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Gewerbemietraumvertrag – Aerosole ein Mietmangel oder Kündigungsgrund

OLG Dresden – Az.: 5 U 2804/21 – Beschluss vom 22.11.2022

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Chemnitz vom 23.12.2021 (Az. 2 HK O 378/21) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass das Mietverhältnis über den 24. Februar 2021 hinaus fortgilt als bis zum 31. Dezember 2025 befristetes Mietverhältnis und insbesondere nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 24. Februar 2021 und die außerordentliche Kündigung vom 22. November 2021 beendet wurde.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Zahlung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu ### EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen eines gewerblichen Mietvertrages.

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die ### GbR, vermietete mit Vertrag vom 09.12./17.12.2015 und Nachtrag Nr. 1 vom 13.11./29.11.2017 mit einer Laufzeit bis 31.12.2025 zu einer Miete von monatlich 12.000,00 Euro netto und ab dem 8. Mietjahr von monatlich 14.000,00 Euro netto Ladenflächen im Objekt Straße ### in C### an die Beklagte zum Verkauf von Textilien, Schuhen, Taschen und Accessoires. In § 4 Abs. 1 S. 3 des Mietvertrages bestätigt die Beklagte als Mieterin, „dass die Räumlichkeiten für seinen Betrieb geeignet sind“. § 19 des Mietvertrages enthält eine „Betriebsverpflichtung“, wonach der Mieter verpflichtet ist, den Mietgegenstand während der gesamten Mietzeit seiner Zweckbestimmung entsprechend ununterbrochen zu nutzen und weder ganz noch teilweise ungenutzt leer stehen zu lassen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Mietvertrag nebst Anlagen (Anlage K 1) verwiesen.

Zu dem Nachtrag Nr. 1 vom 13.11./29.11.2017 (Anlage K 1) kam es, weil die seinerzeit mit der Beklagten verbundene ### GmbH & Co. KG mit Mietvertrag vom 16.02.2016 (Anlage BB 2) kurz nach der Beklagten die Nachbarflächen im streitgegenständlichen Objekt angemietet hatte. Die beiden Flächen der Beklagten und der ### GmbH & Co. KG wurden sodann vor Ort zusammengelegt und die ursprünglich vorhandene Trennwand entfernt (vgl. § 1 Abs. 3 des Nachtrags Nr. 1 vom 13.11./29.11.2017). Ein entsprechender Nachtrag wurde auch zu dem Mietvertrag mit der ### GmbH & Co. KG abgeschlossen (vgl. Anlage BB 3). Beide Nachträge stellen jeweils in § 1 Nr. 1 klar, dass sich die jeweiligen Parteien einig darüber sind, dass beide Mietverträge vollkommen unabhängig voneinander sind und die Durchführung und der Bestand des einen Mietvertrages nicht von der Durchführung und dem Bestand des anderen Mietvertrages abhängen.

Nach der von dem Freistaat Sachsen erlassenen Allgemeinverfügung gemäß der Bekanntmachung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt vom 18.03.2020 und vom 20.03.2020 mit dem Aktenzeichen 15-5422/5 in Verbindung mit der Sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17.04.2020 nebst Folgeverordnungen (Sächsische Corona-Schutz-Verordnung vom 15.12.2020 (16.12.2020 bis 10.01.2021), vom 08.01.2021 (11.01. bis 27.01.2021), vom 26.01.2021 (28.01. bis 14.02.2021), vom 12.02.2021 (15.02. bis 07.03.2021; ab 15.02.2021: click und collect), vom 05.03.2021 (08.03. bis 31.03.2021; click und meet bei Unterschreitung der Inzidenz von 100 an fünf Tagen in Folge, ein Kunde je 40 qm Ladenfläche; Öffnung mit Kundenbeschränkung bei Unterschreitung der Inzidenz von 50 an fünf Tagen in Folge) und vom 29.03.2021 (01.04. bis 09.05.2021)) war die vollständige Öffnung der streitgegenständlichen Ladenfiliale in der Zeit vom 16.12.2020 bis zum 30.04.2021 nicht erlaubt. Die Beklagte behauptet, die Schließung der Filiale sei ab dem 24.12.2020 erfolgt.

Die Beklagte erzielte in dem streitgegenständlichen Objekt im Jahr 2019 einen Umsatz von 711.875,00 Euro. Im Jahr 2020 lag der Umsatz bei 496.245,00 Euro und im Jahr 2021 bei 301.866,00 Euro (vgl. Anlage BB 1). Zum Stichtag am 28.02.2021 war noch ein Saison-Warenbestand im Objekt von der Herbst-/Winterkollektion 20/21 mit einem Einkaufswert von 52.845,00 Euro netto vorhanden. Da die Ware größtenteils nicht anderweitig verwertbar war, wurden Waren mit einem Einkaufswert von 51.616,00 Euro zu einem Preis von 5.161,00 Euro an einen Dritten veräußert.

Mit Schreiben vom 24.02.2021 (Anlage K 2) kündigte die Beklagte aufgrund des „gegenwärtigen Lockdowns und die damit verbundene Unbenutzbarkeit der Mietsache“ den Mietvertrag außerordentlich und fristlos, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 03.03.2021 (Anlage K 3).

