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Fristlose Mietvertragskündigung – Hat Vermieter Anspruch auf Mietausfallschaden

 

KG – Az.: 8 U 36/21 – Urteil vom 25.08.2022

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 03. März 2021 verkündete Urteil der Zivilkammer 2 des Landgerichts Berlin – 2 O 107/20 – teilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 23.121,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 12. Mai 2020 sowie Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 15.600 Euro ab dem 05. Februar 2020 bis zum 31. Dezember 2020 und auf 13.710,80 Euro seit dem 01. Januar 2021 bis zum 07. Januar 2021 zu zahlen.

Wegen der weitergehenden Zinsforderung wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10% leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung der Klägerin richtet sich gegen das am 23. Februar 2021 verkündete Urteil der Zivilkammer 2 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:

Das Landgericht sei der Ansicht, ein Mietausfallanspruch bestehe schon deswegen nicht, weil die Klägerin es unterlassen habe, die Räume auf dem Markt anzubieten. Hierbei habe das Landgericht die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 29.06.2020 außer Acht gelassen. Hierin habe die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht nur die angeblich unterlassenen Bemühungen hätte darlegen müssen und, dass bei adäquaten Bemühungen der Klägerin auch frühzeitig ein Nachmieter hätte gefunden werden können. Die Beklagte hätte unter Beweisantritt vortragen müssen, welcher konkrete Nachmieter zu welchem Zeitpunkt zur Anmietung der streitgegenständlichen Flächen bereit gewesen wäre. Hierzu fehle jeder Vortrag der Beklagten.

Die Beklagte habe indes selbst mehrfach vorgetragen, dass zahlreiche andere Gewerbemieter ihre Mietzahlungspflicht nicht hätten einhalten können und gezwungen gewesen seien, die Geschäfte zu räumen. Daher hätte die Beklagte nicht einfach behaupten können, dass eine Nachvermietung möglich gewesen sei. Dies sei tatsächlich nicht der Fall gewesen, weswegen die Klägerin andere Wege hätte gehen müssen. Der Klägerin müsse es gestattet sein, wirtschaftliche Rückschlüsse derart zu ziehen, freiwerdende Räume umzubauen und einer (mit Erfolgsaussichten versehenen) Vermietung an andere Gewerbe zuzuführen. Es habe eine wirtschaftliche Notwendigkeit zum Umbau bestanden, weil eine andere wirtschaftliche Vermietung/Verwertung nicht möglich gewesen sei. Es entspreche der Rechtsprechung, nach einer Kündigung den Markt zunächst zu „sondieren“. Dies sei hier erfolgt und habe ergeben, dass eine Nachvermietung nicht möglich gewesen sei. Im weiteren Verlauf habe dies dazu geführt, dass man sich für eine bauliche Neustrukturierung hätte entscheiden müssen. Ferner sei ein anders gebauter Food-Court direkt im mittleren Eingangsbereich des Einkaufszentrums angesiedelt worden.

Die Wiedervermietung nach dem Umbau sei schließlich auch erfolgreich gewesen. Nur für die vorliegenden in Streit stehenden Zeiträume sei es noch nicht möglich gewesen, Miete zu vereinnahmen. Der Umbau komme schließlich auch der Beklagten im Hinblick auf die Reduzierung des Kündigungsfolgeschadens zugute.

Nicht gefolgt werden könne der Ansicht des Landgerichts, ein Schadensersatzanspruch bestehe auch nicht, weil die Beklagte das Mietverhältnis bereits am ersten Tag nach der Rückgabe durch einseitige Erklärung hätte beenden können. Ungeachtet dessen, dass die Beklagte eine Kündigung nicht erklärt habe, bestünden zudem auch keine Gründe für eine außerordentliche Kündigung. Die Klägerin habe sich mit dem Umbau und der Neuvermietung nicht rechtswidrig verhalten.

