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Geruchsbelästigung durch Kanalisation – Schmerzensgeldanspruch

LG Magdeburg, Az.: 9 O 1634/07 (386), Urteil vom 08.07.2010

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

und beschlossen: Der Streitwert wird auf 15.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Verband Schmerzensgeld wegen Geruchsbelästigungen.

Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks N. in H. Dieses Haus bewohnt sie mit ihrem Ehemann und ihren Kindern. Das Grundstück befindet sich in einer reinen Wohnstraße, abseits des Ortszentrums von H. Die Fäkalienentsorgung der Bewohner des Grundstücks der Klägerin wurde in der Vergangenheit über eine grundstückseigene, ausschließlich von der Klägerin betriebene Kleinkläranlage bewältigt. In gleicher Weise geschah dies auch in den benachbarten Einfamilienhäusern mit den Hausnummern 10, 11, 12 und 13, die sämtlich oberhalb des Grundstücks der Klägerin auf derselben Straßenseite liegen. Vor 1987 wurde das Fäkalabwasser in den jeweiligen Kleinkläranlagen gereinigt und das geklärte Abwasser sowie Dachflächenwasser über die Straßengosse abgeleitet. Da dies im Winter zu starker Glatteisbildung führte, einigte sich die Klägerin mit den Nachbarn der Nr. 7 – 12, einen Graben auszuheben, um dort Steinzeugrohre der Maße DN 150 zu verlegen. Das geklärte Fäkalabwasser sollte so unterirdisch in einen am Ende der Naße gelegenen Zentralschacht abgeleitet werden. So geschah es dann auch. Eine von dem Beklagten angelegte unterirdische Abwasserleitung existiert nicht. Den aus dem Abwasser gefilterten Fäkalschlamm ließen die Grundstückseigentümer jeweils von Spezialfirmen abpumpen und entsorgen. Dies wurde so über 20 Jahre praktiziert.

Geruchsbelästigung durch Kanalisation - Schmerzensgeldanspruch
Foto: mikeledray/Bigstock

Mit Schreiben vom 7. Januar 2004 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass sie verpflichtet sei, das auf ihrem Grundstück anfallende Schmutzwasser nach Inbetriebnahme der Kläranlage H direkt zur zentralen Kläranlage H abzuleiten. Am 20. Januar 2004 wurde die Klägerin dann – wie von dem Beklagten angekündigt – von Bauingenieur L von dem Beklagten aufgesucht; er gelangte zu der Erkenntnis, dass ein Umschluss aus technischen Gründen nicht möglich sei. Es wurden dann geringfügige Änderungen an der Abwasseranlage vorgenommen. Insbesondere wurde der zuvor von einer Grasnarbe überwachsene, auf dem Grundstück der Klägerin gelegene Revisionsschacht vergrößert und oberirdisch, ca. 4 m unterhalb der Wohn- und Schlafzimmerfenster der Klägerin angelegt. Außerdem wechselte der Beklagte ein Tonrohr aus und schachtete das Erdreich über eine Länge von ca. 2 m aus.

Am 8. März 2005 erließ der Beklagte dann einen Beitragsbescheid und verlangte von der Klägerin für die Herstellung der zentralen öffentlichen Abwasseranlagen für die Schmutzwasserentsorgung 2.343,75 €. Ihre Kleinkläranlage durfte die Klägerin nicht weiter nutzen. Entsprechende Bescheide erließ der Beklagte auch gegenüber den anderen benachbarten Grundstückseigentümern.

Bedenken gegen das Vorgehen des Beklagten hatte die Klägerin bereits in einem Schreiben vom 03.06.2004 geäußert.

Das von der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten geführte Widerspruchsverfahren blieb erfolglos. Die von der Klägerin geäußerten Bedenken wurden vom Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 18.10.2005 nicht berücksichtigt. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin keine Klage, da sie keine Erfolgsaussicht sah.

In der Folgezeit beklagte sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten über Geruchsbelästigungen auf ihrem Grundstück durch die in der Abwasserleitung befindlichen Gase. Ein neuer Abwasserkanal wurde der Klägerin erst für das Jahr 2017 in Aussicht gestellt.