Mit Schriftsatz vom 25.03.2021 hat die Klägerin Klage auf Feststellung erhoben, dass das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten über den 24. Februar 2021 hinaus bis mindestens zum 31. Dezember 2025 fortbestehe und insbesondere nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 24. Februar 2021 beendet worden sei. Ein wichtiger Grund gemäß § 543 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB liege nicht vor. Insbesondere sei der Mietgegenstand nicht von einem erheblichen Sachmangel betroffen. Die aufgrund der Covid-19-Pandemie angeordneten Maßnahmen begründeten keinen Mangel des Mietgegenstandes, da sie nicht unmittelbar auf der konkreten Beschaffenheit des Mietgegenstandes beruhten. Sie knüpften allein an den Betrieb des Mieters an.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass ihr Kündigungsrecht bereits aus § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB folge. Ein vertragsgemäßer Gebrauch des Ladengeschäfts zum Vertrieb von Textilien, Schuhen, Taschen und Accessoires sei seit dem 24.12.2020 nicht mehr möglich. Darüber hinaus läge ein Mangel der Mietsache auch deshalb vor, weil sich in den angemieteten Räumlichkeiten zwangsläufig Aerosole angereicherten, und zwar in einer Weise, die bei Anwesenheit einer infektiösen Person zu einer unmittelbaren Gesundheitsgefährdung führe. Dies gelte für die fensterlosen Räume im Untergeschoss in besonderer Weise. Hilfsweise ergebe sich das Vorliegen eines Kündigungsrechts aus § 313 Abs. 3 S. 2 BGB. Ausnahmsweise sei hier ein außerordentliches Kündigungsrecht gegeben, da die bloße Anpassung des Vertrages nicht geeignet sei, das Festhalten am Vertrag für die Beklagte zumutbar zu machen. Dabei sei die Besonderheit zu beachten, dass der Vertrag eine Betriebspflicht enthalte. Gegenwärtig lasse sich nicht abschätzen, ob und wann wieder stationärer Einzelhandel in der Immobilie dauerhaft betrieben werden könne. Die Beklagte müsse ständig Saisonware sehenden Auges ankaufen, um sie bei dem nächsten Lockdown entweder zu entsorgen oder weit unterhalb des Einstandspreises an Verwerter abzugeben. Der Beklagten würden daher bei einem Fortbestand des Mietverhältnisses immer weiter massive Verluste entstehen, die in keinster Weise kompensiert werden könnten.

Mit Schriftsatz vom 22.11.2021 (Bl. 63 d.A.) und weiterem Schreiben vom 22.11.2021 (Bl. 67 d.A.) hat die Beklagte „erneut das ohnehin beendete Mietverhältnis für das oben bezeichnete Objekt außerordentlich und fristlos“, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Zu den Einzelheiten wird auf die Kündigungsschreiben vom 22.11.2021 verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 25.11.2021 (Bl. 70 d.A.) hat die Klägerin den Feststellungsantrag dahin erweitert, dass das Mietverhältnis auch nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 22.11.2021 beendet worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit Endurteil vom 23.12.2021 hat das Landgericht der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Eine tatsächliche Entziehung des Gebrauchs nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB liege nicht vor. Auch eine Entziehung der Mietsache durch nachträgliches Auftreten eines Sach- oder Rechtsmangels können nicht bejaht werden. Insbesondere sei ein Mangel der Mietsache nach § 536 Abs. 1 BGB nicht darin zu sehen, dass das Gewerbeobjekt von der Beklagten wegen der Covid-19-Pandemie nicht oder zumindest nicht wie gewöhnlich habe genutzt werden können. Die Beklagte könne sich auch nicht auf die behauptete akute Infektionsgefahr durch den nicht hinreichenden Luftaustausch in den Mieträumlichkeiten als Mangel berufen. Selbst wenn es sich in der Belastung des Ladengeschäfts mit Viren um einen Mangel handeln würde, hätte dieser bereits bei Vertragsschluss vorgelegen und wäre der Beklagten bei Vertragsschluss bekannt gewesen oder jedenfalls infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben. Dennoch habe die Beklagte in § 4 Abs. 1 S. 3 des Mietvertrages bestätigt, dass die Räumlichkeiten für ihren Betrieb geeignet seien. Mit einer außerordentlichen Kündigung sei die Beklagte deshalb gemäß § 543 Abs. 4 S. 1 BGB ausgeschlossen. Ferner wäre nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB vor der Kündigung eine Abmahnung bzw. Fristsetzung seitens der Beklagten erforderlich gewesen, damit Maßnahmen hätten ergriffen werden können, die einen hinreichenden Luftaustausch bzw. eine hinreichende Luftzirkulation gewährleisteten. Für eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung seien keine Anhaltspunkte ersichtlich. Ein allgemeiner Rückgang der Kundenfrequenz, der auf das Pandemiegeschehen zurückzuführen sei, stelle erst recht keinen Mietmangel dar. Schließlich ergebe sich kein Recht der Beklagten zur außerordentlichen fristlosen Kündigung aus § 314 Abs. 1 BGB. Das Kündigungsrecht sei ausgeschlossen, wenn sich die wesentliche Änderung bzw. Störung der Verhältnisse durch Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse beseitigen lasse und beiden Parteien die Fortsetzung des Vertrages zuzumuten sei. Die Beklagte habe nichts dazu vorgetragen, dass ihr ein solches Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden könne. Soweit die Beklagte vorgebe, dass Schuhe, Textilien, Taschen und Accessoires im Online-Handel so gut wie nicht verkäuflich seien, könne das Gericht diesen Vortrag nicht ernst nehmen. Allgemeinkundig würden diese Waren in Größenordnungen online gehandelt.