Wegen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage könne ein Mietverhältnis nicht beendet werden. Die Vorschriften des § 543 BGB gingen dem § 313 BGB vor.

Im Vorprozess habe das Landgericht in der Entscheidung vom 02.06.2020 – 26 O 141/19 – den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach bejaht und den Schaden selbst benannt und die Schadensursache der Beklagten zugewiesen.

Die Würdigung des Landgerichts, seitens der Beklagten habe wirksam mit der Mietsicherheit aufgerechnet werden können, sei unzutreffend.

Die Klägerin habe auf den Schriftsatz der Beklagten vom 02. Februar 2021, in dem die Aufrechnung erklärt worden sei, nicht mehr erwidern können. Hierin habe die Beklagte die Aufrechnung mit der Hauptforderung für die Monate März, April und anteilig Mai 2019 erklärt. Die Klägerin indes habe bereits vorher eine Verrechnungserklärung im Schriftsatz vom 29.06.2020 abgegeben, so dass die Beklagte über die Forderung aus der Mietbürgschaft nicht mehr hätte verfügen können. Vielmehr sei durch die Verrechnungserklärung der Klägerin Erfüllung bezüglich eines Teils der anderweitig titulierten Forderungen eingetreten. Nur versehentlich sei der Zwangsvollstreckungsauftrag nicht reduziert worden und eine Zahlung in Höhe von 37.815,23 Euro am 07.01.2021 aufgrund der Zwangsvollstreckung beigetrieben worden. Es seien also 15.600,00 Euro „zu viel“ vollstreckt worden, so dass der Beklagten ein Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB zustehe. Gegen diesen Rückforderungsanspruch habe die Klägerin mit Schreiben von Juni 2021 gemäß Anlagen K 6 a – K 6 c die Aufrechnung mit den Mietforderungen für März, April und Mai 2019 (14.137,20 Euro) erklärt. Erst hierdurch sei Erledigung dieser Forderungen eingetreten.

Hinsichtlich des geltend gemachten Kündigungsfolgeschadens könne die Klägerin – entgegen der Ansicht der Beklagten – Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangen. Dies ergebe sich daraus, dass die Beklagte die Klägerin so zu stellen habe, als sei das Mietverhältnis nicht beendet worden. Bei einem nichtbeendeten Mietverhältnis wären die Mietzinsverpflichtungen aber entsprechend zu verzinsen gewesen.

Die Parteien haben den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrages von 16.026,45 Euro in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 01.02.2021 – 2 O 107/20 – die Beklagte zu verurteilen über das erstinstanzliche Urteil hinaus weitere 23.121,29 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 3.321,29 Euro seit dem 06.08.2019 sowie jeweils 3.960,00 Euro seit dem 05.09.2019, 07.10. 2019, 06.11.2019, 05.12.2019 und 07.01.2020 zu zahlen und an die Klägerin Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf Beträge in Höhe von jeweils 4.712,40 Euro seit dem 06.03.2019, dem 04.04.2019, dem 07.05.2019 bis zum 09.06.2021 zu zahlen und an die Klägerin Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf Beträge in Höhe von jeweils 629,75 Euro seit dem 06.03.2019, dem 04.04.2019 und dem 07.05.2019 bis zum 31.12.2020 zu zahlen

