruf so verstanden werden durfte und auch verstanden wurde, dass der Eindruck entstand, die Zeugen … und … würden in ihrer Wohnung eine Ruhestörung mit rechtsradikalem Hintergrund verursachen. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang meint, sofern Aussagen zu einem rechtsradikalen Bezug gemacht worden sein sollten, was indes nicht bewiesen sei, würden Werturteile vorliegen, nicht aber falsche Tatsachen, erschließt sich dies der Kammer nicht. Zu behaupten, jemand äußere sich in rechtsradikaler Weise, ist kein Werturteil, sondern eine Tatsache. Der Begriff rechtsradikal lässt sich präzise beschreiben und umgrenzen.
Eine bloße Meinungsäußerung stellt dies nicht dar.
3. Soweit die Berufung in diesem Zusammenhang weiter der Ansicht ist, es mangele vorliegend an einer „Störung des Hausfriedens“, unabhängig davon setze der fristlose Kündigungsgrund „Störung des Hausfriedens“ eine nachhaltige Störung voraus, was hier nicht der Fall sei, kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden.
Nach der Rechtsprechung der Kammer ist eine Störung des Hausfriedens regelmäßig dann nachhaltig, wenn sie schwerwiegend ist. Zwar reichen kurze bzw. einmalige Störungen des Hausfriedens regelmäßig nicht für eine fristlose Kündigung aus.
Allerdings kann auch ein einmaliger Vorfall den Hausfrieden so schwer stören, dass unter Abwägung aller Interessen, auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das Mietverhältnis, eine Fortsetzung für den Vermieter nicht zumutbar ist (vgl. Entscheidung der Kammer vom 10.10.2012 – 14 S 9204/12, NJW-RR 2013, 14 [15 f.], dort bestand das Mietverhältnis seit nahezu 40 Jahren).
So liegt der Fall hier. Die vom Amtsgericht festgestellte Verfehlung des Beklagten ist derart evident schwerwiegend und massiv, dass den zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts hierzu auf Seite 15 des Endurteils nichts hinzuzufügen ist.
4. Nicht zu beanstanden ist ferner, dass das Amtsgericht hier der Ansicht ist, dass die Erstattung einer Anzeige bei der Polizei unter Vortrag unwahrer Tatsachen, die aufgrund des rechtsextremen Bezugs besonders schwer wiegen würden, letztlich einer Verleumdung gleichkämen (S. 15 des Endurteils).
5. Ergänzend ist vorliegend nur anzuführen, dass auch der erforderliche Bezug zum Mietverhältnis besteht.
Grundsätzlich stellen Straftaten (z.B. nach §§ 123, 185-187, 240 StGB) zugleich Vertragsverletzungen dar, wenn sie gegenüber dem Vertragspartner, dessen Stellvertreter, Beauftragten oder Mitarbeitern, gegenüber dem Hausverwalter oder gegenüber einem anderen Hausbewohner verübt werden (Blank/Börstinghaus/Siegmund/Siegmund, 7. Aufl. 2023, BGB § 543 Rn. 29). Gleiches gilt im vorliegenden Fall, wenn, wie hier, ein Mieter andere Hausbewohner unter Vortrag unwahrer Tatsachen der Ruhestörung mit rechtsextremem Bezug bei der Polizei bezichtigt.
Die von der Berufung im Rahmen der Frage der Entbehrlichkeit der Abmahnung getätigten Erwägungen, nämlich, dass die Vermieterin, welche eine juristische Person ist, durch den nächtlichen Einsatz nicht gestört worden sei, der Vermieterin kein Fehlverhalten vorgeworfen sei und die Vermieterin keines rechtsradikalen Verhaltens bezichtigt worden sei, geht daher ins Leere.
6. Soweit die Berufung rügt, das Erstgericht führe auf Seite 13 des Urteils zum Ergebnis der Beweiswürdigung aus, dass es davon überzeugt sei, dass am 05.10.2021 keine Naziparty stattgefunden habe, und dass diese Beweiswürdigung keinen Sinn ergebe, verfängt dieser Einwand ebenfalls nicht.
