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Fristlose Mietvertragskündigung wegen Zahlungsverzugs – muss vorher abgemahnt werden?

OLG Dresden – Az.: 5 U 2121/19 – Urteil vom 18.12.2019

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 21.08.2019 (09 O 2758/18) abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, die in dem Gebäude B… xx, 00000 L… im Erdgeschoss gelegenen Räume (vermietet zur Nutzung als YYY), deren Fläche ca. 117 m² beträgt, zu räumen und geräumt an die D… GmbH, M… xx, 00000 B…, vertreten durch die Geschäftsführer D…, L… und H…, A…, herauszugeben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites beider Instanzen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Zwangsvollstreckung aus der Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000,00 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Zwangsvollstreckung aus der Kostenentscheidung kann der Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 18.549,72 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Räumung und Herausgabe von Geschäftsräumen im Erdgeschoss des Objekts B… xx in L…

Mit dem Vertrag vom 30.05.2018 (Anlage K 1) vermietete die Klägerin die streitgegenständlichen Geschäftsräume ab dem 01.06.2018 mit Befristung auf 10 Jahre an den Beklagten zur Nutzung als YYY. Zur Miethöhe enthält der Mietvertrag in § 4 Nr. 3 eine Staffelmietvereinbarung, wonach im ersten Jahr vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 keine Grundmiete zu zahlen ist, sondern nur die monatlichen Vorauszahlungen für die Betriebs- und Nebenkosten von 350,00 € und die monatlichen Vorauszahlungen für die Heizungs- und Warmwasserkosten in Höhe von 150,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer, mithin ein Vorauszahlungsbetrag in Höhe von monatlich 595,00 € brutto. Ab dem zweiten Jahr vom 01.06.2019 bis zum 31.05.2020 ist eine Grundmiete zu zahlen, zunächst 1.299,00 € zuzüglich Mehrwertsteuer monatlich, die sich in den weiteren Jahren jeweils erhöht. Hintergrund dieser Regelung ist gemäß § 4 Nr. 2 S. 2, 3 des Mietvertrages der Umstand, dass der Beklagte als Mieter die Kosten der Umbaumaßnahmen trägt, welche in der Anlage zum Mietvertrag aufgelistet sind. Mitte Juli 2018 erhielt der Beklagte die Schlüssel zum Mietobjekt.

Mit Schreiben vom 13.09.2018 (Bl. 19 f. dA) erteilte die Hausverwaltung für die Klägerin dem Beklagten eine Abmahnung wegen ruhestörenden Lärms, Vermüllung des Kellerbereichs und vertragswidrigen Streichens der Fassade. Zwischen den Parteien ist strittig, ob die in der Abmahnung enthaltenen Vorwürfe an den Beklagten berechtigt sind. Zahlungen an die Klägerin leistete der Beklagte zunächst nicht.

Die Klägerin erklärte mit dem Schreiben ihrer Hausverwaltung, der ZZZ Hausverwaltung GmbH, vom 19.10.2018 (Bl. 21 f. dA) die außerordentliche und fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzuges des Beklagten und forderte ihn auf, die Geschäftsräume bis zum 31.10.2018 zu räumen. Zwischen den Parteien ist strittig, ob dieses Schreiben dem Beklagten vor Anhängigkeit des vorliegenden Rechtsstreites zugegangen ist. Den Zahlungsrückstand glich der Beklagte am 09.11.2018 aus und zahlte auch in der Folgezeit die nach dem Mietvertrag geschuldeten Nebenkosten-Vorauszahlungen. Nachdem die Hausverwaltung der Klägerin Zahlungsbeträge zurückgebucht hatte, hinterlegte der Beklagte die monatlichen Nebenkostenvorauszahlungen ab dem Monat Februar 2019 beim Amtsgericht Leipzig.

