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Fristlose Mietvertragskündigung wegen Störung des Hausfriedens

LG Frankfurt, Az.: 2/11 S 248/15, Beschluss vom 28.12.2015

1. Die Beklagten werden darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung gegen das am 03.09.2015 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Az.: 33 C 1696/15 (57)) nach § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

2. Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung aus dem Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 03.09.2015 (Az.: 33 C 1696/15 (57)) wird zurückgewiesen.

3. Der Antrag der Beklagten, das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 03.09.2015 (Az.: 33 C 1696/15 (57)) nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.

4. Der Antrag auf Verlängerung der Räumungsfrist über den 31.12. 2015 hinaus wird als unzulässig verworfen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 03.09.2015 (Az.: 33 C 1696/15 (57)) hat nach einstimmiger Überzeugung der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichtes nicht. Auch eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.

Fristlose Mietvertragskündigung wegen Störung des Hausfriedens
Symbolfoto: Von Iakov Filimonov /Shutterstock.com

Das Amtsgericht hat der Klage auf Räumung und Herausgabe der von den Beklagten innegehaltenen Wohnung zu Recht stattgegeben. Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beklagten in der Berufung ist eine davon abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage nicht geboten. Weder rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung noch beruht das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung (§ 513 ZPO).

Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) einen Anspruch auf Rückgabe der Wohnung gemäß § 546 BGB, nachdem das mit der Beklagten zu 1) abgeschlossene Mietverhältnis durch die außerordentliche fristlose Kündigung vom 23.04.2015 (Bl. 24 ff) gemäß §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB wirksam beendet worden ist.

Gemäß § 569 Abs. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und der informatorischen Anhörung der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 25.08.2015 hat das Amtsgericht gemäß § 286 ZPO die Überzeugung gewonnen, dass der Beklagte zu 2), der psychisch jedenfalls stark belastet ist, zumindest seit dem Jahre 2013 nachts „so laut“ schreit, „dass die Zeugin … annähernd jedes Wort verstehen kann und der Zeuge … regelmäßig aus dem Schlaf gerissen wird“ (Bl. 109). Die Beweiswürdigung wird von der Berufung nicht angegriffen.

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen seitens des Amtsgerichts sind nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht gegeben. Die Zeuginnen …, die ihr Fernbleiben von dem Termin entschuldigt haben, waren nicht zu vernehmen, weil sie von der Klägerin benannt worden waren.

Das Verhalten des Beklagten zu 2), welcher der Sohn der Beklagten zu 1) ist und mit ihr in der verfahrensgegenständlichen Wohnung in häuslicher Gemeinschaft lebt, ist ihr (der Beklagten zu 1)) zuzurechnen. Die von dem Amtsgericht vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Zum einen ist Verschulden keine zwingende Voraussetzung für eine wirksame Kündigung (s. Schmidt-Futterer, Kommentar zum Mietrecht, München 2015, 12. Aufl., § 569 BGB, Rn. 23). Zum anderen hat das Amtsgericht das Alter der 1928 geborenen Beklagten zu 1) und ihren Gesundheitszustand berücksichtigt. Auch in Anbetracht dessen, dass das Mietverhältnis bereits im Jahre 1971 begründet worden war und das Versorgungsamt für die Beklagte zu 1) einen Grad der Behinderung von 80 festgestellt hat (Bl. 70 ff), sind für die Klägerin als Vermieterin die Grenzen des Zumutbaren überschritten. Zwar ist im nachbarschaftlichen Zusammenleben mit kranken Menschen ein erhöhtes Maß an Toleranzbereitschaft zu fordern. Die Verpflichtung zur Toleranz endet aber – wie das Amtsgericht zutreffend in dem angefochtenen Urteil ausgeführt hat -, wenn „der vertragsgemäße Gebrauch der Mietwohnungen für die übrigen Mietparteien stark beeinträchtigt ist“ (Bl. 110). So ist vor allem der berufstätige Nachbar und Zeuge …, der morgens um 6.00 Uhr aufstehen muss, auf nächtlichen Schlaf angewiesen. Es war deshalb nicht hinnehmbar, dass er immer wieder durch Schreie in der Zeit von 23.00 bis 3.00 Uhr aus dem Schlaf gerissen wurde.

