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Gebrauchsregelung bei Wohnungseigentum – Duldung des Abstellens von Fahrrädern

LG Hamburg 18. Zivilkammer – Az.: 318 S 268/10 – Urteil vom 11.01.2012

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 9. November 2010 – Az. 102 d C 21/10 – abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin ist Mitglied der Beklagten, einer Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Wohngebäude sich über drei Straßenzüge in H.-N. erstrecken. Die Klägerin erstrebt von dieser die Duldung des Abstellens von Fahrrädern auf dem Vorhof zu den gemeinschaftlichen Häusern H. sowie die Entfernung von dort angebrachten Verbotsschildern.

Wegen des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO), der keiner Ergänzung bedarf.

Das Amtsgericht hat die Beklagte mit seinem Urteil vom 9. November 2010 (Bl. 99 d. A.) antragsgemäß verurteilt. In den Entscheidungsgründen hat es dazu ausgeführt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, der Klägerin das Abstellen ihres Fahrrades zu verbieten; die Klägerin sei berechtigt, ihr Fahrrad auf dem Vorhof des Hauses H. abzustellen bzw. zu parken.

Durch das ihr zurechenbare Handeln ihrer Verwaltung – Anbringung der Verbotsschilder im Vorhof des Hauses H. – greife die Beklagte rechtswidrig in die Rechte der Klägerin ein. Diese habe auch einen Anspruch, diesen Eingriff in ihre Rechte abzuwehren.

Gebrauchsregelung bei Wohnungseigentum - Duldung des Abstellens von Fahrrädern
Symbolfoto:Von Nomad_Soul/Shutterstock.com

Jeder Eigentümer habe nach den §§ 15 Abs. 3 WEG, 1004 BGB einen eigenen und direkten Anspruch gegen den Störer auf Unterlassung der Störung. Dieser Abwehranspruch sei darauf gerichtet, dass der oder die störenden Wohnungseigentümer einen unzulässigen Gebrauch des Sondereigentums oder des Gemeinschaftseigentums unterlassen oder einen störenden Gebrauch beendigen würden. Jeder Sondereigentümer könne daher einen gemeinschaftskonformen Gebrauch auch des Gemeinschaftseigentums verlangen. Vorliegend würden die Eigentümerrechte der Klägerin dadurch gestört werden, dass die Gemeinschaft, handelnd durch das ihr zurechenbare Handeln ihrer Verwaltung, eine Nutzung des Gemeinschaftseigentums (vgl. zur Lage der Örtlichkeiten Anlage B2, Bl. 39 d. A.) durch die Klägerin durch das Abstellen ihres Fahrrades unter Androhung des Entfernens dadurch störe, dass sie Verbotsschilder mit Sanktionsandrohung angebracht habe. Dafür gebe es keine Rechtsgrundlage, auch nicht durch Mehrheitsbeschluss. Ausgangspunkt der zulässigen Nutzung sei § 13 Abs. 2 WEG, wonach jeder Eigentümer in den Schranken der §§ 14, 15 WEG zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt sei. Aus der Hausordnung (vgl. Anlage K1, Bl. 23 d. A., zurückgehend auf einen Beschluss der Eigentümerversammlung vom 9. Juni 2008) ergebe sich nichts für das hier streitgegenständliche Verbot; Fahrräder seien keine Kleinkrafträder oder ähnliche Fahrzeuge und das Abstellen von Fahrrädern decke sich auch nicht mit dem bloßen Anschließen derselben an Geländern sowie Gebäude- oder Grundstücksteilen. Der gesamte Vorhof (vgl. Lichtbilder gemäß Anlage B11, Bl. 84 d. A.) könne nicht als Hofeingang betrachtet werden, sondern allenfalls ein Teilbereich davon. Die Beklagte habe keinen Beschluss und keine Vereinbarung dargetan, aus dem/der sich ergebe, dass das Abstellen von Fahrrädern im Vorhof kategorisch untersagt sei.

