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Gewerberaummietanpassung bei pandemiebedingter Geschäftsschließung

Das Oberlandesgericht Rostock entschied, dass die Mieterin keinen Anspruch auf Minderung der Miete hat, wenn sie aufgrund von staatlichen Schließungsanordnungen während der COVID-19-Pandemie ihren Betrieb nicht führen kann. Eine Nutzungseinschränkung durch hoheitliche Maßnahmen begründet keinen Sachmangel, und eine Vertragsanpassung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Parteien eine entsprechende Vereinbarung getroffen hätten.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 U 76/21

Kurz und knapp

  • Mietminderung bei pandemiebedingter Geschäftsschließung nicht möglich, da kein Mangel der Mietsache vorliegt.
  • Behördliche Schließungsanordnung stellt keinen Mangel der Mietsache dar, sondern knüpft an die Nutzungsart an.
  • Zugangsbeeinträchtigung für Kunden beruht nicht auf Lage/Beschaffenheit des Mietobjekts.
  • Mietvertragsformulierung begründet keine unbedingte Einstandspflicht des Vermieters.
  • Unmöglichkeit der Leistung des Vermieters wird verneint, da Räume weiterhin überlassen wurden.
  • Voraussetzungen für Mietanpassung nach § 313 BGB bei Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich gegeben.
  • Jedoch keine Anpassung, wenn Festhalten am Vertrag zumutbar ist unter Berücksichtigung aller Umstände.
  • Mieter trägt Verwendungsrisiko, Pandemie-Risiko wurde nicht einseitig dem Vermieter zugewiesen.
  • Zeitlich begrenzte Umsatzeinbußen stellen keinen Sonderfall dar, der eine Anpassung rechtfertigt.

Mietrecht in der Pandemie: Keine Minderung der Miete bei Schließungsanordnungen

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie haben auch den Mietmarkt für Gewerbeimmobilien stark beeinflusst. Insbesondere Einzelhändler und andere gewerbliche Mieter sahen sich plötzlich mit Schließungsanordnungen und Zugangsbeschränkungen konfrontiert, die ihre Geschäftstätigkeit massiv beeinträchtigten. In der Folge stellt sich die Frage, ob Mieter in solchen Fällen eine Anpassung der Miete verlangen können.

Grundsätzlich trägt der Mieter das Verwendungsrisiko für die Mietsache, also auch das Risiko pandemiebedingter Umsatzeinbußen. Allerdings kann eine außergewöhnliche, unvorhersehbare Störung der Geschäftsgrundlage auch eine Vertragsanpassung rechtfertigen. Entscheidend ist, ob dem Mieter das Festhalten an der vereinbarten Miete unter Berücksichtigung aller Umstände weiterhin zumutbar erscheint.

In der gerichtlichen Praxis wird diese Frage kontrovers diskutiert. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Rostock soll nun Klarheit in diese komplexe Thematik bringen und die wichtigsten Aspekte beleuchten.

Rechtsberatung bei Gewerberaummietanpassung

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Der Fall vor dem Oberlandesgericht Rostock im Detail


Sachverhalt der Gewerberaummietanpassung bei pandemiebedingter Geschäftsschließung

Im Mittelpunkt des Falles steht die Frage nach der Anpassung von Gewerberaummieten infolge behördlich angeordneter Schließungen während der COVID-19-Pandemie. Die Auseinandersetzung entwickelte sich zwischen einem Vermieter, vertreten durch die Klägerin, und einer Mieterin, der Beklagten, die Einzelhandelsgeschäfte betreibt. Die rechtliche Problematik entzündete sich, als die Beklagte aufgrund von staatlichen Schließungsanordnungen ihren Betrieb zeitweise nicht führen konnte und folglich eine Minderung des Mietzinses für die Monate Februar, März und Mai 2021 beanspruchte. Das Landgericht Stralsund wies in erster Instanz die Klage der Vermieterin auf Zahlung des rückständigen Mietzinses erfolgreich ab, woraufhin die Beklagte Berufung beim OLG Rostock einlegte.

