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Fristlose Mietvertragskündigung bei Pflichtverletzungen durch Verwandte

OLG Frankfurt – Az.: 2 U 55/18 – Beschluss vom 11.09.2018

Der Senat erwägt die Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO, da sie nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten erscheint. Der Senat tritt der tatsächlichen und rechtlichen Bewertung durch das Landgericht in vollem Umfang bei. Das mit der Berufung Vorgetragene rechtfertigt keine Abänderung der Entscheidung. Nach vorläufiger Bewertung des Sach- und Streitstandes gilt folgendes:

Gründe

I.

Die Beklagte betreibt in den Räumlichkeiten in der Straße1 in Stadt1 einen Backshop. Sie mietete hierfür im Jahre 2007 von den Voreigentümern ein Ladenlokal, 2 Büroräume und eine Toilette im Erdgeschoss, in dem zuvor ein Blumengeschäft betrieben worden war (Ein Teil des Mietvertrages ist vorgelegt als Anlage zur Klageschrift, Bl. 11 ff. d.A.). Als Mietzweck ist in § 1 der Betrieb eines Cafés angegeben. Die Monatskaltmiete betrug 650,00 €. Der Mietvertrag enthält in § 2 Nr. 3 (Bl. 14 d. A.) die folgende Regelung:

„Der Mietvertrag wird auf die Dauer von 3 Jahren geschlossen und endet am 31.05.2010; er verlängert sich jeweils um 1 Jahr(e), falls er nicht von einem Vertragsteil mit einer Frist von 3 Monaten zu seinem Ablauftermin gekündigt wird.“

Hinter dieser Bestimmung findet sich eine handschriftlich eingefügte Fußnote. Unten auf der betreffenden Seite heißt es in der handschriftlichen Fußnote:

„Sollte das Objekt nach den 3 Jahren, aus welchen Gründen auch immer, zur Neuvermietung angeboten werden, hat der jetzige Mieter ein Optionsrecht.“

1. Die Klägerin erwarb das Eigentum an dem Grundstück samt aufstehendem Gebäude und trat in den Mietvertrag als neue Vermieterin ein. Das Objekt befindet sich in einem Gebäude, in dem auch die Klägerin mit ihrer Familie selbst wohnt.

2. In der Folgezeit geriet das Miet- und Nachbarverhältnis in erhebliche Zerrüttung.

a) Mit Schreiben vom 12.09.2017 sprach der Klägervertreter namens der Klägerin gegenüber der Beklagten die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.05.2018 aus (Bl. 37 d. A).

b) Der Bevollmächtigte der Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 18.09.2017 auf, es zu unterlassen, das Grundstück bzw. Gebäude der Klägerin, ihre Person oder ihre Familienangehörigen zu filmen bzw. zu fotografieren. Es wurde ihr auch untersagt, Tonaufzeichnungen der Klägerin oder ihrer Familie anzufertigen (Anlage zur Klageschrift, Bl. 32 d. A.). Dem war vorausgegangen, dass die Beklagte ohne Erlaubnis Gespräche und Äußerungen aufgenommen und Fotos und Filmaufnahmen von Haus und Hof, der Klägerin selbst und ihrer Familie gefertigt hatte. Dies tat sie auch in der Folgezeit trotz des Unterlassungsbegehrens. Die Beklagte hielt sich dann in der Folge trotz des Hausverbotes vom 18.09.2017 wiederholt auf dem Grundstück der Klägerin auf, obwohl dies nicht zur angemieteten Fläche gehörte.

c) Mit Schreiben vom 19.09.2017 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 31 d. A.) machte der Bevollmächtigte der Klägerin ein Besichtigungsrecht an den Mieträumen geltend. Er bat um Benennung dreier Alternativtermine. Am Freitag, 29.09.2017 ging im Büro des Klägervertreters nach Büroschluss das Antwortschreiben der Bevollmächtigten der Beklagten vom 26.09.2017 ein. Es wurde ein einziger Besichtigungstermin (04.10.) genannt und eine Besichtigung durch den Sohn der Klägerin nicht akzeptiert (Anlage zur Klageschrift, Bl. 22 d. A.). Wegen des Wochenendes und des Feiertags war dies aber so kurzfristig nicht mehr möglich. Die vom klägerischen Bevollmächtigten vorgeschlagenen drei Terminvorschläge im Schreiben vom 02.10.2017 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 35 d. A.) wurden bis zum Ablauf der auf den 05.10.2017 gesetzten Frist nicht bestätigt.

d) Am 27.09.2017 kam es um … Uhr auf dem Hof des Objekts zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen dem Sohn der Klägerin und dem Sohn der Beklagten, deren Hergang im Einzelnen streitig ist. Der Sohn der Beklagten schlug nach den Feststellungen des Landgerichts fünf Mal mit der Faust in Richtung Kopf und Oberkörper des Sohnes der Klägerin ein und trat ihm mindestens einmal mit dem beschuhten Fuß in die Hüfte, als er bereits auf dem Boden lag. Die Beklagte selbst half nicht, sondern filmte stattdessen noch den Vorfall mit ihrem Smartphone. Die Klägerin stellte sich ihrerseits hinzu und filmte das Geschehen und ihre filmende Gegnerin. Der Sohn der Klägerin erlitt infolge der Auseinandersetzung Schürfwunden am Knie, Prellungen an Unterarm und Jochbein verbunden mit Klopf- und Druckschmerz, eine Splitterverletzung an der rechten Handfläche und Taubheitsgefühl und Sehstörungen (vgl. die ärztliche Bescheinigung in der Anlage zur Klageschrift, Bl. 36 d. A.).

e) Schließlich beschädigte der Sohn der Beklagten, der sich regelmäßig zur Unterstützung seiner Mutter im Mietobjekt und auf dem Grundstück aufhielt, am 27.09.2017 um … Uhr die am Haus der Klägerin angebrachte Überwachungskamera mit einem Besenstiel (vgl. die Bilder auf S. 7 der Klageschrift). Diese wurde für ca. 260,00 € ersetzt.

f) Nachdem die Beklagte ihrer Bevollmächtigten am 05.09.2017 eine von ihr am 31.08.2017 angeblich gefertigte Audioaufzeichnung auf ihrem Mobiltelefon übermittelt hatte, nach deren Inhalt obszöne und beleidigende Äußerungen des Sohnes der Klägerin sowie die Androhung einer Vielzahl von Schlägen aufgezeichnet worden sein sollen (Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 55 d.A.), erstattete die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 26.09.2017 (Datum geändert – die Red.) bei der Staatsanwaltschaft Stadt2 Strafanzeige gegen den Sohn der Klägerin wegen behaupteter Beleidigungen, Morddrohungen und Nötigung und stellte deshalb Strafantrag (Bl. 27 ff. d.A.) . Hierin heißt es unter anderem:

