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Fristlose Mietvertragskündigung – Teilanerkenntnis des Mieters – Räumungsfrist

AG Brandenburg, Az.: 31 C 34/18, Urteil vom 10.09.2018

1. Der Beklagten wird hiermit bis zum 10. Dezember 2018 eine Räumungsfrist gewährt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung bezüglich der Räumung der Wohnung … durch Sicherheitsleitung in Höhe von 426,71 Euro/Monat (fällig ab Oktober 2018 jeweils am 3. Werktag eines jeden Monats) und hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits durch Sicherheitsleitung in Höhe von 1.200,00 Euro abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschluss

Der Streitwert des Rechtsstreits wird auf 3.392,40 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Gemäß § 313 b Abs. 1 Satz 1 ZPO bedarf es hier zwar keines Tatbestandes in dieser Sache, da die Gewährung einer Räumungsfrist auf § 721 Abs. 1 ZPO beruht.

Dessen ungeachtet soll doch kurz dargelegt werden, dass der klägerische Verein von der fast 62 Jahre alten Beklagten die Räumung einer von ihr bewohnten Wohnung im Obergeschoss des Anwesens …, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche. 1 Korridor/Diele, 1 Toilette mit Dusche, 1 Balkon und 1 Dachkammer mit der Nr. 13 mit einer Wohnfläche von ca. 55 m² begehrt hat.

Fristlose Mietvertragskündigung – Teilanerkenntnis des Mieters - Räumungsfrist
Foto: Gajus/Bigstock

Als Miete wurde zwischen den Prozessparteien im Mietvertrag vom 28.08.2003 – Anlage K 1 (Blatt 10 bis 17 der Akte) – zunächst ein Betrag von monatlich 340,63 Euro brutto vereinbart, wobei Bestandteil dieser Miete eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 54,09 Euro, ein Heizkostenvorschuss in Höhe von 56,10 Euro, ein Vorschuss für die Wasserversorgung und Entwässerung in Höhe von 19,43 Euro und eine Grundmiete in Höhe von 210,91 Euro war. Die Kaltmiete beträgt jedoch nunmehr 282,70 Euro/Monat und die Gesamt-Nebenkostenvorauszahlung 144,01 Euro/Monat, so dass die Brutto-Miete nunmehr insgesamt 426,71 Euro/Monat beträgt.

Mit Schreiben der gemeinnützigen Hausverwaltung der Klägerin vom 09. Mai 2017 – Anlage K 3 (Blatt 19 bis 20 der Akte) – ließ der Kläger die Beklagte wegen angeblich „regelwidrigen Verhaltens“ der Beklagten vom 27. April 2017, 02. Mai 2017, 03. Mai 2017 und 06. Mai 2017 abmahnen.

Eine Mutter einer Mieterin des Objekts wandte sich hiernach mit einem Schreiben vom 12. Mai 2017 – Anlage K 4 (Blatt 21 der Akte) – an den Hausverwalter des Klägers.

Mit Schriftsatz der gemeinnützigen Hausverwaltung der Klägerin vom 04. August 2017 – Anlage K 5 (Blatt 22 bis 23 der Akte) – mahnte der Kläger die Beklagte „allerletzt“ wegen bestimmter „Vorkommnisse“ vom 11. Juli 2017, 28. Juli 2017, 29. Juli 2017, 30. Juli 2017 und vom 01. August 2017 ab.

Mit Kündigungsschreiben der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 18. September 2017 – Anlage K 6 (Blatt 24 bis 26 der Akte) – kündigte der Kläger außerordentlich fristlos das Mietverhältnis gegenüber der Beklagten auf und forderte diese zudem auf, die von ihr bewohnte Wohnung bis spätestens zum 06. Oktober 2017 zu räumen und besenrein an die Beauftragte des klägerischen Vereins herauszugeben. Zugleich wurde in diesem Schreiben einer stillschweigenden Verlängerung des Mietverhältnisses von Seiten der Klägerin ausdrücklich widersprochen.

Aufgrund eines mit Schriftsatz vom 08. August 2018 erklärten Teil-Anerkenntnisses der Beklagtenseite erging dann jedoch – ohne Durchführung der zuvor noch beabsichtigte Beweisaufnahme – auf Antrag der Klägerseite im Verhandlungstermin vom 21. August 2018 ein Teil-Anerkenntnisurteil, in welchem die Beklagte verurteilt wurde, die im Obergeschoss des Anwesens … gelegene Wohnung …, bestehend aus 2 Zimmern, 1 Küche. 1 Korridor/Diele, 1 Toilette mit Dusche, 1 Balkon und 1 Dachkammer mit der Nr. 13 zu räumen und an den Kläger herauszugeben.

