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Geringfügiger Wasserschaden im Treppenhaus als wohnwertminderndes Merkmal

AG Neukölln – Az.: 20 C 162/11 – Urteil vom 19.08.2011

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete für die Wohnung … B., im… rechts, Wohnungsnummer…, über den durch Anerkenntnisteilurteil vom 15.07.2011 erledigten Teilbetrag hinaus um weitere 55,95 € auf 574,72 € zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen mit Wirkung ab 01.02.2011 zuzustimmen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. d. vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung in einem Mietverhältnis über Wohnraum in Anspruch.

Zwischen den Parteien besteht aufgrund eines Mietvertrages vom 05.08.2008 (Kopie Bl. 34 ff. d.A.) seit dem 01.09.2008 ein Mietverhältnis über die im Hause … in … B., … rechts, in … B. belegene Wohnung, die zur Liegenschaft … gehört. Die monatliche Nettokaltmiete wurde mit nettokalt 482,00 € vereinbart. Die Wohnung befindet sich in einem bis 1918 fertiggestellten Wohngebäude in (nach Maßgabe der Berliner Mietspiegel 2009 bzw. 2011) einfacher Wohnlage, hat eine Wohnfläche von ca. 117,77 m2 und ist mit Sammelheizung, Bad und Innen-WC ausgestattet. Die Wohnung verfügt über ein modernes Bad im Sinne des diesbezüglichen Sondermerkmals des Berliner Mietspiegels 2011 und hat überwiegend einfach verglaste Fenster. Die Merkmalgruppe 1 (Bad/WC) des Berliner Mietspiegels 2011 ist neutral besetzt.

Mit Schreiben der beauftragten und bevollmächtigten Hausverwaltung vom 18.11.2010 (Kopie Bl. 54 ff. d.A.), der Beklagten zugegangen am 26.11.2010, begehrte die Klägerin die Zustimmung der Beklagten zu einer Erhöhung der Nettokaltmiete mit Wirkung zum 01.02.2011 um 96,40 € auf 578,40 €. Die Beklagte stimmte einer solchen Mieterhöhung vorprozessual nicht zu.

Mit der vorliegenden, am 28.04.2011 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 28.05. 2011 zugestellten Klage (nach Einzahlung des am 18.05.2011 angeforderten Gerichtskostenvorschusses am 24.05.2011) erfolgt die Klägerin das Zustimmungsbegehren weiter.

Sie behauptet, das Gebäude weise einen überdurchschnittlichen Instandhaltungszustand auf. Hausflur (Eingangsbereich und Treppenhaus) und Fassade seien in saniertem Zustand, es gebe keine Instandhaltungsrückstand. Die Klägerin hat sich insoweit auf zur Gerichtsakte gereichte Fotos (Bl. 91-94 d.A.) bezogen. Das Gebäude habe einen Energieverbrauchskennwert von 75 kWh (m2a). Diesbezüglich hat sich die Klägerin auf einen Energieausweis vom 10.12.2008 (Kopie Bl. 88-90 d.A.) bezogen.

Die Klägerin behauptet ferner, die Wohnung liege in einer besonders ruhigen Straße, nämlich in einer ruhigen Seitenstraße mit reinem Wohngebietscharakter und mit Tempo 30. Gleichzeitig befinde sich die Wohnung in einer bevorzugten Citylage, nämlich fünf Gehminuten bzw. 450 Meter vom … entfernt, der beliebte gastronomische Einrichtungen und Einkaufsmöglichkeiten bereit halte, sowie neun Gehminuten bzw. 700 Meter von der … und dem S-Bahnhof B. I. mit vielfältigen Einkaufs- und Ausgehmöglichkeiten entfernt. Der Bereich des ehemaligen … sei eines der attraktivsten Wohngebiete in N….

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, der Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete für die Wohnung …, I. B., im … rechts, Wohnungsnummer …, von 482,00 € um 96,40 € auf 578,40 € zuzüglich Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen mit Wirkung ab 01.02.2011 zuzustimmen.