„Frau Nachname1 will vermutlich den nunmehr ansprechenden Laden anderweitig teuer vermieten. Frau Nachname2a hatte das vormals als Blumenladen betriebene Objekt von deutschen Vermietern vor zehn Jahren gemietet. […] Der auf Kosten von Frau Nachname2a ansprechend verwandelte ehemalige Blumenladen in einen schönen Gastraum, animiert offensichtlich die türkische Familie Nachname1, das Mietverhältnis über die Räumlichkeiten beenden zu wollen. Das ist aufgrund der ursprünglich mit deutschen Vermietern geschlossenen Mietvertrags erschwert […]. Das ist den türkischen Vermietern sehr bewusst und so erklären sich offensichtlich die widerwärtigen Beschimpfungen, Bedrohungen und Schikanen […]. Türken, die sich derartig benehmen, haben in Deutschland nichts zu suchen. Es besteht ein öffentliches Interesse, solchen widerwärtigen Unverschämtheiten Paroli zu bieten. Es kann nicht sein, dass man sich als Deutscher in seinem Heimatland Deutschland von Türken, die hier nichts als Gäste sind, sich aber benehmen wie sie das anscheinend in ihrer Heimat gelernt haben, derart beschimpfen lassen muss. […] Man kann fast dankbar dafür sein, dass 94 Abgeordnete der AfD in den Bundestag einziehen. Auch wenn man kein Anhänger der AfD ist, kann man hoffen, dass diese Partei dafür sorgen wird, dass Deutsche in ihrem eigenen Heimatland davor bewahrt werden, dass solche widerwärtigen Türken ungestraft ihr Unwesen treiben.. Jeder in solch massiver Form straffällige Ausländer müsste des Landes verwiesen werden. Mit seinen eigenen Straftäter muss jedes Land alleine fertig werden. Deutschland braucht keine unverschämten Leute, für deren Abwanderung die Türkei sicherlich dankbar ist. […]

Mit seiner missratenen Bevölkerung muss jedes Land alleine fertig werden. Nicht nur Müll kann man nicht in Nachbars Garten werfen.“

Weiter wird auf den außergerichtlichen Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 26.09.2017 (Anlage zur Klageschrift, Bl. 22 d. A.) verwiesen.

Im Schriftsatz vom 02.03.2018 (Bl. 75 d. A.) heißt hierzu erläuternd:

„Ich muss annehmen, dass das Gericht diese widerlichen Ergüsse noch nicht zur Kenntnis genommen hat, die sich ein Mann erlaubt, der aus einem für solche Landsleute zu bedauernden Land stammt, in dem in seiner Schicht Frauen, wie dieser Schmutz nahelegt, offenbar als nicht achtenswerte niedere Wesen gelten.“

3. Nachdem sich der Klägervertreter mit Schreiben vom 05.10.2017 (Bl. 19 ff. d.A.) kritisch zu verschiedenen Aspekten des Streites gegenüber der Beklagtenvertreterin geäußert, die Art ihrer Mandatsbearbeitung beanstandet und die ordentliche Kündigung vorsorglich nochmals wiederholt hatte, sprach er mit Schreiben vom 06.10.2017 (Bl. 15 ff. d.A. ) – der Beklagten am gleichen Vormittag durch persönliche Übergabe zugegangen – die außerordentliche und fristlose Kündigung, hilfsweise erneut die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses aus und stützte dies auf die aus Sicht der Klägerin eingetretene Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses, unter anderem auf folgende Gründe:

  • Die Äußerungen der Bevollmächtigten, insbesondere im Schreiben vom 26.09.2017 (Datum geändert – die Red.) an die Staatsanwaltschaft,
  • Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin und ihrer Angehörigen durch die Fertigung von Lichtbildern trotz Untersagung im Schreiben vom 18.09.2017,
  • unterlassene Einräumung des Besichtigungsrechts, insbesondere unterlassene Beantwortung der Alternativvorschläge,
  • Beschädigung der Überwachungskamera durch den Sohn der Beklagten am 27.09.2017,
  • Betreten des nicht angemieteten Teils des Grundstücks der Klägerin trotz ausgesprochenen Hausverbotes.

Ende Mai 2018 ist die Beklagte aus dem Anwesen ausgezogen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Bevollmächtigte der Beklagten habe sie in ihrer Ehre und ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt, beleidigt und ihre offenkundige Missachtung wiedergegeben, die sie gegen die Klägerin und ihre Familie hege. Es sei ferner offenkundig, dass die Beklagte die Besichtigung verweigere.

Die Klägerin hat beantragt,

1. das im Klageantrag näher bezeichnete Gewerbeobjekt in Stadt1 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben,

hilfsweise, bis zum 31.05.2018 zur Räumung an die Klägerin herauszugeben

2. an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 729,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat behauptet, das Mietverhältnis sei durch wiederholte Morddrohungen gegenüber ihr und ihrer Angestellten sowie unflätige verbale Beleidigungen des Sohnes der Klägerin gestört (vgl. Anlage zur Klageerwiderung, Bl. 57 d. A.). Ihre Angestellte habe bereits erwogen, ihre Beschäftigung aufzugeben, da sie Angst vor dem Sohn der Klägerin habe. Dessen Drohungen seien ernst zu nehmen, denn wohl einer seiner Brüder sitze eine Gefängnisstrafe wegen ähnlicher Aktionen ab. Die Klägerin veranlasse ihren Sohn laufend zu schikanösen, den Betrieb behindernden und übel beeinträchtigenden Handlungen. Die Klägerin wolle sich durch anderweitig erreichbaren höheren Mietzins bereichern. Die Kündigung stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar.

Zum Ablauf der tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Sohn der Klägerin und ihrem Sohn behauptet sie, an diesem Tag habe eine Firma sie beliefern wollen, was der Sohn der Klägerin nicht zugelassen habe. Er habe den Fahrer verbal bedroht, ihr Sohn sei hinzugekommen, um zu helfen. Daraufhin habe der Sohn der Klägerin ihn angepackt. Dies sei in eine Schlägerei ausgeartet. Auch ihr Sohn sei verletzt worden und sei zwei Tage krankgeschrieben gewesen. Am selben Tag habe der Sohn der Klägerin sie auf dem Hof absichtlich gegen die Schulter geschubst und sie wie folgt beleidigt: „Hast du dir wehgetan, du (…)?“

Sie hat die Ansicht vertreten, das vertraglich eingeräumte Optionsrecht sei unbegrenzt für jeden Zeitpunkt nach den ersten drei Jahren vereinbart worden.

Das Landgericht hat nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Augenscheinnahme einer Videoaufzeichnung über den Hergang der körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Söhnen der Parteien (DVD, Anlage zur Replik vom 08.01.2018.) durch das am 27.04.2018 verkündete (Bl. 131 d.A.) Urteil (Bl. 132 ff. d.A.) dem von der Klägerin geltend gemachten Hilfsantrag auf Räumung und Herausgabe der Mietsache zum 31.08.2018 mit der Begründung stattgegeben, das Mietverhältnis sei nach § 2 Nr. 3 des Mietvertrages ordentlich gekündigt worden. Das von der Beklagten auch gegen die ordentliche Kündigung eingewandte, unbegrenzte Optionsrecht sei bei der gebotenen Auslegung als nicht vertraglich vereinbart anzusehen.

Das Landgericht hat einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung nach §§ 569 Abs. 2, 578 Abs. 2 BGB verneint. Zwar sei auf Grundlage des unstreitigen Vorbringens und nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme festzustellen, dass der Hausfrieden gestört sei, jedoch nicht so nachhaltig, dass unter Abwägung aller Belange eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sei.

Aus dem Umstand, dass die Beklagte zunächst nur einen Besichtigungstermin vorgeschlagen, auf die Alternativvorschläge nicht geantwortet und dem Sohn der Klägerin den Zutritt verweigert habe, sei noch keine nachhaltige Verweigerung des Besichtigungsrechts zu folgern. Zudem trage dies nicht unmittelbar zur Störung des Hausfriedens bei.