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen

Die Beklagte erwidert: Die Klägerin ignoriere, dass sie im S… … bereits im Jahre 2019 – ein Jahr nach Eröffnung – ein neues Geschäftskonzept durchgesetzt habe, dass keinen Platz für einen vielseitigen Food-Court vorgesehen habe, in welchem sich die Beklagte eingemietet habe. Angesichts dessen sei das Begehren nach Ersatz eines vermeintlichen Kündigungsfolgeschadens widersprüchlich und treuwidrig. Schließlich gestehe die Klägerin ein, dass ihr ursprüngliches Geschäftskonzept gescheitert sei. Bei der Eröffnung habe sich die für Büroräume ausgewiesene Mietfläche auf 15.000 m² belaufen. Nach Veröffentlichungen vom ersten Quartal 2019 habe die Klägerin die Flächen für den Einzelhandel um 25% reduziert. Am 23. Mai 2019 seien verbliebene – bis dahin nicht vermietete – Flächen an ein renommiertes IT-Startup vermietet worden, was offenbar die Umsetzung eines geänderten Nutzungskonzeptes eingeleitet habe. Erst danach sei die Kündigung vom 09.07.2019 erfolgt. Im Zuge der Konzeptänderung habe die Klägerin die Einzelhandelsflächen von ursprünglich 30.000 m² auf 20.000 m² reduziert und die Büroflächen von 15.000 m² auf 25.000 m² erweitert. Spätestens bei Ausspruch der Kündigung habe die Klägerin nicht mehr die Absicht gehabt, den Food-Court für Gastronomie und Einzelhandel vorzuhalten und mit dem von der Beklagten vereinbarten Mietzweck weiterzubetreiben. Die Kündigung habe den Zweck gehabt, den Food-Court so schnell wie möglich frei zu räumen, um die freiwerdenden Flächen einem neuen, vor allem aber gewinnbringenden Zweck als Büroraum zuzuführen. Vor diesem Hintergrund der Beklagten vorzuwerfen, sich nicht um einen Nachmieter bemüht zu haben, sei daher sinnentleert. Die Klägerin möge darlegen, aus welchem Grund sie erst ab Juni 2019 begonnen habe, sämtlichen notleidenden Gewerbemietern zu kündigen.

Die Klägerin habe eingeräumt, dass sie die Mietkautionsbürgschaft in Anspruch genommen habe, und damit die tatsächlichen Voraussetzungen für die Erfüllung unstreitig gestellt. Fraglich sei allein die Tilgungsreihenfolge. Die Inanspruchnahme der Bürgschaft sei am 04.02.2020 erfolgt, ohne dass dies im Rahmen des Urteils vom 07.06.2020 Berücksichtigung gefunden habe und auf die im Parallelverfahren titulierte Mietforderung angerechnet worden wäre. Daher hätte der Betrag nur noch der Erfüllung der Mietforderungen ab März 2019 dienen können und sei Erfüllung bereits vor Rechtshängigkeit der hiesigen Klage am 26.02.2020 eingetreten.

II.

Die Berufung der Klägerin ist ganz überwiegend begründet.

Die weitergehende Klage ist – mit Ausnahme einer geringfügigen Zinsforderung – begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz für den Zeitraum vom 06. August 2019 bis Januar 2020 aufgrund der wirksamen fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges in Höhe von 23.121,29 Euro zu (§ 280 Abs. 1 BGB).

Im Ausgangspunkt ist davon auszugehen, dass derjenige, der die andere Vertragsseite durch eine Vertragsverletzung veranlasst, das Mietverhältnis außerordentlich zu kündigen, dem Kündigungsgegner zum Ersatz des durch die Kündigung entstandenen Schadens nach § 280 Abs. 1 BGB verpflichtet sein kann. Anspruchsvoraussetzung ist eine wirksame außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund (vgl. BGH Urteil vom 13.06.2007 – VIII ZR 281/06, NJW 2007,2474).

Aufgrund des Feststellungsurteils im Vorprozess steht diese Anspruchsvoraussetzung bindend fest. Das Landgericht Berlin hat mit rechtskräftigem Urteil vom 02.06.2020 – 26 O 141/19 – festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der sich daraus ergibt, dass die Klägerin das Mietverhältnis zwischen den Parteien gemäß Mietvertrag vom 07./12. März 2014 über die Mietfläche im 1.OG im Objekt S… … in der T… X/S… X-X in B. mit Schreiben vom 09. Juli 2019 gekündigt hat. Die Rechtskraft eines Feststellungsurteils hat im Verhältnis der Prozessparteien zur Folge, dass anschließend keine Ansprüche oder Einwendungen mehr geltend gemacht werden können, die auf demselben Sachverhalt beruhen und in Widerspruch zu diesem Urteil stehen (Fischer/Günter in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, XI, Rn 254).