Die Klägerin erklärte weitere außerordentliche und fristlose Kündigungen des Mietverhältnisses mit der Klageschrift vom 02.12.2018, die dem Beklagten am 24.01.2019 zugestellt wurde, und mit dem nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 11.07.2019 eingereichten Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.07.2019.

Die Klägerin hat das Grundstück B… xx in L… an die D… GmbH veräußert, welche am 26.04.2019 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde (Grundbuchauszug vom 29.04.2019, Anlage K 7).

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe dem Beklagten die Kündigung vom 19.10.2018 zunächst mit Einwurfeinschreiben am 20.10.2018 zugestellt, und dafür eine Zustellquittung als Anlage K 6 vorgelegt. Weiterhin sei eine Zustellung der Kündigung vom 19.10.2018 an den Beklagten am 23.10.2018 um 12:28 Uhr durch einen Boten, den Zeugen M… S…, erfolgt. Dafür hat die Klägerin den schriftlichen Zustellnachweis vom 23.10.2018 (Bl. 69 dA) vorgelegt, welcher vom Zeugen M… S… als Zusteller und von der Zeugin D… L… als Zeugin unterschrieben ist.

Die außerordentliche Kündigung vom 19.10.2018 habe das Mietverhältnis jedenfalls deshalb fristlos beendet, weil ein dafür ausreichender Zahlungsverzug des Beklagten vorgelegen habe. Im Übrigen seien dem Beklagten vertragliche Pflichtverletzungen vorzuwerfen, so ruhestörender Lärm und die Vermüllung des Kellerbereiches, das vertragswidrige Streichen der Fassade in der falschen Farbe und Polizeieinsätze im Objekt am 14. und 16.11.2018. Zudem habe der Beklagte im anhängigen Gerichtsverfahren wahrheitswidrig behauptet, das Kündigungsschreiben im Ladenlokal nicht erhalten zu haben.

Der Beklagte hat vorgetragen, ihm sei die Kündigung vom 19.10.2018 erstmals mit der Zustellung der Klageschrift bekannt geworden. Am 23.10.2018 habe sich um 12:28 Uhr niemand im Ladenlokal aufgehalten, weil dieses erst ab 16:00 Uhr geöffnet gewesen sei. Die Zustellquittung für das Einwurfeinschreiben sei kein Nachweis, weil angesichts der verwirrenden Beschriftung auf den Briefkästen im Objekt eine hohe Verwechslungsgefahr bestehe. Der Beklagte hat insoweit Bezug genommen auf die als Anlage B 8 vorgelegten Lichtbilder. Der bestehende Zahlungsrückstand genüge nicht für eine außerordentliche Kündigung wegen Zahlungsverzuges. Im Übrigen seien die Behauptungen der Klägerin unzutreffend, der Beklagte habe kündigungsrelevante vertragliche Pflichtverletzungen begangen.

Wegen des Sachvortrages im Übrigen und der in I. Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat ohne Durchführung einer Beweisaufnahme mit dem Urteil vom 21.08.2019 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne vom Beklagten nicht die Räumung und Herausgabe der Geschäftsräume verlangen, weil keine der klägerischen Kündigungen das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis beendet habe. Hinsichtlich der Kündigung vom 19.10.2018 könne offen bleiben, ob diese dem Beklagten durch Boten am 23.10.2018 übergeben worden wäre, weil zu diesem Zeitpunkt ein Kündigungsgrund für eine außerordentliche Kündigung zugunsten der Klägerin nicht vorgelegen habe. Zwar lägen die formellen Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges vor. Sie sei aber im vorliegenden Falle unwirksam, weil die Klägerin ausnahmsweise vor Ausspruch der Kündigung den Beklagten entgegen der grundsätzlichen gesetzlichen Regelung in § 543 Abs. 3 Nr. 3 BGB hätte abmahnen müssen, weil sich ihr der Schluss hätte aufdrängen müssen, dass die Nichtzahlung der Miete nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit, sondern auf einem bloßen Versehen bzw. auf sonstigen nicht vom Beklagten zu vertretenden Umständen beruht habe. Auch für die weiteren Kündigungen der Klägerin habe ein Kündigungsgrund nicht vorgelegen. Den ursprünglich bestehenden Zahlungsrückstand habe der Beklagte jedenfalls durch die Zahlung vom 09.11.2018 ausgeglichen und danach nicht wieder entstehen lassen.