Auch die unstreitige und untersagte Fertigung von Ton- und Filmaufnahmen der Klägerin und ihrer Familienangehörigen rechtfertige eine fristlose Kündigung noch nicht. Denn die Klägerin habe substantiiert nur zu einem einzigen Vorfall, nämlich der körperlichen Auseinandersetzung der beiden Söhne vorgetragen. Die in Bezug auf Ton- und Filmaufnahmen sei zu pauschal und einer Bewertung nicht zugänglich. Darüber hinaus habe auch die Klägerin eine Kamera installiert, die zumindest einen Großteil, wenn nicht den ganzen Hof und damit auch die Beklagte ablichten könne.

Ein Kündigungsgrund sei ferner nicht in der Zerstörung der Videokamera durch den Sohn der Beklagten, mithin einer strafbaren Sachbeschädigung gemäß § 303 Abs. 1 StGB zu sehen, auch wenn der Hausfrieden dadurch nachhaltig gestört werden könne, dass der Mieter es pflichtwidrig unterlasse, auf seine Angehörigen einzuwirken. Eine Abmahnung sei erforderlich, an der es fehle.

Das Landgericht hat den Ablauf der körperlichen Auseinandersetzung der jeweils beiden Söhne der Parteien in seine Abwägung einbezogen. Der Sohn der Beklagten habe zumindest eine vorsätzliche Körperverletzung begangen. Eine Notwehr- oder Nothilfelage liege nicht vor, weil der Sohn des Beklagten auf den am Boden liegenden Sohn der Klägerin eingetreten habe, zugleich aber keine sicheren Feststellungen zu treffen gewesen seien, ob es im Vorfeld der Auseinandersetzung zu einer Provokation zwischen den Söhnen der Parteien oder vom Sohn der Klägerin gegenüber dem Fahrer eines Lieferanten der Beklagten gekommen sein könnte. Es habe sich bei dem Vorfall um einen Einzelfall gehandelt. Weitere körperliche Auseinandersetzungen, ob nun zwischen den Parteien selbst oder ihren Angehörigen, seien nicht vorgetragen oder belegt. Insoweit sei der Vortrag der Klägerseite zu pauschal. Die beiden Vorfälle hätten sich zudem am selben Tag ereignet.

Es sei zu berücksichtigen, dass zwischen sämtlich konkret vorgetragenen Ereignissen ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang bestehe, weil substantiiert letztlich nur ein Zeitraum von ca. 2 Wochen vorgetragen worden sei. Auch wenn sich die Auseinandersetzung bereits längere Zeit um die Mietzahlung oder Nebenkostenabrechnung gedreht habe, ergebe sich hieraus kein ausreichend sicherer Gesichtspunkt für die Abwägung. Angesichts der Tatsache, dass sowohl die Sachbeschädigung, die belegte und möglicherweise unzulässige Ton-/Bildaufnahme sowie die körperliche Auseinandersetzung sich alle an einem Tag und einem engen sachlichen Zusammenhang ereignet hätten, sei der Nachweis einer nachhaltigen, d. h. über einen längeren Zeitraum bestehenden erheblichen Beeinträchtigung des Hausfriedens und eines schweren Verstoßes gegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme (unter Bezugnahme auf Häublein, in: MüKo, BGB, 7. Aufl. 2016, § 569 Rn. 21) nicht geführt. Der Beklagten könnte lediglich die Fertigung einer Ton-/Bildaufnahme vorgehalten werden und im Übrigen die Verpflichtung, auf ihren Sohn einzuwirken, um ihn von der Tätlichkeit sowie der Sachbeschädigung abzuhalten. Es sei jedoch nicht dargelegt, dass eine deutlich ausgesprochene Abmahnung keine Abhilfe versprochen hätte. Demgegenüber genügten vereinzelte Störungen nicht, weil die Mieter in solchen Fällen grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden müsse, auf den Dritten einzuwirken. Vor diesem Hintergrund sei auch eine Beweisaufnahme zu den behaupteten Beleidigungen durch den Sohn der Klägerin unterblieben.

Hinsichtlich des Verhaltens der Bevollmächtigten der Beklagten sei ein Zusammenhang zum Hausfrieden bereits nicht erkennbar.

Die einmalige Verhinderung des Besichtigungsrechts berechtige nicht zur fristlosen Kündigung (unter Bezugnahme auf Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, § 543 BGB, Rn. 210).

Das Landgericht hat die Wortwahl in der Strafanzeige der Beklagtenvertreterin als ehrverletzende, beleidigende und fremdenfeindliche Äußerungen eingestuft. Auch wenn Straftaten, gleich welcher Art, die von Stellvertretern und sonstigen Beauftragten des Mieters begangen würden, grundsätzlich als Vertragsverletzung eingestuft würden, seien auch hier die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die Ausfälle der Bevollmächtigten hätten in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zu der mietrechtlichen Auseinandersetzung gestanden. Eine Abmahnung sei nicht erfolgt. Eine solche sei grundsätzlich nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB nötig, zumal nicht dargelegt sei, dass die Abmahnung keinen Erfolg versprochen hätte.

Schließlich sei weder dargelegt noch ersichtlich, dass die sofortige Kündigung insgesamt aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nach § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 BGB gerechtfertigt sei. Zwar müsse sich die Beklagte die Äußerung ihrer Bevollmächtigten zurechnen lassen. Demgegenüber sei ihr allerdings noch keine Gelegenheit gegeben worden, sich von ihrer Rechtsanwältin zu distanzieren oder mäßigend auf sie einzuwirken. Schließlich sei nicht zu beurteilen, ob die Angaben in der Strafanzeige zuträfen oder nicht. Es könne deshalb dahinstehen, ob die als schwere Beleidigung zu bewertende Äußerungen der Rechtsanwältin, etwa, dass „man nicht nur Müll nicht in Nachbars Garten werfen“ dürfe, als zu schwerwiegende und nicht durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gerechtfertigt seien. Solche Äußerungen seien mit der Stellung des Rechtsanwaltes als Organ der Rechtspflege völlig unvereinbar.

Eine Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten hat das Landgericht mit der Begründung verneint, dass sich die Beklagte zum Zeitpunkt des Ausspruchs der ordentlichen Kündigung und im Hinblick auf die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung nicht in Verzug befunden habe.

Gegen dieses ihr am 04.05.2018 (Bl. 145 d.A.) zugestellte Urteil richtet sich die am 28.05.2018 eingelegte (Bl. 146 d.A.) und am 02.07.2018 (Bl. 152 ff. d.A.) begründete Berufung, mit der die Klägerin ihren ursprünglich gestellten Antrag auf Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die fristlose Kündigung der Klägerin bereits zum 06.10.2017 beendet worden sei, die Zahlung vorgerichtliche Anwaltskosten und eine abweichende Kostenentscheidung weiterverfolgt. Das Landgericht habe abweichend von der Bewertung der Klägerin, keinen Hinweis dazu erteilt, dass der Klagevortrag nicht ausreiche oder die Kündigungsgründe nicht hinreichend dargetan habe. Die Richterin habe in der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2018 nach Inaugenscheinnahme der Videos zum Ausdruck gebracht, dass der dort zu beobachtende Vorfall den Straftatbestand der Körperverletzung erfülle und das Handeln des Sohnes der Beklagte nicht durch Notwehr gerechtfertigt sei. Abweichend von der Bewertung des Landgerichts ergebe sich eine nachhaltige Störung des Hausfriedens aus den verschiedenen Vorfällen. Diese seien unstreitig. Jeder sei für sich bereits geeignet, die Fortsetzung des Mietverhältnisses als unzumutbar erscheinen zu lassen. Die einzelnen Vorfälle hätten sich gehäuft. Sie ließen keinen anderen Schluss zu, als dass es auch in der Folgezeit immer wieder zu Auseinandersetzungen kommen werde. Es könne daher nicht angenommen werden, dass es wieder zu einem friedlichen Miteinander komme. Die Fronten der Mietparteien seien erheblich verhärtet, insbesondere wegen der verbalen Entgleisungen und Ehrverletzungen.