Die Klägerin begehrt wegen der Geruchsbelästigungen auf ihrem Grundstück von dem Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Die Klägerin behauptet, die Einleitung der ungeklärten Abwässer in die verbundene Verrohrung führe zu Ablagerungen von Fäkalien sowohl in der Abwasserleitung wegen mangelnden Gefälles der Leitung und zu langem Fließweg, als auch in den von dem Beklagten genutzten Revisionsschächten. Hierdurch käme es zu Geruchsimmissionen, die unerträglich seien. Sie könne weder ihr Schlafzimmer- noch ihr Wohnzimmerfenster geöffnet halten. Begünstigt würde der Gestank zusätzlich durch das Entlüftungsrohr der Kleinkläranlage, welches von dem Beklagten mit genutzt werde.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.03.2007 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 899,40 € zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, von dem Schmutzwasserkanal gingen keine Geruchsbelästigungen aus; bei einer Kamerabefahrung seien mehrere kleinere Schäden am Kanal entdeckt worden, die ausgebessert bzw. durch den Austausch ganzer Rohrsegmente beseitigt worden seien. Aus dem Revisionsschacht stinke es nicht; die Schachtabdeckung sei ohne Lüftung. Die Geruchsimmissionen seien vielmehr einzig auf die von der Klägerin noch genutzte Kleinkläranlage zurückzuführen, da diese undicht sei. Außerdem sei die Dachentlüftung des Hauses der Klägerin nicht fachgerecht; ein Fallrohr sei undicht, die Fallrohre hätten keine Geruchsverschlüsse.

Das Gericht hat zunächst Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 10.01.2008 (Bl. 77 f., Bd. I d.A.) i.V.m. Beschluss vom 11.02.2008 (Bl.87, Bd. I d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. W H.

Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweiserhebung wird auf das Gutachten des Sachverständigen H vom 12.01.2009 (Anlagenband) Bezug genommen.

Das Gericht hat dann gemäß dem Hinweis- und Beweisbeschluss vom 25.06.2009 (Bl. 166 f., Bd. I d.A.) weiter Beweis erhoben durch Einholung eines ergänzenden Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. H.

Hinsichtlich des Ergebnisses dieser Beweiserhebung wird auf das Ergänzungsgutachten des Sachverständigen H vom 16.03.2010 (Anlagenband) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schmerzensgeld in Höhe von 15.000,00 € gemäß den §§ 823 Abs. 2, 906, 253 BGB.

Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass die von ihr behaupteten Geruchsimmissionen wesentlich auf der von dem Beklagten errichteten Abwasserleitung bzw. den von dem Beklagten genutzten Revisionsschächten zurückzuführen sind.

Zwar hat der Sachverständige Dipl.-Ing. H in seinem Gutachten vom 12.01.2009 festgestellt, dass der bauliche Zustand der vom Beklagten errichteten Abwasserleitung in keinster Weise den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche, da in allen von ihm untersuchten Haltungen diverse bauliche Schäden verschiedenster Art zu verzeichnen seien. Er habe bei der Kanaluntersuchung Ablagerungen bzw. Abflusshindernisse, die zu Ablagerungen führen könnten, an mehreren Stellen festgestellt. Darüber hinaus stellten die festgestellten Muffenversätze – insbesondere dann, wenn sie in Fließrichtung gesehen eine Aufkantung darstellten – ein Abflusshindernis, mithin eine Gefahrenstelle für Ablagerungen dar. Darüber hinaus weise die Abwasserleitung an manchen Stellen gar kein Gefälle, an manchen sogar ein Gegengefälle auf. Aufgrund dessen könne es bei längeren Trockenperioden zu Geruchsimmissionen kommen, die aufgrund von Ablagerungen – sowohl bedingt durch schlechte Gefälleverhältnisse als auch durch Abflusshindernisse – im Leitungssystem entstünden.