Der als gemeinnützige Verein tätige Kläger behauptet, dass ein befristetes Bestandsinteresse der Beklagten weder grundsätzlich noch im vorliegenden Fall höher zu bewerten sei, als das klägerische Erlangungsinteresse. Die Gründe, die zur Beendigung des Mietverhältnisses und damit zum nunmehr anerkannten Räumungsanspruch geführt hätten, würden nämlich weitaus schwerer wiegen, so dass der Beklagten eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO nicht zu gewähren sei.

Dem gegenüber würde die Beklagte nur die üblichen, mit einem Wohnungswechsel verbundenen Gründe hier Vortrag. Zudem würden er – d.h. der gemeinnützige Kläger – und seine (ebenso gemeinnützige) Hausverwalterin ausdrücklich bestreiten, dass die von der Beklagten vorgebrachten Gründe überhaupt vorliegen und die Beklagte hinreichende Bemühungen unternommen hat, um eine andere angemessene Wohnung zu finden.

Vielmehr würde die Klägerseite davon ausgehen, dass die Beklagte mehrere Wohnungsangebote, die ihr der Fachdienst Gesundheit des Landkreises … im Jahre 2017 unterbreitet hatte, nicht angenommen hätte.

Die jetzt erneut vorgetragenen Bemühungen der Beklagten, eine angemessene Wohnung zu finden, würde er – der gemeinnützige Kläger – deswegen nunmehr auch mit Nichtwissen bestreiten, selbst wenn die Beklagte zwischenzeitlich mit Schriftsatz vom 08. August 2018 das Anerkenntnis erklärt habe.

Abgesehen von den von ihm bestrittenen Bemühungen der Beklagten, eine neue Wohnung zu finden, müsse hier seiner Meinung nach wohl auch festgestellt werden, dass die Beklagte diese Bemühungen schon vor einer knappen Jahresfrist hätte ergreifen müssen, um sich nunmehr auf eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO überhaupt berufen zu können.

Der als gemeinnützige Verein tätige Kläger beantragt, den Antrag der Beklagtenseite, der Beklagten eine Frist zur Räumung der Wohnung im Anwesen … zu gewähren, vollständig zurückzuweisen.

Die Beklagte – welcher aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Prozesskostenhilfe durch das Gericht bewilligt wurde – beantragt,

eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Räumungsfrist zu gewähren, wobei sie anregt, eine Frist von mindestens 6 Monaten zu gewähren.

Die Beklagte trägt vor, dass es auch in ihrem eigenen Interesse liegen würde, die Mieträumlichkeiten zu verlassen. Aus diesem Grunde habe sie den geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch hier auch grundsätzlich anerkannt. Insofern würde sie auch mit dem zuständigen Sozialmedizinischen Dienst des Landkreises in engen Kontakt stehen, um eine angemessene Wohnung in der Nähe ihrer bisherigen Wohnung zu finden.

Auch sei zwischenzeitlich der erforderliche Wohnberechtigungsschein beantragt worden. Im Übrigen würde der Sozialmedizinische Dienst mit der in Brück ansässigen Wohnungsbaugenossenschaft im regen Kontakt stehen. Aufgrund ihres Alters sei es nämlich empfehlenswert eine Wohnung in der näheren Umgebung zu suchen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass sie ihren Arzt des Vertrauens seit vielen Jahren hier haben würde. Auch würden ihre sozialen Kontakte in Brück und Umgebung stattfinden.

Sie selbst habe zwischenzeitlich zudem auch bei privaten Wohnungsanbietern vorgesprochen, aber bisher leider noch kein Ergebnis erzielen können, so dass sie eine Räumungsfrist von mindestens 6 Monaten benötigen würde.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird im Übrigen auf die unter Angabe der Blattzahl der Akte angeführten Schriftstücke ergänzend Bezug genommen. Zudem wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird darüber hinaus auch auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 313 b Abs. 1 Satz 1 ZPO bedarf es hier zwar auch keiner Entscheidungsgründe in dieser Sache, da die Gewährung einer Räumungsfrist auf § 721 Abs. 1 ZPO beruht, jedoch soll kurz dargelegt werden, dass die sachliche und örtliche Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts sich hier aus § 23 Nr. 2 GVG in Verbindung mit § 29a ZPO ergibt.