Gegen das ihr am 27.08.2019 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 12.09.2019 Berufung eingelegt und diese am 09.10.2019 begründet. Sie trägt vor, das Landgericht habe zu Unrecht einen Ausnahmefall angenommen, nach welchem entgegen der gesetzlichen Regelung der Beklagte vor der Zahlungsverzugskündigung hätte abgemahnt werden müssen. Soweit bisher in der Rechtsprechung ein derartiger Ausnahmefall angenommen worden sei, habe es sich um Mietverhältnisse gehandelt, in welchen der Mieter über einen langen Zeitraum beanstandungsfrei die Miete gezahlt habe und die Mietzahlung dann offensichtlich erkennbar aufgrund eines Versehens des Mieters unterblieben sei. Im vorliegend zu beurteilenden Falle fehle es an diesen Voraussetzungen. Der Zahlungsrückstand sei für eine außerordentliche Kündigung ausreichend, weil der Beklagte zum Kündigungszeitpunkt keine der bis dahin fälligen Betriebskostenvorauszahlungen gezahlt habe. Zudem liege ein weiterer Kündigungsgrund insoweit vor, als der Beklagte wahrheitswidrig behauptet habe, er habe die durch Boten im Geschäftslokal an ihn persönlich übergebene Kündigung vom 19.10.2018 nicht erhalten. Der Antrag richte sich auf Herausgabe an die … GmbH, weil die Klägerin das Eigentum am Objekt B… xx in L… an diese veräußert habe.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Landgerichts Leipzig (09 O 2758/18) vom 21. August 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die in dem Gebäude B… xx, 00000 L…, im Erdgeschoss gelegenen Räume (vermietet zur Nutzung als YYY), deren Fläche ca. 117 m² beträgt, zu räumen und geräumt an die D… GmbH, M… xx, 00000 B…, vdd GF D…, L… und H…, A… herauszugeben.

Der Beklagte beantragt, die Berufung unter Aufrechterhaltung des erstinstanzlichen Urteiles zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Der Kündigung vom 25.07.2019 werde vorsorglich und ausdrücklich widersprochen. Wegen des Eigentumswechsels auf die D… GmbH habe diese Kündigung von der neuen Eigentümerin ausgesprochen werden müssen. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Beklagte seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Senat hat den Beklagten angehört und Beweis erhoben zur Zustellung der Kündigung vom 19.10.2018 an den Beklagten durch die uneidliche Vernehmung des Zeugen M… S… Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.12.2019 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet, denn sie kann vom Beklagten aus § 546 Abs. 1 BGB die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Gewerberäume an die D… GmbH verlangen, weil das mit dem Vertrag vom 30.05.2018 zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 19.10.2018 beendet wurde und das Grundstück B… xx in L… nach Rechtshängigkeit der vorliegenden Räumungsklage von der Klägerin an die D… GmbH veräußert wurde, welche am 26.04.2019 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde.

Der Senat ist im Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die außerordentliche und fristlose Kündigung der Klägerin vom 19.10.2018 dem Beklagten am 23.10.2018 zuging (dazu 1.). Infolge des Zugangs der außerordentlichen Kündigung endete am 23.10.2018 das zwischen den Parteien mit dem Vertrag vom 30.05.2018 begründete Mietverhältnis, weil die Voraussetzungen des benannten Kündigungsgrundes aus § 543 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB vorlagen (dazu 2.). Entgegen der vom Landgericht im angefochtenen Urteil vom 21.08.2019 vertretenen Auffassung stand der Wirksamkeit der außerordentlichen und fristlosen Kündigung nicht entgegen, dass die Klägerin den Beklagten nicht vor der Kündigung im Hinblick auf den bestehenden Zahlungsrückstand abgemahnt hat (dazu 3.). Infolge der Veräußerung des Grundstückes, auf dem sich das Mietobjekt befindet, nach Rechtshängigkeit der Räumungsklage an die D… GmbH kann die Klägerin die Herausgabe des Mietobjektes durch den Beklagten an die D… GmbH verlangen (dazu 4.).