Die von der Klägerin begehrte und durch das Verbotsschild untersagte Nutzung überschreite, so das Amtsgericht weiter, auch nicht die Grenzen des § 14 Ziff. 1 WEG. Nach den Ergebnissen des Ortstermins (vgl. dazu Protokoll vom 2. September 2010, Bl. 75 d. A.) führe die begehrte Nutzung nicht zu einem Nachteil für die übrigen Wohnungseigentümer. Auch deren Interesse an einem ungehinderten und unbeeinträchtigten Zugang zu den Hauseingängen an dem ausreichend großen Vorhof könne gewahrt werden. Beide Interessen – die der Klägerin und die der übrigen Eigentümer – könnten nebeneinander realisiert werden, ohne dass es zwingend zu gegenseitigen Beeinträchtigungen komme. Es sei eine Frage der zweckmäßigen Ausgestaltung der Nutzung. Auf einen möglichen Missbrauch der Rechte sei hier nicht abzustellen.

Auch der Umstand, dass in einiger Entfernung von den Hauseingängen des Hauses H. ein Innenhof mit Fahrradstellplätzen und der Zugang zum Fahrradkeller belegen seien, begründe keine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung durch das Abstellen von Fahrrädern auf dem Vorhof. Es gebe für letzteres – etwa wegen der kürzeren Wege – gute Gründe.

Ferner sehe das Gericht auch keinerlei ästhetischen Gründe für ein Abstellverbot. Die konkrete Ausgestaltung sei eine Frage des Einzelfalls und noch nicht zwingend vorhersehbar.

Schließlich widerspräche das von der Verwaltung für die Beklagte ausgesprochene Verbot ebenso wie ein entsprechender Mehrheitsbeschluss dem Gleichbehandlungsgrundsatz sowie dem Willkürverbot. Ohne sachlichen Grund dürfe in einer Gemeinschaft Gleiches nicht ungleich behandelt werden; einzelne Mitglieder dürften nicht sachwidrig schlechter gestellt werden. In anderen Höfen habe die Gemeinschaft das Abstellen von Fahrrädern gestattet und Fahrradständer errichtet. Nach dem Ergebnis des Ortstermins gebe es keinen sachlichen Grund, den hier streitbehafteten Vorhof anders zu behandeln als die anderen Abstellflächen.

Auch schlössen denkmalschutzrechtliche Belange ein Abstellen von Fahrrädern auf dem Vorhof nicht aus, weil die Beklagte eine entsprechende behördliche Auflage nicht dargetan habe.

Ferner schließe, so das Gericht weiter, weder die Rücknahme der Klage im Parallelprozess (vgl. Schriftsatz vom 1. September 2009 im Verfahren 102 AC 25/09 gemäß Anlage B9, Bl. 48 d. A.) die hiesige Klage aus noch die zurückgenommene Anfechtung eines Negativbeschlusses (vgl. Beschluss zu TOP 10.1 der Eigentümerversammlung vom 2. Juli 2009, Bl. 38 d. A.); aus letzterem lasse sich nicht ableiten, dass das Begehren nicht wieder eingebracht werden könne.

Zwar sei das Gericht der Auffassung, dass eine Verpflichtungsklage richtigerweise gegen den übrigen Wohnungseigentümer zu richten sei. Allerdings begründe eine abweichende Auffassung einer anderen Abteilung des Amtsgerichts für die Klägerin die Eröffnung des Klageweges.

Gegen dieses Urteil, der Beklagten über ihren Prozessbevollmächtigten zugestellt am 15. November 2010 (Bl. 111 d. A.), hat diese mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2010 – Eingang bei Gericht am selben Tag (Bl. 117 d. A.) – Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist am 17. Januar 2011 (Bl. 122 d. A.) bis zum 15. Februar 2011 mit weiterem Schriftsatz vom 11. Februar 2011 – Eingang bei Gericht am 14. Februar 2011 (Bl. 124 dA) – begründet.

Die Beklagte macht mit ihrer Berufung geltend, dass das Amtsgericht zu Unrecht von einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für eine isolierte Verpflichtungsklage ausgegangen sei. Durch Rücknahme der Klage im Anfechtungsprozess sei der Negativbeschluss vom 2. Juli 2009 bestandskräftig geworden; vor einer Anrufung des Gerichts habe sich die Klägerin mit ihrem Begehren zuvor an die Eigentümerversammlung zu wenden. Ferner sei die Gestaltungsklage der Klägerin auch nicht gegen den Verband, sondern die übrigen Eigentümer zu richten.

