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Fristsetzung zur Mietmängelbeseitigung während eines laufenden Beweissicherungsverfahrens

AG Hamburg-Barmbek – Az.: 817 C 71/10 – Urteil vom 21.04.2011

I. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger als Gesamtgläubiger € 1.352,61 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.05.2010 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger zu 88 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 12 % zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Kläger als ehemalige Mieter begehren von den Beklagten als den ehemaligen Vermietern anteilige Rückzahlung wegen behaupteter Lärmbelästigung unter Vorbehalt gezahlter Mieten, Rückzahlung restlicher Mietsicherheit sowie Schadenersatz wegen fristloser Kündigung wegen Verzugs mit der Mängelbeseitigung am Mietobjekt.

Die Kläger waren Mieter, die Beklagten waren Vermieter einer Wohnung im Hause B.-Weg …, … H.. Zu Beginn des Mietverhältnisses leisteten die Kläger eine Mietsicherheit in Höhe von DM 4.500,00. Mit Schreiben vom 12.11.2008 zeigten die Kläger den Beklagten einen Mangel in Gestalt eines nächtlichen Pfeifgeräusches an, behielten sich ihr Recht zur Mietminderung vor und erklärten die Mieten von nun an unter Vorbehalt zu zahlen. Ferner baten sie um Abhilfe bis zum 12.12.2008. Wegen des Wortlauts des Schreibens wird auf die Anlage K3 Bezug genommen. Die Beklagten zeigten sich mit einer Begutachtung durch einen Sachverständigen einverstanden. Wegen des Ergebnisses der Begutachtung wird auf das als Anlage K5 eingereichte Sachverständigengutachten Bezug genommen. Mit Schreiben vom 27.05.2009 kündigten die Kläger das Mietverhältnis zum 30.06.2009. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K2 Bezug genommen. Die Kläger gaben den Schlüssel Ende Juni 2009 an die Prozessbevollmächtigten der Beklagten heraus. Die Kläger mieteten eine Wohnung in der A.-Straße … in H. an. Unter dem 17.08.2009 rechneten die Beklagten über die Mietsicherheit ab, die sich unter dem 31.08.2009 auf € 3.633,71 belief. Die Beklagten behielten einen Betrag in Höhe von € 1932,30 ein. Dieser Betrag entspricht der Höhe zweier Monatsmieten für Juli und August 2009. Insoweit verlangen die Kläger mit der Klage Auszahlung restlicher Kaution.

Die Kläger behaupten, dass sie seit ihrer Rückkehr aus dem Sommerurlaub 2008 regelmäßig in der Nacht gegen etwa 01:00 Uhr oder 03:00 Uhr morgens, gelegentlich gegen 05:00 Uhr morgens durch ein Pfeifgeräusch geweckt würden. In den Wohnräumen sei ein lautes, störendes, pfeifendes Geräusch zu vernehmen. Wegen der Einzelheiten wird auf das als Anlage K 4 geführte Lärmprotokoll Bezug genommen. Der Schlafentzug aufgrund des Pfeiftons hätte sowohl für die Kläger als auch für deren Tochter erhebliche Gefährdungen für die Gesundheit bedeutet. Die Kläger behaupten ferner, die Miete für die neue Wohnung in der A.-Straße … sei wenigstens € 218,85 monatlich höher als die Miete in der Wohnung im B.-Weg …. Außerdem sei eine Wohnungsvermittlungsgebühr für die neue Wohnung in Höhe von € 2.082,50 angefallen sowie Umzugskosten in Höhe von € 562,00.

Die Kläger vertreten die Ansicht, die Beklagten seien zur Erstattung der Mietdifferenz für die neue Wohnung in Höhe von monatlich € 218,85 für 24 Monate also € 5.252,40, der Wohnungsvermittlungsgebühr in Höhe von € 2.082,50 sowie der Umzugskosten in Höhe von 562 € unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen schuldhaft verzögerter Mängelbeseitigung und der dadurch veranlassten fristlosen Kündigung verpflichtet. Im Übrigen seien sie wegen der Lärmbelästigung in der Wohnung durch das nächtliche Pfeifgeräusch zu einer Minderung der monatlichen Miete von 20 % berechtigt, monatlich € 193,23 für sieben Monate für den Zeitraum von November 2008 bis Juni 2009 mithin € 1.352,61.

Die Kläger beantragen, die Beklagten zu verurteilen, an sie € 11.181,81 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2010 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten vertreten die Ansicht, dass die Kläger wegen des einvernehmlich durchgeführten selbstständigen Beweisverfahrens nicht berechtigt seien, das Mietverhältnis wegen des behaupteten Mangels im Wege außerordentlicher fristloser Kündigung zu beenden. Durch die Kündigung sei das Mietverhältnis erst mit Ablauf des Monats August 2009 beendet worden.