1. Der Senat hat aufgrund der Würdigung der Aussage des Zeugen S… und der Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat gemäß § 286 Abs. 1 ZPO die Überzeugung gewonnen, dass die außerordentliche Kündigung der Klägerin vom 19.10.2018 dem Beklagten am 23.10.2018 zuging, indem sie ihm persönlich in einem Briefumschlag vom Zeugen S… im Mietobjekt übergeben wurde.

Der Zeuge S… hat bekundet, ihm sei von der Hausverwaltung der Klägerin, der ZZZ Hausverwaltung GmbH, ein verschlossener Briefumschlag mit einem Schreiben darin übergeben worden, mit dem Auftrag, dieses an den Beklagten zuzustellen. Dabei sei ihm gesagt worden, dass es sich um eine Kündigung für den Beklagten handele. Er habe dieses Schreiben am 23.10.2018 dem Beklagten in den streitgegenständlichen Geschäftsräumen übergeben. Sodann habe er in das ihm von der Hausverwaltung übergebene Formular „Zustellnachweis fristlose Kündigung“ (Bl. 69 dA) das Datum und die Uhrzeit der Übergabe des Briefes an den Beklagten eingetragen und dies unterschrieben. Nach ihm habe auch die Zeugin D… L… dort unterschrieben, welche nicht mit ihm im Mietobjekt gewesen sei, sondern vor dem Gebäude im Auto gewartet habe.

Die Angaben des Zeugen S… sind glaubhaft, und er ist nach dem Eindruck des Senates aus der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2019 glaubwürdig.

Der Zeuge S… äußerte sich sachlich zu den Fragen des Senates und schöpfte vor seinen Angaben immer wieder erkennbar aus seinem Erinnerungsvermögen. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Aussage durch ihn bestehen nicht. Es bestehen auch keine Anzeichen dafür, dass der Zeuge mit dem Inhalt seiner Aussage der Klägerin entgegenkommen wollte, für deren Hausverwaltung er früher gearbeitet hat. Vielmehr legte er im Rahmen seiner Aussage den bisher nicht von der Klägerin vorgetragenen Umstand offen, dass die Zeugin D… L…, welche zusätzlich zum Zeugen S… den „Zustellnachweis fristlose Kündigung“ unterschrieben hat, zwar mit ihm zum Mietobjekt gefahren sei, dann aber nicht mit in das Mietobjekt hineingegangen sei, sondern im Auto gewartet habe.

Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen S… wird nicht durch die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat am 04.12.2019 infrage gestellt.

Der Beklagte ließ sich zur Frage, ob und gegebenenfalls wann er das Kündigungsschreiben vom 19.10.2018 erstmals gesehen habe, widersprüchlich ein. Zunächst erklärte er, er habe die Kündigung nicht bekommen und niemals gesehen. Nach Vorhalt des Kündigungsschreibens durch den Senat erklärte er, er habe dieses Schreiben das erste Mal im Büro der Hausverwaltung gesehen, wobei er nicht genau sagen konnte, wann dies gewesen sei. Jedenfalls aber sei es nach der Übergabe der Schlüssel an ihn gewesen, die am 03.08.2018 geschehen sei.