Die zulässige Klage war aufgrund des Teil-Anerkentnisses der Beklagten vom 08.08.2018 hinsichtlich der Hauptsache als begründet anzusehen, so dass dem Kläger gegenüber der Beklagten grundsätzlich ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitbefangenen Wohnung hier zur Seite steht (§ 545 BGB) und somit auch das Teil-Anerkenntnisurteil vom 21.08.2018 vorliegend ergehen konnte.

Die hier jetzt insofern nur noch zu treffende Entscheidung gemäß § 721 ZPO kann das erkennende Gericht jedoch auch nur in einem End-Anerkenntnisurteil treffen (OLG München, Beschluss vom 19.02.2010, Az.: 32 W 827/10, u.a. in: NJW-RR 2010, Seite 945; LG Rostock, Beschluss vom 11.08.2000, Az.: 2 T 253/00, u.a. in: NJW-RR 2001, Seiten 442 f.; LG Berlin, Beschluss vom 16.07.1992, Az.: 67 T 52/92, u.a. in: WuM 1994, Seite 385; Seibel, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 721 ZPO, Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO-Kommentar, 76. Auflage 2018, § 721 Rn. 6), da die Anordnung nach § 721 Abs. 1 ZPO erst nach der mündlichen Verhandlung durch ein Urteil ergeht. Sie ist somit in einem Urteilstenor mit auszusprechen und zu begründen, so dass hier zunächst auch ein Teil-Anerkenntnisurteil am 21.08.2018 verkündet werden konnte.

Dem entsprechend ist in dem nunmehrigen End-Anerkenntnisurteil grundsätzlich auch darüber zu befinden, ob der Beklagten noch eine Räumungsfrist gewährt wird oder nicht und wenn ja, für welchen Zeitraum, so dass sich aus dem obigen Urteilstenor auch das Ende der Räumungsfrist ergeben muss. Der Beginn der Räumungsfrist muss sich aus dem hiesigen End-Anerkenntnisurteil hingegen nicht ergeben. Würde eine solche Entscheidung nach § 721 ZPO nicht in einem Urteil erfolgen, obwohl die Beklagtenseite den Antrag rechtzeitig im Sinne von § 721 ZPO – also vor Schluss der mündlichen Verhandlung – angebracht hat, könnte die Beklagtenseite ggf. sogar gemäß § 721 ZPO in Verbindung mit § 321 ZPO eine Urteilsergänzung beantragen (OLG München, Beschluss vom 19.02.2010, Az.: 32 W 827/10, u.a. in: NJW-RR 2010, Seite 945; LG Rostock, Beschluss vom 11.08.2000, Az.: 2 T 253/00, u.a. in: NJW-RR 2001, Seiten 442 f.;).

Der Beklagten war hier von Amts wegen eine Räumungsfrist bis zum 10. Dezember 2018 durch das Gericht zu gewähren.

Bei der Interessenabwägung im Rahmen dieser Ermessensentscheidung hat das Gericht Folgendes berücksichtigt:

Ob vorliegend das zwischen dem Kläger und der Beklagten gemäß dem Mietvertrag vom 28.08.2003 bestehende Mietverhältnis bereits aufgrund der von der Klägerseite mit Schreiben vom 18.09.2017 erklärten fristlosen Kündigung wirksam beendet wurde, ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Zwar kann gemäß § 543 Abs. 1 BGB ein Mietverhältnis grundsätzlich auch aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien – und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann.

Auch kann ggf. ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 BGB insbesondere auch dann gemäß § 569 Abs. 2 BGB vorliegen, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (AG Siegburg, Urteil vom 16.01.2013, Az.: 123 C 109/12, u.a. in: juris; AG Brandenburg an der Havel, Urteil vom 24.05.2017, Az.: 31 C 125/16, u.a. in: Grundeigentum 2017, Seiten 721 ff. = BeckRS 2017, Nr. 110791 = „juris“ = IMR 2017, 316 = FD-MietR 2017, 390988 = https://www.mietrechtsiegen.de; AG Brandenburg an der Havel, Urteil vom 17.07.2001, Az.: 32 C 169/00, u.a. in: Grundeigentum 2001, Seite 1134 = BeckRS 2001, Nr.: 30996309).

