OLG Koblenz – Az.: 12 U 2229/19 – Beschluss vom 16.06.2020
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 18.11.2019, Az. 4 O 104/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 03.07.2020.
Gründe
Das mit Vereinbarung vom 02.04.2009 begründete Pachtverhältnis über den streitgegenständlichen Grundbesitz der klägerischen Gemeinde ist durch ordentliche Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 31.08.2018 wirksam beendet worden.
Entgegen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts geht der Senat davon aus, dass nicht schon die mit Schreiben vom 17.07.2018 durch die Verbandsgemeindeverwaltung …[Z] ausgesprochene fristlose Kündigung das Pachtverhältnis beendet hat. Insoweit fehlt es bereits an der funktionellen Zuständigkeit der die Kündigung aussprechenden Verbandsgemeindeverwaltung, so dass die weitere Frage, ob bereits zum Zeitpunkt dieses Kündigungsausspruchs Gründe vorlagen, die eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung als unzumutbar erscheinen ließen, nicht zu prüfen war. Soweit das Landgericht hinsichtlich der Befugnis der Verbandsgemeindeverwaltung, die Kündigung auszusprechen, auf § 68 der Gemeindeordnung für Rheinland-Pfalz (im Folgenden GemO) verweist, vermag der Senat dieser rechtlichen Beurteilung nicht zu folgen. Dem Ortsbürgermeister als Vertreter der Ortsgemeinde nach außen hin obliegt der Abschluss privatrechtlicher Geschäfte für die Gemeinde und damit auch deren Beendigung (Hofmann/Beth/Dreibus, Die Kommunalgesetze für Rheinland-Pfalz, Bd. I, § 68 GemO Rdn. 2; PdK; RhPf B-1, GemO § 68 5.6, beck-online).
Mithin war die Kündigungserklärung vom 17.07.2018 rechtsunwirksam, unabhängig von der Beantwortung der Frage, inwieweit der dieses Kündigungsschreiben unterzeichnende …[A] als Beauftragter die Verbandsgemeindeverwaltung in dieser Angelegenheit wirksam vertreten konnte.
Eine wirksame Beendigung des streitgegenständlichen Pachtverhältnisses wurde jedoch durch die ordentliche Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 31.08.2018 zum 31.03.2019 herbeigeführt. Rechtsanwalt …[B] war insoweit durch die – dem Kündigungsschreiben unstreitig beigefügte – von dem Ortsbürgermeister …[C] erteilte Vollmacht zum Kündigungsausspruch berechtigt.
Soweit die Beklagten der Wirksamkeit dieser Kündigung mit der Begründung entgegentreten, der seinerzeit außergerichtlich tätige Rechtsanwalt …[B] sei nicht ordnungsgemäß bevollmächtigt gewesen, da der Gemeinderat der Kündigung des Vertragsverhältnisses nicht im Vorfeld zugestimmt habe, jedenfalls bei – nicht erfolgter – ordnungsgemäßer Unterrichtung die Kündigung nicht gebilligt hätte, vermag der Senat dieser Argumentation nicht zu folgen. Der Ortsbürgermeister ist als Vertreter der Gemeinde nicht nur Stellvertreter im Sinne der §§ 164 ff. BGB. Er ist vielmehr notwendiges Organ der Gemeinde als juristische Person, die durch den Bürgermeister erst handlungsfähig wird. Allein der Bürgermeister oder der zuständige Beigeordnete als sein gesetzlicher Vertreter ist als Organ der Gemeinde in der Lage, für sie nach außen hin Rechtshandlungen vorzunehmen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Aufgaben handelt, deren Erledigung der vorherigen Zustimmung des Gemeinderats bedarf. Seine Rechtshandlungen wirken unmittelbar für und gegen die Gemeinde, ohne dass dafür jeweils eine besondere Ermächtigung oder Vollmacht erforderlich ist. Interne Zuständigkeitsregelungen schränken zwar die Befugnis, nicht aber die Macht zur Außenvertretung ein (vgl. Hofmann/Beth/Dreibus, die Kommunalgesetze für Rheinland-Pfalz, Bd. I, § 47 GemO an Nummer 2). Mithin konnte der Ortsbürgermeister vorliegend die fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses auch ohne entsprechende Ermächtigung durch den Gemeinderat nach außen hin rechtswirksam vornehmen und Rechtsanwalt …[B] mit der Durchführung der hierfür erforderlichen Rechtshandlungen beauftragen.