Urteil des OLG Rostock zur Mietzinsforderung

Das Oberlandesgericht Rostock bestätigte in seinem Urteil vom 23. Februar 2023 die Entscheidung des Landgerichts Stralsund und wies die Berufung der Beklagten zurück. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Beklagte keinen rechtlichen Anspruch auf Minderung der Miete gemäß Artikel 240 § 2 EGBGB habe, da diese Vorschrift lediglich das Kündigungsrecht des Vermieters einschränkt, sofern die Nichtleistung der Miete ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen ist. Ferner stellte das Gericht fest, dass die behördliche Schließungsanordnung keinen Mangel der Mietsache gemäß § 536 BGB darstellt, da diese nicht auf der Beschaffenheit oder dem Zustand des Mietobjekts beruhte, sondern lediglich an die Art der Nutzung und den damit verbundenen Publikumsverkehr anknüpfte.

Rechtliche Bewertung der Nutzungseinschränkung

In seiner Urteilsbegründung erklärte das OLG, dass eine Nutzungseinschränkung, die durch hoheitliche Maßnahmen bedingt ist, nicht automatisch einen Sachmangel begründet. Der Senat folgte damit der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung, dass solche externen Eingriffe nicht die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache selbst beeinträchtigen. Zudem sei durch die Mietvertragsklauseln keine unbedingte Einstandspflicht der Klägerin für die Nutzung der Räumlichkeiten unter allen Umständen, insbesondere bei pandemiebedingten Betriebsschließungen, vereinbart worden.

Vertragsanpassung und Geschäftsgrundlage

Trotz der Ablehnung eines Mietmangels erkannte das Gericht grundsätzlich an, dass die COVID-19-Pandemie und die daraus resultierenden staatlichen Maßnahmen eine erhebliche Veränderung der Geschäftsgrundlage darstellen können. Entsprechend § 313 Abs. 1 BGB wäre eine Anpassung des Mietvertrages theoretisch möglich, wenn die Parteien den Vertrag unter Kenntnis dieser Umstände anders geschlossen hätten. Das Gericht stellte jedoch klar, dass eine solche Anpassung im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sei, da keine vertragliche Vereinbarung vorlag, die eine andere Risikoverteilung vorsah, und die Parteien bei Vertragsabschluss keine Pandemie antizipierten.

Die Schlüsselerkenntnis in diesem Fall


Das OLG Rostock bestätigt die geltende Rechtsauffassung, dass pandemiebedingte Geschäftsschließungen auf Grundlage hoheitlicher Anordnungen keinen Sachmangel der Mietsache darstellen und somit den Mieter nicht zur Mietminderung berechtigen. Eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB scheidet ebenfalls aus, da das Verwendungsrisiko beim Mieter liegt und eine abweichende Risikoverteilung im Mietvertrag nicht vereinbart wurde.

FAQ: Gewerberaummietanpassung bei pandemiebedingter Geschäftsschließung


Welche Rechte haben Gewerbemieter, wenn behördliche Maßnahmen ihren Betrieb einschränken?

Gewerbemieter, deren Betrieb durch behördliche Maßnahmen eingeschränkt wird, haben unter bestimmten Umständen das Recht, eine Anpassung des Mietvertrags zu verlangen. Dies basiert auf der Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Speziell für die durch die COVID-19-Pandemie verursachten Einschränkungen wurde der Art. 240 § 7 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) eingeführt, der eine gesetzliche Vermutung für eine erhebliche Veränderung der Geschäftsgrundlage bei staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie festlegt. Dies bedeutet, dass, wenn vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar sind, vermutet wird, dass sich ein Umstand, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

Gewerbemieter können daher eine Anpassung des Mietvertrags verlangen, wenn sie nachweisen können, dass es für sie unzumutbar ist, an der vertraglichen Vereinbarung zur Miete festzuhalten. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Es ist wichtig zu beachten, dass die gesetzliche Neuregelung den Gewerbemietern kein automatisches und pauschales Minderungsrecht an die Hand gibt. Vielmehr müssen Mieter darlegen und beweisen, dass der Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen worden wäre, wenn die Parteien diese Veränderung vorausgesehen hätten und ihnen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen können Gewerbemieter und Vermieter auch individuelle Vereinbarungen treffen, um auf die durch behördliche Maßnahmen verursachten Einschränkungen zu reagieren. Solche Vereinbarungen können beispielsweise temporäre Mietreduzierungen oder Mietstundungen umfassen, wobei die gestundeten Mietteile nach Ende der pandemiebedingten Einschränkungen über einen gewissen Zeitraum nachgezahlt werden.