Jedoch wäre für eine derartige Kündigung eine sich über einen längeren Zeitraum hinziehende erhebliche Beeinträchtigung durch einen schweren Verstoß der Beklagten gegen das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme erforderlich, um die Kündigung als wirksam ansehen zu können. Auch hätte die Störung des Hausfriedens in ihrem Ausmaß und ihrer Dauer die Toleranzschwelle in hohem Grade überschreiten und die Vertragsfortsetzung für den gemeinnützigen Kläger unzumutbar machen müssen. Einmalige oder vereinzelte Vorfälle hätten aber ebenso wenig genügt wie Störungen, die dem Bagatellbereich zuzuordnen gewesen wären. Insofern genügen für eine solche Kündigung nur schwerwiegende und vor allem mehrfache Störung des Hausfriedens mit Wiederholungsgefahr (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.11.2007, Az.: I-10 U 86/07, u.a. in: GuT 2007, Seiten 438 ff.).

Ob diese gesetzlichen Voraussetzungen hier tatsächlich vorgelegen hatten, blieb aber zwischen den Prozessparteien streitig. Die Beweislast bei einer Räumungsklage aufgrund einer Kündigung des Mietvertrages wegen vermeintlich durch einen Mieter verursachter Störung des Hausfriedens liegt jedoch bei dem Vermieter (AG Brandenburg an der Havel, Urteil vom 24.05.2017, Az.: 31 C 125/16, u.a. in: Grundeigentum 2017, Seiten 721 ff. = BeckRS 2017, Nr. 110791 = „juris“ = IMR 2017, 316 = FD-MietR 2017, 390988 = https://www.mietrechtsiegen.de).

Bei der im Rahmen des § 721 Abs. 3 ZPO vorzunehmenden Interessenabwägung hat das erkennende Gericht die Interessen der beiden Parteien gegeneinander abzuwägen (KG Berlin, Beschluss vom 04.07.2008, Az.: 11 W 9/08, u.a. in: MDR 2008, Seiten 1090 f.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.06.2006, Az.: 13 U 89/06, u.a. in: NJW-RR 2007, Seiten 15 f.; OLG Hamm, Urteil vom 25.10.1994, Az.: 28 U 40/94, u.a. in: NJW-RR 1995, Seiten 526 f.; LG Mannheim, Beschluss vom 26.11.1992, Az.: 4 T 314/92, u.a. in: NJW-RR 1993, Seiten 713 f.; Seibel, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 721 ZPO, Rn. 6).

Gläubigerinteressen können z.B. überwiegen, wenn Zahlung der laufenden Nutzungsentschädigung während der Räumungsfrist nicht gewährleistet ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 07.06.2006, Az.: 13 U 89/06, u.a. in: NJW-RR 2007, Seiten 15 f.) – wovon hier jedoch unstreitig nicht auszugehen ist, da bisher ein Zahlungsverzug der Beklagten nicht vorliegt – oder bei Vorliegen eines unberechtigtem Besitzes der Wohnung (AG München, Urteil vom 25.04.2018, Az.: 433 C 777/18) – welcher hier ebenso nicht vorliegt – bzw. wenn der Vermieterseite aufgrund der Gefährdung des Mietobjekts, des gesamten Hauses und seiner Bewohner eine weitere Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (LG Konstanz, Urteil vom 08.12.2017, Az.: 11 S 83/17, u.a. in: WuM 2018, Seiten 201 f.) – was hier wohl unstreitig auch nicht gegeben ist – oder bei nachgewiesener grober und nachhaltiger Pflichtverletzungen der (ehemaligen) Mieterin.

Den Nachweis einer groben und nachhaltigen Pflichtverletzung der Beklagten hat die Klägerseite im hiesigen Verfahren aber gerade (noch) nicht erbracht.

Im Übrigen ist auch der Vortrag der (ehemaligen) Mieterin/Beklagten zu berücksichtigen und zu befinden, ob ihr auch bei hinreichender Suche tatsächlich die Anmietung von Ersatzwohnraum bis jetzt nicht möglich gewesen ist (LG Berlin, Beschluss vom 05.04.2018, Az.: 67 T 40/18, u.a. in: Grundeigentum 2018, Seite 713). Dabei müssen aber auch die besonderen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten mit berücksichtigt werden.