Entgegen der Meinung der Berufung ist es nicht erforderlich, dass das Verhalten des Beklagten zu 2) bei den Nachbarn darüber hinaus „zu Sorge und Ängsten“ hätte führen müssen (Bl. 148). Angemerkt sei nur, dass die Zeugin … ausgesagt hat, dass „das laute hasserfüllte Geschrei … durchgängig vorhanden“ gewesen sei (Bl. 94). Soweit die Berufung ausführt, der Beklagte zu 2) habe „Verfolgungsängste“ und habe sich mittels seines nächtlichen Verhaltens „verteidigen“ dürfen (Bl. 147, 149), ist dies rechtlich nicht zutreffend.

Die Klägerin hatte die Beklagte zu 1) mehrfach, zuletzt mit Schreiben vom 30.10.2014 (Bl. 20 f) gemäß § 543 Abs. 3 BGB wegen der nachhaltigen Störung des Hausfriedens durch den Beklagten zu 2) abgemahnt.

Für die Wirksamkeit der Kündigung kommt es maßgeblich darauf an, dass der Kündigungstatbestand zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung vorgelegen hat. Entgegen der Meinung der Beklagten wird die Wirksamkeit der Kündigung durch ein nachträgliches Wohlverhalten nicht berührt (vgl. Schmidt-Futterer, aaO, Rn. 32). Im Übrigen hat der Beklagte zu 2) sein Verhalten nicht nachhaltig geändert. So hat die Zeugin … ausgesagt, dass zwar die Lärmbelästigungen im „März/April … etwas weniger“ geworden seien, dass sie aber „bis zum heutigen Tag“ andauern würden (Bl. 94). Ebenso hat der Zeuge … ausgesagt, dass es zwar „etwas leiser“ geworden sei, dass es aber „in der letzten Nacht wieder Ruhestörungen und auch in der letzten Woche“ gegeben habe (Bl. 95 f).

Sofern die Berufung ausführt, dass im Falle einer Räumungsvollstreckung eine Lebensgefahr bei der Beklagten zu 1) eintreten könnte, und insoweit die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt hat, ist dieser Umstand nicht im Erkenntnisverfahren, sondern – wie allgemein bei Vollstreckungshindernissen – im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen (s. Schmidt-Futterer, aaO, Rn.23). Ebenso wenig ist es hier von Belang, dass die Beklagten nicht in der Lage zu sein scheinen, Ersatzwohnraum zu beschaffen.

Nach alldem hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg.

Der Antrag der Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung gemäß §§ 719, 707 ZPO war zurückzuweisen, da eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach diesen Vorschriften nicht in Betracht kommt, wenn – wie hier – die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat (vgl. Zöller, Köln 2014, 30. Aufl., § 719 ZPO, Rn.3).

Der Antrag der Beklagten, das angefochtene Urteil nicht für vorläufig vollstreckbar zu erklären, war ebenfalls zurückzuweisen, da die Entscheidung über einen erstinstanzlich nicht gestellten oder nicht beschiedenen Schutzantrag nach § 712 ZPO, wie sich aus §§ 714, 716 ZPO ergibt, nicht durch das Berufungsgericht zu erfolgen hat (vgl. Zöller, aaO, § 714 ZPO, Rn.1).

Der Antrag der Beklagten auf Verlängerung der Räumungsfrist ist entgegen § 721 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht spätestens zwei Wochen vor Ablauf der Räumungsfrist, also am 17.12.2015, sondern erst am 18.12.2015 gestellt worden, so dass er als unzulässig zu verwerfen war.

Auch zur Vermeidung weiterer Kosten wird die Rücknahme der Berufung angeraten. Bei einer Rücknahme entsteht – abgesehen von den ohnehin anfallenden Rechtsanwaltskosten – lediglich eine 2,0-fache Gerichtsgebühr (KV 1222 GKG). Wird demgegenüber die Berufung förmlich durch Beschluss zurückgewiesen, verbleibt es bei der 4,0-fachen Gerichtsgebühr (KV 1220 GKG).

 

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