Es ist jedoch zu beachten, dass die Möglichkeit einer Mietminderung oder Vertragsanpassung aufgrund von behördlichen Maßnahmen nicht bedeutet, dass Gewerbemieter automatisch von der Pflicht zur Mietzahlung befreit sind. Vielmehr bleibt die Verpflichtung zur Mietzahlung grundsätzlich bestehen, und Gewerbemieter sollten proaktiv mit ihren Vermietern verhandeln, um eine einvernehmliche Lösung zu finden.


Kann eine Pandemie als Grund für eine Mietanpassung bei Gewerberäumen angesehen werden?

Ja, eine Pandemie kann als Grund für eine Mietanpassung bei Gewerberäumen angesehen werden, insbesondere wenn sie zu einer erheblichen Störung der Geschäftsgrundlage führt, wie es § 313 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorsieht. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass im Falle von pandemiebedingten Geschäftsschließungen, die auf hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruhen, grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete in Betracht kommt.

Die Anwendung von § 313 BGB setzt voraus, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Mietvertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben. Die Parteien hätten den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Zudem muss dem Mieter ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden können.

Die Entscheidung über eine Mietanpassung ist jedoch stets eine Frage des Einzelfalls. Es muss eine umfassende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls erfolgen, bei der sowohl die Nachteile für den Mieter als auch die Interessen des Vermieters berücksichtigt werden. Eine pauschale Anwendung, wie beispielsweise eine automatische Mietreduktion um 50%, wird vom BGH abgelehnt.

Zusätzlich ist zu beachten, dass die pandemiebedingte Schließung eines Geschäfts nicht zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 BGB führt, da die Gebrauchsbeschränkungen nicht auf der Beschaffenheit oder dem Zustand des Mietobjekts beruhen, sondern auf externen, hoheitlichen Maßnahmen.

In der Praxis bedeutet dies, dass Gewerbemieter, die durch pandemiebedingte staatliche Maßnahmen in ihrer Geschäftstätigkeit eingeschränkt sind, unter bestimmten Voraussetzungen eine Anpassung der Miete verlangen können. Sie müssen jedoch die spezifischen Auswirkungen der Pandemie auf ihr Geschäft detailliert darlegen und beweisen, dass ihnen ein Festhalten am ursprünglichen Mietvertrag unzumutbar ist.


Wie wird der Mangelbegriff im Kontext von Gewerberaummieten definiert?

Im Kontext von Gewerberaummieten wird der Mangelbegriff durch § 536 BGB definiert. Ein Mangel liegt vor, wenn die Ist-Beschaffenheit der Mietsache von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit abweicht und dadurch die Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufgehoben oder gemindert wird. Dieser subjektive Mangelbegriff berücksichtigt die spezifischen Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter hinsichtlich der Beschaffenheit und der Nutzung der Mietsache. Die Soll-Beschaffenheit wird maßgeblich durch die vertraglichen Vereinbarungen bestimmt, wobei es unerheblich ist, an welcher Stelle des Vertrages diese festgelegt wurden.

