Skip to content
Menü

Fristlose Mietvertragskündigung wegen falscher Mieterselbstauskunft

LG Lüneburg – Az.: 6 S 1/19 – Beschluss vom 13.06.2019

Die Kammer weist bei vorläufiger Bewertung der derzeitigen Sach- und Rechtslage darauf hin, dass die Berufung des Klägers Aussicht auf Erfolg haben dürfte.

Den Parteien wird auf den Hinweis der Kammer eine Stellungnahmefrist bis zum 01.07.2019 eingeräumt. Auf § 296 ZPO wird hingewiesen.

Gründe

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung in Anspruch.

Die Parteien schlossen am 15.04.2017 einen Mietvertrag über eine 1-Zimmer-Wohnung zu einer monatlichen Bruttomiete von 256,00 €.

In einer vor Abschluss des Mietvertrags auf Veranlassung des Klägers erteilten Selbstauskunft gab der Beklagte keine relevanten Schulden oder laufende Zahlungsverpflichtungen bzw. Unterhaltsverpflichtungen an.

Am … eröffnete das Amtsgericht Celle das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten (Az …). Der Beklagte kommt seinen vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag in vollem Umfang nach.

Mit Schreiben vom 27.06.2018 erklärte der Kläger die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses unter Berufung auf die unrichtigen Angaben in der Selbstauskunft. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.07.2018 wies der Beklagte die Kündigung zurück und lehnte die Räumung der Mietwohnung ab. In der Klageschrift vom 10.09.2018 erklärte der Kläger erneut die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses. Mit Schriftsatz vom 19.11.2018 erklärte er zudem die Anfechtung des Mietvertrages wegen arglistiger Täuschung.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Hinblick auf die vorzunehmende umfassende Abwägung der Interessen beider Parteien gemäß § 543 Abs. 1 BGB stelle die unrichtige Selbstauskunft des Beklagten keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar. Habe ein Mieter im Rahmen einer „Selbstauskunft“ falsche Angaben gemacht, sei zunächst zu prüfen, ob die jeweiligen Fragen zulässigerweise gestellt worden sind. Im Hinblick auf die Zulässigkeit von Fragen nach der Bonität sei § 28 BDSG zu beachten. Danach sei das Erheben personenbezogener Daten oder ihre Nutzung als Mittel für die Erfüllung eigener Geschäftszwecke nur zulässig, soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen des Vermieters erforderlich sei und kein Grund zu der Annahme bestehe, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Nutzung überwiege. Soweit sich das Auskunftsbegehren auf die Bonität des Mietinteressenten beziehe, könne aus § 28 BDSG abgeleitet werden, dass Bonitätsauskünfte erst zulässig seien, wenn das Interesse des Vermieters an der Bonität ein gewisses Gewicht habe; die Bagatellgrenze werde mit 1.500,00 €, ermittelt aus drei Monatsmieten, angesetzt. Im vorliegenden Fall belaufe sich die monatliche Bruttomiete auf 256,00 €, so dass die Bagatellgrenze nicht überschritten worden sei. Aus diesem Grund seien Fragen nach bestehenden Zahlungsverpflichtungen des Beklagten unzulässig gewesen und die Falschangaben können bei Abwägung aller Umstände keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung darstellen. Auch eine ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB sowie eine Anfechtung nach § 123 BGB scheide aus denselben Gründen aus.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, der an seinem erstinstanzlichen Räumungsantrag festhält.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und beantragt diese zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung dürfte in der Sache Erfolg haben.

Die Klage auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung dürfte zulässig und begründet sein. Der Kläger dürfte ein Recht zur fristlosen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 BGB gehabt haben.

Zutreffend geht das Amtsgericht zunächst davon aus, dass die jeweils falsch beantworteten Fragen zulässigerweise gestellt worden sein müssen, um für einen wichtigen Kündigungsgrund auszureichen. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts dürften die Angaben des Beklagten in der Mieterselbstauskunft über seine Bonität von einem Fragerecht seitens des Klägers gedeckt und für den Fortbestand des Mietverhältnisses von so wesentlicher Bedeutung gewesen sein, dass dem Kläger ein weiteres Festhalten an dem Mietvertrag nicht zumutbar erscheint.