Gegen dieses, ihr am 28.12.2021 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 30.12.2021 Berufung eingelegt und diese – nach entsprechender Fristverlängerung – mit Schriftsatz vom 27.03.2022 begründet. Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Urteil wegen der Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 S. 3 des Mietvertrages eine unzulässige Überraschungsentscheidung darstelle. Jene vertragliche Regelung habe in den Schriftsätzen ebenso wenig eine Rolle gespielt wie im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Hätte das Landgericht auf seine Absicht hingewiesen, § 4 Abs. 1 S. 3 des Mietvertrages zur Entscheidung des Rechtsstreits heranzuziehen, wäre darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Mietvertrag um das ständig verwandte Muster der Vermieterin gehandelt habe, das weder inhaltlich zur Disposition gestanden und noch viel weniger ausgehandelt worden sei. Schon dem äußeren Anschein nach handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen. Als solche stelle § 4 Abs. 1 S. 3 des Mietvertrages eine überraschende Klausel im Sinne von § 305 c Abs. 1 BGB dar. Mit einer derartigen Bestätigungsklausel, zudem noch an versteckter Stelle, habe kein Mieter rechnen müssen. Unabhängig davon sei die Klausel unangemessen benachteiligend im Sinne des § 307 BGB. i.V.m. § 309 Nr. 12 BGB. Hierdurch werde zumindest die Beweislast nachteilig zulasten der Beklagten verändert.

Mit der Frage, ob die Räume gesundheitsgefährdend beschaffen seien, habe sich das Gericht nicht bzw. nur äußerst oberflächlich auseinandergesetzt. Die Voraussetzungen für eine schwere Gesundheitsgefährdung seien bei Ausspruch der außerordentlichen Kündigung gegeben gewesen. Wegen der nicht hinreichenden Be- und Entlüftung reicherten sich Aerosole in den Räumlichkeiten stark in der Raumluft an. Eine Änderung der Belüftungssituation sei aufgrund der spezifischen Eigenheiten des Gebäudes nicht möglich. Eine Fristsetzung im Sinne des § 543 Abs. 3 BGB sei daher entbehrlich gewesen. Vorsorglich werde das Mietverhältnis hiermit erneut außerordentlich und fristlos gekündigt. Die Frage des Vorliegens eines Mangels der Mietsache sei für die Frage einer Gesundheitsgefährdung völlig irrelevant. Selbst bei einer Anmietung in Kenntnis des Mangels sei das Kündigungsrecht nicht ausgeschlossen. Bereits dies verkenne das Landgericht. Unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsgefährdung habe das Gericht den Sachverhalt nicht geprüft.

Schließlich sei die Klage auch deshalb unbegründet, weil es der Beklagten nicht weiter zuzumuten sei, angesichts der unklaren Situation ständig Waren anzukaufen, um sie dann aufgrund von Lockdown-Maßnahmen unter Einstandspreis verramschen zu müssen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass bereits aus den aufgezeigten Umsatzzahlen deutlich werde, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses der Beklagten auch unter dem Gesichtspunkt des § 313 BGB nicht zuzumuten gewesen sei.

Jedenfalls die ausgesprochene hilfsweise Kündigung greife durch, da die Schriftform des Mietvertrages verletzt worden sei. Für das streitgegenständliche Mietverhältnis bestünde nämlich keine Mietsicherheit mehr. Die damaligen Vertragsparteien der beiden Mietverträge für das Objekt der Beklagten bzw. der GmbH & Co. KG hätten sich im Vorfeld des Abschlusses der beiden Nachträge darauf geeinigt, dass die Mietsicherheiten aus dem Mietverhältnis mit der Beklagten und der ### GmbH & Co. KG in Höhe von 60.510,00 EUR bzw. 112.500,00 EUR in eine gemeinsame Mietsicherheit für beide Objekte zusammengefasst würden. Dementsprechend ergebe sich eine Bürgschaftssumme von 173.010,00 EUR. Diese Mietsicherheit sei seinerzeit von der Versicherung gestellt worden. In jener Bürgschaftsurkunde (Anlage NT 1-3 zur Anlage BB 3) heiße es, dass diese Bürgschaft nur im Austausch gegen die Bürgschaft Nr. 20 vom 19.02.2016 gelte. Im Zusammenhang mit dem Ankauf der Immobilie durch die Klägerin sei den Kaufvertragsparteien aufgefallen, dass die Bürgschaft über 173.010,00 Euro noch keine Wirksamkeit erlangt gehabt habe, weil sie im Nachtrag Nr. 1 zum streitgegenständlichen Mietvertrag noch nicht an die Bürgin zurückgereicht gewesen sei. Dies sei erst mit Schreiben vom 09.03.2018 geschehen (Anlage BB 4). Die Bürgschaft über 173.010,00 Euro habe die Klägerin im Rahmen des Erwerbs der Immobilie von der ehemaligen Vermieterin erhalten. Nachdem die ### GmbH & Co. KG in Insolvenz geraten sei, sei dieser Betrag von der Klägerin vollständig in Anspruch genommen und von der Bürgin ausgezahlt worden. Vereinbarungsgemäß bestehe damit für das streitgegenständliche Mietverhältnis keine Mietsicherheit mehr. Damit sei die Schriftform des Mietvertrages verletzt.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, dass eine Überraschungsentscheidung nicht vorliege. Die Anwendbarkeit von § 4 Abs. 1 Satz 3 Mietvertrag sei nicht entscheidungserheblich, sondern nur ein Hilfsargument. Das Landgericht habe das Nichtvorliegen eines Mangels des Mietgegenstandes wegen der angeblichen akuten Infektionsgefahr durch einen nicht hinreichenden Luftaustausch richtigerweise damit begründet, dass eine Vielzahl von Viren, insbesondere auch Grippeviren – und nicht nur Covid 19 – durch Tröpfchen und Schwebestoffe (Aerosole) übertragen würden. Im Übrigen werde ausdrücklich bestritten, dass die Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 3 Mietvertrag eine allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle.

