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Fristlose Mietvertragskündigung bei Verursachung einer Brandgefahr

AG Melsungen – Az.: 4 C 83/21 (70) – Urteil vom 30.06.2021

1. Der Beklagte wird verurteilt, die von ihm innegehaltenen im … des Hauses … befindlichen Räumlichkeiten bestehend aus 2 Zimmern, einem Bad mit WC, einer Küche sowie einer Diele (Wohnung Nr. 3) zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 308,60 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 30.04.2021 zu bezahlen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2.378,11 Euro abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Räumung einer Mietwohnung in Zusammenhang mit einer von Klägerseite ausgesprochenen Kündigung des Mietvertrages.

Zwischen den Parteien besteht seit dem 01.09.2003 ein Mietverhältnis.

Fristlose Mietvertragskündigung bei Verursachung einer Brandgefahr
(Symbolfoto: Robert Kneschke/Shutterstock.com)

Am 08.06.2010 schlossen die Parteien vor dem Amtsgericht Melsungen einen Vergleich mit dem Inhalt: „Die Parteien sind sich einig, dass das vorliegende Verfahren sowie die bisher von der Klägerin ausgesprochene Kündigung als qualifizierte Abmahnung zu Lasten des Beklagten gewertet werden. Dies gilt bezüglich der Tatbestände Veränderung der Heizungsanlage, (…). Beide Parteien sind sich einig, dass für den Fall, dass der Beklagte die neu zu installierende Heizmöglichkeit verändert (…), die Klägerin unmittelbar eine fristlose oder fristgemäße Kündigung aussprechen kann. Einer Abmahnung bedarf es bei Verstößen gegen diese drei Tatbestände nicht mehr.“.

Nach Abschluss des Vergleichs ließ die Klägerin einen neuen Kaminofen des Herstellers W. GmbH, Typ … – Jupiter in der streitgegenständlichen Wohnung einbauen und anschließen.

Am 23.02.2021 betrat die Klägerin nach Vorankündigung über ihren Prozessbevollmächtigten im Beisein eines Mitarbeiters des Ordnungsamtes der Stadt Melsungen, …, die Wohnung des Beklagten, nachdem es während einer Frostperiode am 18.02.2021 in der Wohnung des Beklagten zu einem Wasserschaden gekommen war, um einen weiteren Wasseraustritt zu verhindern. Im Rahmen der Begehung der Wohnung am 23.02.2021 wurde festgestellt, dass der Beklagte Veränderungen an der Heizungsanlage vorgenommen hatte. Der Bezirksschornsteinfeger … stellte am 23.02.2021 fest, dass die in der Wohnung befindlichen Feuerstätten in keinem ordnungsgemäßen Zustand seien und im Falle der Benutzung eine erhöhte Betriebs- und Brandgefahr von den Feuerstätten ausginge; die Feuerstätten seien defekt (fehlende Glasscheibe zugemauert) oder durch den Aufbau von gemauerten Zügen durch Mauerziegel so verändert worden, dass die Zulassung der Feuerstätten erloschen seien. Die Feuerstätten in der Wohnung wurden durch den Bezirksschornsteinfeger stillgelegt. Die von dem Bezirksschornsteinfeger festgestellten Veränderungen an der Heizungsanlage hatte der Beklagte nicht an der damals neu zu installierenden Heizungsanlage vorgenommen, die Gegenstand des Vergleichs vom 08.06.2010 war, sondern an einer anderen, „alten“ Heizungsanlage.

Mit Schreiben des Klägervertreters vom 01.03.2021 kündigte die Klägerin das bestehende Mietverhältnis außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund mit einer Auslauffrist bis zum 31.03.2021. Die Kündigung stützte die Klägerin auf die Veränderung der Heizungsanlage durch den Beklagten.

Mit Schreiben des Klägervertreters vom 27.04.2021 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis hilfsweise für den Fall, dass die fristlose Kündigung nicht beendet worden sein sollte, fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die Kündigung stützte die Klägerin darauf, dass eine Begutachtung der streitgegenständlichen Wohnung durch die Sparkassenversicherung und eine Trocknung der streitgegenständlichen Wohnung aufgrund der unterlassenen Räumung der Wohnung bzw. aufgrund von Terminabsagen durch den Beklagten nicht erfolgen konnte.

Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, das Mietverhältnis sei infolge der nach ihrer Auffassung wirksamen Kündigung beendet worden.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, die von ihm innegehaltenen im … des Hauses … befindlichen Räumlichkeiten bestehend aus 2 Zimmern, einem Bad mit WC, einer Küche sowie einer Diele (Wohnung Nr. 3) zu räumen und an die Klägerin herauszugeben,

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 308,60 Euro an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, die fristlose Kündigung sei ohne weitere vorherige Abmahnung unberechtigt. Die qualifizierte Abmahnung in dem Vergleich vom 08.06.2010 könne nicht herangezogen werden, da sie zu alt sei und somit ihre Warnfunktion nicht mehr erfüllen könne und zudem der Sachverhalt vorliegend ein anderer sei, da der Beklagte die neu installierte Heizmöglichkeit nicht verändert habe.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Klage wurde dem Beklagten am 29.04.2021 zugestellt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB.

Der Mietvertrag zwischen den Parteien ist durch die Klägerin mit Schreiben vom 01.03.2021 wirksam außerordentlich fristlos aus wichtigem Grund mit einer Auslauffrist bis zum 31.03.2021 gekündigt worden und somit beendet, §§ 546 Abs. 1, 542 Abs. 1, 543 Abs. 1 S. 1 BGB.

Es lag ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vor. Der Beklagte hat unstreitig die in der streitgegenständlichen Wohnung befindliche Heizungsanlage dergestalt verändert, dass sie sich in keinem ordnungsgemäßen Zustand mehr befunden hatte und im Falle einer Benutzung eine erhöhte Betriebs- und Brandgefahr von ihr ausging. Insbesondere aufgrund der mit der Veränderung der Heizungsanlage verbundenen Betriebs- und Brandgefahr war der Klägerin unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände nach Abwägung sämtlicher Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zumutbar. Denn mit einer Fortsetzung des Mietverhältnisses würde eine Gefahr für Leib und Leben der in dem Mietobjekt lebenden anderen Mieter oder Besucher ausgehen sowie eine Gefahr für das Gebäude und mithin das Eigentum der Klägerin. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass die veränderte Heizungsanlage durch den Bezirksschornsteinfeger stillgelegt wurde und somit infolge der Stilllegung eine Brandgefahr von der Heizungsanlage nicht mehr ausgeht. Jedoch besteht die Gefahr, dass der Beklagte in Zukunft erneut Veränderungen an der Heizungsanlage oder sonstigen Einrichtungen der Wohnung vornimmt, die erneut eine Gefährdungslage verursachen. Dabei war auch in die Einzelfallabwägung einzubeziehen, dass die Parteien bereits im Jahr 2010 einen Vergleich abgeschlossen haben, der zum Inhalt hatte, dass Veränderungen an der Heizungsanlage nicht vorgenommen werden dürfen bzw. dass hinsichtlich des Tatbestandes Veränderung der Heizungsanlage die damals ausgesprochene Kündigung als qualifizierte Abmahnung gilt. Dass der Beklagte trotz dieser qualifizierten Kündigung erneut eine Veränderung an der Heizungsanlage vornahm – auch wenn es nicht dieselbe Heizungsanlage betraf, die Gegenstand des 2010 abgeschlossenen Vergleiches war – zeigt, dass auch in Zukunft erneut die Gefahr droht, dass der Beklagte sein Verhalten wiederholt. Aufgrund des Ausmaßes der Gefährdung, die durch den Beklagten durch die Veränderungen an der Heizungsanlage hervorgerufen wurden (Brandgefahr), ist der Klägerin nach Abwägung beiderseitiger Interessen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zumutbar. Soweit der Beklagte sich darauf berufen hat, dass das Mietobjekt baufällig sei und infolgedessen Kälte in die Wohnung komme, hätte er andere Maßnahmen ergreifen können, damit die Klägerin die behaupteten Mängel behebt, z.B. Minderung der Miete oder Aufforderung zur Behebung der Mängel, ggfls. gerichtliche Durchsetzung. Die von dem Beklagten behaupteten Mängel rechtfertigen es nicht, derartige Veränderungen an der Heizungsanlage durchzuführen, dass eine Brandgefahr und somit eine Gefahr für Leib und Leben der anderen Mitmieter sowie Gefährdung des Eigentums der Klägerin entsteht. Soweit die Beklagtenseite vorträgt, die Klägerin habe von der Ummauerung des Ofens gewusst, da er mehrfach angedroht habe, wenn nichts passiere, werde er den Ofen ummauern, rechtfertigt auch dies nicht das Verhalten des Beklagten und kann im Rahmen der Interessenabwägung nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Denn allein die Tatsache, dass der Mieter ein rechtswidriges und grundsätzlich kündigungsrelevantes Verhalten ankündigt, führt nicht dazu, dass eine außerordentliche fristlose Kündigung hierauf nicht mehr gestützt werden kann, zumal es sich vorliegend um ein Verhalten des Beklagten handelte, welches mit einer erheblichen Gefährdungslage verbunden war. Unerheblich ist, ob zwischen den Parteien wirksam vereinbart wurde, dass keine Veränderungen an der Mietsache vorgenommen werden dürfen. Denn auch ohne eine derartige mietvertragliche Vereinbarung darf der Mieter nicht solche Veränderungen an der Mietsache vornehmen, die Leib und Leben der anderen Mitmieter sowie das Eigentum des Vermieters in Gefahr bringt, vorliegend aufgrund der Brandgefahr. Dies ist für jedermann einleuchtend und bedarf keiner besonderen vertraglichen Vereinbarung. Unter Zugrundelegung vorstehender Erwägungen war der Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher Einzelfallumstände die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zumutbar, § 543 Abs. 1 S. 2 BGB.