Der Sachverständige H hat jedoch im Rahmen seines Ursprungsgutachtens weiterhin auch festgestellt, dass die im Netz entstehenden Gerüche über die üblicherweise in der Hausinstallation eingebauten sogenannten Be- und Entlüftungsleitungen abgeführt werden. Diese Leitungen entsprechend EN 12056-2 seien als sogenannte Hauptentlüftungsleitungen ohne Geruchsverschluss als senkrechte Verlängerung der Schmutz-/Mischwasseranschlussleitung bis über Oberkante Dachebene zu führen, um u.a. eine Entlüftung des gesamten Kanalsystems zu ermöglichen. Diese Leitungen müssten zur Atmosphäre hin offen ausgebildet werden. Zwar sei eine entsprechende Entlüftung des Wohnhauses der Klägerin ersichtlich, allerdings würden die Entlüftungsleitungen nicht entsprechend den anerkannten Regeln der Technik über die Dachebene geführt, so dass es zu Geruchsaustritten im tiefer gelegenen Bereich des Gebäudes komme.

Ausschließen konnte der Sachverständige in seinem Ursprungsgutachten jedoch, dass die behaupteten Geruchsimmissionen von der von der Klägerin noch genutzten Kleinkläranlage herrührten, da der Sachverständige anlässlich des Ortstermins am 07.05.2008 dort keine Geruchsimmissionen an den geöffneten Kontrollöffnungen feststellen konnte.

Das Gericht schließt sich diesen nachvollziehbaren und mit Bildmaterial anschaulich belegten und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen H nach eigener kritischer Prüfung in vollem Umfang an.

Auf den Einwand der Klägerin, die in ihrem Wohnhaus installierte Entlüftungsanlage habe ausschließlich als Belüftungsanlage der grundstückseigenen Kläranlage gedient, nicht jedoch zur zentralen Beseitigung ungeklärte Abwässer, hat der Sachverständige im Rahmen seines Ergänzungsgutachtens vom 16.03.2010 ausgeführt, dass dies wohl zunächst zutreffend gewesen sei, durch die Stilllegung der Kleinkläranlage und deren Anschluss an die „öffentliche“ Schmutzwasserkanalisation habe die Entlüftungsanlage allerdings zwangsläufig die Funktion einer Be-/Entlüftung der Kanalisationsanlage übernommen bzw. übernehmen müssen. Die Entlüftungsanlage entspreche jedoch nicht den anerkannten Regeln der Technik, da die Ausmündung zweifelsfrei zu tief liege.

Der Sachverständige H hat im Rahmen des Ergänzungsgutachtens weiterhin zu der Behauptung des Beklagten, die von der Klägerin behaupteten Geruchsbelästigungen wären dann nicht wahrnehmbar, wenn die im Haus der Klägerin installierte Entlüftungsanlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspräche, Feststellungen getroffen. Er hat ausgeführt, dass eine Ausführung der Be-/Entlüftungsleitungen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zwangsläufig zu einer Verlagerung der Ausmündung führen würde, mithin zu einer Verlagerung des Geruchsaustrittes in größere Höhen oberhalb der Dachfläche und somit für auf Geländeniveau sich bewegende Person nicht mehr zu Geruchsbelästigungen führen würde.

Auch diesen Feststellungen des Sachverständigen H im Ergänzungsgutachten, die nachvollziehbar und widerspruchsfrei sind, schließt sich das Gericht nach eigener kritischer Prüfung in vollem Umfang an.

Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass der Beklagte zwar keine Abwasseranlage erstellt hat, die den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, und die auch zu Geruchsbelästigungen der anliegenden Anwohner führen kann. Jedoch würden solche Geruchsbelästigungen dann nicht mehr auftreten, wenn die Be-/Entlüftungsleitung am Haus der Klägerin mit ihrer Ausmündung in größerer Höhe oberhalb der Dachfläche enden würde. Der Sachverständige hat zweifelsfrei ausgeführt, dass die zu kurze Be-/Entlüftungsleistung der wesentliche Grund für die Geruchsbelästigungen ist. Die von dem Beklagten gesetzte Mitursache für die Geruchsbelästigung, nämlich die Herstellung einer Abwasserleitung, die nicht den allgemein anerkennten Regeln der Technik entspricht, stellt unter diesen Umständen keine wesentliche Beeinträchtigung der Klägerin dar, zumal es für die Klägerin möglich ist, ohne erheblichen Kostenaufwand die Be- und Entlüftungsleitungen an ihrem Haus bis über das Dach hinaus entsprechend zu verlängern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 3 ZPO, 48 Abs. 1 GKG.

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