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Fristlose Mietvertragskündigung wegen Aufbewahrens von Marihuana in Wohnung

AG Frankfurt – Az.: 33 C 2802/18 (50) – Urteil vom 08.02.2019

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten über ein Räumungsbegehren der Klägerin nach Ausspruch einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.

Mit schriftlichem Mietvertrag mieteten die Beklagten von der Klägerin zum 15.5.1996 eine 4-Zimmer-Wohnung in der XXX Straße X, XXXXX Frankfurt am Main. Die monatliche Nettomiete beträgt 454,36 €.

Am 11.9.2018 kam es in der Siedlung, in der sich die streitgegenständliche Liegenschaft befindet, zu einem Polizeieinsatz. Betroffen war auch die von den Beklagten bewohnte Mietwohnung. In dem Zimmer des Sohnes der Beklagten wurden im Rahmen der Durchsuchung insgesamt 16,96 g Marihuana, in zwei Plastiktüten a 5,86 g und 11,10 g verpackt, und sechs Mobiltelefone gefunden und beschlagnahmt. Für weitere Einzelheiten wird konkret Bezug genommen auf den Durchsuchungsbericht des 12. Polizeireviers Frankfurt (Bl. 21 ff. d. A.).

Mit Schreiben vom 20.9.2018 (Bl. 7 f. d. A.), auf das wegen der genauen Einzelheiten Bezug genommen wird, kündigte die Klägerin gegenüber den Beklagten das Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30.6.2019 wegen der Drogenfunde und der Annahme des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in der streitgegenständlichen Wohnung.

Mit Schriftsatz vom 23.11.2018 (Bl. 18 ff. d. A.), den Beklagten laut Zustellungsurkunde am 30.11.2018 zugegangen, erfolgte eine erneute fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.

Die Klägerin behauptet, dass der Sohn der Beklagten einer Gruppierung von Männern zuzuordnen sei, die in der Siedlung, in der sich auch die streitgegenständliche Wohnung befindet, Handel mit Betäubungsmitteln betreibe. Die streitgegenständlichen Wohnung sei eine sogenannte „Bunkerwohnung“, von der aus der Sohn der Beklagten mit Betäubungsmitteln handele.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die innegehaltene Wohnung XXX Straße X XXX, XXXXX Frankfurt am Main, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Flur, Bad mit WC, Balkon und Keller zu räumen und an die Klägerin herauszugeben; hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die innegehaltene Wohnung XXX Straße X XXX, XXXXX Frankfurt am Main, bestehend aus 4 Zimmern, Küche, Flur, Bad mit WC, Balkon und Keller zum 30.6.2019, hilfsweise zum 31.8.2019, hilfsweise zum 31.10.2019, hilfsweise zum 30.11.2019 zu räumen und an die Klägerin herauszugeben;

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben mit nachgelassenem Schriftsatz vom 5.2.2019 weiter vorgetragen. Zudem hat die Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung einen Schriftsatz zur Akte gereicht. Auf den Inhalt der Schriftsätze wird Bezug genommen (Bl. 84 ff. und 108 ff. d. A.).

Die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft, Az. XXX wurde beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Fristlose Mietvertragskündigung wegen Aufbewahrens von Marihuana in Wohnung
(Symbolfoto: Von Anna Eremeev/Shutterstock.com)

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der von den Beklagten innegehaltenen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB, da das Mietverhältnis zwischen den Parteien weder aufgrund fristloser noch ordentlicher Kündigung vom 20.9.2018 und 23.11.2018 wirksam beendet wurde.

Die fristlosen Kündigungen vom 20.9.2018 und 13.11.2018 sind unwirksam, da es an einem Kündigungsgrund fehlt.

Nach § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann, § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Klägerin war nicht berechtigt, aufgrund des Fundes von 16,96 g Marihuana und sechs Mobiltelefonen in der Wohnung der Beklagten das Mietverhältnis fristlos zu kündigen.

Die Klägerin hat nicht ausreichend substantiiert dargelegt, dass in der bzw. aus der streitgegenständlichen Wohnung heraus mit Drogen gehandelt wurde. Die bei der Durchsuchung gefundene Menge an Betäubungsmitteln allein lässt nicht den Schluss zu, dass das Marihuana dem Verkauf gedient hat. Das Gericht verkennt nicht, dass die aufgefundene Menge die für den Eigenverbrauch nach §§ 29 Abs. 5, 31a Abs. 1 BtMG strafrechtlich geduldete Menge überschreitet. Bei einer Menge von ca. 17 g kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diese dem Eigenkonsum dienen soll. Hierfür spricht auch, dass neben den Drogen kein weiteres Verkaufszubehör wie z.B. Waagen oder Verpackungsmaterial gefunden wurde. Auch die sechs Mobiltelefone ändern hieran nichts. In der streitgegenständlichen Wohnung wohnen mindestens drei Personen. Heutzutage ist es keine Seltenheit mehr, dass Personen mehrere Mobiltelefone besitzen. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, dass nicht nur dem Sohn der Beklagten, sondern auch den Beklagten selbst mehrere Handys zuzuordnen sind bzw. es sich bei einem oder mehreren der gefundenen Handys um Ersatzhandys oder solche, die nicht mehr in Betrieb sind, handelt.