Einer Abmahnung bedurfte es vorliegend nicht, sodass es nicht darauf ankommt, ob die qualifizierte Abmahnung in dem Vergleich vom 08.06.2010 noch herangezogen werden konnte. Denn gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BGB war aufgrund der Brandgefahr, die mit der Veränderung an der Heizungsanlage einherging, die sofortige Kündigung aus besonderen Gründen gerechtfertigt. Dabei wurde auch in die Abwägung einbezogen, dass es bereits in der Vergangenheit Streit zwischen den Parteien im Hinblick auf eine Veränderung an der Heizungsanlage gab, der damals mit dem Vergleichsabschluss im Jahr 2010 endete – auch wenn es eine andere Heizungsanlage betraf. Dies zeigt die fehlende Einsichtsfähigkeit des Beklagten. Einer Abmahnung bedarf es vorliegend nach durchgeführter Interessenabwägung nicht, denn sonst müsste die Klägerin befürchten, dass der Beklagte in Zukunft wieder Veränderungen an der Heizungsanlage oder anderen Einrichtungen des Mietobjekts vornehmen würde. Dies ist der Klägerin angesichts der besonderen Gefährdungslage, die von dem Beklagten im Hinblick auf seine getätigten Veränderungen an der Heizungsanlage ausgingen, nicht zumutbar, sodass dieses Verhalten eine sofortige Kündigung ohne vorheriger Abmahnung rechtfertigt.

Dem Kläger war keine angemessene Räumungsfrist zu gewähren, § 721 Abs. 1 S. 1 ZPO. Ein Antrag wurde nicht gestellt. Auch von Amts wegen war keine angemessene Räumungsfrist zu bestimmen. Dabei hat das Gericht im Rahmen der getroffenen Ermessensentscheidung die schwerwiegende Pflichtverletzung des Beklagten sowie die damit einhergegangene von ihm hervorgerufene Gefährdungslage berücksichtigt. Außerdem hat das Gericht berücksichtigt, dass die ausgesprochene außerordentlich fristlose Kündigung der Klägerin vom 01.03.2021 mit einer Auslauffrist bis zum 31.03.2021 ausgesprochen wurde. Mittlerweile sind weitere drei Monate vergangen, sodass der Beklagte sich hinreichend auf die Beendigung des Mietverhältnisses einstellen konnte.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 308,60 Euro im Hinblick auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aus § 280 Abs. 1 BGB, da der Beklagte die von der Klägerin erklärte Kündigung des Mietvertrages durch seine schuldhafte Pflichtverletzung in Form der Veränderung der Heizungsanlage verursacht hat (vgl. Bruns, in: Schach/Schultz/Schüller, in: BeckOK Mietrecht, 24. Ed., Stand. 01.05.2021, § 542 BGB Rn. 223). Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 7, 711 S. 1 ZPO.

 

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