Gemäß Beschluss vom 27.01.2011 hat das Gericht Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …, … und … .

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2011, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage hat in der Sache nur teilweise Erfolg.

1.

Die Kläger haben einen Rückzahlungsanspruch aus §§ 536 Abs. 1, 812 Abs. 1 Satz 1 BGB für die gezahlten Monatsmieten von November 2008 bis Juni 2009 in Höhe von € 1.352,61. Die von den Klägern behaupteten nächtlichen Pfeifgeräusche stellen einen erheblichen Mangel dar, der zu einer Minderung in Höhe von 20 % der Bruttomiete berechtigt. Im Hinblick auf die Bedeutung des Nachtschlafs für die Gesundheit der Mieter und die Schwere der Beeinträchtigung, die häufig an mehreren Tagen in der Woche mehrmals nächtlich für längere Zeiträume auftrat, ist eine Minderung in dieser Höhe angemessen.

Die Kläger haben das Auftreten der Pfeifgeräusche in der Wohnung zur Überzeugung des Gerichts durch die glaubhaften Aussagen der Zeugen … bewiesen. Die Aussage der Zeugin … bestätigt im Wesentlichen das elterliche Lärmprotokoll. Die Aussagen der Zeugen … bestätigen nur das Auftreten des Geräuschs an einzelnen nicht mehr datumsmäßig zu bestimmenden Tagen, sie haben aber insofern besondere Bedeutung, als durch diese Aussage von weitgehend neutralen Zeugen das wiederholte Auftreten des Geräuschs bestätigt wird.

Die Zeugin … hat ihre Bekundungen sachlich, in sich widerspruchsfrei und unter Nennung einiger Details gemacht. Sie nannte im Einzelnen die Zimmer, die sie begangen hatte und beschrieb die näheren Umstände ihrer Besichtigung. Ihre Aussage wirkt ausgewogen und um Objektivität bemüht. Sie versuchte das Geräusch zu beschreiben, indem sie es mit dem Pfeifton eines Wasserkessels verglich und betonte gleichzeitig, dass es nicht so laut gewesen sei, sondern lediglich wahrnehmbar. Ihr Aussageverhalten wirkte freimütig. Sie gab an, etwas aufgeregt zu sein und sie legte gegenüber dem Gericht spontan die Beziehung, in der sie zu den Klägern stand, offen, indem sie angab, man kenne sich über die Kinder. Ferner legte sie ungefragt offen, dass sie von den Klägern gebeten worden war, eigens in die Wohnung zu kommen, um später als Zeugin Angaben über ein Pfeifgeräusch machen zu können. Zweifel an der Wahrnehmungsfähigkeit und Wahrnehmungsbereitschaft der Zeugin bestehen nicht, da sie extra gebeten worden war, in die Wohnung zu kommen und das Geräusch zu hören, um hierzu unter Umständen in einem späteren Prozess eine Aussage zu machen. Für die Glaubwürdigkeit der Zeugin spricht auch, dass sie keine Versuche unternimmt, ihre Aussage auf Nachfragen gewissermaßen zu verteidigen. Sie hat Erinnerungslücken zu wesentlichen Umständen eingeräumt hat. So konnte sie sich an die exakten Daten ihrer Besichtigung nicht mehr erinnern. Sie räumt ebenso ein, keine weiteren Versuche gemacht zu haben, die Geräusche zu orten.

Die Glaubhaftigkeit der Aussage wird weiter untermauert durch die Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen …. Diese ist ebenfalls glaubhaft. Sein Aussageverhalten wirkt unbefangen und um Objektivität bemüht, da er nicht versucht, das Geräusch als besonders dramatisch darzustellen, sondern es als „unterschwellig wahrnehmbar” beschreibt und angibt, er sei noch ein weiteres Mal in der Wohnung gewesen, als kein Geräusch wahrnehmbar war. Auch er legt ungefragt die Beziehung, in der er zu den Klägern steht, nämlich dass man sich über die Kinder kenne, offen und berichtet ohne Nachfrage, wie es dazu kam, dass er die Geräusche wahrgenommen hat. Soweit er sich an die Daten seiner Besichtigung erinnert, kann er dies konkret anhand von Geburtstagen begründen; im Übrigen räumt er Erinnerungslücken offen ein und begründet diese durch seine schwierige persönliche Situation, da sein Vater in diesem Zeitraum im Wachkoma gelegen habe und er aus diesem Grund ständig unterwegs zwischen verschiedenen Orten gewesen sei.