Das Besichtigungsrecht sei ein „Grundrecht des Vermieters“. § 11 des Mietvertrages sehe ein Besichtigungsrecht einmal pro Jahr vor. Es bedürfe keines konkreten sachlichen Grundes. Ein solcher habe allerdings vorgelegen, weil der Klägervertreter mit Schreiben vom 12.09.2017 auf verschiedene beanstandungswürdige Umstände hingewiesen habe, wie die Beendigung des Mietverhältnisses zum 31.05.2018, die Problematik der Sauberkeit im Mietobjekt (Backwaren im Müll, Ungeziefer), die Beschädigungen von Türen durch Rollwagen, Kisten usw. Zwar könne man nicht auf eine nachhaltige Verweigerung des Besichtigungsrechtes schließen, wenn ein Termin erstmalig nicht zustande komme. Allerdings ergebe sich eine solche aus dem weiteren Verhalten der Beklagten. Sie habe lediglich einen Termin, anstelle von drei Alternativen benannt. Die Mitteilung des gewünschten Termin sei zu kurzfristig gewesen, so dass keine Abstimmung mit der Klägerin möglich gewesen sei. Die Beklagte sei auf drei Vorschläge des Klägervertreters im Schreiben vom 12.10.2017 nicht eingegangen, ferner nicht auf die Erinnerung im Schreiben vom 05.10.2010. Auch nach Ausspruch der Kündigung habe die Beklagte immer noch kein Angebot zur Besichtigung abgegeben. Auch ein solches Verhalten trage unmittelbar zu Störung des Hausfriedens bei.

Eines weiteren substantiierten Vortrages zu den von der Beklagten gefertigten Ton- und Filmaufnahmen bedürfe es nicht mehr. Das Verhalten der Beklagten sei unstreitig, wie auch die Untersagung weiterer Filmaufzeichnungen. Die Klageschrift nehme auf drei Vorfälle, nämlich die vom 17.09.2017, 27.09.2017 und 06.10.2017 Bezug. Damit sei der Vortrag nicht pauschal, sondern vielmehr sei dokumentiert, dass die Beklagte sich nicht an die Untersagung gehalten habe und weiterhin die Persönlichkeitsrechte der Klägerin und ihrer Familie verletze. Es sei nicht von Bedeutung, dass auch die Klägerin Teile ihres Grundstücks mit der Videokamera überwache. Denn die Klägerin habe durch ein Schild auf diesen Umstand hingewiesen. Die Videoaufzeichnungen durch die Klägerin hätten dem Schutz ihres Eigentums gedient. Denn auf dem Hof hätten sie und ihr Ehemann verschiedene Fahrzeuge abgestellt, wie auch Baumaschinen und Baumaterial aus dem Gewerbebetrieb des Ehemanns. Völlig abwegig sei die Ansicht des Landgerichts, es bedürfe im Hinblick auf die festgestellte Sachbeschädigung vor Ausspruch einer Kündigung einer Abmahnung. Dies sei eine Erklärung des Vermieters, durch die der Mieter aufgefordert werde, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, also insbesondere dann, wenn es sich um ein regelmäßig sich wiederholtes Verhalten gehe, welches nicht akzeptiert werden könne. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um einen einmaligen und schwerwiegenden Vorfall, nämlich um eine strafbare Sachbeschädigung. In solchen Fällen sei eine Abmahnung entbehrlich, da sie offensichtlich keinen Erfolg verspreche.

Abweichend von der rechtlichen Bewertung des Landgerichts reiche auch die zumindest vorsätzliche, wenn nicht gar gefährliche Körperverletzung des Sohnes der Beklagten aus. Es könne dahingestellt bleiben, ob es im Vorfeld zu einer verbalen oder sonstigen Auseinandersetzungen oder Provokation gekommen sei. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, solche darzulegen. Auch wenn solche Provokationen oder Auseinandersetzungen im Vorfeld bewiesen wären, rechtfertige dies nicht Fußtritte gegen eine wehrlos am Boden liegende Person. Das Landgericht gehe einerseits von einem schwerwiegenden Vorfall aus, relativiere und verharmlose ihn dann doch mit dem Verweis auf einen Einzelfall. Es sei abweichend von der Bewertung des Landgerichts auch ohne Relevanz, dass sich beide Vorfälle (Kamera, Schlägerei) am selben Tag zugetragen hätten, weil beide Vorfälle strafbares Verhalten darstellten. Die zeitliche Nähe könne allenfalls im Rahmen der strafrechtlichen Würdigung von Bedeutung sein. Beide Vorfälle stellten jedoch jeder für sich genommen eine schwerwiegende Mietvertragsverletzung dar; erst recht in der Summe.

Schließlich habe das Verhalten der Bevollmächtigten der Beklagten erheblich zu einer massiven Störung des Hausfriedens beigetragen. Der Zusammenhang sei offensichtlich. Das Landgericht gehe einerseits von ehrverletzenden, beleidigenden und fremdenfeindlichen Äußerungen aus, beschönige diese letztlich aber dadurch, dass diese Ausfälle in einen unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zu der mietrechtlichen Auseinandersetzung gestellt würden. Die Äußerungen der Anwältin zögen sich jedoch durch ihre gesamte Korrespondenz, selbst im gerichtlichen Verfahren. Vor diesem Hintergrund sei eine Abmahnung entbehrlich. Die Beklagtenvertreterin habe selbst die Ankündigung vom 02.10.2017, die Angelegenheit der Anwaltskammer vorzulegen, sich nicht davon abhalten lassen, weiter in dem ehrverletzenden Ton zu korrespondieren. Der Beklagte habe keine Gelegenheit gegeben werden können, sich von den Äußerungen ihrer Anwältin zu distanzieren, weil dem Klägervertreter im Hinblick auf § 12 BORA eine direkte Kontaktaufnahme untersagt sei. Daher sei es Sache der Bevollmächtigten, den Schriftwechsel mit Ihrer Partei vorzulegen und dann Sache der Beklagten, sich von deren Äußerungen zu distanzieren. Tue sie das nicht, erkläre sie konkludent ihr Einverständnis.

