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Gewerbemietvertrag – Kostenvorschuss zur Mängelbeseitigung

LG Rostock – Az.: 3 O 377/17 (2) – Urteil vom 16.11.2018

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits, einschließlich der Kosten der Streithelferin der Beklagten, zu tragen.

3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 766.747,00 € festgesetzt (unter Berücksichtigung von 69.600 € für den Klageantrag zu 2.).

Tatbestand

Die Klägerin macht aus einem Mietvertrag einen Vorschussanspruch zur Mängelbeseitigung und einen Schadensersatzanspruch für ein eingeholtes Gutachten geltend.

Die Klägerin mietete 1994 Ladenräume und Kraftfahrzeugstellplätze. Vermieterin wurde später die Beklagte. Die Mietfläche wurde durch Anbauten erweitert. Auf den Mietvertrag und die entsprechenden Nachträge (Anlagen K1 bis K4) wird Bezug genommen. Am Anbau in Richtung Warnow, der 2007 errichtet wurde, traten ab 2009 Setzungsschäden auf. Die Beklagte ließ diese durch die von ihr eingeschaltete BTZ-Ingenieurbüro GmbH (im Folgenden: BTZ) beobachten und unternahm 2015 den Versuch einer Sanierung mittels Einbringung chemischer Substanzen in den Bauuntergrund, der nicht gelang. Die Beklagte ließ den voraussichtlichen Aufwand für den Abriss und die Neuerrichtung des Gebäudeteiles durch einen Architekten schätzen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass Kosten in Höhe von netto 696.000 € entstehen würden (Anlage K 63). Die BTZ teilte unter anderem am 19.02.2016 der Beklagten mit, dass mögliche Gefahren durch den Anbau aktuell durch ein plötzliches Versagen des Baugrundes an der Böschung und durch herabfallende Elemente der abgehängten Unterdecke und der Dachkonstruktion bestehen und dass eine längerfristige Aussage zur Standsicherheit des Gebäudes nicht getroffen werden könne (Anlage K 24). Die Klägerin beauftragte in der Folge den öffentlich bestellten Sachverständigen Diplom-Ingenieur M. mit der Beurteilung der Setzungen des Anbaus. Dieser führte in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 11.04.2016 (Anlage K 26) unter anderem aus, dass eine aufwändige Sanierung erforderlich ist und es beim Versagen von Bauteilen zu einer Gefährdung von Menschenleben kommen kann und das kurzfristig geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, die ein weiteres Absacken des Anbaus verhindern, zum Beispiel eine empfohlene Tiefergründung. Der Sachverständige berechnete für seine Stellungnahme 1147 €, welche die Klägerin als Schadensersatzanspruch geltend macht. In einer Stellungnahme des Statikers des Landkreises Rostock vom 20.04.2016 (Anlage K 30) heißt es unter anderem, dass ein plötzliches Versagen der Standsicherheit der Binder und das Einstürzen von Teilen des Daches oder des gesamten Anbaudaches nicht auszuschließen sind und dass die einzige Möglichkeit in einer grundlegenden Sanierung des Anbaus von der sicheren Gründung bis zum Dach auf Grundlage eines Sanierungsprojektes und des zweifelsfreien statischen Nachweises der Standsicherheit aller Gebäudeteile besteht. Der Statiker hielt aufgrund der Möglichkeit eines plötzlichen Versagens der Standsicherheit eine Schädigung oder Tötung von Kunden und Angestellten des Marktes für nicht ausgeschlossen. Dieser Bericht veranlasste den Landrat des Landkreises Rostock mit Bescheid vom 20.04.2016 gegen die Beklagte eine Nutzungsuntersagung auszusprechen (Anlage K 31). Mit Bescheid vom selben Tag wurde gegen die Klägerin eine Duldungsverfügung dahingehend ausgesprochen, dass die verfügte Anordnung zu Nutzungsuntersagung zu dulden ist (Anlage K 32). Die Beklagte hielt ausweislich des Schreibens ihres Prozessbevollmächtigten vom 21.04.2016 den Weiterbetrieb der Filiale für problemlos möglich, sah keine unmittelbare Gefahr bezüglich der Standsicherheit und für Kunden oder Personal (Anlage K 29). Maßnahmen zur Verhinderung des weiteren Absackens ergingen in der Folge nicht, obwohl die Klägerin mehrfach, unter anderem mit Schreiben vom 09.02.2017 (Anlage K 55) zur Mängelbeseitigung aufgefordert wurde. Auch die Vorlage eines vom Landrat des Landkreises Rostock geforderten Sanierungsprojektes gelangen der Beklagten und BTZ nicht (Anlage K 49).