Die Aussagen der Zeugen … lassen sich auch mit der Aussage der Zeugin … in Einklang bringen.

Zwar kann gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Tochter der Kläger angeführt werden, dass sie gewissermaßen in deren Lager steht und ein höheres Interesse an einem für ihre Eltern positiven Ausgang des Verfahrens hat, als andere Zeugen. Für ihre Glaubhaftigkeit spricht jedoch, dass ihre Aussage mit den Aussagen der Zeugen … in Einklang steht, ohne dass die Aussagen abgesprochen wirken. Die Aussage der Zeugin … ist von ihrem besonderen Beobachterstatus geprägt, da sie sich genauso wie ihre Eltern nachts stets in der Wohnung befand. Dass die Zeugin sich aus diesem Grunde weniger an einzelne Ereignisse erinnert, erscheint daher nachvollziehbar. Sie räumt Erinnerungslücken offen ein, was gerade im Hinblick auf die Gleichartigkeit des sich immer wiederholenden Geschehens und die inzwischen vergangene Zeitspanne von knapp drei Jahren verständlich ist.

Die Aussagen der Zeugen werden auch nicht durch das Gutachten vom 13.11.2009 Anlage K5 des Sachverständigen … in dem selbständigen Beweisverfahren entkräftet. Zwar hat der Gutachter anlässlich seiner Begehung kein Geräusch wahrgenommen. Diese Begehung dauerte aber auch nur eine gute Stunde und auch nach der Behauptung der Kläger traten die Geräusche nicht dauerhaft und nicht exakt zu den gleichen Zeiten auf. Hinzu kommt, dass vor der Begehung durch den Sachverständigen ein korrodierter Druckregler ausgetauscht worden ist.

2.

Der Anspruch der Kläger auf Rückzahlung der restlichen Kaution in Höhe von € 1.932,30 nach Beendigung des Mietverhältnisses gegen die Beklagten besteht nicht mehr. Er ist durch Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Die Beklagten erklärten am 17.08.2009 die Aufrechnung mit ihren Ansprüchen auf Zahlung der Miete für die Monate Juli und August 2009. Der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Miete für Juli und August 2009 ergibt sich aus § 535 Abs. 2 BGB. Das Mietverhältnis bestand in diesem Zeitraum auch noch fort. Es ist nicht durch die außerordentliche fristlose Kündigung der Kläger zum 30.06.2009 beendet worden.

Den Klägern stand ein Recht zur außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 27.05.2009 nicht zu.

Insoweit dürfte es bereits an einem wichtigen Grund im Sinne des § 543 Abs. 1 S. 2 BGB fehlen. Nachdem die Kläger das Auftreten des Geräuschs bereits nach dem Sommerurlaub 2008 feststellten und gegenüber den Beklagten mit Schreiben vom 12.11.2008 angezeigt hatten, haben sie es über einen so langen Zeitraum hingenommen, dass nicht ersichtlich ist, weshalb sich daraus fast sechs Monate später ein Recht zur fristlosen Kündigung ergeben soll. In Anbetracht der inzwischen verstrichenen Zeit wäre es ihnen zuzumuten gewesen, auch noch die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten. Hinzu kommt, dass sie die Beklagten auch nicht gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung unter Fristsetzung zur Abhilfe aufgefordert hatten.

Jedenfalls war die fristlose Kündigung wegen Verstoßes gegen das Gebot von Treu und Glauben aus § 242 BGB ausgeschlossen. Im Hinblick auf das von den Klägern und den Beklagten einvernehmlich angestrengte Beweissicherungsverfahren und das daraus für beide Seiten resultierende Verbot von Veränderung an der Mietsache, mussten die Kläger den Ausgang des Beweissicherungsverfahrens und das Ende des Veränderungsverbotes zunächst abwarten, bevor sie den Beklagten abermals eine Frist gemäß § 543 Abs. 3 S. 1 BGB zur Mängelbeseitigung setzen konnten (s. dazu auch Blank in Schmidt-Futterer, MietR, 9. Aufl. § 543 BGB Rn. 33). Sie würden sich durch eine fristlose Kündigung in Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten, zunächst ein Beweissicherungsverfahren durchführen zu wollen, setzen.

3.

Die Kläger haben keine Schadensersatzansprüche aus § 536 a BGB gegen die Beklagten.

Es fehlt am Verzug der Beklagten mit der Beseitigung des Mangels, da sie vor Ablauf des Beweissicherungsverfahrens nicht zu Veränderungen an der Mietsache berechtigt waren.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 Satz 2 ZPO.

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