Im Falle einer Pandemie und den damit verbundenen behördlichen Maßnahmen, wie Geschäftsschließungen, kann argumentiert werden, dass diese externen Einflüsse die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache beeinträchtigen können. Allerdings wird in der Rechtsprechung und Literatur überwiegend die Auffassung vertreten, dass pandemiebedingte Einschränkungen nicht unmittelbar zu einem Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 BGB führen, da sie nicht die physische Beschaffenheit der Mietsache betreffen. Stattdessen wird in solchen Fällen eher auf die Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB verwiesen, die eine Anpassung des Mietvertrags ermöglichen kann, wenn sich wesentliche Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nachträglich schwerwiegend verändert haben und den Parteien ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Zusammenfassend basiert der Mangelbegriff im Kontext von Gewerberaummieten auf der Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit, wobei pandemiebedingte Einschränkungen in der Regel nicht direkt als Mangel der Mietsache angesehen werden. Stattdessen können solche externen Einflüsse über die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage adressiert werden, um eine Vertragsanpassung zu erreichen.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 535 Abs. 2 BGB: Regelung der Pflichten des Vermieters zur Gewährleistung eines mangelfreien Gebrauchs der Mietsache. Im Kontext des Falles ist relevant, dass trotz pandemiebedingter Einschränkungen die Mietsache weiterhin den vertraglichen Vereinbarungen entsprechend zur Verfügung stand, was gegen eine Mietminderung spricht.
  • Artikel 240 § 2 EGBGB: Spezifische Regelung bezüglich der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Vertragsverhältnisse. Dieser Artikel begrenzt im Fall der Pandemie das Kündigungsrecht des Vermieters, wenn Mietzahlungen aufgrund der Pandemie ausbleiben, beeinflusst jedoch nicht die allgemeinen mietrechtlichen Gewährleistungspflichten.
  • § 536 BGB: Behandelt Mietminderung bei Mängeln der Mietsache. Die Urteile klären, dass pandemiebedingte Schließungen keinen Mangel der Mietsache darstellen, da die Einschränkungen nicht auf physischen Zuständen der Mietsache beruhen, sondern auf behördlichen Anordnungen.
  • § 313 Abs. 1 BGB: Regelung zur Störung der Geschäftsgrundlage. Dieser Paragraph wird herangezogen, wenn sich wesentliche Umstände, die zur Vertragsgrundlage wurden, nachträglich gravierend ändern. Die Pandemie und die daraus resultierenden Betriebsschließungen könnten eine solche Störung darstellen, die eventuell eine Anpassung des Mietvertrags rechtfertigen.
  • §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB: Behandeln die Befreiung von der Leistungspflicht, wenn die Leistung unmöglich wird. Im besprochenen Fall wurde festgestellt, dass die pandemiebedingte Schließung die Überlassung der Mietsache nicht unmöglich machte, was gegen eine Freistellung von der Mietzahlung spricht.


⬇️ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Rostock

OLG Rostock – Az.: 3 U 76/21 – Urteil vom 23.02.2023

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 03.09.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung ist vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.915,70 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung des von ihr begehrten rückständigen Mietzinses für Februar, März und Mai 2021 i. H. v. 11.915,70 Euro gem. § 535 Abs. 2 BGB zu.

Die Beklagte ist nicht berechtigt, den von ihr zu zahlenden Mietzins zu mindern bzw. reduziert anzupassen.

1. Ein Anspruch auf Minderung der Miete ergibt sich nicht aus Artikel 240 § 2 EGBGB.

Die Anwendbarkeit der mietrechtlichen Gewährleistungsvorschriften und der Regelungen des allgemeinen schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts ist nicht durch Artikel 240 § 2 EGBGB ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022 – XII ZR 8/21). Weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Gesetzesbegründung lässt sich schließen, dass der Gesetzgeber mit Einführung des Art. 240 § 2 EGBGB die Folgen, die sich aus den umfangreichen hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie insbesondere für gewerbliche Mietverhältnisse ergeben können, abschließend regeln wollte (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 20). Nach seinem eindeutigen Wortlaut enthält Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB vielmehr nur eine Beschränkung des Kündigungsrechts des Vermieters, sofern die Nichtleistung der vom Mieter geschuldeten Mietzahlung allein auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 21).

2. Die Miete in dem streitgegenständlichen Zeitraum ist nicht nach § 536 Abs. 1 BGB deshalb gemindert, weil durch § 2 a) Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-LVO M-V vom 15.12.2020, die auf der Corona-Landesverordnung M-V vom 23.11.2020 beruht, ab dem 16.12.2020 sämtliche Verkaufsstellen des Einzelhandels zu schließen waren.

a) Nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der der Senat folgt, stellt die behördliche Untersagung der Öffnung der Filiale der Beklagten keinen Mangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB dar, da die mit der Schließungsanordnung verbundene Gebrauchsbeschränkung der Beklagten nicht auf der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage des Mietobjekts beruhte. Die behördlich angeordnete Geschäftsschließung knüpft allein an die Nutzungsart und den sich daraus ergebenden Publikumsverkehr an, der die Gefahr einer verstärkten Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus begünstigt und der aus Gründen des Infektionsschutzes untersagt werden sollte. Durch die obige Verordnung wird jedoch weder der Beklagten die Nutzung der angemieteten Geschäftsräume im Übrigen noch der Klägerin tatsächlich oder rechtlich die Überlassung der Mieträumlichkeiten verboten. Das Mietobjekt stand daher trotz der Schließungsanordnung weiterhin für den vereinbarten Mietzweck zur Verfügung (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022 – XII ZR 96/21; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 28, 29, 34 m.w.N.; Urteil v. 16.02.2022 – XII ZR 17/21; OLG Hamm, Urteil v. 19.05.2022 – 18 U 43/21).