Die Beklagte hat den Anspruch wegen einer Erhöhung um 36,77 € anerkannt. Insoweit ist am 15.07.2011 Anerkenntnisteilurteil ergangen (Bl. 98 d.A.).

Im Übrigen beantragt die Beklagte, die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, in der Küche befinde sich ein offen liegendes Abflussrohr, durch das schlechte Gerüche sowie Ungeziefer in die Wohnung gelangten.

Die Elektroinstallation sei unzureichend. Ein gleichzeitiger Betrieb mehrerer Haushaltsgeräte wie Staubsauger und Waschmaschine sei nicht möglich.

Treppenhaus und Eingangsbereich befänden sich in überwiegend schlechtem Zustand.

Das Gebäude befinde sich in einem schlechten Instandhaltungszustand mit dauernder Durchfeuchtung des Mauerwerks, großen Putzschäden und erheblichen Schäden an der Dacheindeckung. Feuchtigkeitsschäden befänden sich an der Treppenhauswand oberhalb des … Obergeschosses. Sie gehe davon aus, dass die Feuchtigkeitsschäden durch Schäden an dem Dachstuhl des Hauses verursacht würden.

Wegen des Zustandes des Treppenhaus und des Eingangsbereichs, des offen liegende Abflussrohrs und der Feuchtigkeitsschäden oberhalb des … Obergeschosses hat sich die Beklagte auf zur Akte gereichte Fotos Hülle (BL 79 d.A.) bezogen.

Die Beklagte behauptet, die Hauseingangstür sei nicht abschließbar. Sie sei bei kräftigem Druck zu öffnen, weil sich die Feststellungsvorrichtung des fixierten Flügels wegen des baulichen Zustandes nicht mehr arretieren lasse. Zudem schließe die Tür zum Hof mit einer Klinke, so dass immer wieder Personen in das Haus gelangten, die nicht befugt seien und zum Teil Schaden anrichteten.

Das Gebäude habe eine Heizanlage mit ungünstigem Wirkungsgrad (Einbau/Installation vor 1984). Die Gasetagenheizungen seien nach Mitteilung seit langem in dem Haus wohnender Nachbarn Anfang der 1980er Jahre eingebaut worden.

Die Wohnung befinde sich in einer stark vernachlässigten Umgebung (in einfacher Wohnlage). Es bestehe in dem Bereich eine hohe Kriminalitätsbelastung, auf den Straßen liege oft Müll herum und die Wegeunterhaltung sei nur unzureichend. Die Wohngegend unterliege dem Quartiersmanagement.

Die Klägerin behauptet, die Gasetagenheizung sei Mitte der 1990er Jahre eingebaut und seither vorschriftsmäßig gewartet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die jeweilige es protokollierten das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Für die Zulässigkeit der Klage gilt insbesondere, dass die in § 558 b Abs. 2 Satz 2 BGB normierte Klagefrist gewahrt ist unter Berücksichtigung des § 167 ZPO, denn die Klagezustellung ist insoweit „demnächst“ nach Klageeinreichung erfolgt. Die Verzögerung in der Zustellung beruhte allein auf dem gerichtsinternen Geschäftsablauf.

Das der Klage vorausgegangene Mieterhöhungsverlangen vom 21.01.2009 entsprach auch in förmlicher Hinsicht den Anforderungen des § 558a BGB. Es ist hinreichend begründet.

Die Klage ist im wesentlichen begründet auch insoweit, als die Beklagte den Anspruch nicht anerkannt hat.

Der Klageanspruch folgt insoweit aus § 558 BGB. Die beanspruchte erhöhte Miete entspricht in dem aus dem Tenor zu 1.) ersichtlichen Umfang der ortsüblichen Miete.