Berücksichtigung hierbei muss auch finden, dass zwar eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt allgemein im Gerichtsbezirk zu verzeichnen ist, dies aber nicht für preiswerten Wohnraum – wie ihn die Beklagte hier aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse benötigen – gilt und gerade arbeitslose und/oder psychisch „angeschlagene“ Bürger besondere Schwierigkeiten haben, preiswerten Ersatzwohnraum zu finden (LG Hamburg, Beschluss vom 03.02.1998, Az.: 316 T 3/98, u.a. in: WuM 1999, Seite 365).

Insoweit ist hier nämlich auch mit zu erwägen, dass der Beklagten mit Blick auf die zwischen den Parteien streitige Möglichkeit zur rechtzeitigen Beschaffung von Ersatzwohnraum allein wohl schon deshalb Beweiserleichterungen zu Gute kommen, da eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Miet-Wohnungen zu angemessenen Bedingungen im näheren Bereich ihrer bisherigen Wohnung kaum besteht, da hier in den letzten Jahrzehnten überwiegend Ein- und Zweifamilienhäuser von den jeweiligen Eigentümern zur Eigennutzung errichtet wurden, während der soziale Wohnungsbau so gut wie nicht mehr vorangetrieben worden ist, so dass eine derartige (ehemalige) Mieterin bei den gegenwärtigen Verhältnissen auf dem hier heranzuziehenden Wohnungsmarkt wohl nahezu chancenlos ist.

Deshalb ist in einem solchen Fall die Obliegenheit zur Ersatzraumsuche ggf. schon als erfüllt anzusehen, wenn die (ehemalige) Mieterin sich mit ihrer Wohnungs- bzw. Sozialbehörde in Verbindung gesetzt hat (LG Berlin, Beschluss vom 17.07.2017, Az.: 65 S 149/17, u.a. in: Grundeigentum 2017, Seiten 952 f.; LG Mannheim, Beschluss vom 26.11.1992, Az.: 4 T 314/92, u.a. in: NJW-RR 1993, Seiten 713 f.).

Zwar ist eine Mindestfrist in § 721 ZPO nicht bestimmt worden, jedoch würde eine zu kurze Räumungsfrist (z.B. unter 1 Monat) wohl ihren Zweck verfehlen (Seibel, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Auflage 2018, § 721 ZPO, Rn. 6).

Andererseits wird bei der Erstbewilligung einer Räumungsfrist die Höchstdauer von einem Jahr wohl auch nicht auszuschöpfen sein (LG Wuppertal, Beschluss vom 09.11.1965, Az.: 6 T 641/65, u.a. in: NJW 1966, Seiten 260 f.).

Der Zweck der Gewährung einer Räumungsfrist besteht insoweit nämlich darin, dem Räumungsschuldner (ehemaligem Mieter) die Möglichkeit zur Suche nach einer neuen Wohnung zu bieten. Aus diesem Grunde wurde diese gesetzliche Regelung so 1964 in die ZPO eingeführt (LG Frankfurt/Main, Beschluss vom 12.04.1999, Az.: 2/11 T 4/99, u.a. in: NZM 1999, Seiten 498 f. Seibel, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 32. Auflage 2018, § 721 ZPO, Rn. 1).

Das Bundesverfassungsgericht hat sogar ausgeführt, dass eine Räumungsfrist von Amts wegen gemäß § 721 ZPO immer dann durch das Gericht zu erwägen ist, wenn aus dem Prozessstoff erkennbar ist, dass der Schuldner (ehemaliger Mieter) mit einer Räumungsanordnung ohne Räumungsfrist nicht zu rechnen brauchte (BVerfG, Beschluss vom 17.12.1998, Az.: 2 BvR 1556/98, u.a. in: NJW 1999, Seiten 1387 ff.).

Bei seiner Entscheidung zur Räumungsfrist gemäß § 721 ZPO hat das Gericht zugunsten der Beklagten neben der gerichtsbekannt angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt vor allem aber auch den Umstand mit erheblichem Gewicht berücksichtigt, dass die Beklagte wohl unter nicht ganz unerheblichen psychischen Problemen leidet (LG Köln, Urteil vom 15.04.2016, Az.: 10 S 139/15, u.a. in: ZMR 2016, Seiten 705 f.).