b) Auch lässt sich eine Mangelhaftigkeit der Mietsache nicht damit begründen, dass durch die behördliche Schließungsanordnung faktisch der Zugang zu den Mieträumlichkeiten für potentielle Kunden der Beklagten verhindert oder beschränkt gewesen ist, da die Zugangsbeeinträchtigung nicht unmittelbar mit der Lage oder der Beschaffenheit des Mietobjekts in Verbindung stand. Die Zugangsbeeinträchtigung beruhte vielmehr alleine auf einer hoheitlichen Maßnahme, die flächendeckend für alle im gesamten Bereich des Landes Mecklenburg-Vorpommern liegenden Geschäfte angeordnet war, für die keine Ausnahmeregelung zutraf (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 35; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 23; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 29).

c) Ferner ergibt sich ein Mangel i.S.v. § 536 BGB auch nicht daraus, dass die Mietvertragsparteien in § 1 Abs. 3 des Mietvertrages als Mietzweck die Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art vereinbart haben. Für öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen, Verbote oder Gebrauchshindernisse, die sich aus betriebsbezogenen Umständen ergeben oder in der Person des Mieters ihre Ursachen haben, hat der Vermieter nämlich ohne anderslautende Vereinbarung nicht einzustehen (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 17; Urteil v. 12.01.2022, a.a.o., Rn. 36; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 29). Vorliegend ist indes eine Vereinbarung, die Klägerin wolle der Beklagten die vereinbarte Nutzung unter allen Umständen gewährleisten, weder hinreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere folgt dies nicht aus § 1 Abs. 2 Nr. 2.2 des Mietvertrages. Der Senat teilt insoweit die Auffassung des Landgerichts, dass sich diesem Passus lediglich entnehmen lässt, dass die Klägerin hiermit die Verpflichtung übernommen hat, das Objekt langfristig an weitere bestimmte Fachmärkte unterschiedlicher Branchen zu vermieten, um so das Objekt an sich für Publikumsverkehr interessanter zu machen. Dass dies nicht erfolgt ist, ist nicht vorgetragen. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts verwiesen. Die Beklagte konnte im vorliegenden Fall auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin mit der Vereinbarung des konkreten Mietzwecks eine unbedingte Einstandspflicht auch für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie übernehmen wollte (vgl. hierzu: BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 36; OLG München, Beschluss v. 17.02.2021 – 32 U 6358/20).

3. Die Beklagte ist auch nicht deshalb von ihrer Verpflichtung zur Mietzahlung befreit, weil der Klägerin ihre vertraglich geschuldete Leistung zur Überlassung und Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand ganz oder teilweise unmöglich gewesen wäre (§§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB).

Das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 326 Abs. 1, 275 Abs. 1 BGB ist vorliegend vielmehr zu verneinen, da es der Klägerin während des streitgegenständlichen Zeitraums trotz der behördlichen Schließungsanordnung nicht unmöglich war, der Beklagten den Gebrauch der Mietsache entsprechend dem vereinbarten Mietzweck zu gewähren (s.o.). Die Klägerin hat daher auch während der Zeit der Betriebsschließung die von ihr gemäß § 535 Abs. 1 BGB geschuldete Leistung erbracht (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 18; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O. Rn. 40 m.w.N.). Eine Einstandspflicht für den Fall einer hoheitlich angeordneten Öffnungsuntersagung im Falle einer Pandemie hatte sie nicht übernommen (s.o.).

4. Eine Mietanpassung ist schließlich auch nicht wegen Wegfalls bzw. Störung der Geschäftsgrundlage vorzunehmen.

Im Fall einer Geschäftsschließung, die auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie beruht, kommt jedoch nach den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 23.11.2022 (Az.: XII ZR 96/21) und vom 12.01.2022 (Az.: XII ZR 8/21) grundsätzlich ein Anspruch des Mieters von gewerblich genutzten Räumen auf Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB in Betracht.

a) Gemäß § 313 Abs. 1 BGB kann eine Anpassung des Vertrags verlangt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Dabei kann eine Anpassung nur insoweit verlangt werden, als dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 21; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 42; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 27; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 34).