Inhalt des Schadensersatzanspruchs ist der Schaden, der dem Kündigenden als Folge der vorzeitigen Beendigung des Vertrages entsteht. Gegenstand eines Schadensersatzanspruches des Vermieters ist in erster Linie der Mietausfall. Endet ein befristetes Mietverhältnis – wie hier – vorzeitig durch fristlose Kündigung des Mietverhältnisses aus vom Mieter zu vertretenden Gründen, hat der Mieter dem Vermieter gemäß §§ 280 Abs. 1, 314 Abs. 4, 249 Abs. 1, 252 BGB grundsätzlich den Schaden zu ersetzen, der diesem in Gestalt der bis zum Ablauf der fest vereinbarten Vertragsdauer entgehenden Miete entsteht (BGH Urteil vom 24.01.2018 – XII ZR 120/16, Grundeigentum 2018,450, Rn 23; BGH Urteil vom 16.02.2005 – XII ZR 162/01, NZM 2005,340, Rn 34). Zu ersetzen ist die Nettomiete; auf Mietausfall gerichtete Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung sind nicht umsatzsteuerpflichtig (Fleindl in: Bub/Treier, aaO, IV, Rn 307; BGH Urteil vom 24.01.2018, aaO, Rn 25).

Die Klägerin steht daher Mietausfall für die Zeit vom 06. August 2019 (Wegfall des Anspruchs auf Nutzungsentschädigung nach Räumung am 05.08.2019) bis zum Januar 2020 in Höhe der unstreitigen Nettomieten von 23.121,29 Euro zu (vgl. Aufstellung in der Klageschrift, Bd. I, Bl. 5).

Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht der klagenden Vermieterin ist nicht festzustellen.

Der Vermieter muss sich nach § 254 BGB darum bemühen, den Schaden, gegebenenfalls durch anderweitige Vermietung, gering zu halten. Daraus folgt aber nicht die Verpflichtung, sofort um jeden Preis zu vermieten, sondern der Vermieter darf den Markt sondieren (BGH Urteil vom 16.02.2005, aaO, Rn 35 und 39). Die Beweislast für einen Verstoß des Vermieters gegen seine Schadensminderungspflicht trägt indes der Mieter (BGH Urteil vom 16.02.2005, aaO, Rn 35).

Die Klägerin hat zwar eine Nachvermietung der streitgegenständlichen Räume nicht unmittelbar nach Beendigung des Mietverhältnisses mit der Beklagten betrieben, sondern das erste Obergeschoss teilweise in Büroflächen umgebaut. Die Beklagte stellt aber nicht in Abrede, dass die von der Klägerin vorgenommene Umstrukturierung durch Umbau der Einzelhandelsflächen zu Büroflächen wirtschaftlichen sinnvollen Erwägungen zugrunde lag.

Die Beklagte hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass der Grund für die sofortigen Bemühungen um eine Nachvermietung offensichtlich darin zu sehen ist, dass die Klägerin den Food-Court im Einkaufszentrum einem neuen Konzept zuführen wollte, nachdem zahlreiche andere Gewerbemieter ihre Mietzahlungspflicht nicht einhalten konnten und gezwungen waren, ihr Geschäft einzustellen und zu räumen. Weiter führte sie aus, dass maßgeblich für die ausstehenden Mietzahlungen der Beklagten gewesen, sei, dass ein kostendeckender Umsatz wegen der fehlenden Besucherzahlen im Einkaufszentrum hinter den Erwartungen zurückgeblieben sei. Ferner hat sie vorgetragen, dass die Klägerin das unattraktive Obergeschoss des Einkaufszentrums freiräumen wolle, um es einem neuen Konzept zuzuführen (s. Klageerwiderung vom 19.06.2020, Bd. I, Bl. 24ff.). In der Berufungsinstanz trägt sie vor, dass wegen der fehlenden Kundschaft nicht nur sie, sondern auch andere Gastronomiebetriebe nicht wirtschaftlich hätten arbeiten können und „notleidend“ geworden sind.