In formeller Hinsicht scheitert die Wirksamkeit der Kündigungserklärung vom 31.08.2018 entgegen dem Einwand der Beklagten auch nicht daran, dass sie gegenüber der Beklagten zu 2., der …[D] ausgesprochen wurde bzw. das Kündigungsschreiben an die zu diesem Zeitpunkt allein die …[D] vertretende Verfahrensbevollmächtigte gerichtet war. Die Beklagten selbst haben in diesem Zusammenhang mit Schriftsatz vom 09.07.2019 (Bl. 33 d.A.) ausführen lassen:
„Einige Tage nach Unterzeichnung des Pachtvertrages haben die Pachtvertragsparteien am 09.04.2009 eine Ergänzung des Pachtvertrages vereinbart. Danach wurde klargestellt, dass der Klägerin bekannt ist, dass der Beklagte zu 1. den Betrieb des Hochseilgartens und Niedrigseilgartens unter der Geschäftsbezeichnung „…[E]“ betreibt. In der Ergänzungsvereinbarung wurde klargestellt, dass die „Firma …[E]“ den Betrieb weiterführen kann, auch wenn der Beklagte zu 1. nicht mehr für diese Firma tätig ist. Im Jahre 2013 ist die Beklagte zu 2., die …[D], gegründet worden. Diese hat den Betrieb übernommen. Damit war und ist die Beklagte zu 2. (im Schriftsatz irrtümlich als Beklagte zu 1. bezeichnet, Anm. des Senats) berechtigt, die Örtlichkeiten zu nutzen, wobei der Beklagte zu 1. Vertragspartner der Klägerin blieb.“
Auch wenn die beklagtenseits behauptete ergänzende vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien streitig ist, ist die Beklagte zu 2. aus Sicht der Beklagten berechtigt, aus dem Pachtverhältnis mit der Klägerin eigene, selbstständige Rechte herzuleiten, die auch dann fortbestehen sollen, wenn der Beklagte zu 1. „nicht mehr für die Firma tätig ist“. Die Beklagten können sich daher nicht darauf berufen, die Kündigung sei in formell fehlerhafter Weise gegenüber der Beklagten zu 2. und nicht gegenüber dem Beklagten zu 1. als alleinigem Vertragspartner erklärt worden. Auch der Beklagte zu 1. muss sich diese Kündigungserklärung in rechtlich verbindlicher Weise zurechnen lassen.
Gemäß § 2 Nr. 2 des Pachtvertrages war die Klägerin somit berechtigt, mit Schreiben vom 31.08.2018 die ordentliche Kündigung des Vertragsverhältnisses unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist zum 31.03.2019 auszusprechen.