aa) Durch die COVID-19-Pandemie und die damit verbundenen weitreichenden Beschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens hat sich die sogenannte große Geschäftsgrundlage für den zwischen den Parteien abgeschlossenen Mietvertrag schwerwiegend geändert. Denn unstreitig hatte keine der Parteien bei Abschluss des Mietvertrags im Jahr 2012 die Vorstellung, während der vereinbarten Mietzeit werde es zu einer Pandemie und damit verbundenen erheblichen hoheitlichen Eingriffen in den Geschäftsbetrieb der Beklagten kommen, durch die die beabsichtigte Nutzung der Mieträume eingeschränkt wird. Betroffen ist dabei insoweit die sogenannte große Geschäftsgrundlage, d.h. die Erwartung der vertragschließenden Parteien, dass sich die grundlegenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen eines Vertrages nicht etwa durch Revolution, Krieg, Vertreibung, Hyperinflation oder eine (Natur-) Katastrophe ändern und die soziale Existenz nicht erschüttert werde.

Diese Erwartung der Parteien ist dadurch schwerwiegend gestört, dass die Beklagte aufgrund der zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlassenen Verordnung ihr Geschäftslokal in der Zeit vom 16.12.2020 bis einschließlich 07.03.2021 und vom 19.04.2021 bis 13.05.2021 hat schließen müssen (vgl. BGH, Urteil vom 12.01. 2022, a.a.O., Rn. 45 m.w.N.; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 28).

bb) Für eine Berücksichtigung der Regelungen über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) ist allerdings grundsätzlich insoweit kein Raum, als es um Erwartungen und um Umstände geht, die nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fallen sollen. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für die Vertragspartei regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 49 m.w.N.).

Die Beklagte hat im vorliegenden Fall jedoch nicht vertraglich das alleinige Verwendungsrisiko für den Fall einer pandemiebedingten Schließung ihres Einzelhandelsgeschäfts übernommen. Zwar können die Mietvertragsparteien durch eine entsprechende vertragliche Abrede die Risikoverteilung ändern. Ob das der Fall ist, ist durch Auslegung der getroffenen Vertragsvereinbarungen zu ermitteln. Dies ist hier aber nicht ersichtlich, zumal Vertragsbestimmungen, mit denen die Mietvertragsparteien die Risikoverteilung abändern wollen, grundsätzlich eng auszulegen sind (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 51).

cc) Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist auch davon auszugehen, dass die Parteien den Mietvertrag mit einem anderen Inhalt abgeschlossen hätten, wenn sie bei Vertragsschluss im Jahr 2012 die Möglichkeit einer Pandemie und die damit verbundene Gefahr einer hoheitlich angeordneten Betriebsschließung vorausgesehen und bedacht hätten. Es ist anzunehmen, dass redliche Mietvertragsparteien für diesen Fall das damit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht einseitig zu Lasten des Mieters geregelt, sondern in dem Vertrag für diesen Fall eine Möglichkeit zur Mietanpassung vorgesehen hätten (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 52; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 28; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 37).

dd) Allein der Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. § 313 Abs. 1 BGB berechtigt jedoch noch nicht zu einer Vertragsanpassung. Vielmehr verlangt die Vorschrift als weitere Voraussetzung, dass dem betroffenen Vertragspartner unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Durch diese Formulierung kommt zum Ausdruck, dass nicht jede einschneidende Veränderung der bei Vertragsschluss bestehenden oder gemeinsam erwarteten Verhältnisse eine Vertragsanpassung oder eine Kündigung (§ 313 Abs. 3 BGB) rechtfertigt. Hierfür ist vielmehr erforderlich, dass ein Festhalten an der vereinbarten Regelung für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 21; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 53; Beschluss v. 03.12.2014 – XII ZB 181/13; Urteil v. 01.02.2012 – VIII ZR 307/10). Deshalb kommt eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn ihm ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Miethöhe unter Abwägung aller Umstände einschließlich der vertraglichen Risikoverteilung zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 21; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O; Rn. 53; Urteil v. 11.12.2019 – VIII ZR 234/18).