Nach dem Bundesgerichtshof, Urteil vom 09. April 2014 – VIII ZR 107/13 –, Rn. 18, juris, sind Fragen hinsichtlich der Bonität und Zuverlässigkeit des potentiellen Mieters zulässig. Dabei dürfte entgegen der Auffassung des Amtsgerichts keine Unterscheidung anhand der Miethöhe vorgenommen werden können. Die vom Amtsgericht zitierte Fundstelle im Schmidt/Futterer (Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB § 543 Rn. 204) bezieht sich auf Bonitätsauskünfte. Insoweit ist geregelt, dass Auskunfteien an die Vermieter nur Bonitätsdaten übermitteln dürfen, die eindeutige Rückschlüsse auf Mietausfallrisiken zulassen. Dies können Daten aus öffentlichen Schuldner- und Insolvenzverzeichnissen oder sonstige Angaben über negatives Zahlungsverhalten sein, bei denen eine Bagatellgrenze von 1.500 Euro aber überschritten sein muss (vgl. Beschluss der Aufsichtsbehörden für den Datenschutz im nicht-öffentlichen Bereich vom 22. Oktober 2009, unter https://lfd.niedersachsen.de/themen/wirtschaft/mieten_und_wohnen_wohnungswirtschaft/hinweis–und-informationssystem-der-versicherungswirtschaft-123621.html, vom Kläger erstinstanzlich vorgelegt). Dies dürfte nicht auf Angaben eines Mieters im Rahmen einer Mieterselbstauskunft zu übertragen sein. Weder der Beschluss vom 22.10.2009 noch die ebenfalls auf der vorgenannten website abrufbare Orientierungshilfe zur Einholung von Selbstauskünften bei Mietinteressenten verweist auf eine einzuhaltende Bagatellgrenze. Vielmehr ergibt sich daraus, dass Fragen zu u.a. eröffneten Insolvenzverfahren und den Einkommensverhältnissen grundsätzlich zulässig seien. Eine Gefährdung der finanziellen Interessen des Vermieters hängt auch nicht davon ab, wie hoch die Mieteinnahmen sind. Fallen beispielsweise bei einem Privatvermieter die monatlichen Mieteinnahmen weg, mit denen er seine eigenen Darlehnsverbindlichkeiten gegenüber der Bank tilgt, kann er, wenn er ansonsten keine finanziellen Rücklagen hat, unabhängig von der Miethöhe in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Die Annahme einer „Bagatellgrenze von 500 €“ würde zu einer Benachteiligung von kleineren Vermietern führen. Auch Schmidt/Futterer scheint nicht davon auszugehen, dass eine Übertragung auf die Mieterselbstauskunft in Betracht kommt, denn zum einen wird lediglich von einer „Bonitätsauskunft“ gesprochen, die die Mieterselbstauskunft schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nicht umfasst und in Verbindung mit dem in Bezug genommenen Aufsatz, der seinerseits auf den Beschluss vom 22.10.2009 verweist, nur in diesem Sinne verstanden werden kann. Zum anderen führt Schmidt/Futterer wie folgt aus:

„Auch unmittelbare Fragen nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen nach der Bonität oder nach dem Beruf müssen als zulässig angesehen werden.“, ohne dabei die Bagatellgrenze zu erwähnen (Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB § 543 Rn. 204). Rechtsprechung, die eine Übertragung einer Bagatellgrenze auf die Mieterselbstauskunft vertritt, existiert – soweit ersichtlich – zumindest nicht.

Bei Gesamtwürdigung aller für die Vertragsfortsetzung wesentlichen Gründe dürfte dem Kläger die Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten auch nicht zugemutet werden können. Die Grenzen der Zumutbarkeit sind dann überschritten, wenn die Vertragsbeziehungen Formen annehmen, in denen das bei Dauerschuldverhältnissen regelmäßig erforderliche enge verständnisvolle und vertrauensvolle Zusammenwirken der beiden Vertragsteile aus dem Verschulden des anderen Vertragsteiles und aus Gründen, die in dessen Person liegen, nicht mehr gewährleistet ist. Dies dürfte aufgrund der Täuschung über die Vermögensverhältnisse vorliegend der Fall sein (vgl. in einem vergleichbaren Fall OLG Celle, Urteil vom 14. November 1975 – 2 U 96/74 –, Rn. 14, juris; LG Hamburg, Urteil vom 02. Juni 1998 – 316 S 23/98 –, juris). Insbesondere auch deswegen, weil sich der Kläger durch den zweijährigen Kündigungsausschluss längerfristig binden wollte. Durch die Falschangabe wurde ein wesentliches und berechtigtes Interesse des Vermieters an einem solventen Vertragspartner verletzt. Diese erhebliche Pflichtverletzung, welche das Vertrauensverhältnis unumkehrbar zu erschüttern vermag, dürfte das Interesse des Beklagten überwiegen. Dies entspricht auch den gesetzlichen Wertungen im Wohnraumrecht. Insbesondere die Regelung des § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, welche die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigungsmöglichkeit im Falle des Zahlungsverzuges eines Mieters regelt, belegt, dass das aufgezeigte Interesse des Vermieters am regelmäßigen Eingang von Mietzinszahlungen nach den Wertungen des Gesetzgebers höherrangig ist als das Interesse des Mieters am Schutz des Bestandes des Mietverhältnisses. Davon abzuweichen dürfte vorliegend nicht veranlasst sein. Der Beklagte zahlt zwar seit Beginn des Mietverhältnisses und trotz Insolvenz die monatliche Miete. Dies dürfte zum einem jedoch nicht dazu geeignet sein, dass erschütterte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen. Zum anderen besteht weiterhin die erhöhte Gefahr des finanziellen Ausfalls des Beklagten. Vom Vermieter dürfte nicht verlangt werden können, erst abzuwarten, dass ihm ein Schaden entsteht, den der Vermieter durch die Einholung ordnungsgemäßer Angaben gerade von vornherein vermeiden wollte. Denn bei wahrheitsgemäßer Angabe hätte er den Vertrag mit dem Beklagten nicht geschlossen (vgl. zu dieser Abwägung auch LG München I, Urteil vom 25. März 2009 – 14 S 18532/08 –, Rn. 6 – 9, juris). Auch die kurze Mietzeit sowie die Tatsache, dass der Beklagte die Wohnung allein bewohnt, lassen seine Interessen zurückstehen.

Aufgrund des Vorgesagtem dürfte zudem ein berechtigtes Interesse an einer ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB bestanden haben.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Unsere Hilfe im Mietrecht & WEG-Recht

Wir sind Ihr Ansprechpartner in Sachen Mietrecht und Wohneigentumsrecht. Vom Mietvertrag über Mietminderung bis hin zur Mietvertragskündigung.

Rechtsanwälte Kotz - Kreuztal

Rechtstipps aus dem Mietrecht

Urteile aus dem Mietrecht

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!