Diese Angaben sind zum einen widersprüchlich und können zum anderen jeweils für sich genommen nicht zutreffen. Die Aussage, der Beklagte habe das Kündigungsschreiben nicht erhalten und nie gesehen, kann schon deshalb nicht zutreffen, weil er es als Anlage zur Klageschrift vom 02.12.2018 mit deren Zustellung an ihn am 24.01.2019 erhalten haben muss. Auch die Aussage des Beklagten, er habe das Kündigungsschreiben, welches sich als Blatt 21, 22 in der Verfahrensakte befindet und dem Beklagten konkret in der mündlichen Verhandlung vom 04.12.2019 vorgehalten wurde, kurz nach der Übergabe der Schlüssel, die am 03.08.2019 gewesen sein soll, im Büro der Hausverwaltung gesehen, dürfte unzutreffend sein. Jedenfalls lässt sich wesentlicher Inhalt dieses Schreibens nicht mit der Annahme vereinbaren, es habe schon kurz nach dem 03.08.2019 existiert.

So ist das Schreiben auf den 19.10.2018 datiert und spricht eine fristlose Kündigung aus, welche sich auf einen Mietrückstand bezieht, der sich aus den Betriebskostenvorauszahlungen für die Monate Juni, Juli, August, September und Oktober 2018 zusammensetzt. Der Beklagte hat auch betont, dass ihm der sich daraus ergebende Gesamtbetrag von 2.975,00 € gezeigt worden sei, den er habe zahlen sollen. Wenn also der Beklagte das in der Verfahrensakte auf Blatt 21, 22 befindliche Schreiben, welches ihm konkret vorgehalten wurde, in den Räumen der Hausverwaltung gesehen haben sollte, dann dürfte dies erst zu einem Zeitpunkt gewesen sein, der nach dem 19.10.2018 lag, weil nur dann die im Schreiben enthaltenen Angaben einen Sinn ergaben.

Im Ergebnis vermögen deshalb die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat vom 04.12.2019 die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen S… nicht zu erschüttern.

Dem Senat ist bewusst, dass die glaubhafte Aussage des glaubwürdigen Zeugen S… unmittelbar lediglich beweist, dass dieser dem Beklagten am 23.10.2018 einen verschlossenen Briefumschlag übergeben hat, den er zuvor von der Hausverwaltung der Klägerin erhielt. Zum Inhalt des von ihm übergebenen Briefes, also insbesondere zu der Frage, ob in dem Briefumschlag das Kündigungsschreiben vom 19.10.2018 enthalten war, konnte der Zeuge S… keine Angaben machen, weil er den Briefumschlag nicht geöffnet und den Inhalt nicht angesehen hatte.

Allerdings streitet zur Überzeugung des Senates für die Tatsache, dass in dem Briefumschlag das Kündigungsschreiben vom 19.10.2018 enthalten war, ein Anscheinsbeweis (vgl. dazu Oetker in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl., § 249 Rn. 492 ff.) zugunsten der Klägerin, weil hier ein Geschehensablauf festgestellt werden kann, der typischerweise dafür spricht, dass mit dem vom Zeugen S… übergebenen Brief das darin enthaltene Kündigungsschreiben vom 19.10.2018 übergeben wurde.

So ist unstrittig, dass das Kündigungsschreiben vom 19.10.2018 erstellt wurde, weil der Beklagte dessen Existenz ausdrücklich im Rahmen seiner Anhörung durch den Senat am 04.12.2019 bestätigte. Ferner steht aufgrund der glaubhaften Aussage des glaubwürdigen Zeugen S… fest, dass ihm von der Hausverwaltung, die das Kündigungsschreiben ausweislich des Briefkopfes verfasst hatte, der verschlossene Brief zur Zustellung an den Beklagten mit der Bemerkung übergeben wurde, es handele sich um eine Kündigung, und er dazu ein vorgefertigtes Formular für einen Zustellnachweis erhielt, auf welchem er die Zustellung einer „fristlosen Kündigung“ bestätigen sollte. Zudem gibt es keinen Sachvortrag und nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass dem Beklagten mit dem vom Zeugen S… übergebenen Brief ein anderes Schriftstück übermittelt worden sein könnte als das Kündigungsschreiben vom 19.10.2018.