Ob darüber hinaus bereits die mit gleichem Schreiben erklärte fristlose Kündigung das Vertragsverhältnis beendet hat, erscheint fraglich, bedarf jedoch für die Beurteilung der den Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens bildenden Klageansprüche keiner abschließenden Entscheidung. Problematisch und von dem Senat aufgrund des Klagevortrags nicht sicher zu beurteilen ist im Zusammenhang mit dem Ausspruch der fristlosen Kündigung die Frage, wann die Klägerin überhaupt Kenntnis von dem aus ihrer Sicht unzulänglichen, gefahrträchtigen Zustand betreffend den Hoch- und Niedrigseilgarten erlangt hat. Nur bei Kenntnis dieser zeitlichen Einordnung könnte beurteilt werden, ob die mit anwaltlichem Schreiben vom 31.08.2018 erklärte außerordentliche Kündigung innerhalb angemessener Zeit nach Kenntniserlangung von den vermeintlichen Unzulänglichkeiten erfolgt ist oder ob durch längeres Zuwarten i. S. e. „Selbstwiderlegung“ erkennbar wird, dass der Klägerin die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist noch zumutbar war. Dies gilt in gleicher Weise für die Behauptung, durch die mangelhafte Pflege oder die Beschädigung des Baumbestandes oder die unzureichende Wartung der Klettergeräte sei die Sicherheit der Besucher gefährdet. Sofern die klägerseits behauptete Gefahrenlage eine fristlose Kündigung des Pachtverhältnisses im Hinblick auf den verstrichenen Zeitraum nicht mehr gerechtfertigt hätte, wäre die Klägerin gehalten gewesen, wie von ihr angekündigt (Schreiben vom 17.07.2018, Anlage K 13), die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen auf Kosten der Beklagten selbst vornehmen zu lassen oder auf eine Durchsetzung der bereits veranlassten bauaufsichtlichen Verfügung der Kreisverwaltung …[F] (Anlage K8) hinzuwirken. Einer Entscheidung dieser Problematik und einer im Zuge dessen gegebenenfalls erforderlichen Durchführung einer Beweisaufnahme über die klägerseits behaupteten Vertragsverletzungen bedurfte es jedoch vorliegend nicht, da das Pachtverhältnis jedenfalls durch die ordentliche Kündigung mit Schreiben vom 31.08.2018 zum 31.03.2019, und damit vor Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz, wirksam beendet wurde, so dass der Räumungsausspruch durch das Landgericht in der Sache gerechtfertigt war.
Nur ergänzend, ohne dass es hierauf für die rechtliche Beurteilung ankommen würde, weist der Senat darauf hin, dass auch die nachfolgende fristlose Kündigung des Pachtvertrages mit anwaltlichem Schreiben vom 24.06.2019 gemäß §§ 581 Abs. 2 i. V. m. 543 Abs. 1 BGB zu einer Beendigung des Pachtvertrages geführt hätte.
Nach § 543 BGB kann jede Vertragspartei das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen, wobei ein wichtiger Grund immer dann vorliegt, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. So liegt der Fall hier.
Das zwischen den Parteien begründete Pachtverhältnis war, ausgehend von dem Verhalten der Beklagten, bei Ausspruch der fristlosen Kündigung am 24.06.2019 jedenfalls durch ehrverletzende rechtswidrige Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin bzw. ihrer Vertretungsorgane in einem Maße beschädigt, das es auf Seiten der Klägerin nicht mehr als tragbar erscheinen ließ, dieses Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Die Beklagte zu 2. hat die Klägerin bzw. deren Organe in schwerwiegender Weise beleidigt. So hat die Beklagte zu 2. mit E-Mail-Schreiben vom 19.06.2019 an die E-Mail-Adresse der Klägerin folgende Äußerung getätigt: „Haben sie her gelernt :)“)https://www…./ „. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, handelt es sich bei dem Hinweis auf die Institution „…“ um eine Anspielung auf ein ehemaliges Schulungszentrum für den Nachwuchs des NSDAP-Führungskaders. Mit der E-Mail vom 19.06.2019 wird insoweit zum Ausdruck gebracht, dass die Klägerin bei der Regelung der Angelegenheiten um das streitgegenständliche Pachtverhältnis mit Methoden vorgehe, die denjenigen des NS-Terrorsystems glichen. Die Beklagte zu 2. hat die Handlungsweise der Klägerin bzw. ihrer Repräsentanten bei der Regelung von Verwaltungsangelegenheiten und damit letztlich auch deren Gesinnung und innere Haltung auf die gleiche Stufe gestellt wie die von NS-Verbrechern. In dieser Äußerung ist eine schwerwiegende Beleidigung in Form einer sogenannten „Schmähkritik“ enthalten, verbunden mit dem tiefgreifenden Vorwurf eines willkürlichen, von Rücksichtslosigkeit und Machtgier getragenen Verhaltens, so dass der mit einem solchen Vorwurf konfrontierten Klägerin eine Fortsetzung der vertraglichen Beziehungen auch nicht mehr bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre. Dabei verkennt der Senat nicht, dass Äußerungen, die zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht werden oder solche, die aus einer Provokation heraus oder im Zusammenhang mit einer bereits vorgegebenen streitigen Atmosphäre erfolgen oder einer momentanen, vereinzelt gebliebenen Unbeherrschtheit entspringen, nicht schon automatisch einen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen. Jedoch besteht im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aller bei der Beurteilung des Verhaltens auf Beklagtenseite zu berücksichtigenden Wertungsmerkmale und der Tatsache, dass die diskriminierende Äußerung jeglichen Sachbezug zu der zivilrechtlichen Auseinandersetzung vermissen lässt, vorliegend kein Zweifel daran, dass die Aufrechterhaltung der Vertragsbeziehung zu den Beklagten auch für den Zeitraum bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht zumutbar gewesen wäre. Trotz der angespannten Atmosphäre zwischen beiden Parteien war die diffamierende und herabsetzende Äußerung mit E-Mail-Schreiben vom 19.06.2019 keineswegs einer momentanen, unüberlegten Reaktion der Beklagten entsprungen. Sie war vielmehr Ausdruck einer tiefgreifenden Missachtung, die in nur wenig geringerer Schärfe auch bereits Eingang in die der Klägerin am Vortag übersandte E-Mail gefunden hatte, in der mit einem Reigen an Lachgesichtern und „haha-Ausrufen“ das rechtliche Vorgehen der Klägerin ins „Lächerliche“ gezogen werden sollte und signalisiert wurde, dass keine Bereitschaft bestehe, im Hinblick auf eine Regelung der vertraglichen Beziehungen zu einer sachlichen Ebene zurückzukehren.
Spätestens aufgrund der E-Mail-Schreiben der Beklagten vom 18. und 19.06.2019 waren hinreichende Gründe für eine fristlose Kündigung des Vertragsverhältnisses nach §§ 581 Abs. 2 i. V. m. 543 Abs. 1 BGB gegeben, so dass der Pachtvertrag, wäre er nicht bereits durch ordentliche Kündigung zum 31.03.2019 beendet worden, jedenfalls aufgrund der fristlosen Kündigung mit anwaltlichem Schreiben vom 24.06.2019 sein Ende gefunden hätte. Das Landgericht hat die Beklagten somit im Ergebnis zu Recht gemäß §§ 581 Abs. 2 i. V. m. 546 BGB zur Räumung und Herausgabe des streitgegenständlichen Grundbesitzes verurteilt.
Darüber hinaus sind die Beklagten verpflichtet, auch die der Klägerin entstandenen Kosten für die erforderliche und zweckmäßige vorgerichtliche Inanspruchnahme des Prozessbevollmächtigten zu tragen.
Zu Recht hat das Landgericht die Beklagten schließlich verurteilt, an die Klägerin bis zur Räumung des Pachtgegenstandes eine Nutzungsentschädigung in Höhe des vertraglich vereinbarten Entgelts von jährlich 100,00 € zu zahlen. Soweit die Beklagten geltend machen, dieser Klageantrag sei nicht hinreichend bestimmt, da nicht auf einen bestimmten Leistungsbetrag gerichtet, vermag sich der Senat diesem Einwand nicht anzuschließen. Die Klägerin hat auf Zahlung eines bestimmten wiederkehrenden Betrages angetragen. Dieses Leistungsbegehren trägt den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend Rechnung. Der Gesamtbetrag der von den Beklagten zu erbringenden Leistung war nicht näher bestimmbar, da der Zeitpunkt der tatsächlichen Räumung des streitgegenständlichen Grundbesitzes durch die Beklagten insoweit ungewiss war und ist.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme des Rechtsmittels nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
Der Senat beabsichtigt, den Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren auf bis zu 6.000,00 € festzusetzen.