Das Mietverhältnis könne auch nicht deswegen gemäß §§ 543 Abs. 1, 569, 578 Abs. 2 BGB gekündigt werden, weil der Mietgegenstand angeblich gesundheitsgefährdend beschaffen sei. Dies treffe bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Der Mietgegenstand bekomme von einem Lüftungsgerät im Untergeschoss aufbereitete Luft, wobei HEPA Filter genutzt würden. Unabhängig davon folge eine erhebliche Gesundheitsgefährdung hier nicht aus den Eigenschaften des Mietgegenstandes, sondern aus einer möglichen Übertragung von Viren, insbesondere des Coronavirus SARS-CoV-2, von einem Besucher des Mietgegenstandes auf einen anderen. Dies stelle aber letztendlich ein allgemeines Lebensrisiko dar, welches sich in sämtlichen Lebensbereichen verwirklichen könne.

Das Landgericht habe auch rechtsfehlerfrei eine außerordentliche Kündigung gemäß § 313 Abs. 3 BGB abgelehnt. Der Vortrag der Beklagten zu den Umsatzzahlen sei offensichtlich nicht gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Trotz des Hinweises der Klägerin in ihrer Replik vom 27. Juli 2021 sei erstinstanzlich kein Vortrag der Beklagten zu solchen Umständen erfolgt, welche der Beklagten das Festhalten am unveränderten Mietvertrag unzumutbar machen würden. Dies könne nur auf Nachlässigkeit auf Seiten der Beklagten zurückzuführen sein.

Auch der Vortrag der Beklagten zur Begründung der ordentlichen Kündigung sei gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 ZPO nicht bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Abgesehen davon treffe es nicht zu, dass für das streitgegenständliche Mietverhältnis keine Mietsicherheit mehr vorliege. In § 2 Nachtrag Nr. 1 sei gerade festgehalten, dass die Beklagte der Klägerin die dem Nachtrag Nr. 1 als Anlage NT1-3 beigefügte Mietsicherheit übergeben habe. Diese Mietbürgschaft über EUR 60.150,00 liege der Klägerin auch zum heutigen Tage noch vor und könne seitens der Klägerin geltend gemacht werden. Mithin treffe es nicht zu, dass die Mietbürgschaft der ### gemeine Versicherung ### vom 19. Februar 2016 über EUR 60.150,00 an die Beklagte oder die Bürgin herausgegeben worden sei.

Der Senat hat die Beklagte mit Beschluss vom 14.09.2022 auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung mit der im Tenor genannten Maßgabe hingewiesen.

Mit Schriftsatz vom 14.10.2022 hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, dass die Bürgschaft über 60.510,00 EUR gemäß Anlage BB 5 nicht an die Bürgin herausgegeben worden sei, was die Beklagte erst am 28.09.2022 erfahren habe. Vielmehr sei der Bürgin seinerzeit nur eine Kopie übermittelt worden. Den Vortrag der Klägerin, sie sei nach wie vor im Besitz des Originals mache sich die Beklagte hilfsweise zu eigen. Die im Zusammenhang mit dem Abschluss der Nachträge zum streitgegenständlichen Mietvertrag und zu dem Mietvertrag mit der ### GmbH (Anlage BB 2) herausgereichte weitere Bürgschaft über 173.010,00 EUR gemäß Anlage BB 6 erlange ausweislich ihres Wortlautes nur Wirksamkeit, wenn die als Anlage BB 5 vorgelegte Bürgschaft zurückgegeben werde. In Kenntnis der fehlenden Rückgabe der Bürgschaft über 60.510,00 EUR (Anlage BB 5) und damit in Kenntnis der Unwirksamkeit der Bürgschaft über 173.010,00 EUR (Anlage BB 6) habe die Klägerin bewusst vertragswidrig und in Täuschungsabsicht die Bürgschaft über 173.010,00 EUR mit Schreiben vom 21.07.2019 in Anspruch genommen. Die Bürgin sei fälschlicherweise von der Wirksamkeit der Bürgschaft ausgegangen und habe den Betrag von 173.010,00 EUR an die Klägerin ausgezahlt. Sie habe den Zahlbetrag von der Beklagten zurückgefordert und erhalten. Die Klägerin habe die Beklagte deshalb bewusst in Höhe des Betrags von 173.010,00 EUR geschädigt. Das Mietverhältnis werde daher vorsorglich hiermit erneut außerordentlich und fristlos gekündigt. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten wird auf den Schriftsatz vom 14.10.2022 Bezug genommen.