Aus der Gesamtbetrachtung des Geschehensablaufes lässt sich deshalb typischerweise auf den Umstand schließen, dass in dem vom Zeugen S… an den Beklagten am 23.10.2018 übergebenen Schreiben die außerordentliche Kündigung vom 19.10.2018 enthalten war. Den Anscheinsbeweis zugunsten der Klägerin hat der Beklagte in keiner Weise erschüttert, so dass im Ergebnis die Klägerin den ihr obliegenden Beweis des Zugangs der Kündigung vom 19.10.2018 an den Beklagten am 23.10.2018 geführt hat.

Aufgrund der im Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 15.05.2019 auf Seite 1 und 2 aufgestellten Behauptung, das Ladenlokal habe am 23.10.2018 erst um 16:00 Uhr geöffnet, und es halte sich zudem um die Mittagszeit dort niemand auf, musste der angebotene Zeuge A… M… vom Senat nicht vernommen werden.

Die Zustellung eines Schriftstückes an den Beklagten konnte – auch in den Mieträumen – unabhängig davon erfolgen, ob das Ladenlokal geöffnet ist. Ob sich in der Mittagszeit in den Räumen des Ladenlokals regelmäßig niemand aufhält, besagt nichts darüber, ob sich der Beklagte dort konkret am 23.10.2018 aufhielt und ein Schriftstück entgegennahm. Soweit der Zeuge M… konkret bekunden sollte, am 23.10.2018 habe sich dort um die Mittagszeit niemand aufgehalten, ist er dafür kein geeignetes Beweismittel, denn seine Aussage setzte voraus, dass er selbst zur fraglichen Zeit nicht vor Ort war, weswegen er auch nichts zur Frage bekunden könnte, ob andere sich dort (nicht) aufhielten.

2. Die außerordentliche und fristlose Kündigung vom 19.10.2018 beendete das Mietverhältnis mit Zugang beim Beklagten am 23.10.2018 fristlos, weil der Kündigungsgrund aus § 543 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB vorlag. Der Beklagte war für mindestens zwei aufeinanderfolgende Termine mit der Entrichtung der Miete im Verzug.

Er hatte die Monatsmieten für Juni, Juli, August, September und Oktober 2018 nicht gezahlt. Auch wenn man die Miete für Juni und Juli 2018 nicht berücksichtigt, weil der Beklagte nach seinem Vortrag auf Seite 2 des Schriftsatzes seines Prozessbevollmächtigten vom 15.02.2019 (Bl. 26 dA) erst Mitte Juli 2018 die Schlüssel zum Mietobjekt erhalten hat (vgl. auch den letzten Satz des 2. Absatzes des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils), verbleiben die Monate August, September und Oktober 2018, für welche der Beklagte die Miete nicht gezahlt hat.

Damit sind die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3a BGB zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung mit Zugang beim Beklagten gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 BGB (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 24.09.2018, 5 U 1055/18, ZMR 2019, 580) erfüllt. In der Zeit vom 01.06.2018 bis zum 31.05.2019 hatte der Beklagte keine Grundmiete zu zahlen, so dass die Gesamtmiete sich lediglich aus den Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von monatlich 595,00 € brutto zusammensetzte.