Die Klägerin beantragt – sinngemäß – unter Abänderung des Urteils des Landgerichts vom 27.04.2018, Az. 1 O 303/17),

1. festzustellen, dass der zwischen den Parteien bestehende Gewerbemietvertrag durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 06.10.2017 beendet worden ist;

2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 729,23 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2017 zu zahlen;

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, soweit sich die Klägerin auf eine entsprechende Beschwer beruft. Die Klägerin habe weder substantiiert dargelegt noch Beweis angetreten, inwieweit die Beklagte nachhaltig den Hausfrieden gestört haben soll. Ergänzend könne hierzu in zweiter Instanz nicht mehr vorgetragen werden. Die Beklagte habe niemals abgelehnt, die Klägerin das Mietobjekt besichtigen zu lassen. Zutreffend habe auch das Landgericht den wichtigen Grund nicht darauf gestützt, dass der Sohn der Klägerin Vorname1 Nachname1 den Sohn der Beklagten Vorname2 Nachname2 auf dem Hofgelände tätlich angegriffen habe. Vorname1 Nachname1 und Vorname2 Nachname2 hätten wechselseitig ihren Zwist ausgetragen und sich wechselseitig angezeigt. Sippenhaft gebe es nicht mehr. Die Klägerin würde sich schämen, wenn sie die verbalen Entgleisungen ihres Sohnes lesen müsste. Dieser könnte auf deutsch nur Beschimpfungen ausstoßen. Unsubstantiierter Vortrag sei nicht erwiderungsfähig. Dies beziehe sich insbesondere auf den Vortrag, es habe sich eine nachhaltige Störung des Hausfriedens aus verschiedenen Vorfällen ergeben, die an sich unstreitig seien. Verbale Entgleisungen und Ehrverletzungen gäbe es nur seitens des Sohnes der Klägerin, wie die lesbar gemachte Fassung der Tonaufnahme seiner Äußerung belege. Tatsachen, die eine Störung des Hausfriedens belegten, gäbe es nicht. Verbale Entgleisungen der Beklagten gebe es nicht, nur seitens des Sohnes der Klägerin. Der Klägerin sei die Besichtigung nie verweigert worden. Die behaupteten Missstände seien als verleumderisch anzusehen. Schmutzige Ecken habe es nur bei der Familie der Klägerin gegeben. Hierüber gäbe es auch Bilder. Im Übrigen habe die Klägerin die Gebrauchsmöglichkeit von fünf mitvermieteten Fahrzeugeinstellplätzen für die Beklagte vertragswidrig vereitelt.

Die Bevollmächtigte pflege immer ihre Meinung zu sagen. Niemand sei berechtigt, ihr zu verbieten, unanständiges Verhalten anzuprangern. Es verwundere, wenn die Beschreibung unanständigen Verhaltens der Familie der Klägerin als fremdenfeindlich eingestuft werde. Der Status als Einwanderer sei keine Rechtfertigung, für fehlenden Anstand. Anständig benehmen müssten sich Ausländer wie Inländer gleichermaßen. Die Klägerin beanspruche für sich, zu ihrem Schutz Videokameras einzusetzen. Nicht nachzuvollziehen sei, weshalb der Beklagten das gleiche Recht verwehrt werde. Die Beklagte habe die Kameras aufgestellt, um sich und die Mitarbeiterin vor dem Sohn der Klägerin zu schützen, der die Angestellten durch Grimassen, Beleidigungen und Morddrohungen traktiere. Die Klägerin sei offenbar der Ansicht, andere Menschen hätten keine Rechte. Hinsichtlich der körperlichen Auseinandersetzung sei zu berücksichtigen, dass der Sohn der Beklagten von der Sohn der Klägerin angegriffen worden sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie durch die Äußerungen der Bevollmächtigten der Hausfrieden gestört worden sein soll. Wegen des weiteren Inhaltes und des genauen Wortlautes der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten der Beklagten vom 26.07.2018 (Bl. 162 ff. d.A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden (§§ 511, 517, 519 f. ZPO). Sie hat in der Sache voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das Rechtsschutzinteresse ist nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte entsprechend der im Hilfsantrag begehrten Verurteilung die Mietsache zum 31.05.2018 geräumt hat. Die Klägerin hat, auch und gerade im Hinblick auf die von ihr angegriffene Kostenentscheidung, nach wie vor ein Interesse an der Feststellung, dass die später ausgesprochene fristlose Kündigung für den Fall ihrer Wirksamkeit zu einer früheren Beendigung des Mietverhältnisses geführt hätte.

In der Sache hat das Landgericht zu Recht und mit zutreffender Begründung ein den wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung trotz der entsprechenden Vorfälle bei der vorzunehmenden wertenden Gesamtschau verneint.

Nach § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt gem. § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Hierzu enthält § 543 Abs. 2 S. 1 BGB („insbesondere“) Regelbeispiele, wie die Beschränkung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Vermieter, die Vernachlässigung der Mietsache durch den Mieter oder Zahlungsverzug. § 543 Abs. 3 S. 1 BGB sieht für die sonstigen Pflichtverletzungen eine Abmahnung vor, es sei denn, eine Frist oder Abmahnung verspreche offensichtlich keinen Erfolg (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB) oder die sofortige Kündigung erscheint aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt (§ 543 Abs. 3 S. 2 Nr. BGB).

Der nach § 578 Abs. 2 S. 1 BGB auch für das Mietverhältnis über einen Gewerberaum, wie hier, anwendbare Tatbestand des § 569 Abs. 2 BGB ergänzt § 543 Abs. 1 BGB, wie der Wortlaut des § 569 Abs. 2 BGB zeigt. Danach liegt ein wichtiger Grund ferner vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interesse die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Wie der Wortlaut des § 543 Abs. 1 S. 2 und des § 569 Abs. 2 BGB zeigen, muss der Schweregrad der Pflichtverletzungen unter der Prüfung aller Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Im Zusammenhang mit der Untersuchung sämtlicher Umstände des Einzelfalls kommt es auch auf die Frage des Verschuldens der Vertragsparteien, also auf die Überprüfung des Verhaltens beider Parteien im Zusammenhang mit dem Entstehen des Konfliktes an. Darüber hinaus hat eine Abwägung der beiderseitigen Interessen zu erfolgen. Es kommt also sowohl auf das Interesse des Kündigenden als auch auf das des Kündigungsgegners an. Unzulässig wäre es, sich nur am einseitigen Beendigungsinteresses des Kündigenden zu orientieren.

Ferner ist bei der Frage der Zumutbarkeit darauf abzustellen, zu welchem Zeitpunkt das Mietverhältnis ohne die ausgesprochene außerordentliche, fristlose Kündigung geendet hätte. Im vorliegenden Fall war also dass absehbare Ende des Mietverhältnisses zu berücksichtigen. Hierbei gilt der Grundsatz: Je länger das Mietverhältnis ohne sofortige Beendigung aufgrund des wichtigen Grundes andauern würde, desto geringere Anforderung dürfen an das Maß der Pflichtverletzung im Rahmen der Abwägung gestellt werden. Hier war das Ende des Mietverhältnisses absehbar. Die Klägerin hatte es bereits ordentlich gekündigt (§ 542 Abs. 1 BGB). Damit waren an den Pflichtverstoß höhere Anforderungen zu stellen.

Im Rahmen dieser wertenden Gesamtschau ist nicht zu beanstanden, dass das Landgericht jeweils eine nachhaltige Zerrüttung des Mietverhältnisses, ein erhebliches Zerwürfnis und auch eine objektive Störung des Hausfriedens aufgrund der Vorfälle festgestellt hat, die einzelnen zur Grundlage der Kündigung gemacht Vorfälle untersucht, jeweils für sich genommen noch nicht als ausreichenden wichtigen Grund angesehen und schließlich eine wertende Gesamtschau aller Umstände vorgenommen hat. Insofern macht sich der Senat die sorgfältige Analyse der einzelnen Aspekte des Falles durch das Landgericht zu eigen, soweit das Landgericht entsprechende Feststellungen getroffen und Vorbringen der Klägerin nicht als unsubstantiiert bewertet hat.

Im Einzelnen:

a) Verweigerung des Zutrittsrechts.