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass gemäß der Anlage BB 4 die Bürgschaft mit der Bürgschaftsnummer 330 97 38370904/000020 PB an die ### übermittelt worden ist. Die der Klägerin vorliegende Mietbürgschaft habe dagegen die Bürgschaftsnummer ###04/000020 PB (Anlage KB1). Das Schreiben gemäß Anlage BB 4 könne sich folglich nur auf eine andere Mietbürgschaft beziehen, als auf die Mietbürgschaft, welche der Klägerin weiterhin vorliege. Mithin sei davon auszugehen, dass die in § 2 des Nachtrages Nr. 1 zum Mietverhältnis zwischen ### und ###ge vom 13./29. November 2017 erwähnte Bürgschaft Nr. 20 an V herausgegeben wurde. Eine Pflichtverletzung der Klägerin gegenüber der Beklagten könne aus diesem Grund nicht vorliegen. Andernfalls hätten die Parteien im Nachtrag Nr. 1 zum Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten vom 13./29. November 2017 auch nicht geregelt, dass die diesem Nachtrag Nr. 1 beigefügte Mietbürgschaft (Anlage NT1-3), welche der Klägerin weiterhin vorliege, vertragsgemäß sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Parteien wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Der Senat weist die zulässige Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung zurück, denn er ist nach wie vor einstimmig davon überzeugt, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil erfordern. Zudem erscheint auch aus sonstigen Gründen die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht geboten.

1. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klage zulässig ist und insbesondere das notwendige Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO vorliegt. Wie im Hinweisbeschluss vom 14.09.2022 ausgeführt, hat der Senat den Antrag der Klägerin dahin verstanden, dass festgestellt werden soll, dass das streitgegenständliche Mietverhältnis infolge der aus ihrer Sicht unwirksamen Kündigungen vom 24.02.2021 bzw. 22.11.2021 über den 24.02.2021 fortgilt als bis zum 31. Dezember 2025 befristetes Mietverhältnis. Die anderslautende Formulierung des Klageantrags „Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten über den 24. Februar 2021 hinaus bis mindestens zum 31. Dezember 2025 fortbesteht und ###“, den auch das Landgericht im Tenor des angefochtenen Urteils übernommen hat, könnte den Eindruck erwecken, dass es der Klägerin um die Feststellung von künftigen Tatsachen geht. Künftige Tatsachen können jedoch nicht Gegenstand eines Feststellungsausspruches sein (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2022, 5 U 1630/21, BeckRS 2022, 2325, Rn. 27). Eine feststellbare gegenwärtige Tatsache ist dagegen, dass das Mietverhältnis über den 24. Februar 2021 hinaus fortgilt als bis zum 31. Dezember 2025 befristetes Mietverhältnis (vgl. Senatsurteil vom 12.01.2022, a.a.O., Rn. 28). Ein Indiz dafür, dass auch das Landgericht nur gegenwärtige Tatsachen feststellen wollte, sind die Ausführungen auf Seite 4 unten des Urteils vom 23.12.2021, wo eine Einschränkung unter Bezugnahme auf die gesetzlich zugelassenen Gründe für eine außerordentliche Kündigung gemacht wird. Die Klägerin hat dieser Interpretation ihres Begehrens nicht widersprochen. Angesichts dessen hat der Senat den Tenor des angefochtenen Urteils klarstellend in der eingangs genannten Weise umformuliert.

2. In der Sache selbst geht der Senat mit dem Landgericht auch weiterhin davon aus, dass der zwischen der Beklagten und der ### GbR abgeschlossene Mietvertrag vom 09.12./17.12.2015 in der Fassung des Nachtrags Nr. 1 vom 13.11./29.11.2017, in welchen die Klägerin unstreitig durch Erwerb des Grundstücks gemäß §§ 578 Abs. 2, 566 Abs. 1 BGB eingetreten ist, nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.02.2021 beendet worden ist. Jene Kündigung war unwirksam, denn die Klägerin hatte der Beklagten den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht im Sinne von § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB entzogen.

a) Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, war die Nutzung des Mietobjekts entsprechend dem vertraglich vereinbarten Gebrauchszweck nicht deshalb durch einen Sachmangel i.S.d.. § 536 Abs. 1 BGB erheblich beeinträchtigt, weil das Ladengeschäft der Beklagten zum Zeitpunkt der Kündigung am 24.02.2021 aufgrund der Sächsischen Coronaschutzverordnung vom 12.02.2021 geschlossen war. Die mit der Schließungsanordnung zusammenhängende Gebrauchsbeschränkung beruhte nämlich nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache, sondern knüpfte an den Geschäftsbetrieb der Beklagten als Mieterin mit dem sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt bzw. beschränkt werden sollte. Durch die Verordnung wurde weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume im Übrigen noch der Klägerin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher grundsätzlich weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21, NZM 2022, 802 Rn. 32).