Die Klägerin hat hierzu geltend gemacht, dass sie wegen der wirtschaftlichen Situation im Einkaufszentrum „andere Wege gehen musste“ und es ihr als Vermieterin gestattet sein muss, unternehmerische und wirtschaftliche Rückschlüsse derart zu ziehen, dass freiwerdende Räume umgebaut werden und einer (mit Erfolgsaussicht versehenen) Vermietung an andere Gewerbe zuzuführen. Diese Bemühungen seien auf eine Wiedervermietung gerichtet gewesen. Weiter hat sie – insoweit unbestritten – vorgetragen, dass die Wiedervermietung nach dem Umbau schließlich auch erfolgreich gewesen sei, wenn auch nicht schon für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (Bd. II, Bl. 22). Dies komme letztlich auch der Beklagten zugute, wobei sie für den Umbau nach Fertigstellung des S… im Jahre 2018 noch einmal mehrere Millionen EURO für den Umbau investiert habe, die eigentlich nicht eingeplant gewesen seien.

Damit ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin zwar eine Nachvermietung nicht unmittelbar (etwa durch Beauftragung von Maklern/Schalten von Anzeigen etc.) nach Beendigung des fristlos gekündigten Mietverhältnisses mit der Beklagten in Angriff genommen hat, aber wegen der „schlechten Geschäftslage“ der Mieter im FoodCourt- Bereich im 1. Obergeschoss ein geändertes Geschäftskonzept durch Umwidmung der Einzelhandelsflächen in Büroflächen vorgenommen hat.

Soweit die Beklagte sich darauf beruft, dass die Vermietungssituation in dem Center nicht den Erwartungen der Vermieterseite entsprochen habe, nämlich dass nicht alle Gewerbeeinheiten bis zum Frühjahr 2019 vermietet gewesen seien und zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte weiterhin leer stünden, ist dies für die Frage der Verletzung einer Schadensminderungspflicht im Rahmen der Feststellung des Kündigungsfolgeschadens unerheblich.

Denn eine Vollvermietung des Einkaufszentrums mit entsprechendem Kundenaufkommen, welches einem erfolgreichen Führen des gastronomischen Betriebes der Beklagten dient, schuldet die Vermieterseite nicht. Die im Gewerberaummietrecht angelegte Risikoverteilung, wonach der Vermieter das Risiko der Vermietbarkeit und der Mieter das Ertragsrisiko (Verwendungsrisiko) trägt, ändert sich nicht dadurch, dass der vermietete Geschäftsraum in einem Einkaufszentrum liegt und nicht nur der Mieter, sondern auch der Vermieter erwartet, die notwendige geschäftsbelebende Funktion des Einkaufszentrums werde verwirklicht werden können (BGH NJW-RR 2010,1016). Allein der Umstand, dass der Vermieter von einem wirtschaftlichen Erfolg des Projektes ausgeht, verlagert das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko für das einzelne gemietete Geschäft in dem Einkaufszentrum nicht vom Mieter auf den Vermieter. Der anfängliche (oder sich später ergebende) Leerstand zahlreicher Ladenlokale mit negativen Auswirkungen auf Umsatz und Gewinn beeinflusst weder die Geschäftsgrundlage noch die Eignung des angemieteten Ladens zum vertragsgemäßen Gebrauch (BGH NJW 2000,1714; Bub in: Bub/Treier, aaO, II, Rn 2049).

Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Klägerin das Einkaufszentrum „entmietet“ habe, um ihr neues Konzept umsetzen zu können, und macht geltend, dass die Klägerin damit den Schaden selbst herbeigeführt habe.