Grundsätzlich – dies ist zwischen den Parteien auch nicht im Streit – steht dem Vermieter ein Recht zur Besichtigung der Mietsache zu. Dies folgt aus dem Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG, dem nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls das eigentumsgleiche Recht aus Art. 14 Abs. 1 GG des Mieters an dem ungestörten Besitz der angemieteten Räumlichkeiten gegenübertritt, welches noch zusätzlich durch Art. 13 Abs. 1 GG besonderen Schutz erfahren hat. Eine entsprechende Verpflichtung der Beklagten war ferner in § 11 des Mietvertrages geregelt. Aufgrund des unstreitigen Sachverhaltes, wie er vom Landgericht festgestellt worden ist, hatte die Klägerin auch einen bestimmten Besichtigungswunsch geäußert, wobei bei der Gesamtwürdigung aller Umstände nicht außer Acht gelassen werden darf, dass der Besichtigungswunsch zu einem Zeitpunkt geäußert wurde, als das Verhältnis zwischen den Parteien erheblich angespannt war. Bei erster Sicht erscheinen die von der Klägerin nunmehr in zweiter Instanz vorgetragenen Gründe für die Notwendigkeit einer Besichtigung für sich genommen plausibel. Sie können allerdings im Kontext des Streites und der Art der Ausübung dieses Rechtes vom Standpunkt eines objektiven Mieters durchaus den Eindruck erzeugen, als werde das Recht zum gewählten Zeitpunkt neben Anderem auch als Kampfmittel im Zusammenhang mit dem eskalierten Streit ausgeübt.

Fest steht, dass die Beklagtenvertreterin zeitnah auf den Besichtigungswunsch reagiert hatte und unmittelbar nach Erhalt des klägerischen Schreibens einen sehr zeitnahen Termin vorschlug, allerdings keine Alternativtermine bekannt gab. Solche hätten zwar aus praktischen Gründen und Gründen der Höflichkeit nahegelegen. Vor allem hätte für die anwaltlich vertretene Beklagte nahegelegen, dass die anwaltlich vertretene Klägerin einen Besichtigungstermin auch mit Ihrem Anwalt wird abstimmen müssen und hierbei auf die naheliegend angespannte Terminslage eines Rechtsanwaltes Rücksicht genommen werden muss. Dass die Beklagte angesichts der zeitnahen Antwort sinnvoller- und praktischerweise Ausweichtermine hätte nennen sollen, dies aber nicht tat, kann allerdings nicht als Pflichtverletzung oder gar konkludente Verweigerung aufgefasst werden, auch nicht, dass die Wünsche auf Nennung von weiteren Alternativterminen zunächst unbeantwortet blieben. Es handelt sich nämlich bei dem Recht zur Besichtigung durch den Vermieter um ein Recht, das der Mieter lediglich zu dulden hat, nicht aber im Sinne einer Bringschuld, die dem Mieter besondere Mitwirkungspflichten auferlegt.

Selbst aber, wenn das Verhalten der Beklagten als unrechtmäßige Verweigerung auszulegen gewesen wäre, was auch aus Sicht der Klägerin (wie vorgetragen worden ist) dann allenfalls konkludent erfolgt wäre, hätte eine entsprechende Verweigerung des Zutrittsrechtes als Verletzung einer aus dem Mietvertrag obliegenden Pflicht des Mieters gem. § 241 Abs. 2 BGB ohne eine entsprechende Abmahnung im Sinne des § 543 Abs. 3 S. 1 BGB für sich genommen noch keinen erheblichen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung ohne vorherige Abmahnung gebildet. Verweigert der Mieter die Zustimmung oder Mitwirkung an der Geltendmachung des Besichtigungsrechts, so kann Vermieter den Mieter ohne weiteres auf Duldung der Besichtigung klageweise in Anspruch nehmen und auf Basis eines obsiegenden Urteils dieses mithilfe eines Gerichtsvollziehers vollstrecken, ohne dass es in diesem Fall auf einen von dem Mieter angebotenen Termin ankäme.

b) Fortsetzung der Aufstellung von Kameras trotz entsprechender Aufforderung zur Unterlassung und Abmahnung:

Zu Recht verweist die Klägerin darauf, dass das Aufstellen von Überwachungskameras nicht ohne weiteres gerechtfertigt ist und als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und auf das Recht am eigenen Bild gewertet werden kann. Ferner wurde die Beklagte auch abgemahnt und zur Unterlassung aufgefordert, ohne dass sie diesem nachkam. Insoweit hat die Beklagte unmittelbar ihre Pflichten verletzt.

Allerdings ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass auch die Klägerin selbst Kameras aufgestellt hatte. Soweit die Klägerin insoweit darlegt, die Aufstellung ihrer Kameras habe sachliche Gründe gehabt, die Aufstellung der Kameras der Beklagten jedoch nicht, handelt es sich hierbei um eine recht einseitige Bewertung der wechselseitigen Interessen der Parteien. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien war angespannt, sodass die Klägerin Übergriffe auf ihr Eigentum durch die Beklagte, Angehörige der Beklagten oder Dritte befürchten durfte. Das gleiche gilt aber auch für die Beklagte, die einen Gewerbebetrieb unterhielt und insofern werthaltige Waren angeliefert erhielt und einlagerte. Entsprechend hat auch das Landgericht in seine Erwägungen einbezogen, dass sich die Parteien jeweils wechselseitig gefilmt haben oder filmen wollten. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände, der Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien und des Verschuldens beider Vertragsparteien folgt der Senat daher der Bewertung des Landgerichts, dass die Fertigung von Filmaufnahmen durch die Beklagte im Zusammenhang mit den von der Beklagten ihrerseits als vertragswidrig empfundenen Verhalten der Klägerin oder ihre Angehörigen bei der notwendigen Gesamtabwägung noch nicht zur Annahme eines wichtigen Grundes ausreicht.

Das Landgericht hat im Übrigen auch nähere Feststellungen, wie im Urteil dargelegt ist, zu dem Umfang des Vertragsverstoßes durch illegale Filmaufnahmen durch die Beklagte nicht treffen können. Der in Augenschein genommene Film und die Fotos zeigen exemplarisch, dass die beiden Söhne der Parteien sich prügeln und ihre Mütter jeweils ihr Handy zücken und den Vorfall aufnehmen, die Klägerin darüber hinaus, den Moment des Filmens durch die Beklagte.

c) Schlägerei und Sachbeschädigung

Zu Recht und mit in jeder Hinsicht zutreffender Begründung hat schließlich das Landgericht die Übergriffe des Sohnes der Beklagten in Form der Sachbeschädigung (Zertrümmern der Kamera) und die körperliche Auseinandersetzung zwischen den Söhnen der Parteien nicht als wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung gewichtet.

Die Besonderheit des Falles liegt hier darin, dass die von der Klägerin und dem Landgericht übereinstimmend und zutreffend gewürdigten, jeweils einmaligen strafbaren Handlungen nicht von der Beklagten selbst, sondern von ihrem Sohn begangen wurden. Zwar verweist die Klägerin vor diesem Hintergrund zu Recht darauf, dass es insoweit gegenüber dem Sohn der Beklagten – wäre er Mieter gewesen – einer Abmahnung nicht bedurft hätte, sondern vielmehr die Voraussetzungen des § 543 Abs. 3 Nr. 2 BGB vorgelegen hätten. Wird der Mieter gegenüber dem Vermieter übergriffig, so kann, wenn der Übergriff einen erheblichen Schweregrad aufweist, dies in aller Regel als ausreichender Grund für den sofortigen Ausspruch einer fristlosen Kündigung angesehen werden. Hierzu gehören insbesondere Sachbeschädigungen und körperliche Attacken. Das Landgericht hat auch die Notwendigkeit der Abmahnung insofern nicht vor dem Hintergrund der Schwere des Vorfalles verkannt.

