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Gescheiterte nichteheliche Lebensgemeinschaft – Zustimmung zur vorzeitigen Mietvertragskündigung

LG Gießen, Az.: 1 S 487/95, Urteil vom 06.03.1996

Tatbestand

Das LG hat die Beklagte verurteilt, der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses der Parteien zum 30. 7. 1998 zuzustimmen.

Ab 1. 7. 1993 mieteten die Parteien als Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft gemeinsam eine Wohnung. Das Mietverhältnis wurde bis zum 30. 7. 1998 befristet. Der Mietvertrag enthält eine Verlängerungsklausel. Wegen eines Zerwürfnisses, das die Aufhebung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur Folge hatte, zog der Kläger am 11. 2. 1995 aus der Mietwohnung aus. Er begehrt von der Beklagten, der ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses mit einer Kündigungsfrist von einem Monat, vom Zugang der Kündigung an gerechnet, zuzustimmen. Die Beklagte, die die Wohnung weiterhin nutzen möchte, hat erklärt, den Kläger von allen Ansprüchen aus dem Mietverhältnis freizustellen. Die Vermieter sind nicht dazu bereit, allein mit ihr einen Mietvertrag abzuschließen. Infolge von Differenzen mit der Beklagten würden sie einer Beendigung des Mietverhältnisses zustimmen. Das AG Friedberg hat die Klage abgewiesen, da eine Abwägung ergebe, daß für das Begehren des Klägers, wegen des überragenden Interesses der Beklagten an der Beibehaltung der Wohnung, keine Grundlage bestehe.

Entscheidungsgründe

Gescheiterte nichteheliche Lebensgemeinschaft - Zustimmung zur vorzeitigen Mietvertragskündigung
Symbolfoto: Von William Perugini /Shutterstock.com

Der Kläger hat lediglich einen Anspruch darauf, daß die Beklagte den Mietvertrag gemeinsam mit ihm zu dem vertraglich nächst möglichen Zeitpunkt kündigt, so daß sie nur einer Kündigung zum 30. 7. 1998 zustimmen muß (§ 730 BGB).

Zu einer Auflösung eines Mietvertrages ist bei mehreren Mietern eine Vereinbarung zwischen dem Vermieter und allen Mietern erforderlich. Die bloße Absprache eines Mieters mit dem Vermieter genügt daher nicht. Es muß vielmehr das Einverständnis der übrigen Mieter zu dem Ausscheiden aus dem Vertrag erreicht worden sein (BayObLG ZMR 1983, 247, 248 (=WM 1983, 107); Bub/Treier-Straßberger, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 2. Aufl., Rn. II 260). Ebenso kann eine Kündigung, wenn mehrere Mieter Partei des Mietvertrages sind, wegen der Einheitlichkeit des Mietvertrages nur gemeinsam erfolgen (Palandt-Putzo, 55. Aufl., § 564 BGB Rn. 13). Der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, der – wie der Kläger – die Wohnung verläßt, kann damit alleine nicht seine Entlassung aus dem Mietverhältnis erreichen, muß aber weiterhin für sämtliche Verbindlichkeiten aus dem Mietverhältnis einstehen. Für die Zahlung des Mietzinses hat jeder Mitmieter infolge der rechtlichen Unteilbarkeit der Leistung dem Vermieter auf die volle Summe einzustehen (Bub/Treier- Straßberger a.a.O., Rn. II 262). Zwar wirken Vertragsverletzungen eines Mitmieters gemäß § 425 BGB grundsätzlich nur für und gegen den Mitmieter, der sie begangen hat (v. Staudinger-Emmerich, 13. Bearb., Vorbem. zu §§ 535, 536 BGB Rn. 196;Bub/Treier-Straßberger a.a.O., Rn. II 261). Dies gilt aber nicht, wenn ausdrücklich oder konkludent etwas anderes vereinbart worden ist (v. Staudinger-Emmerich a.a.O.). Diese Vereinbarung folgt hier – wie in den meisten gängigen Formularmietverträgen – aus § 16 Nr. 3 und § 22 Nr. 1 des Mietvertrages, wonach der Mieter u. a. für die von ihm oder von den zu seinem Haushalt gehörenden Personen sowie von Untermietern verursachten Schäden an der Mietsache ersatzpflichtig ist und eine gesamtschuldnerische Haftung der Mieter für alle Verpflichtungen aus dem Mietvertrag abgesprochen wurde. Diese Regelung ist wirksam. Das Einstehenmüssen für Personen, die den Gebrauch der Mietsache mit dem Mieter teilen, stellt keine unangemessene Benachteiligung dar, weil dem Mieter aufgrund seiner Obhutspflicht für die Mietsache die diesbezügliche Haftung zugemutet werden kann (vgl. OLG Frankfurt WM 1992, 56, 63).