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich eine Mangelhaftigkeit der Mietsache auch nicht damit begründen, dass im Februar 2021 die Nutzung des Ladengeschäfts mit erheblichen Gesundheitsgefahren verbunden gewesen sei, weil der mit der vertragsgemäßen Nutzung des Mietobjekts verbundene Personenverkehr zu einer Ansammlung von Aerosolen in dem Ladengeschäft geführt habe. Für den Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 24.02.2021 trifft dies schon deshalb nicht zu, weil das Ladengeschäft der Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag im Februar 2021 vollständig geschlossen war, Publikumsverkehr also gar nicht stattfand. Abgesehen davon ist aber auch die vermehrte Ansammlung von Aerosolen in den Mieträumen und die damit bedingte Infektionsgefahr nutzungsbedingt und betrifft damit allein die Verwendung des Mietobjekts durch die Beklagte. Der für die Annahme eines Sachmangels im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB notwendige Bezug zur konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der Mietsache fehlt dagegen (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21, NZM 2022, 802 Rn. 27).

c) Schließlich ergibt sich ein Mangel im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB auch nicht aus dem im vorliegenden Fall vereinbarten Mietzweck der Räumlichkeiten zum Verkauf von Textilien, Schuhen, Taschen und Accessoires. Denn ohne besondere, hier nicht vorgetragene Umstände gehören nur rechtliche Umstände, die die körperliche Beschaffenheit, den Zustand oder die Lage der Mietsache betreffen oder Einfluss auf sie haben, zu der vom Vermieter geschuldeten Leistung. Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich – wie hier – aus betriebsbezogenen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursache haben, hat der Vermieter hingegen ohne eine anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen (vgl. BGH Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21, NZM 2022, 802 Rn. 28). Allein in der vertraglichen Festlegung eines bestimmten Nutzungszwecks kann eine solche Vereinbarung nicht gesehen werden (BGH a.a.O.). Auch aus der in § 19 des Mietvertrages vereinbarten „Betriebsverpflichtung“ lässt sich nicht herleiten, dass die Klägerin das grundsätzlich die Beklagte treffende Verwendungsrisiko habe übernehmen wollen (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 30.08.2021 – 21 S 14/21, BeckRS 2021, 26044 Rn. 23; nachfolgend BGH Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21, NZM 2022, 802).

Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung aus § 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB stand der Beklagten deshalb im Ergebnis nicht zu. Aus den gleichen Gründen scheitert auch ein Kündigungsrecht aus §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 1 i.V.m. 578 Abs. 2 S. 3 BGB. Voraussetzung einer Kündigung nach § 569 Abs. 1 BGB ist nämlich, dass die erhebliche Gesundheitsgefährdung von der dauernden Beschaffenheit des Mietobjekts ausgeht (vgl. Guhling/Günter/Alberts, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 10 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Auf die vom Landgericht ergänzend herangezogene Regelung aus § 4 Abs. 1 S. 3 des Mietvertrages kommt es im Ergebnis nicht an; deshalb kann auch offen bleiben, ob jene Vorschrift als allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren ist.

Für die nachfolgend ausgesprochenen außerordentlichen Kündigungen vom 22.11.2021 und die in der Berufungsbegründungsschrift vom 27.03.2022 erklärte weitere außerordentliche Kündigung gilt nichts anderes.

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten stand dieser am 24.02.2021 auch kein Kündigungsrecht nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB zu. Zum einen fehlt es an hinreichendem Vortrag der Beklagten dazu, dass ihr ein Festhalten ein an dem bisherigen Vertrag unzumutbar wäre (dazu a)). Erst recht hat die Beklagte keinen Vortrag dazu gehalten, dass eine andere Form der Vertragsanpassung unmöglich oder ihr nicht zumutbar sei, § 313 Abs. 3 BGB (dazu b)).

a) Zwar kommt im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NZM 2022, 99; Senat, Urteil vom 24.02.2021 – 5 U 1782/20, COVuR 2021, 212). Das Kündigungsrecht aus § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB wird auch nicht durch die Kündigungstatbestände der §§ 543, 569 BGB oder § 314 BGB verdrängt, denn für das Recht zur außerordentlichen und fristlosen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses – also auch eines Mietvertrages – wegen nicht durch Vertragsanpassung korrigierbarer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 S. 2 BGB) besteht neben der Möglichkeit, das Dauerschuldverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich und fristlos zu kündigen (§§ 314, 543, 569 BGB), ein abgrenzbarer Anwendungsbereich (vgl. Guhling/Günter/Alberts, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, BGB § 543 Rn. 6; i.E. ebenso BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21, NJW 2022, 1382 Rn. 36). Während die außerordentliche Kündigung des Dauerschuldverhältnisses ein vertragsimmanentes Mittel zur Auflösung der Vertragsbeziehung ist, begründet die Auflösung eines Vertrages wegen Wegfalls bzw. Störung der Geschäftsgrundlage eine außerhalb des Vertrages liegende, von vornherein auf besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, sich von den vertraglich übernommenen Pflichten zu lösen (vgl. Guhling/Günter/Alberts, Gewerberaummiete, 2. Aufl. 2019, BGB § 543 Rn. 6 m.w.N.).

Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB berechtigt jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ihm ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Miethöhe unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NZM 2022, 99 Rn. 53).

Grundsätzlich obliegt es der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist. Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung oder -einschränkung muss deshalb der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile, die eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen, ihm durch die Maßnahme entstanden sind, und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21, NZM 2022, 802 Rn. 42; BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NZM 2022, 99 Rn. 58). Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2022 – XII ZR 8/21, NZM 2022, 99 Rn. 59). Zu berücksichtigen ist auch, ob und in welchem Umfang der Mieter in der Zeit der Nutzungsbeschränkung Aufwendungen erspart hat.