Hierzu trägt die Beklagte vor, dass die Klägerin bereits ein Jahr nach Eröffnung des S… ein neues Geschäftskonzept in Angriff genommen habe und dass bei der Eröffnung des S… die Mietfläche von 30.000 m² bestehend aus 100 Geschäfts- und Gewerbeeinheiten mit dem Schwerpunkt auf das Einzelhandelsgeschäft ausgerichtet gewesen sei (vgl. Veröffentlichungen aus dem Jahre 2018, B 6). Nachfolgend habe die Klägerin die Anzahl der Einzelhandelsgeschäfte auf 75, d.h. um 25% reduziert (Anlage B 7) und nach der Presseveröffentlichung vom 23.05.2019 verbliebene Büroflächen an ein renommiertes IT-Startup vermietet (Bd. II, Bl. 49). Der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit der Klägerin liege nunmehr auf der Vermietung und Verwaltung von Büroflächen.

Aus der Reduzierung der Einzelhandelsflächen und der behaupteten Entmietung kann die Beklagte nichts Günstiges für sich herleiten.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass aufgrund des rechtskräftigen Feststellungsurteils die haftungsbegründende Kausalität feststeht und die Beklagte mit Einwendungen insoweit ausgeschlossen ist.

Ungeachtet dessen ist angesichts des hohen Leerstandes der Einzelhandelsgeschäfte, der auch bei Reduzierung der Einzelhandelsflächen fortbestand, wahrscheinlich, dass eine Neuvermietung der Fläche nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr spricht der Umstand, dass die Klägerin durch weitere wirtschaftliche Investitionen die Flächen einem anderen Mietmarkt zugeführt hat und die Weitervermietung schließlich erfolgreich gewesen ist, für eine sachgerechte und wirtschaftlich sinnvolle Maßnahme der Vermieterseite. Dies steht einer Verletzung der Schadensminderungspflicht entgegen.

Die Beklagte, die selbst hohen Leerstand sowie eine eigene schwierige wirtschaftliche Lage sowie anderer Gastronomiebetriebe in dem Einkaufszentrum beklagt, behauptet im Übrigen auch nicht konkret, dass ein bestimmter Nachmieter bereitgestanden hätte.

Hiernach ist jedenfalls für den hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 06.08.2019 (Tag nach Rückgabe) bis einschließlich Januar 2020 – also knapp 6 Monate – eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Klägerin nicht feststellbar.

Es mag zwar sein, wie die Beklagte andeutet, dass bei Kündigung des vorliegenden Mietverhältnisses die Klägerin ein Interesse daran hatte, die Mietflächen für ihr geändertes Konzept „frei“ zu bekommen. Ein auszugleichender Vorteil, zu dem die Beklagte im Übrigen auch keinen Vortrag hält, ist indes nicht feststellbar.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin kann nur Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz von dem Eintritt der Rechtshängigkeit und damit ab dem Folgetag nach Zustellung der Klageschrift (§ 187 Abs. Abs. 1 BGB), dem 12. Mai 2020 verlangen.

Eine Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachten Verzugszinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz besteht nicht. Für den Schadensersatzanspruch ist – anders als für den Anspruch auf Miete – die Leistung nicht nach dem Kalender bestimmt (§ 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB) (vgl. BGH Urteil vom 24.01.2018 – XII ZR 120/16, aaO, Rn 26 für Mietausfallschaden). Er stellt auch keine Entgeltforderung im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB dar (BGHZ 199,1 = WM 2014,759; BGH Urteil vom 24.01.2018 – XII ZR 120/17, aaO, Rn 26 mwN).

Das Landgericht hat weiter angenommen, dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, das Mietverhältnis bereits am ersten Tag nach der Rückgabe „durch einseitige Erklärung“ zu beenden. Dies greift die Berufung zu Recht an.