Schließen die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft als Gesamtschuldner einen Mietvertrag über eine Wohnung, liegt andererseits aber auch eine Innengesellschaft i. S. d. § 705 BGB vor. Der über die Verwirklichung der Lebensgemeinschaft hinausgehende vermögensrechtliche Wert besteht in der gemeinsamen Nutzung des Mietobjekts (OLG München ZMR 1994, 216, 217; LG München II WM 1993, 611, 612; LG Köln WM 1993, 613). Der endgültige Auszug aus der gemeinsamen Wohnung ist als eine konkludente Aufkündigung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu werten (LG Köln WM 1993, 613). Es ist darin eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 723 Abs. 1 S. 2 BGB zu sehen, da dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft bei einer grundlegenden Störung des Vertrauensverhältnisses die Fortsetzung der Gemeinschaft nicht zuzumuten ist (OLG München ZMR 1994, 216, 217; LG München II WM 1993, 611, 612). Die Stagnation im Innenverhältnis hat aber nicht zur Konsequenz, daß der in der Wohnung verbliebene Partner einer sofortigen Kündigung zustimmen muß. Die Auflösung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft führt im Außenverhältnis zu dem Vermieter keinen ausreichenden Grund für eine außerordentliche Kündigung des Mietvertrages herbei. Aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie dem Rechtsgedanken des § 723 Abs. 2 BGB, wonach eine Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses nicht zur Unzeit erfolgen darf, folgt vielmehr, daß der in der Wohnung verbliebene Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Einhaltung der mietvertraglichen Kündigungsfrist nach § 565 BGB hat (LG Hamburg WM 1993, 343). Bezogen auf ein befristetes Mietverhältnis bedeutet dies, daß die mit der Befristung verbundenen Erwartungen an eine Mindestvertragslaufzeit beachtet werden müssen, so daß zu einer – rechtlich ausgeschlossenen – ordentlichen Kündigung keine Zustimmung erteilt werden muß. Eine Bindung an den Mietvertrag ist bis zum Fristablauf zuzumuten. Liegt – wie hier – eine Verlängerungsklausel vor, nach der sich das Mietverhältnis um jeweils 12 Monate verlängert, wenn nicht ein Vertragspartner binnen bestimmter Fristen kündigt, so ist der vertraglich nächst mögliche Zeitpunkt einer ordentlichen Kündigung, zu der eine Zustimmung des in der Wohnung verbliebenen Partners der ehemaligen nichtehelichen Lebensgemeinschaft erfolgen muß, der Termin, an dem die Erklärung, das Mietverhältnis nicht verlängern zu wollen, zu erfolgen hat. Dadurch findet eine angemessene Risikoverteilung statt. Überdies wird bei Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem in der Wohnung verbliebenen Partner der ehemaligen nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die den Vermieter nicht zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigen, eventuellen Absprachen des Vermieters mit dem ausgezogenen Partner zu Lasten des in der Wohnung Verbliebenen vorgebeugt. Mithin muß die Beklagte lediglich erklären, daß sie einer Kündigung des Mietverhältnisses zum 30. 7. 1998 zustimmt.

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