Ein der Klägerin zuerkannter Duldungs- und Leistungsanspruch stehe ihr nicht zu. Die am 9. Juni 2008 beschlossene Hausordnung gebe eine Gebrauchsregelung für die Vorhoffläche vor. Die von der Klägerin beabsichtigte Nutzung stehe dem Inhalt dieser Ordnung entgegen. Sofern es dort um „ähnliche Fahrzeuge“ wie Kleinkrafträder, Mopeds oder Motorroller gehe, so würden davon auch Fahrräder erfasst, weil auch diese geeignet seien, der beabsichtigten Freihaltung des Vorhofes entgegen zu wirken. Dieses Ansinnen der Gemeinschaft sei auch weder willkürlich noch widerspreche es dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Insbesondere solle dem „Nutzungsmißbrauch“ vorgebeugt werden, was durch ein Aufstellverbot für Fahrräder – das von dem der Gemeinschaft hierzu eingeräumten Ermessen gedeckt werde – auch möglich sei. Es gehe hier auch nicht nur um das vorrübergehende Abstellen von Fahrrädern, sondern um das dauerhafte Parken solcher Räder. Eine durchgehende „Verbotskontrolle“ könne aber die Gemeinschaft nicht leisten. Die örtlichen Bedingungen seien auch ungleich, weil die übrigen Vorhöfe von Mauern umgrenzt seien, so dass Dritte nicht auf die Idee kämen, ihre Fahrräder – anders als in dem unbegrenzten Vorhof des Hauses H. – dort abzustellen. Außerdem stünden im Hinterhof und im Kellerraum auch Fahrradabstellplätze zur Verfügung.

Das Amtsgericht habe ferner ihren Beweisantritt übergangen, wonach ihr, der Beklagten, nach § 14 DenkmalSchG öffentlich-rechtliche Verpflichtungen auferlegt seien, den straßenseitigen Vorhof von „vagabundierender Nutzung“ durch Dritte aber auch von Eigentümern freizuhalten.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 9. November 2010 – Az. 102 d C 21/10 – abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise: Zulassung der Revision.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klageanträge aus den Vorverfahren mit den hiesigen Anträgen identisch seien. Ihre hiesige Störungsbeseitigungsklage könne auch – ausnahmsweise – gegen den Verband gerichtet werden, weil die Verwaltung im – zumindest vermuteten – Auftrag der Beklagten gehandelt habe.

Die Hausordnung verbiete ein Abstellen von Fahrrädern auf dem streitbehafteten Vorhof nicht.

Kern der Angelegenheit sei das grundgesetzlich gewährleistete Recht der Klägerin auf Nutzung ihres Sonder- und des Gemeinschaftseigentums. Sie strebe ein Abstellen des Fahrrades lediglich in den von der Hausordnung nicht erfassten Bereichen an, und zwar so, dass die Zugangsmöglichkeiten zum Hauseingang auch nicht beeinträchtigt würden. Dem entgegen stehende Regelungen existierten nicht. Außerdem habe die Beweisaufnahme ergeben, dass auf dem Vorhof vor dem Haus H. ausreichend Platz dafür vorhanden sei. Die Beklagte verstoße mit ihrer Vorgehensweise massiv gegen das Willkürverbot und den Gleichbehandlungsgrundsatz; ihr, der Klägerin, stehe die begehrte Nutzung der Fläche hier zu.

Es bestehe vorliegend die Situation, dass eine Eigentümergruppe gegenüber einer anderen bevorzugt werde. Für diese Ungleichbehandlung fehle es aber an einem sachlichen Grund. Das Ermessen der Eigentümerversammlung sei durch die Grundrechte begrenzt; das wohlverstandene Interesse der Gesamtheit gebe es nicht her, wenn vor einigen Häusern Fahrräder abgestellt werden dürfen, vor anderen Häusern – die ebenfalls Platz dafür böten – indes nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist begründet.

1. Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden, vgl. §§ 517, 520 Abs. 2 ZPO. Auch die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer ist überschritten.

2. Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt nach Prüfung im Rahmen des § 513 Abs. 1 ZPO zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Klägerin kann mit ihrem gesamten Klagebegehren gegen die Beklagte nicht durchringen.

Das – im Wege der Anspruchshäufung (vgl. § 260 ZPO) – geltend gemachte Begehren der Klägerin ist (1) auf Duldung des Abstellens von Fahrrädern auf dem Vorhof vor den Häusern H. sowie (2) auf Entfernung der dort angebrachten Verbotsschilder gerichtet.

(1) a) Soweit die Klägerin von der Beklagten Duldung verlangt, teilt die Kammer die Annahme des Amtsgerichts, dass die Beklagte als teilrechtsfähiger Verband nach § 10 Abs. 6 WEG hier jeweils passivlegitimiert ist, nicht. Die entsprechend geäußerten Bedenken der Beklagten hatte das Amtsgericht auch in seinem Hinweis vom 12. Mai 2010 (vgl. Anlage zum Protokoll, Bl. 54 d. A.) geteilt, sodann aber (wohl) aus „Rechtsschutzgesichtspunkten“ aufgegeben. Hintergrund dafür dürfte nach den Ausführungen des Amtsgerichts gewesen sein, dass eine andere Abteilung des Amtsgerichts in dem Vorverfahren 102A C 25/09 im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. November 2009 (Anlage B10, Bl. 49 d. A.) die – jedoch unzutreffende – Rechtsauffassung vertreten hatte, dass für das hiesige Klagebegehren, was auch seinerzeit schon im Wege der Klageerweiterung zum Gegenstand des früheren Rechtsstreits gemacht worden war, die WEG als Verband passivlegitimiert sei. Ob sich das hier zur Entscheidung berufene Gericht aber mit der näheren Sachmaterie auseinanderzusetzen hat oder nicht, ist keine Frage der Praktikabilität oder des (effektiven) Rechtsschutzes, sondern bedingt (zunächst) die vorhandene Sachlegitimation, also insbesondere die Passivlegitimation auf Beklagtenseite; sie fehlt, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht gegen den/die Beklagte(n) besteht und führt zur Unbegründetheit der Klage.

Fehl geht die Annahme, die Klägerin könne hier Beseitigung einer „Störung“ verlangen; sie verlangt vielmehr eine konkrete Regelung des Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums.

Der Anspruch der Klägerin auf Duldung ließe sich vorliegend nur auf § 15 Abs. 3 WEG stützen (vgl. dazu Dötsch, in: Timme, BeckOK-WEG, Ed. 9 (5/2011), § 15, Rn. 203); gegenüber einem Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers auf ordnungsgemäße Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums gemäß § 21 Abs. 4 WEG ist diese Regelung vorrangig (vgl. nur BGH, NZM 2000, 1010). Nach § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer einen Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, der dem Gesetz, den Vereinbarungen und Beschlüssen und, soweit sich die Regelung hieraus nicht ergibt, dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entspricht. Der konkrete Gebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums, wie ihn die Klägerin hier erstrebt, ist weder dem Gesetz noch den Vereinbarungen oder Beschlüssen der Gemeinschaft zu entnehmen. Die am 9. Juni 2008 beschlossene Hausordnung der Gemeinschaft (vgl. Anlage K1, Bl. 23 d. A.) erfasst die Möglichkeit des Abstellens von Fahrrädern auf dem Vorhof der Häuser H. explizit nicht, so dass sich die Klägerin hier darauf nicht berufen kann. Gleiches gilt für den (Negativ-)Beschluss der Eigentümerversammlung vom 2. Juli 2009 zu TOP 10.1, mit dem der Antrag der Klägerin, auf dem streitbehafteten Vorhof Fahrradständer aufzustellen, mit einer Mehrheit von 71 Nein-Stimmen – zu lediglich einer Ja-Stimme – abgelehnt worden ist (vgl. Protokoll, Anl. B1, Bl. 35 ff. d. A.).

b) Der Klägerin fehlt für ihr Begehren nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar hat sie die Eigentümerversammlung als Willensbildungsorgan der Gemeinschaft mit ihrem hier rechtshängigen Begehren noch nicht (vor-)befasst (vgl. BGH, NJW 2003, 3476, 3480). Das wäre hier allerdings bloße Förmelei. Die Anrufung der Versammlung kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn wegen der Stimmrechtsverhältnisse nicht mit einer Beschlussfassung zu rechnen und davon auszugehen ist, dass der antragstellende Eigentümer – wie der Beschluss vom 2. Juli 2009 gezeigt hat – ohnehin keine Mehrheit in der Versammlung finden wird (BayObLG, NJOZ 2002, 1517, 1519).

