LG Berlin – Az.: 66 S 310/19 – Beschluss vom 24.01.2020
1. Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 31.10.2019, Az. 23 C 158/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
I. Die gemäß § 522 Abs. 1 ZPO vorzunehmende Prüfung ergibt, dass die Berufung zulässig ist. Die Berufung ist gemäß § 511 Abs. 1 ZPO statthaft. Die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer ist erreicht. Die Form- und Fristvorschriften der §§ 517, 519 und 520 ZPO sind gewahrt.
II. Die Berufung hat jedoch offensichtlich in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Denn das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO.
Ein Anspruch der Klägerin auf Gestattung der Haltung eines weiteren Mischlinghundes mit ca. 60 cm Widerristhöhe gemäß § 535 Abs. 1 BGB i. V. m. § 11 des Mietvertrages besteht nicht.
Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die mietvertragliche Tierhaltungsklausel wirksam ist. Zwar sind Klauseln in einem Mietvertrag über Wohnräume, die den Mieter allgemein verpflichten, „keine Hunde und Katzen zu halten“ wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2013 – VIII ZR 168/12 –, juris, Rn. 15). Eine solche Klausel liegt allerdings nicht vor. Vielmehr differenziert § 11 des Mietvertrages wie folgt:
„Kleintiere, wie Vögel, Zierfische, Schildkröten, Hamster, Zwergkaninchen oder vergleichbare Tiere, darf der Mieter ohne Einwilligung des Vermieters im haushaltsüblichen Umfang halten. Andere Tierhaltung des Mieters, insbesondere Hundehaltung, ist nur bei vorhergehender Zustimmung des Vermieters gestattet.“
Behält sich der Vermieter – wie vorliegend – durch eine Formularklausel die Zustimmung zur Hundehaltung vor, liegt darin die Zusage, über die Tierhaltung unter Beachtung der betroffenen Interessen im Einzelfall zu entscheiden (vgl. Schmidt-Futterer/Eisenschmid, 14. Aufl. 2019, BGB § 535 Rn. 563). Denn ob eine Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne von § 535 Abs. 1 BGB gehört, erfordert eine umfassende Abwägung der Interessen des Vermieters und des Mieters. Diese Abwägung lässt sich nicht allgemein, sondern nur für den jeweiligen Einzelfall vornehmen, weil die dabei zu berücksichtigenden Umstände so individuell und vielgestaltig sind, dass sich jede schematische Lösung verbietet. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Größe, Verhalten und Anzahl der Tiere, Art, Größe, Zustand und Lage der Wohnung und des Hauses, in dem sich die Wohnung befindet, Anzahl, persönliche Verhältnisse, namentlich Alter, und berechtigte Interessen der Mitbewohner und Nachbarn, Anzahl und Art anderer Tiere im Haus, bisherige Handhabung durch den Vermieter sowie besondere Bedürfnisse des Mieters (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 20.03.2013 – VIII ZR 168/12 –, juris Rn. 19).
Entgegen der Ansicht der Klägerin hat das Amtsgericht die vorgetragenen berechtigten Interessen der Vertragsparteien im vorliegenden Einzelfall umfassend berücksichtigt und gewichtet, gegeneinander abgewogen und in Ausgleich gebracht. Dabei hat es im Grundsatz zutreffend angenommen, dass das Halten eines Hundes vom vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gemäß § 535 Abs. 1 BGB umfasst ist, wenn hierdurch die Belange des Vermieters oder der anderen Mieter nicht beeinträchtigt werden (vgl. insoweit auch BGH, Urteil vom 14.11.2007 – VIII ZR 340/06, juris Rn. 15). Die Klägerin begehrt vorliegend allerdings nicht die Gestattung der Haltung eines Hundes; sie hält in ihrer Mietwohnung bereits einen Hund. Vielmehr begehrt sie – zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Hund – die Haltung eines weiteren Hundes.
Zwar handelt es sich auch hierbei um ein berechtigtes Interesse der Beklagten. Soweit das Amtsgericht dieses Interesse im Rahmen der gebotenen Abwägung als weniger gewichtig wertet als das Interesse an der Haltung eines (ersten) Hundes, ist diese Entscheidung jedoch nicht zu beanstanden. Denn die Frage, ob ein Mieter in seiner Wohnung überhaupt zur Tierhaltung berechtigt ist, hat für diesen eine wesentlich weitreichendere Bedeutung als die Frage, in welchem Ausmaß diese Tierhaltung erfolgen darf. Dementsprechend führt der Umstand, dass der Vermieter aufgrund der berechtigten Interessen des Mieters die Haltung eines Hundes gestattet, nicht reflexartig dazu, dass auch ein berechtigtes Interesse des Mieters an der Haltung eines weiteren Hundes besteht. Andernfalls hätte der Mieter, der von seinem Vermieter die Erlaubnis zur Haltung eines Hundes erhält, automatisch einen Anspruch auf die Haltung einer unbegrenzten Anzahl von Tieren. Daher steht dem Vermieter bei der Entscheidung, ob er dem Mieter – zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Hund – die Haltung eines weiteren Hundes gestattet, ein weiterer Ermessensspielraum zu als bei der Entscheidung, ob er überhaupt eine Hundehaltung gestattet.