Es fehlt zudem an einem substantiierten Vortrag der Klägerin hinsichtlich des Handeltreibens des Sohnes der Beklagten. Weder in dem von der Klägerin vorgelegte Durchsuchungsbericht vom 14.9.2018 über die Polizeiaktion vom 11.9.2018 noch in dem ebenfalls von der Klägerin vorgelegte Polizeibericht „Feststellungen bzgl. gemeinschaftlichen Handelns“ vom 17.9.2018 finden sich Hinweise auf ein Handeltreiben des Sohnes der Beklagten. Zwar heißt es in dem Bericht vom 17.9.2018, dass der Sohn der Beklagten zu einer Gruppierung gehöre, gegen die wegen Handel mit Betäubungsmitteln ermittelt werde. Weiter heißt es jedoch, dass Hinweise darauf, dass der Sohn der Beklagten zusammen mit den anderen Personen aus der Gruppierung agiere, nicht festgestellt werden konnten. Auch aus den weiteren Überwachungsberichten, die in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft, Az. XXX Eingang gefunden haben, ergibt sich nicht, dass der Sohn der Beklagten Drogen an Dritte verkauft hat.

Das Aufbewahren von Marihuana in einer Menge von ca. 17 g rechtfertigt nicht die fristlose Kündigung, da bei einer Abwägung der beiderseitigen Interessen diejenigen der Beklagten überwiegen.

Zunächst ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass der vorliegende Fall nicht unter die von der Klägerin angesprochenen Fälle des Cannabisanbaus in einer Mietwohnung zu subsumieren ist. Es fehlt an jedwedem Vortrag der Klägerin, dass die Beklagten bzw. der Sohn der Beklagten die Mietwohnung genutzt haben, um Rauschgift anzubauen und/oder zu produzieren. Der Fall ist daher nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen Gerichte eine fristlose Kündigung wegen des Anbaus von Cannabispflanzen als wirksam erachtet haben.

Bei der Abwägung der gegenseitigen Interessen der Vertragsparteien sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hat das berechtigte Interesse der Klägerin, ihr Eigentum zu schützen (Art. 14 GG) und ihre Pflichten gegenüber den anderen Mieter zu wahren, gegenüber den Interessen der Beklagten auf Privatsphäre (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art 1. Abs. 1 GG), Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und Besitz zurückzutreten. Von Klägerseite wurde weder vorgetragen, dass sich die anderen Mieter aufgrund der Aufbewahrung der Drogen in der streitgegenständlichen Wohnung belästigt oder beeinträchtigt fühlen, noch, dass es aufgrund des Marihuanas zu Geruchsemissionen aus der streitgegenständlichen Wohnung gekommen ist. Es fehlt zudem an einem substantiierten Vortrag, dass durch den Besitz von 17 g Marihuana durch den Sohn der Beklagten die Mietsache in Verruf geraten ist. Das Gericht verkennt nicht, dass es sich bei den am 11.9.2018 durchgeführten Durchsuchungen um eine großangelegte Polizeiaktion gehandelt hat, die auch in die Berichterstattung der Frankfurter Presse Eingang gefunden hat. Allerdings war Ausgangspunkt der Polizeiaktion nicht der Drogenbesitz zum Eigenkonsum, sondern der Verdacht des Handelns mit Betäubungsmitteln, welcher in Bezug auf den Sohn der Beklagten auch nach den Polizeiberichten nicht bestätigt werden konnte. Insoweit muss auch zwischen dem strafrechtlich relevanten Verhalten des Sohnes der Beklagten und den mietvertraglichen Pflichten der Beklagten unterschieden werden. Der Besitz von Marihuana stellt einen Verstoß gegen § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG dar. Hierin liegt jedoch nicht in jedem Einzelfall auch ein Verstoß gegen mietvertragliche (Neben-) Pflichten. Die Beklagten haben durch das Aufbewahren nicht den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache überschritten. Die Wohnung soll in ihrer Funktion als Unterkunft und Lebensmittelpunkt auch der freien Entfaltung des Mieters dienen. Dieses überragende Schutzgut rechtfertigt es, in bestimmten Fällen der Privatsphäre des Mieters auch dort den Vorrang einzuräumen, wo strafrechtlich relevantes Verhalten des Mieters gegeben ist. Wie bereits dargelegt, hat die Klägerin einen Verstoß gegen mietvertragliche Pflichten über das Aufbewahren des Marihuanas hinaus, wie etwa die Belästigung anderer Mieter bzw. die Störung des Hausfriedens, nicht substantiiert vorgetragen. Es liegt kein derart schwerwiegender Verstoß gegen mietvertragliche Pflichten durch die Beklagten vor, dass der Verbleib der Beklagten in der streitgegenständlichen Wohnung für die Klägerin unzumutbar wäre.

Ebenso wie die fristlosen Kündigungen scheitern auch die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen an dem fehlenden Vorliegen eines Kündigungsgrundes.

Nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Vermieter kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietvertrages liegt nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB insbesondere vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Eine nicht unerhebliche Verletzung der vertraglichen Pflichten der Beklagten ist aus den oben genannten Gründen nicht gegeben. Da die mietrechtlichen Beziehungen der Parteien im vorliegenden Fall durch das Aufbewahren nicht unmittelbar und direkt berührt sind, ist der Privatsphäre und dem Besitzrecht der Beklagten Vorrang vor den Interessen der Klägerin zu gewähren.

Ein Grund zur Wiedereröffnung nach § 156 ZPO aufgrund der Schriftsätze der Parteien nach Schluss der mündlichen Verhandlung war nicht gegeben, da den Rechtsausführungen der Klägerin keine Entscheidungsrelevanz zukommt und es sich bei dem Tatsachenvortrag der Parteien lediglich um Wiederholungen handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 7, 711 Satz 1 und 2, 709 Satz 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 5.452,32 € festgesetzt, §§ 41 Abs. 2, 45 Abs. 1 Satz 2 und 3 GKG. Die monatliche Nettomiete beträgt unstreitig 454,36 €.

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