Zutreffend stellt das Landgericht aber auf die Notwendigkeit der Abmahnung gegenüber der Beklagten ab, der das Verhalten ihres Sohnes nicht per se zugerechnet werden kann, der aber angesichts des Schweregrades des Verhaltens des Sohnes der Beklagten als Mieterin die Verpflichtung auferlegt, auf den den Hausfrieden störenden Familienangehörigen und Mitbewohner einzuwirken. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung würde damit nur dann vorliegen, wenn die Beklagte trotz entsprechender ausdrücklicher Aufforderung und Abmahnung, nachhaltig auf ihren Sohn einzuwirken, damit dieser künftig weiteren Beeinträchtigungen von Rechten der Klägerin oder weiterer Hausbewohner unterlässt, insbesondere keine erheblichen strafbaren Handlung mehr begeht, diese Pflicht unterlassen hätte. Nur dieses Unterlassen könnte der Beklagten als Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis vorgehalten werden und Grundlage einer fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 2 S. 2 und 569 Abs. 2 i.V.m. § 578 Abs. 2 BGB sein. In diesem Kontext hat das Landgericht aber zutreffend in seine Bewertung aufgenommen, dass die von der Klägerin zu Recht massiv monierten und als strafbar bewerteten Übergriffe des Sohnes der Beklagten in einem engen zeitlichen Zusammenhang stattfanden, so dass ein entsprechendes pflichtwidriges Unterlassen seitens der Beklagten nach entsprechender Abmahnung noch nicht Grundlage eines eigenen Pflichtverstoßes sein konnte. Die Ansicht des Landgerichts wird demzufolge in Verkennung der Rechtslage als „völlig abwegig“ gerügt.

Im Übrigen ist auch im Zusammenhang mit der körperlichen Auseinandersetzung zwischen den Söhnen der Parteien zu berücksichtigen, dass der Sohn der Beklagten zwar im Zuge des Kampfes, nachdem der Sohn der Klägerin zu Boden gegangen war, in durch nichts gerechtfertigter Weise, insbesondere nicht mehr von dem Recht auf Nothilfe oder Notwehr gem. § 32 StGB umfassten Verhalten, auf einen Wehrlosen eintrat und nicht unerheblich verletzte, die körperliche Auseinandersetzung selbst allerdings im Kontext der von der Beklagten im Einzelnen geschilderten Provokation und dem Übergriff des Sohnes der Klägerin auf eine Lieferanten gestanden haben soll.

d) Brief von Rechtsanwältin A

Ferner hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht den Inhalt der von der Bevollmächtigten der Beklagten erstatteten Strafanzeige vom 26.09.2017 (Bl. 27 d.A.) gegen den Sohn der Klägerin nicht als wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung angesehen.

Zunächst ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der vorliegenden beanstandeten Erklärung um den Inhalt einer Strafanzeige gegen den Sohn der Klägerin im Zusammenhang mit ihm zur Last gelegten verbalen Entgleisungen geht. Für den Fall, dass sie stattgefunden hätten, hätte es sich um massive, ehrkränkenden und frauenfeindlichen Äußerungen, Nötigungen und Morddrohungen (§ 241 StGB) gehandelt. Das Schreiben vom 26.09.2017 enthält grundsätzlich zulässige Vorwürfe in einem förmlichen Verfahren, nämlich in einer Strafanzeige und im Rahmen der Stellung eines Strafantrages. Solche Äußerungen unterliegen, auch wenn sie in scharfer Weise erfolgen, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einem weitgehenden Schutz der in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Grundrechte.

Dabei umfasst der Grundrechtsschutz nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen, sondern auch Kritik, die pointiert, polemisch oder überspitzt erfolgen darf. Die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht schon da, wo eine polemische Spitze für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist (vgl. BVerfGE 82, S. 272 ff. (283 f.) ; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer vom 29.06.2016, Az. 3 BvR 2646/15, zitiert nach juris). Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht in der zuletzt zitierten Entscheidung ausgeführt:

„Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassung wegen eng zu verstehen. Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung. Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn sie nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht (vgl. BVerfGE 82, S. 272 (283 f.); 85,1 (16); 83,266 (284). Sie liegt bei einer in die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt (vgl. BVerfGE 93, 266 (294). Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.“

Insofern stellt das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer vom 29.06.2016, Az. 3 BvR 2646/15, zitiert nach juris, Rn. 18) entscheidend darauf ab, dass auch solche, die Ehre des Betroffenen nicht unerheblich beeinträchtigende und scharfe Äußerungen für die Annahme einer Schmähung in „ihrem ehrbeeinträchtigender Gehalt von vornherein außerhalb jedes in einer Sachauseinandersetzung wurzelnden Verwendungskontext“ stehen müssen. Es ist unerheblich, ob der Senat diese weite Ausdehnung des Schutzbereiches des Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG teilt. Sie ist vom Bundesverfassungsgericht vorgegeben und daher zu beachten.

Der Kontext der entsprechend beanstandeten Aussagen der Beklagtenvertreterin, die zweifellos einen massiven Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot gem. § 43a Abs. 3 S. 1 und 2 BRAO darstellen, steht im Zusammenhang mit der Strafanzeige gegen den Sohn der Klägerin, Vorname1 Nachname1. Die Aussagen sind eine massive Reaktion und Bewertung der von der Beklagten zu Recht als nicht hinnehmbaren, Herabsetzung der Beklagten in ihrer Würde als Frau und damit ihrer Menschenwürde. Anlass ist der Vorwurf, der Sohn der Klägerin habe die Beklagte und die Mitarbeiterin B als „Fotze, „Drecksfotze“ beschimpft und die Aufforderung abgegeben, die Beklagte solle „alte Männerschwänze schlucken“. Es kommt nicht darauf an, ob Vorname1 Nachname1 dies gesagt hat. Dies ist dem Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn vorhalten. Maßgeblich ist für die vom Bundesverfassungsgericht wegen Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG vorgebende sehr genaue Kontextanalyse, dass sich die Äußerungen auf den insoweit erhobenen Vorwurf und die Bewertung eines angezeigten Sachverhaltes beziehen. Soweit die Beklagtenvertreterin diese vermeintlichen Übergriffe in scharfen Worten verurteilt und ihn das Adjektiv „widerlich“ gegeben hat, ist dies nicht zu beanstanden; vielmehr teilt der Senat diese Bewertung. Problematisch ist diesem Zusammenhang, dass die Beklagtenvertreterin allerdings nicht nur die Äußerung für sich mit scharfen Worten kritisiert sondern ihren Urheber (Vorname1 Nachname1) als „widerwärtig“ bewertet und dies im Zusammenhang mit dessen Herkunft stellt („solch widerwärtige Türken“). Der Kontext der Äußerungen schwankt zwischen der kritischen Bewertung einer bestimmten Art von Menschen aus einer bestimmten Region der Türkei, denen sie den Beleidiger zuordnet, zugleich verwendet die Beklagtenvertreterin allerdings Bewertungen, die zumindest den Schluss nicht fernliegend erscheinen lassen, als meine sie nicht nur den wegen seiner indiskutablen Äußerungen abqualifizierten Sohn der Klägerin, sondern ihre gesamte Familie und damit auch die Klägerin selbst. Hierfür spricht, dass sie im ersten Absatz auf S. 3 ausdrücklich zum Gegenstand ihrer Anzeige macht, die Übergriffe ihres Sohnes würden von der Klägerin instrumentalisiert, sie sei häufig zugegen und belustige sich darüber, dass ihr Sohn die Beklagte und eine Mitarbeiterin beschimpfe, bedrohe, beleidige.