Die Beklagte hat hier die Unzumutbarkeit des Festhaltens an dem Vertrag damit begründet, dass sich der Umsatz in der betroffenen Filiale in den Jahren 2020 und 2021 – im Vergleich zu den Jahren 2017 bis 2019 – stark rückläufig entwickelt habe. Dabei hat die Beklagte – zweitinstanzlich, aber von der Klägerin unbestritten – auf die Umsatzzahlen gemäß der Anlage BB 1 Bezug genommen. Neues unstrittiges Vorbringen unterliegt nicht dem Novenausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO, sondern ist in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 34. A., § 531 Rn. 20). Gleichwohl folgt aus den dargelegten Umsatzzahlen für sich allein nicht, dass der Beklagten das Festhalten an dem Vertrag und die Erfüllung ihrer Hauptleistungspflicht, nämlich die Zahlung der vertraglich geschuldeten Miete, unzumutbar ist und für die Beklagte zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Erforderlich dafür wäre vielmehr substantiierter Vortrag gewesen, der eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation der Beklagten ermöglicht hätte. Es sind nämlich auch die Vorteile zu berücksichtigen, die der Beklagten aus der eingetretenen Veränderung erwachsen sind und die insgesamt zu einer Entlastung von Kosten führen. Dazu zählen beispielsweise auch ersparte Lohnkosten, etwa im Fall von Kurzarbeit (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2022 – XII ZR 75/21, NZM 2022, 802 Rn. 45). Auf den fehlenden Vortrag der Beklagten hierzu hat die Klägerin erstinstanzlich im Schriftsatz vom 27.07.2021 und in der Berufungserwiderung vom 14.04.2022 hingewiesen. Auch das Landgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass der Vortrag der Beklagten zur Frage der Unzumutbarkeit unzureichend ist. Eines weiteren Hinweises des Senats nach § 139 ZPO bedurfte es daher nicht.

b) Die Beklagte hat darüber hinaus auch nicht substantiiert dargelegt, dass eine andere Form der Vertragsanpassung im konkreten Fall unmöglich oder ihr nicht zumutbar sei, § 313 Abs. 3 BGB. Die Anwendung der Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage führt nur ausnahmsweise zur völligen Beseitigung des Vertragsverhältnisses; in aller Regel ist der Vertrag aufrechtzuerhalten und lediglich in einer den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung tragenden Form der veränderten Sachlage anzupassen (BGH NJW 1984, 1746 (1747)). Deshalb ist nicht nur bei der Prüfung des normativen Tatbestandsmerkmals des § 313 Abs. 1 BGB, sondern auch bei der Frage, welche Form der Vertragsanpassung im konkreten Fall angemessen ist, von besonderer Bedeutung, welche Regelung die Parteien gewählt hätten, wenn sie das Ereignis, das zur Störung der Geschäftsgrundlage geführt hat, bei Vertragsschluss bedacht hätten (vgl. BeckOGK/Martens, Stand: 01.10.2022, BGB § 313 Rn. 140). Unzumutbar ist eine Vertragsanpassung dann, wenn sie gegenüber dem ursprünglichen Vertrag zu einer Mehrbelastung einer Partei führen würde, der diese nicht wenigstens hypothetisch bei Vertragsschluss zugestimmt hätte, wenn sie die Grundlagenstörung vorausgesehen hätte (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2022 – XII ZR 36/21, NJW 2022, 1382, Rn. 35).

Gemessen daran reicht die Behauptung der Beklagten, sie müsse Ware mit sechs Monaten Vorlauf bestellen, die sie anschließend aufgrund des nächsten Lockdowns unter Einkaufspreis verschleudern müsse, nicht aus, um jede andere und vorrangige Form der Vertragsanpassung als ausgeschlossen anzusehen. Könnte sich die Beklagte allein wegen der mangelnden Absetzbarkeit der eingekauften Waren von dem abgeschlossenen Mietvertrag lösen, würde das komplette unternehmerische Risiko der Beklagten in den Risikobereich der Vermieterin verlagert. Den vertraglichen Regelungen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass die Klägerin dieses Risiko im Falle einer Pandemie auch nur teilweise übernehmen wollte. Auch die Regelung in § 19 des Mietvertrages („Betriebsverpflichtung“) gibt dafür nichts her. Eine Vertragsauflösung allein vor dem Hintergrund des mangelnden Warenabsatzes würde sich damit seinerseits als unzumutbar für die Klägerin als Vermieterin darstellen. Angesichts dessen kann die vorliegende Störung der großen Geschäftsgrundlage hier nicht durch eine Kündigung des Mietvertrages nach § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB beseitigt werden.

Für die weiteren Kündigungen vom 22.11.2021 bzw. 27.03.2022 vermag der von der Beklagten herangezogene Kündigungsgrund des mangelnden Warenabsatzes wegen Lockdowns erst recht nicht zu gelten, weil das Ladengeschäft der Beklagten zu diesen Zeitpunkten nicht von staatlich angeordneten Geschäftsschließungen betroffen war.

Andere Gründe dafür, warum eine Anpassung des Vertrages nach § 313 Abs. 1 BGB nicht möglich oder der Beklagten nicht zumutbar sein soll, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

4. Auch die hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen haben das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis nicht zu einem früheren Zeitpunkt vor dem 31.12.2025 beendet. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Schriftform des Mietvertrages nach § 550 BGB gewahrt.