Das Landgericht hat nichts dazu ausgeführt, wie eine Beendigung durch die Beklagte hätte herbeigeführt werden können. Der Beklagten stand ein Grund zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses nicht zur Seite und sie hat eine solche auch nicht erklärt.

Soweit das Landgericht – unter Heranziehung der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 3 BGB – einen Kündigungsgrund darin erblicken will, dass die Klägerin ihr Nutzungskonzept verändert habe, indem sie das erste Obergeschoss leerziehe und einen Umbau zur Büronutzung vornimmt, folgt der Senat dem nicht. Denn wie ausgeführt, steht es dem Vermieter frei, nach – wie hier – wirksamer Beendigung des Mietverhältnisses die unternehmerische Entscheidung zu treffen, das Mietobjekt aus dringenden wirtschaftlichen Gründen umzuwidmen. Dies räumt auch die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung ausdrücklich ein (Bd. II, Bl. 52). Nach wirksamer Beendigung des Mietvertrages besteht eine Gebrauchsgewährspflicht des Vermieters nicht mehr (BGH Urteil vom 27.05.2015 – XII ZR 66/13, NJW 2015,2795).

Soweit die Beklagte geltend macht, dass die Klägerin bereits im Mai 2019, also vor Beendigung des Mietverhältnisses mit der Beklagten gemäß Kündigung vom 09.07.2019, diese unternehmerische Entscheidung getroffen habe, ist – wie bereits ausgeführt – die Beklagte mit diesem Einwand im Hinblick auf das rechtskräftige Feststellungsurteil ausgeschlossen. Dies ist aber auch in der Sache nicht triftig. Denn selbst wenn das ursprüngliche Nutzungskonzept im ersten Obergeschoss als FoodCourt gescheitert sein mag, ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin dies etwa treuwidrig herbeigeführt oder „gefördert“ hätte. Vielmehr bleibt es bei der dargestellten wirtschaftlichen Risikoverteilung, wonach der Vermieter (nur) das Risiko der Vermietbarkeit trägt und der Mieter das Verwendungsrisiko (Bub in: Bub/Treier, aaO, II, Rn 2043 ff.).

Der weitergehende Zinsanspruch auf die vom Landgericht zugesprochenen Mietzinsen bzw. Nutzungsentschädigung ist in dem im Urteilstenor ersichtlichen Umfang begründet.

Die Klägerin hat mit der Klage – neben dem Kündigungsfolgeschaden – weiter zunächst Miete bzw. ab Kündigung vom 09.07.2019 Nutzungsentschädigung für März 2019 bis 05. August 2019 (Rückgabe der Mietsache) in Höhe von 27.501,08 Euro verlangt.

Das Landgericht hat den Anspruch zu Recht und aus zutreffenden Gründen nach Grund und Höhe als begründet angesehen (vgl. Ausführungen auf Seite 4/5 des Urteils), aber wegen der von der Beklagten erklärten Aufrechnung mit dem Anspruch auf Schadensersatz gemäß §§ 280, 823, 826 BGB wegen der gezogenen Mietkautionsbürgschaft und der Vereinnahmung des Betrages von 15.600,00 Euro als erloschen angesehen (§ 389 BGB).

Für einen solchen Schadensersatzanspruch reicht der Vortrag nicht aus, auch wenn es befremdlich sein mag, dass die Klägerin den Betrag im Vorprozess beim Landgericht zum AZ. 26 O 141/19 – nicht als Erfüllungshandlung mit eingeführt hat. Dann wäre ohne Weiteres die Klageforderung dort um diesen Betrag reduziert worden, worauf sich aber auch die Beklagte in jenem Prozess nicht berufen hat. Das Landgericht hat mit am 02.06.2020 verkündeten Urteil den Beklagten zur Zahlung von 34.344,89 Euro nebst Zinsen (Miete ab 15.03 – 14.04.2018, anteilig ab 16.08- 31.08.2018 sowie ab September 2018 bis Februar 2019) verurteilt (vgl. Seite 3 R des Urteils).