Die Klägerin schuldete aus dem Mietvertrag mit der Beklagten eine monatliche Bruttomiete in Höhe von 9306,99 €. Diese minderte die Beklagte seit Mai 2016 um zunächst 20 % und danach um 25,25 %, d. h. um 1861,40 € bzw. 2350,13 €. Das Mietverhältnis endet spätestens zum 30.04.2025. Die Beklagte hat das streitgegenständliche Grundstück inzwischen verkauft. Die Eigentumsumschreibung im Grundbuch erfolgte am 27.06.2017 und damit nach Klagezustellung vom 31.05.2017.

Mit der Klage wird der vom Architekten in der Kostenschätzung (Anlage K 63) ermittelte Betrag geltend gemacht.

Die Klägerin beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 697.147,00 € und Verzugszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin einen den Betrag von 696.000,00 € übersteigenden Vorschuss zu zahlen.

Die Beklagte beantragt die Klageabweisung.

Sie ist unter anderem der Auffassung, dass einem Zahlungsanspruch entgegenstehe, dass damit die Opfergrenze überschritten sei. Unter Berücksichtigung der monatlichen Mietminderung hätte sich die Sanierung erst in über 24 Jahren amortisiert.

Durch das Gericht war die Klägerin unter anderem zweimal darauf hingewiesen worden, dass für die Ermittlung der Opfergrenze auch Angaben zum entgangenen Gewinn durch die Unbenutzbarkeit des Anbaus notwendig sind. Die Klägerin hält derartige Angaben in diesem Prozess nicht für notwendig. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen.

Das Gericht hat die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es den bisherigen Vortrag der Beklagten zu der Frage möglicher Ansprüche gegenüber Architekten, Bauunternehmer, Statiker etc. für unzureichend hält. Mit Schriftsatz vom 03.01.2019 (nach der mündlichen Verhandlung) bat die Beklagte um einen richterlichen Hinweis falls das Verfahren in Richtung möglicher Regressansprüche weiterverfolgt werden solle.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Vorschussanspruch der Klägerin steht entgegen, dass dieser so hoch ist, dass damit die Opfergrenze für die Beklagte überschritten ist. Bei der Ermittlung der Opfergrenze ist die Würdigung aller Umstände vorzunehmen (BGH, Urteil vom 21.04.2010 – VIII ZR 131/09-, juris Rn. 22). Darlegungs- und beweispflichtig für das Überschreiten der Opfergrenze ist die Beklagte. Allerdings trifft die Klägerin für die Umstände aus ihrer Sphäre, die zur Abwägung notwendig sind, eine sekundäre Darlegungslast, da die Beklagte über diese Umstände keine Kenntnisse haben kann. Die geforderten Vorschusskosten haben zumindest, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass damit der gesamte Abriss und Neuaufbau des Gebäudeteiles erfolgen kann, eine solche Höhe erreicht, dass das Überschreiten der Opfergrenze nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Die Klägerin hat die notwendigen Angaben zur Ermittlung der Opfergrenze verweigert, sodass zu Ihren Lasten davon auszugehen ist, dass die Opfergrenze überschritten ist.