Die Beklagte hat erstmals in der Berufungsinstanz behauptet, dass „vereinbarungsgemäß“ für das streitgegenständliche Mietverhältnis keine Mietsicherheit mehr bestünde. Die Klägerin hat diesen Vortrag bestritten und ausgeführt, dass die Mietbürgschaft über EUR 60.150,00 der Klägerin immer noch vorliege und seitens der Klägerin geltend gemacht werden könne. Den Beweisangeboten der Beklagten zu der behaupteten Vereinbarung in Bezug auf das Entfallen der Mietsicherheit war nicht nachzugehen, denn zum einen handelt es sich hierbei um neuen Vortrag, der gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen ist. Die Beklagte hat nichts Entschuldigendes dafür vorgebracht, weshalb der Vortrag nicht bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung in 1. Instanz erfolgt ist. Zum anderen ist der entsprechende Vortrag auch unsubstartiiert, denn die Beklagte trägt nicht konkret dazu vor, wer wann mit wem eine Vereinbarung eines bestimmten Inhalts geschlossen haben will. Nur aus der Inanspruchnahme der Bürgschaft über ### EUR durch die Klägerin ergibt sich eine solche Vereinbarung jedenfalls nicht, denn hierbei handelt es sich – lediglich – um die Geltendmachung eines vertraglich vereinbarten Rechts. Eine solche Inanspruchnahme ist nicht laufzeitschädlich i.S.v. § 550 BGB.

5. Schließlich hat auch die mit Schriftsatz vom 14.10.2022 erklärte außerordentliche Kündigung das bestehende Mietverhältnis nicht gemäß § 543 Abs. 1 BGB beendet. Der Senat ist nämlich nicht davon überzeugt, dass die Klägerin bewusst vertragswidrig und in Täuschungsabsicht die Bürgschaft über ### EUR mit Schreiben vom 21.07.2019 in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin hat im Schriftsatz vom 24.10.2022 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Mietbürgschaft der ### Versicherung AG über EUR ### (Anlage BB 6) für das Mietverhältnis zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin – der G### GbR – und der ### GmbH & Co. KG gestellt worden ist. Sie betraf also nicht das Mietverhältnis zwischen den hiesigen Parteien. Eine etwaige Pflichtverletzung, die aus der Inanspruchnahme dieser Bürgschaft resultieren sollte, würde sich folglich auch nur im Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin – als Rechtsnachfolgerin der ### GbR – und der ### GmbH & Co. KG auswirken. Die Parteien des hiesigen Rechtsstreits haben nämlich in § 1 Nr. 1 des Nachtrags Nr. 1 vom 13.11./29.11.2017 (Anlage K 1) klargestellt, dass sie sich einig darüber sind, dass der hier streitgegenständliche Mietvertrag und der Mietvertrag mit ### GmbH & Co. KG vollkommen unabhängig voneinander sind und die Durchführung und der Bestand des einen Mietvertrages nicht von der Durchführung und dem Bestand des anderen Mietvertrages abhängen.

Eine entsprechende Klausel enthält auch der Nachtrag Nr. 1 vom 13.11.2017 zwischen der ### GbR und der ### GmbH & Co. KG (Anlage BB 3). Darüber hinaus enthält jener Nachtrag in § 2 („Mietsicherheit“) die Verpflichtung des Mieters, „### dem Vermieter innerhalb von 2 Wochen nach Abschluss dieses 1. Nachtrags eine schriftliche Erklärung der ### Versicherung AG zu übergeben, wonach sich die Haftung der ### Versicherung AG aus der Bürgschaft nunmehr auf den Mietvertrag vom 16.02.2016 in der Fassung dieses 1. Nachtrags bezieht und in der die ### Versicherung AG bestätigt, dass die Bürgschaft Nr. 20 vom 19.02.2016 an die ### Versicherung AG zurückgegeben worden ist und der insoweit bestehende Vorbehalt nicht mehr gilt.“ Die Verpflichtung zur Rückgabe der Bürgschaft Nr. 20 betraf folglich das Mietverhältnis zwischen der ### GbR und der ### GmbH & Co. KG – und nicht dasjenige zwischen der ### GbR und der Beklagten.

Dazu passt im Übrigen auch, dass die Nummer der zurückgegebenen Bürgschaft („Nr. 330 97 38370904/000020 PB“, Anlage BB 4) nicht identisch ist mit der Nummer, die sich auf der Bürgschaftsurkunde vom 19.02.2016 befindet („330 97 383709504/000020 PB“, Anlage BB 5) und welche das hier streitgegenständliche Mietverhältnis betrifft.

Angesichts dessen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Klägerin in Kenntnis der fehlenden Rückgabe der Bürgschaft über 60.510,00 EUR (Anlage BB 5) und damit in Kenntnis der Unwirksamkeit der Bürgschaft über 173.010,00 EUR (Anlage BB 6) bewusst vertragswidrig und in Täuschungsabsicht die Bürgschaft über 173.010,00 EUR mit Schreiben vom 21.07.2019 in Anspruch genommen hat. Die Beklagte hat nicht schlüssig dargelegt, dass es sich bei der in der Bürgschaftsurkunde gemäß Anlage BB 6 im Austausch herausverlangte Bürgschaft Nr. 20 um die Bürgschaftsurkunde gemäß Anlage BB 5 handelt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 2, 711, 709 ZPO.

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