Die Klägerin hat zwar im vorliegenden Verfahren auf den Einwand der Beklagten, die Mietkautionsbürgschaft sei bereits am 04.02.2020 zu Lasten der Beklagten eingelöst, aber im Verfahren vor dem Landgericht Berlin zum AZ: 26 O 141/19 nicht berücksichtigt worden (Bd. I, Bl. 23/24), angemerkt, dass der Betrag auf die zugesprochenen 34.344,89 Euro „Miete für Monate August bis Dezember 2018“ zu verrechnen sei (Bd. I, Bl. 37). Eine wirksame Zahlung auf die Mieten erfolgte aber erst am 07. Januar 2021 (vgl. Vortrag in der Berufungsbegründung auf Seite 12, Bd. II, Bl. 29).

Es kann für die Entscheidung dahin gestellt bleiben, welche Aufrechnungserklärung mit Ansprüchen aus der Mietbürgschaft in Höhe von 15.600,00 Euro gegen Mietzinsansprüche März bis April 2019 und Mai 2019 (anteilig) wirksam geworden ist. Jedenfalls sind diese Forderungen durch die Aufrechnung (sei es durch die Klägerin, sei es durch die Beklagte) mit der wirksamen Zahlung erst am 07.01.2021 erloschen. Hieraus ergibt sich, dass der Klägerin über die vom Landgericht zugesprochenen Zinsen weitergehende Zinsen bis zum 07.01.2021 zustehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91,91 a ZPO.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit wegen des Erlöschens der Forderung im Hinblick auf die Aufrechnung übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, folgt die Kostenentscheidung aus § 91 a ZPO. Danach hat das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Hiernach wird im Allgemeinen der ohne Erledigung zu erwartende Verfahrensausgang bei der Kostenentscheidung den Ausschlag geben, d.h. es wird in der Regel derjenigen die Kosten zu tragen haben, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO aufzuerlegen gewesen wären (Zöller/Althammer, ZPO, 34. Auflage, § 91 a ZPO, Rn 24 mNW). Dies führt zur Auferlegung der Kosten auf die Beklagte, weil die Klage vom 25.02.2020 (zugestellt am 11.05.2020) auf rückständige Miete zunächst zulässig und begründet gewesen ist. Die Klage ist insoweit erst durch die erklärte Aufrechnung mit dem Rückforderungsanspruch aus der Mietbürgschaft in Höhe von 15.600,00 Euro unbegründet geworden. Es spielt keine Rolle, wer diesen Anspruch gegenüber den Forderungen ab März 2020 zur Aufrechnung gestellt hat. Für die Kostenentscheidung ist unerheblich, dass die Aufrechnungslage schon vor Rechtshängigkeit bestand (vgl. BGHZ 155, 392). Der Klägerin ist auch nicht aus Billigkeitsgesichtspunkten wegen verspäteter Erledigungserklärung (vgl. BGH WPM 2008,252, Rn 11; BGH MDR 2010,1342) eine Quote der Kosten der zweiten Instanz aufzuerlegen. Die Zahlung vom 07.01.2021 erfolgte erst kurz vor Abschluss der ersten Instanz, dass Landgericht hätte die Aufrechnung der Beklagten im Schriftsatz vom 02.02.2021 nicht ohne Gewährung rechtlichen Gehörs der Klägerin berücksichtigen dürfen und die Klägerin hat Aufrechnung und Erledigungserklärung in der Berufungsbegründung nachgeholt und damit den Streitwert zweiter Instanz reduziert. Die über den Betrag von 15.600,00 Euro erklärte Hauptsachenerledigung ging ins Leere, weil über den weitergehenden Betrag (Nebenkostenvorschüsse) durch das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig entschieden worden ist.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision zum Bundesgerichtshof wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO).

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