Der Beklagte hat nachvollziehbare Gründe für die Untersagung der Genehmigung der Hundehaltung vorgetragen, die im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Das Amtsgericht hat insofern zutreffend berücksichtigt, dass mit der Haltung mehrerer Hunde auch eine größere Belastung von Wohnung, Haus und unmittelbarer Umgebung einhergeht, da aufgrund der Haltung eines weiteren Hundes insbesondere entsprechende Geräusche durch Bellen, Gerüche sowie eine verstärkte Benutzung der Wohnimmobilie zu erwarten sind. Eine entsprechende Beeinträchtigung der Vermieterbelange oder eine Störung anderer Hausbewohner kann bei einer Hundehaltung (anders als z. B. bei Kleintieren, die in geschlossenen Behältnissen gehalten werden können) zumindest nicht grundsätzlich von vornherein ausgeschlossen werden (vgl. BGH, Urteil vom 20.03.2013 – VIII ZR 168/12 –, juris, Rn. 17). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin die Haltung eines „neuen“ Hundes begehrt, dessen konkrete Verhaltensweisen und Angewohnheiten ihr derzeit unbekannt sind.
Die oben dargestellten Belastungen sind bei der Haltung eines zweiten Hundes grundsätzlich zumindest im doppelten Maße zu erwarten wie bei der Haltung eines Hundes. Denn durch den zweiten Hund ist die Gefahr gegeben, dass zukünftig durch das Miteinander-Balgen oder das gegenseitige Sich-Anbellen solche Beeinträchtigungen verstärkt gegenüber dem Zustand bei der Haltung nur eines Hundes in der Wohnung auftreten (vgl. LG Hannover, Urteil vom 13.01.1988 – 11 S 272/87 -, BeckRS 2014, 6265).
Im Rahmen der Abwägung hat das Amtsgericht darüber hinaus – in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – auch die konkrete Größe der klägerischen Wohnung von ca. 50 m² berücksichtigt (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2013 – VIII ZR 168/12 –, juris Rn. 19). Insofern besteht auch ein wesentlicher Unterschied zu der Hundehaltung des Beklagten. Zwar hält auch dieser zwei (wesentlich kleinere) Hunde, allerdings auf einer fast doppelt so großen Wohnfläche. Im Ergebnis haben somit die Hunde des Beklagten derzeit etwa dieselbe Wohnfläche zur alleinigen Verfügung wie der Hund der Klägerin. Bei der Haltung eines weiteren Hundes würde die Wohnung der Klägerin anteilig aufgrund der „drei Bewohner“ hingegen einer wesentlich höheren Abnutzung unterliegen als die Wohnung des Beklagten. Aufgrund dieser wesentlichen Unterschiede folgt allein aus dem Umstand, dass der Beklagte zwei Hunde hält, kein entsprechender Anspruch der Klägerin.
Der Umstand, dass der derzeit von der Klägerin gehaltene Hund bereits hochbetagt und an Pankreatitis erkrankt ist, führt ebenfalls zu keinem anderen Abwägungsergebnis. Die Klägerin hat bereits die Erlaubnis des Beklagten zur Haltung eines Hundes. Wenn dieser Hund der Klägerin verstirbt, ist es der Klägerin unbenommen, unmittelbar erneut einen Hund bei sich zu halten. Angesichts der oben dargestellten berechtigten Einwände des Beklagten gegen die (zeitgleiche und auf unbestimmte Dauer angelegte) Haltung eines zweiten Hundes, erscheint es der Klägerin vorliegend zumutbar, gegebenenfalls kurzzeitig alleine in der Wohnung zu leben.
Ob die Beklagte zur ordnungsgemäßen Haltung eines Hundes in der Lage ist, kann dahinstehen, da das Amtsgericht diesen (klägerseits bestrittenen) Vortrag des Beklagten seiner Abwägungsentscheidung nicht zugrunde gelegt hat. Folgerichtig hat das Amtsgericht insofern auch von der Durchführung einer Beweisaufnahme abgesehen.
III. Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die fehlende Erfolgsaussicht offensichtlich ist. Insbesondere waren in der Berufung keine neuen Aspekte zu berücksichtigen. Für das Berufungsgericht haben sich keine schwierigen Rechtsfragen ergeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung liegt nicht vor. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
IV. Die Kammer beabsichtigt, den Streitwert für den zweiten Rechtszug gemäß § 47, 48 GKG, § 3 ZPO auf bis zu 1.000 € festzusetzen.
V. Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls Rücknahme der Berufung binnen zwei Wochen. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Gerichtsgebühren bei Rücknahme der Berufung ermäßigen (Nr. 1222 KV).