Auch hindert das Vorverfahren beim Amtsgericht Hamburg – Az. 102 a C 25/09 – die Klägerin nicht daran, ihre auch dort mit Schriftsatz vom 1. September 2009 (Anlage B9, Bl. 48 d. A.) rechtshängig gemachten Ansprüche hier nochmals zum Gegenstand einer Klage zu machen. Unstreitig hat die Klägerin ihre Klage im Vorverfahren zurückgenommen, so dass ihrem hiesigen Klagebegehren auch nicht der Einwand entgegen stehender Rechtskraft entgegen gebracht werden kann.

Ferner hindert der (Negativ-)Beschluss vom 2. Juli 2009 zu TOP 10.1 die Klägerin auch nicht daran, ihr Begehren im Klagewege zu verfolgen. Einerseits deckt sich der Inhalt dieses Beschlusses schon nicht mit dem hiesigen Klagebegehren (dort ging es um das Aufstellen von Fahrradständern und hier geht es um das Abstellen von Fahrrädern). Andererseits entfalten solche Negativ-Beschlüsse ohnehin keine materielle Bindungswirkung (vgl. dazu nur BGH, NZM 2002, 995, 997; Klein, in: Bärmann, WEG, 11. Aufl. 2010, § 43, Rn. 93; Schmidt, NZM 2008, 395, 397).

c) Maßgeblich ist vorliegend aber, dass sich der Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG nicht gegen den (teilrechtsfähigen) Verband, sondern gegen die (alle) übrigen Wohnungseigentümer richtet (vgl. dazu nur Klein, a. a. O., § 15, Rn. 49; Kümmel, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 9. Aufl. 2010, § 15, Rn. 26, Dötsch, a. a. O., Rn. 92). Es entspricht auch gefestigter Rechtsprechung der Kammer, dass Klagen, die den – an sich vorrangigen – Willensbildungsprozess innerhalb der Eigentümergemeinschaft betreffen (wie etwa nach § 21 Abs. 4 oder 8 WEG), gegen die übrigen Wohnungseigentümer, nicht aber gegen den teilrechtsfähigen Verband zu richten sind. Das, was die Klägerin vorliegend erstrebt, ist eine interessengerechte Gebrauchsregelung; die hier rechtshängige Regelungsstreitigkeit (vgl. Klein, a. a. O.) ist mit der Regelungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG durchzusetzen. Auch insoweit ist anerkannt, dass eine solche Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten ist (s. Klein, a. a. O., § 43, Rn. 128; Elzer, in: Timme, a. a. O., § 21, Rn. 414; Vandenhouten, in: Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, a. a. O., § 21, Rn. 137).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, weil die Kammer die Revision nicht zugelassen hat und die Nichtzulassungsbeschwerde von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist, vgl. § 62 Abs. 2 WEG.

4. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Frage der Passivlegitimation des teilrechtsfähigen Verbandes bei Ansprüchen, die auf die Regelung in § 15 Abs. 3 WEG gestützt werden, ist nicht entscheidungserheblich. Die Zulassung der Revision setzt aber allgemein voraus, dass die zu klärende Rechtsfrage im konkreten Fall entscheidungserheblich ist; das ist sie nicht, wenn es auf sie zur Entscheidung des jeweiligen Rechtsstreits nicht ankommt (vgl. nur BGH, NJW 2003, 831). So liegt der Fall hier. Selbst wenn die Beklagte passivlegitimiert wäre, könnte die Klägerin die von ihr erstrebte Gebrauchsregelung von ihr nicht beanspruchen. Es entspricht vorliegend nicht dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen, das Abstellen von Fahrrädern auf dem Vorhof vor den Häusern … zu dulden. Die Wohnungseigentümer haben bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ebenso wie bei der Regelung seines Gebrauchs ein aus ihrer Verwaltungsautonomie entspringendes Ermessen was die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer Regelung angeht. Billigem Ermessen entspricht, was dem geordneten Zusammenleben in der Gemeinschaft und dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer dient (OLG Hamm, NJW-RR 2004, 1310, 1311). Sind mehrere Entscheidungen möglich und vertretbar können die Wohnungseigentümer wählen, für welche sie sich entscheiden (Elzer, a. a. O., § 21, Rn. 165 m. w. N.). Die Klägerin hat keine erheblichen Gründe aufgezeigt, weshalb die übrigen Wohnungseigentümer der Beklagten ihr Ermessen betreffend das gemeinschaftliche Eigentum „Vorhof vor den Häusern H.“ in zulässiger Weise nur dadurch ausüben könnten, dass das dortige Abstellen von Fahrrädern von ihnen zu dulden ist (sog. Ermessensreduktion auf Null). Wie die Beklagte nachvollziehbar dargestellt hat, vermitteln Hausordnung und Beschlusslage der Gemeinschaft die zulässige Absicht, Fahrräder auf Flächen des gemeinschaftlichen Eigentums nur dort abgestellt zu wissen (sei es durch Eigentümer, Mieter oder fremde Dritte), wo seitens der Gemeinschaft und auf deren Kosten auch eine entsprechende Infrastruktur dafür geschaffen worden ist. Das Abstellen von Fahrrädern auf dem Vorhof vor den Häusern H. ist (auch für die Klägerin) zudem nicht die einzig denkbare und tatsächlich durchführbare Möglichkeit, Fahrräder abzustellen; im Innenhof zwischen den Eingängen … und … stehen dafür Plätze bereit und auch in zwei Kellerräumen, die in zumutbarer Weise von der Klägerin besetzt werden können. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob durch das Abstellen von Fahrrädern auf dem streitbehafteten Vorhof die Zuwegung zu den Eingangsbereichen eingeschränkt wird oder nicht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Gemeinschaft der Eigentümer ein – weites – Ermessen hat, wie sie diese Fläche (die etwa auch mit „Pflanzringen“ bestückt ist) in Gebrauch nimmt. Die Eigentumsrechte der Klägerin werden auch nicht ungerechtfertigt beeinträchtigt. Insoweit sind die widerstreitenden Interessen, namentlich auch die Eigentumsrechte der übrigen Eigentümer im Wege sog. praktischer Konkordanz einem gerechten Ausgleich zuzuführen. Im Übrigen findet auch im wohnungseigentumsrechtlichen Kontext der Gleichbehandlungsgrundsatz, wie er in Art. 3 GG seinen Niederschlag gefunden hat, Anwendung und führt dazu, dass Differenzierungen nur dann zulässig sind, wenn ein ausreichender Sachgrund dafür besteht (vgl. dazu etwa nur BGH, NZM 2010, 868, 869; Dötsch, a. a. O., § 15, Rn. 59 m. w. N.). Es ist hier nichts dafür ersichtlich, dass der Ausschluss der Nutzung des Vorhofes zum Abstellen von Fahrrädern einem geordneten Zusammenleben in der Gemeinschaft entgegen steht. Ferner kommt als alleiniges Differenzierungskriterium auch nicht nur – wie es die Klägerin sieht – der etwaig vorhandene Platz zum Abstellen der Fahrräder in Betracht, sondern insbesondere die von der Beklagten geltend gemachte Gefahr, dass es gerade auf dem Vorhof zum Haus H. zu beeinträchtigenden Nutzungen durch abgestellte Fahrräder kommt. Demnach könnte die Klägerin hier auch nicht die Entfernung der Verbotsschilder auf dem Vorhof verlangen. Einem entsprechenden Anspruch aus § 1004 BGB bzw. 15 Abs. 3 WEG stünde entgegen, dass sie – die Klägerin – hinzunehmen bzw. zu dulden hat, dass vor den Häusern H. nach dem Willen der Mehrheit der Eigentümer keine Fahrräder aufgestellt werden dürfen. Daher ist es vorliegend auch nicht ermessensfehlerhaft, dieses Verbot durch ein Hinweisschild durchzusetzen.

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