Zur Ermittlung der ortsüblichen Miete hat das Gericht den nunmehr maßgeblichen Berliner Mietspiegel 2011 im Wege des freien Beweises herangezogen. Bei dem Begriff der ortsüblichen Miete handelt es sich um eine allgemeinkundige Tatsache, deren Ermittlung nicht an die in der Zivilprozessordnung aufgeführten Beweismittel gebunden ist. Gemäß § 558d Abs. 2 BGB wird vermutet, dass die im Berliner Mietspiegel bezeichneten Entgelte die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben.

Die Einordnung der Wohnung in die vorerwähnten Spannen hat das Gericht gemäß § 287 Abs. 2 ZPO anhand der dem Mietspiegel beigefügten Orientierungshilfe vorgenommen. Die in der Orientierungshilfe vorgeschlagene Spanneneinordnung beim Überwiegen der dort aufgeführten werterhöhenden bzw. wertmindernden Merkmale ist zur Überzeugung des Gerichtes sachgerecht und trägt den in § 558 Abs. 2 BGB genannten Vergleichskriterien ausreichend Rechnung.

Die Klägerin begehrt die Zustimmung auf eine Miete, die mit 4,91 €/m2 um 0,14 €/m2 (= 13,72% des oberen Spannenwertes) über dem Mittelwert des hier einschlägigen Feldes J 2 des nunmehr maßgeblichen Berliner Mietspiegels 2011 liegt.

Unstreitig ist die Wohnung mit einem modernen Bad im Sinne des diesbezüglichen Sondermerkmals des Berliner Mietspiegels 2011 ausgestattet. Dies ist nach der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung nach dem Mietspiegel mit 0,11 €/m2 zu bewerten, so dass eine Überschreitung des Mittelwertes um 0,03 €/m2 (= 3,04 % des oberen Spannenwertes) verbliebe, die sich aus den Einordnungen zu den Merkmalgruppen der Orientierungshilfe rechtfertigen müsste.

Die Merkmalgruppen 1 (Bad/(WC) und 2 (Küche) sind neutral zu bewerten. Soweit die Beklagte vorgetragen hat, dass sich in der Küche ein offenliegendes Abflussrohr befinde (gemeint ist nach dem hierzu vorgelegten Foto offenbar eine in der Fußbodenverfliesung befindliche Entwässerung), durch das schlechte Gerüche sowie Ungeziefer in die Wohnung drängen, so ist ein wohnwertminderndes Merkmal nach Maßgabe des Berliner Mietspiegels 2011 nicht gegeben. Wegen der (behaupteten) nachteiligen Auswirkungen mag ein (in tatsächlicher Hinsicht behebbarer) Mangel gegeben sein, der aber für die Bewertung des Wohnwertes im Rahmen des § 558 Abs. 2 BGB außer Betracht zu bleiben hat (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 70. Auflage, § 558 BGB, Rn 16 „Beschaffenheit“ mit weiteren Nachweisen).

Die Merkmalgruppe 3 (Wohnung) ist überwiegend negativ besetzt, nachdem unstreitig ist, dass in der Wohnung überwiegend Einfachverglasung vorhanden ist.

Bei der Merkmalgruppe 4 (Gebäude) ist nach dem beiderseits vorgelegten Bildmaterial nicht ersichtlich, dass sich Eingangsbereich und Treppenhaus in einem überwiegend schlechten Zustand befänden. Das Erscheinungsbild des Treppenhauses ist in malermäßiger Hinsicht eher ansprechend. Die Beklagte hat ihren allgemeinen Vortrag über den Hinweis auf den Wasserschaden oberhalb des … OG hinaus auch nicht weiter substantiiert. Auch die von ihr vorgelegten Fotos betreffen fast gänzlich nur diesen Schaden (außer eine kleinen Schadenstelle in einer Bordüre der Wandverfliesung). Der Wasserschaden prägt aber ersichtlich das Erscheinungsbild von Eingangsbereich und Treppenhaus nicht. Dies mag vielmehr den Instandhaltungszustand des Hauses betreffen, doch ist der Wasserschaden hierfür nach den klägerseits vorgelegten Fotos ersichtlich nicht prägend. Es handelt sich vielmehr um einen behebbaren einzelnen Mangel, dessen Beseitigung die Beklagte beanspruchen könnte.