Das Amtsgericht ist in vom Berufungsgericht nicht zu beanstandender Weise aufgrund seiner umfangreichen Beweiserhebung und Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass es angesichts der festgestellten Umstände keine vom Beklagten behauptete Ruhestörung und somit keine Party gegeben hat.
In völlig nachvollziehbarer Weise hat das Amtsgericht dargelegt, dass es absolut lebensfremd sei, wenn 15-20 Minuten vor Eintreffen der Polizei eine lautstarke Nazi-Party stattgefunden haben soll, die Polizei aber vor Ort ein verschlafenes, sichtlich überraschtes Pärchen feststellte und bei der Wohnungsschau keine Anhaltspunkte für eine eben stattgefundene Party finden konnte. Völlig zutreffend ist auch die vom Amtsgericht in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage, warum genau zu diesem Zeitpunkt eine Party abrupt enden sollte, also dass auch alle Gäste auf einmal die Party verlassen (und nicht wie üblich sukzessiv), wenn diese von dem Anruf des Beklagten bei der Polizei gar nichts mitbekommen haben. In nicht zu beanstandender Weise ist das Amtsgericht lebensnah davon ausgegangen, dass der Beklagte zuvor wohl kaum die Zeugen … und … vom unmittelbar bevorstehenden Eintreffen der Polizei informiert hatte.
Das Erstgericht hat sich im Rahmen seiner Schlussfolgerungen in berufungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise mit der Glaubwürdigkeit der Zeugen und der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage befasst und dies nachvollziehbar begründet, insbesondere auch den Eindruck des … als diese die Zeugen … und … in der … antraf.
7. Soweit die Berufung meint, die in der Kündigung vom 24.08.2021 dargelegten Gründe könnten für die Erfolglosigkeit einer Abmahnung nicht herangezogen werden, weil diese prozessual als nicht vorliegend anzusehen seien, kommt es hierauf im Ergebnis nicht an, da das Amtsgericht zutreffend auch auf § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB abgestellt hat und vorliegend nach dieser Vorschrift eine Abmahnung jedenfalls entbehrlich war. Insoweit verfangen die seitens der Berufung gegen diesen Ausnahmetatbestand vorgebrachten Einwände nicht (Berufungsangriffe 4. bis 6.)
Nach der Rechtsprechung der Kammer rechtfertigt ein Vorfall ausnahmsweise den Ausspruch der Kündigung auch ohne die nach § 543 Abs. 3 BGB erforderliche Abmahnung. Nach § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB ist eine Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich, wenn die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt ist. Eine Abmahnung ist danach entbehrlich, wenn durch das Fehlverhalten des anderen Teils die Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien so schwerwiegend erschüttert ist, dass sie auch durch eine erfolgreiche Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann (Entscheidung der Kammer vom 10.10.2012 – 14 S 9204/12, NJW-RR 2013, 14 [16]).
Dass die Vermieterin das hier in Rede stehende und hier zur Überzeugung des Amtsgerichts (und der Kammer) nachgewiesene Verhalten eines Mieters gegenüber anderen Hausbewohnern nicht hinnehmen muss und auch den Ablauf der Kündigungsfrist nicht abzuwarten braucht, hat das Amtsgericht zutreffend dargestellt. Dem ist von Seiten der Kammer nichts hinzuzufügen.
Nach alledem verfangen die Angriffe der Berufung nicht.
III.
Es wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
Es wird angeregt, die Berufung zurückzunehmen.
Für diesen Fall reduzieren sich die Gebühren für das Berufungsverfahren von 4,0 auf 2,0.
Es wird nochmals darauf hingewiesen, dass die Kammer, auch bei einer Berufungsrücknahme, eine eigene Entscheidung zur Räumungsfrist treffen wird, § 721 Abs. 1 ZPO.