Für die Abwägung, ob die Opfergrenze überschritten ist, benötigt das Gericht insbesondere Angaben dazu, inwieweit die Beklagte Ansprüche gegenüber Dritten, zum Beispiel Architekt Bauunternehmer, Statiker, ehemalige Geschäftsführer wegen des Absackens hat. Sollte sich hieraus ein Betrag ergeben, der den eingeklagten Betrag erreicht oder diesem nahekommt, könnte sich die Beklagte gegenüber der Klägerin nicht auf die Opfergrenze berufen, da sie bei einem vollen Erfolg der Forderungen gegenüber den Dritten gegebenenfalls finanziell gar nicht belastet werden würde. Das würde aber voraussetzen, dass die Klägerin durch die Unbenutzbarkeit des Gebäudeteiles Nachteile hätte. Denkbar sind gegebenenfalls auch Vorteile durch die geringeren Mietkosten, bei gleich bleibenden Gewinn.

Daher benötigt das Gericht für die Abwägung auch Angaben der Klägerin dazu, welche finanziellen Folgen die Unbenutzbarkeit des gesperrten Teiles für die Klägerin hat. Dazu werden insbesondere Angaben zu Gewinneinbußen benötigt, welche die Klägerin auch nach 2-maligem Hinweis nicht bereit ist, zu erteilen. Da es sich hierbei um Angaben handelt, die nicht die Beklagte erbringen kann, trifft die Klägerin für diese Angaben eine sekundäre Darlegungslast.

Aufgrund des erstmals in der Verhandlung gegebenen Hinweises, dass die Angaben zu Regressmöglichkeiten gegenüber Dritten durch die Beklagte nicht ausreichend sind und der Bitte um konkretisierende Hinweise aus dem Schriftsatz vom 03.01.2019 geht das Gericht davon aus, dass die Beklagte bei einer Fortführung des Verfahrens hierzu so hinreichende Angaben gemacht hätte, dass es dem Gericht möglich gewesen wäre, einzuschätzen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Regressansprüche bestehen. Damit ist davon auszugehen, dass die Beklagte die Abwägung, ob die Opfergrenze überschritten ist, nicht verhindert hätte. Allerdings wäre, selbst nachdem hinreichende Feststellungen zur Höhe eines möglichen Regresses gegen Dritte getroffen worden wären, dem Gericht noch immer keine Abwägung möglich, da die Klägerin die notwendigen Angaben zu eventuellen Gewinneinbußen verweigert und aufgrund des 2-maligen erfolglosen Hinweises des Gerichtes auch davon auszugehen ist, dass sie diese Angaben weiterhin verweigern wird. Eine Abwägung des Gerichtes wird also aufgrund dieser Verweigerungshaltung zu keinem Zeitpunkt möglich sein. Diese Verweigerungshaltung führt unter Berücksichtigung der Höhe des angeklagten Betrages und des Umstandes, dass dieser für den kompletten Abriss und Neuaufbau notwendig ist dazu, dass damit zulasten der verweigernden Prozesspartei davon auszugehen ist, dass die Opfergrenze überschritten wurde. Weiter wurde dabei berücksichtigt, dass es nicht, wie von der Klägerin behauptet, offensichtlich ist, dass eine größere Fläche zwangsläufig zu einem Umsatz- oder Gewinnplus führen muss. Durch höhere Kosten ist beispielsweise auch ein Gewinnrückgang denkbar, sodass die Klägerin gegebenenfalls sogar ein Vorteil von der Unbenutzbarkeit im Zusammenhang mit der Mietminderung hätte, was dazu führen würde, dass die Opfergrenze gegebenenfalls auch deutlich unter dem eingeklagten Betrag liegen könnte. Es spricht auch für das Überschreiten der Opfergrenze, dass unter Zugrundelegung der nachvollziehbaren Berechnung aus Blatt 6 der Klageerwiderung die Amortisierung der Sanierung erst nach 24 Jahren erfolgen würde, während das Mietverhältnis bereits etwa 8 Jahre nach Klageeinreichung enden wird.

Da die Klägerin keinen Anspruch auf die Vorschusskosten hat, hat sie auch keinen Anspruch auf die Erstattung der in diesem Zusammenhang verursachten Gutachterkosten.

Die Nebenentscheidungen gehen gemäß §§ 91, 101, 709 ZPO.

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