Aus all´ diesen Gründen ist dann aber in der Regel auch bei einer fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses gemäß § 721 ZPO eine Räumungsfrist von mindestens sechs Wochen (LG Berlin, Beschluss vom 31.10.2000, Az.: 64 T 90/00, u.a. in: Grundeigentum 2001, Seiten 141 f.) bis zu drei Monaten (LG Berlin, Beschluss vom 17.07.2017, Az.: 65 S 149/17, u.a. in: Grundeigentum 2017, Seiten 952 f.; LG Köln, Urteil vom 15.04.2016, Az.: 10 S 139/15, u.a. in: ZMR 2016, Seiten 705 f.; LG Berlin, Beschluss vom 24.03.2016, Az.: 67 S 59/16, u.a. in: WuM 2016, Seiten 317 f.; LG Berlin, Beschluss vom 09.02.2016, Az.: 67 S 18/16, u.a. in: MDR 2016, Seiten 548 f.; LG Berlin, Beschluss vom 16.07.2001, Az.: 62 T 69/01, u.a. in: Grundeigentum 2001, Seite 1468; LG Hamburg, Beschluss vom 03.02.1998, Az.: 316 T 3/98, u.a. in: WuM 1999, Seite 365) bzw. im Einzelfall sogar bis zu sieben Monaten (LG Berlin, Urteil vom 06.10.2015, Az.: 63 S 51/15, u.a. in: Grundeigentum 2015, Seiten 1532 f.) zu gewähren, um der Räumungsschuldnerin/Mieterin die Suche nach einer geeigneten Ersatzwohnung zu ermöglichen und deren Obdachlosigkeit zu vermeiden (LG Berlin, Beschluss vom 17.07.2017, Az.: 65 S 149/17, u.a. in: Grundeigentum 2017, Seiten 952 f.; LG Köln, Urteil vom 15.04.2016, Az.: 10 S 139/15, u.a. in: ZMR 2016, Seiten 705 f.; LG Berlin, Beschluss vom 24.03.2016, Az.: 67 S 59/16, u.a. in: WuM 2016, Seiten 317 f.; LG Berlin, Beschluss vom 09.02.2016, Az.: 67 S 18/16, u.a. in: MDR 2016, Seiten 548 f.; LG Berlin, Urteil vom 06.10.2015, Az.: 63 S 51/15, u.a. in: Grundeigentum 2015, Seiten 1532 f.; LG Berlin, Beschluss vom 31.10.2000, Az.: 64 T 90/00, u.a. in: Grundeigentum 2001, Seiten 141 f.; LG Hamburg, Beschluss vom 03.02.1998, Az.: 316 T 3/98, u.a. in: WuM 1999, Seite 365).

Liegen diesbezüglich aber keine besonderen Umstände – insbesondere keine besonderen Härtegründe – vor, so ist dementsprechend aber grundsätzlich eine Räumungsfrist von 3 Monaten durch das Gericht zu gewähren, damit die Räumungsschuldnerin/Mieterin sich angemessenen Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen beschaffen kann (LG Berlin, Beschluss vom 31.10.2000, Az.: 64 T 90/00, u.a. in: Grundeigentum 2001, Seiten 141 f.; LG Köln, Urteil vom 15.04.2016, Az.: 10 S 139/15, u.a. in: ZMR 2016, Seiten 705 f.; LG Berlin, Beschluss vom 24.03.2016, Az.: 67 S 59/16, u.a. in: WuM 2016, Seiten 317 f.; LG Berlin, Beschluss vom 09.02.2016, Az.: 67 S 18/16, u.a. in: MDR 2016, Seiten 548 f.; LG Hamburg, Beschluss vom 03.02.1998, Az.: 316 T 3/98, u.a. in: WuM 1999, Seite 365).

Aus diesen Gründen ist auch der nunmehrigen Beklagten diese Räumungsfrist von drei Monaten hier zu gewähren.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 unter Beachtung der Grundsätze des § 93b ZPO. Ein sofortiges Anerkenntnis der Beklagten liegt hier nämlich nicht vor, weil die Beklagte zunächst eine Verteidigungsanzeige abgegeben hat. Auch liegen die übrigen Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung von § 93b Abs. 3 ZPO zugunsten der Beklagten hier nicht vor (LG Bonn, Beschluss vom 26.01.2004, Az.: 6 T 21/04, u.a. in: BeckRS 2004, Nr. 17834 = „juris“).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 1 und Nr. 7 sowie § 711 ZPO.

Zudem ist hier noch der Wert des Streitgegenstandes des Verfahrens durch das Gericht festzusetzen gewesen.

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