Der Beklagte kann dem nicht entgegenhalten, er habe durch die Ausführung von Umbauarbeiten die Grundmiete erbracht bzw. geleistet, so dass in Bezug auf die Gesamtmiete allenfalls ein geringfügiger Rückstand in Höhe der Nebenkostenvorauszahlungen entstanden sein könne, aus welchem sich ein Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB nicht ergebe. Ein solcher Einwand könnte allenfalls dann berechtigt sein, wenn sich nach der vertraglichen Vereinbarung eine Grundmiete einerseits und eine Vergütung für den Beklagten für die Umbauarbeiten andererseits gegenüberstehen würden, welche dann miteinander verrechnet werden würden. Eine solche Regelung enthält der Mietvertrag vom 30.05.2018 aber nicht. Dort ist zwar die Verpflichtung des Beklagten als Mieter zur Ausführung bestimmter Sanierungsarbeiten enthalten, die in der Anlage zum Mietvertrag beschrieben werden. Den Arbeiten wird aber weder ein Wert zugeordnet noch gibt es einen zeitlichen Rahmen für die Ausführung der Sanierungsarbeiten. Dementsprechend kann den Arbeiten des Beklagten von vornherein kein konkreter Vergütungsanspruch zugeordnet werden und damit eine Zuordnung zu einer bestimmten Grundmiete von vornherein nicht erfolgen.

3. Der Umstand, dass die Klägerin den Beklagten vor der außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges nicht abgemahnt hat, steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, weil eine vorherige Abmahnung gemäß § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB in den Fällen der Kündigung wegen Zahlungsverzuges entbehrlich ist.

Dies hat auch das Landgericht im angefochtenen Urteil erkannt, allerdings ausnahmsweise nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB eine Verpflichtung der Klägerin als Vermieterin angenommen, den Beklagten als Mieter entgegen der gesetzlichen Regelung in § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BGB vor Zahlungsverzugskündigung abzumahnen. Auch wenn aber die Rechtsprechung im Einzelfall eine solche Pflicht zur Abmahnung aus Treu und Glauben nach § 242 BGB anerkennt (vgl. zu diesem Ausnahmefall Alberts in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 543 BGB Rn. 71), liegt im vorliegend zu beurteilenden Fall eine solche Ausnahmekonstellation nicht vor.

Wenn nämlich dieser Ausnahmetatbestand in der bisherigen Rechtsprechung angewendet worden ist, beruhte dies auf besonderen Umständen des Falles, in denen eine Unsicherheit bezüglich des Vertragspartners, an den die Miete zu zahlen war, bzw. bezüglich des Zahlungsweges bestand (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 24.04.1998, 33 U 97/97, BeckRS 1998, 4446 – versehentliche Einstellung eines Dauerauftrages; Beschluss vom 24.08.2016, 30 U 61/16, BeckRS 2016, 125773 – fehlende Kenntnis der Bankverbindung des neuen Vermieters; OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.03.2004, 10 U 109/03, NZM 2004, 786 – dem Hauptpächter nicht bewusster Zahlungsverzug des direkt an den Verpächter zahlenden Unterpächters).

So liegt aber der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt nicht. Es konnte sich zunächst im Mietverhältnis der Parteien kein Vertrauen auf die Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Beklagten als Mieter durch ein reibungslos laufendes Mietverhältnis entwickeln, weil hier bereits zu Beginn des Mietverhältnisses der Mietrückstand eintrat. Weiterhin gab es im vorliegenden Falle keine mit den genannten Beispielen vergleichbaren Umstände, wonach sich der Klägerin als Vermieterin aufdrängen musste, dass der Beklagte lediglich versehentlich nicht zahlte.

4. Die Klägerin kann auf Herausgabe des Mietobjektes an die D… GmbH klagen, denn die Veräußerung des Grundstückes, auf dem sich das Mietobjekt befindet, erfolgte nach Rechtshängigkeit der Klage, so dass §§ 265, 325 ZPO Anwendung finden (vgl. RG, Urteil vom 03.05.1921, III 485/20, RGZ 102, 177, 179 f.; BGH, Urteil vom 16.12.2009, VIII ZR 313/08, NJW 2010, 1068 Rn. 20; Gsell, WuM 2012, 411, 416).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 7, 10, 711, 709 S. 2 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren auf §§ 48, 47, 41 Abs. 2 GKG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO nicht gegeben sind.

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