Die Beklagte hat dafür, dass Heizung vor 1984 eingebaut, substantiiert nichts vorgetragen und keinen geeigneten Beweis angetreten. Die Klägerin hat sich für ihre Behauptung, dass das Gebäude einen Energiekennwert von 75 kWh/(m2a), auf den von ihr vorgelegten Energieausweis bezogen. Soweit die Beklagte gegen die dortige Berechnung darauf verwiesen, dass die den Berechnungen zugrunde gelegten Daten von dem Eigentümer mitgeteilt worden seien, so sind die insoweit maßgeblichen Berechnungsdaten auf den Seiten 1 und 3 des vorgelegten Ausweises dargestellt. Dass diese Daten unzutreffend seien, hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Insgesamt ist damit die Merkmalgruppe 4 (überwiegend) positiv zu bewerten.

Die Merkmalgruppe 5 (Wohnumfeld) ist schließlich neutral zu bewerten. Soweit die Klägerin vorgetragen hat, die Wohnung sei an einer besonders ruhigen Straße gelegen, so mag dies hinsichtlich der … in Teilen dahingestellt bleiben sein. Die streitgegenständliche Wohnung befindet sich jedoch in einem Eckgebäude an der …, einer Durchgangsstraße, die zudem parallel zur S-Bahn-Trasse verläuft. Es kann auch keine Rede davon sein, dass die Wohnung sich in einer bevorzugten Citylage befinde. Eine solche ist nach der stichwortartigen der Beschreibung in der Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung nach dem Berliner Mietspiegel 2011 gekennzeichnet durch die Nähe zu repräsentativen, überregional ausstrahlenden Einkaufs-, Dienstleistungs- und Wohnstandorten. Dies trifft, namentlich mit der Betonung auf eine überregionale Ausstrahlung, ersichtlich weder für den … zu noch gar für die … im Be-reich des S-Bahnhofs … zu. Umgekehrt hat auch die Beklagte nur unzureichend dafür vorgetragen, dass es sich eine stark vernachlässigte Umgebung handele. Eine (auch nicht näher substantiierte) hohe Kriminalitätsbelastung und die Einbeziehung in das Quartiersmanagement mögen Anhaltspunkte oder Reaktionsweisen in Bezug auf eine vernachlässigte Wohnumgebung sein. Wie sich dies aber in dem äußeren Erscheinungsbild des Gebietes konkret darstellt, hat die Beklagte weiter nicht vorgetragen. Auch der weitere Vortrag, wonach in den Straßen „oft“ Müll herumliege und die Wegeunterhaltung nur unzureichend sei, ist zur Beschreibung einer starken Vernachlässigung der Wohnumgebung wenig aussagekräftig.

Insgesamt ist die Wohnung damit nach den wohnwertbestimmenden Merkmale der Merkmalgruppen neutral zu bewerten. Die sich danach ergebende „Mittelwertmiete“ von 4,77 €/m2 ist wegen des modernen Bades um 0,11 €/m2 zu erhöhen, so dass sich eine ortsübliche Miete von 4,88 €/m2, also 574,72 € ergibt.

Die dem Erhöhungsverlangen zugrunde gelegte Ausgangsmiete ist seit dem Beginn des Mietverhältnisses am 01.09.2008 unverändert geblieben, die Wartefrist (§ 558 Abs. 1 Satz 1 BGB) ist also gewahrt. Die gerechtfertigte Mieterhöhung um insgesamt 92,72 € macht bezogen auf diese Ausgangsmiete nur ca. 19,24% aus, so dass auch die Kappungsgrenze (§ 558 Abs. 3 BGB) gewahrt ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 1 und 11, 711, 709 ZPO.

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