Soweit die Beklagtenvertreterin in offenbar völkischer Gesinnung in ihrer Strafanzeige hervorhebt, man müsse sich solche Beleidigungen in seinem Heimatland als Deutscher nicht gefallen lassen und in diesem Kontext anmerkt, man könne froh sein, dass die AfD dafür sorge, dass Deutsche in ihrem eigenen Heimatland davor bewahrt würden, dass solch widerwärtigen Türken ungestraft ihr Unwesen trieben und jeder in solch massiver Form straffälliger Ausländer des Landes verwiesen werden müsse, Deutschland brauche keine unverschämten Leute, für deren Abwanderung die Türkei sicherlich dankbar sei, führt dies zu der nicht fernliegenden Vermutung, dass sich die Beklagtenvertreterin auch von fremdenfeindlichen, womöglich gar rassistischen Gefühlen und Überzeugungen bei ihren Äußerungen hat leiten lassen; so hebt sie mehrfach hervor, dass die ursprünglichen Vermieter Deutsche gewesen seien und betont, dass ein Türke eine Deutsche in deren Heimatland beleidigt habe. Es ist festzuhalten, dass Art. 1 Abs. 1 GG die Menschenwürde schützt, nicht die Ehre einer Nation.

Bei der Kontextanalyse ist allerdings in Rechnung zu stellen: Die Beklagtenvertreterin hebt im Zusammenhang mit der Wiedergabe eines vermeintlichen „Eindrucks aus der türkischen Mittelschicht“ hervor, dass sich ihre Kritik auf eine bestimmte Schicht verhaltensauffälliger, wenig gebildeter Zuwanderer beziehe, die sich in der Person des Beschuldigten exemplarisch darstelle und deren Verhalten sie mit scharfer Kritik überzieht, was zwar unsachlich und gem. § 43a Abs. 3 BRAO evident unzulässig ist, aber noch dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. GG unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterfällt.

Eine generelle Herabsetzung von Menschen mit türkischen Vorfahren oder türkische Staatsbürger hat die Beklagtenvertreterin ausdrücklich nicht vorgenommen. Ein Verstoß gegen § 130 StGB ist nicht erfüllt.

Die persönliche Gesinnung und Überzeugung der Beklagtenvertreterin selbst kann allerdings nicht Grundlage einer Bewertung des Senates sein, erst recht nicht im Zusammenhang mit der Frage, ob ihre Äußerungen Grundlage für eine fristlose Kündigung sind. Dass diese Äußerungen sich aber im Hinblick auf den völkischen Grundton, die die Klägerin mit einbeziehenden Details und der über den beschuldigten Sohn hinausgehende verallgemeinernde Ton aus Sicht der Klägerin sich jedenfalls als zumindest fremdenfeindlich erscheinende Entgleisung darstellen musste und sich deshalb nachdrücklich auf den Hausfrieden und die Zerrüttung des Mietverhältnisses ausgewirkt hat, steht auch aus Sicht des Senates außer Zweifel. Auch das Landgericht hat eine entsprechende Bewertung vorgenommen. Dies ist aber Gegenstand der Prüfung einer Pflichtverletzung.

Schließlich hat das Landgericht nicht feststellen können, dass sich die Beklagte die Bewertungen ihrer Anwältin zu eigen gemacht hat.

Die Beklagtenvertreterin, die an dieser scharfen Bewertung auch noch im Berufungsverfahren festgehalten hat und sich auf ihr Recht auf die Meinungsfreiheit beruft, hat bereits schriftsätzlich deutlich zu erkennen gegeben, dass es sich hierbei um ihre persönliche Meinung gehandelt hat. Dies hat sie in ihrem Schriftsatz vom 06.12.2017 auf Seite 3 Mitte (Bl. 52 d.A.) ausdrücklich hervorgehoben. Es heißt hier:

„Die Beschwerde ist Herrn Rechtsanwalt C unbenommen. Er meint u.a., ich dürfe nicht wiedergeben, was mir in meinem privaten Umfeld als Äußerung eines türkischen in Istanbul tätigen Akademikers vor Jahren zugetragen wurde, dass man nämlich in der Türkei die Abwanderung von sich ungehörig verhaltenden Türken nach Westeuropa begrüße. Ich habe dazu bemerkt, dass Westeuropa solche nicht einmal in ihrem eigenen Land geschätzten Menschen auch nicht brauche. Das war erkennbar meine Meinung und ist daher nicht Frau Nachname2a zuzuschreiben. Ich stehe auch dazu und bleibe dabei [Hervorhebung durch das das Gericht], dass die unflätigen Beschimpfungen und Morddrohungen des Herrn Vorname1 Nachname1 von gar keinem Deutschen hingenommen werden müssen.

(…)

Dazu bleibe ich anderer Meinung. Ich bin weit entfernt davon, allen Türken das ungehörige Benehmen des Herrn Vorname1 Nachname1 anzulasten und das hätte Herr Rechtsanwalt C schon erkennen können aufgrund der von mir zitierten Äußerung eines türkischen Akademikers in Istanbul“

Die Berufung verweist selbst darauf, dass dass der Beklagten keine Gelegenheit gegeben wurde, sich von den Äußerungen ihrer Anwältin zu distanzieren. Es ist allerdings nicht Sache der Bevollmächtigten, aus dem Innenverhältnis des Mandatsverhältnisses entsprechende Schriftstücke vorzulegen. Ein konkludentes Einverständnis der Beklagten kann ohne entsprechende Erkenntnisse nicht angenommen werden. Eine automatische Zurechnung der Äußerungen durch die fehlende persönliche Distanzierung der Beklagten ist nicht möglich.

e) Gesamtabwägung

Eine fristlose Kündigung war schließlich im Hinblick auf die wertende Gesamtschau insbesondere vor dem Hintergrund, dass bereits eine ordentliche Kündigung ausgesprochen war unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und des wechselseitigen Verschuldens beider Parteien nicht gerechtfertigt. Zwar ist der Hausfrieden, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, nachhaltig gestört; das Verhältnis war und ist unrettbar zerrüttet und von wechselseitigen Vorwürfen geprägt. Angesichts des Umstands, dass die Eskalation zwischen sämtlichen Beteiligten allerdings nicht ausschließlich und einseitig durch von der Beklagten ausgegangen ist und insbesondere die unsachlichen, fremdenfeindlichen Angriffe der Beklagtenvertreterin gegenüber einer bestimmte Gruppe von Türken im Kontext mit der Erschütterung der Beklagtenvertreterin über die aus ihrer Sicht vorgefallenen massiven Übergriffe durch Teile der Familie der Klägerin zu sehen war, war es für die Klägerin hier zumutbar, bis zum Ende der ordentlichen Kündigungsfrist zuzuwarten.

Das Landgericht hat einen Ersatzanspruch bezgl. der vorgerichtlichen Anwaltskosten aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung abgelehnt.

Soweit das Landgericht das Obsiegen der Klägerin mit dem Hilfsantrag im Verhältnis zum Unterliegen mit dem Hauptantrag gleichgewichtet hat, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen seit Zustellung, auch dazu, ob das Rechtsmittel trotz der mitgeteilten Bedenken durchgeführt werden soll.

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