(1) Im Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter trägt grundsätzlich der Mieter das Verwendungsrisiko bezüglich der Mietsache. Dazu gehört bei der gewerblichen Miete vor allem die Chance, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 54; Urteil v. 21.09.2005 – XII ZR 66/03; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 39). Erfüllt sich die Gewinnerwartung des Mieters aufgrund eines nachträglich eintretenden Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit ein typisches Risiko des gewerblichen Mieters. Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nachträgliche gesetzgeberische oder behördliche Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Gewerbebetriebs des Mieters kommt. Beruht die enttäuschte Gewinnerwartung des Mieters jedoch auf einer hoheitlichen Maßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie wie einer Betriebsschließung für einen gewissen Zeitraum, geht dies über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Mieters hinaus (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 55 m.w.N; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 30; OLG München, a.a.O., Rn. 25). Die wirtschaftlichen Nachteile, die ein gewerblicher Mieter aufgrund einer pandemiebedingten Betriebsschließung erlitten hat, beruhen nicht auf unternehmerischen Entscheidungen oder der enttäuschten Vorstellung, in den Mieträumen ein Geschäft betreiben zu können, mit dem Gewinne erwirtschaftet werden. Sie sind vielmehr Folge der umfangreichen staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, für die keine der beiden Mietvertragsparteien verantwortlich gemacht werden kann (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 55; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 40). Die pandemiebedingte Schließung von Geschäften betrifft daher nicht allein das Verwendungsrisiko der Beklagten und kann ihr deshalb auch nicht einseitig aufgebürdet werden.

(2) Auch wenn die mit einer pandemiebedingten Betriebsschließung verbundene Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache nicht allein dem Verwendungsrisiko des Mieters zugeordnet werden kann, bedeutet dies aber nicht, dass der Mieter stets eine Anpassung der Miete für den Zeitraum der Schließung verlangen kann. Ob dem Mieter ein Festhalten an dem unveränderten Vertrag unzumutbar ist, bedarf auch in diesem Fall einer umfassenden Abwägung, bei der sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (§ 313 Abs. 1 BGB). Eine pauschale Betrachtungsweise wird den Anforderungen an dieses normative Tatbestandsmerkmal der Vorschrift nicht gerecht. Deshalb kommt eine Vertragsanpassung dahingehend, dass ohne Berücksichtigung der konkreten Umstände die Miete für den Zeitraum der Geschäftsschließung grundsätzlich um die Hälfte herabgesetzt wird, weil das Risiko einer pandemiebedingten Gebrauchsbeschränkung der Mietsache keine der beiden Mietvertragsparteien allein trifft, nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 57 m.w.N.; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 32; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 41; OLG München, a.a.O., Rn. 37).

Bei der vorzunehmenden Abwägung ist zunächst von Bedeutung, welche Nachteile dem Mieter durch die Geschäftsschließung und deren Dauer entstanden sind. Diese werden bei einem gewerblichen Mieter primär in einem konkreten Umsatzrückgang für die Zeit der Schließung bestehen, wobei jedoch nur auf das konkrete Mietobjekt und nicht auf einen möglichen Konzernumsatz abzustellen ist (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 22; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., 58; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 33; Streyl NZM 2020, 817, 825). Zu berücksichtigen kann auch sein, welche Maßnahmen der Mieter ergriffen hat oder ergreifen konnte, um die drohenden Verluste während der Geschäftsschließung zu vermindern (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 22; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 58; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 42).

Da eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage aber nicht zu einer Überkompensierung der entstandenen Verluste führen darf, sind bei der Prüfung der Unzumutbarkeit grundsätzlich auch die finanziellen Vorteile zu berücksichtigen, die der Mieter aus staatlichen Leistungen zum Ausgleich dieser pandemiebedingten Nachteile erlangt hat (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 24; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 59; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 34 OLG Hamm, a.a.O., Rn. 43).

Auch Leistungen einer einstandspflichtigen Betriebsversicherung des Mieters können zu berücksichtigen sein (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 59 m.w.N.), ebenso, ob und in welchem Umfang der Mieter in der Zeit der Nutzungsbeschränkung Aufwendungen erspart hat (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 24). Eine tatsächliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Mieters ist dagegen nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 59 m.w.N.).

Schließlich sind bei der gebotenen Abwägung auch die Interessen des Vermieters in den Blick zu nehmen (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 60; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 35; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 45).

(3) Dabei obliegt es grundsätzlich der Vertragspartei, die sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage beruft, nachzuweisen, dass ihr ein Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar ist (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 25; MünchKommBGB/Finkenauer, 8. Aufl., § 313 Rn. 135 m.w.N). Im Falle einer pandemiebedingten Geschäftsschließung muss daher der Mieter darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Nachteile ihm aus der Betriebsschließung entstanden sind, die ihm eine vollständige Mietzahlung für diesen Zeitraum unzumutbar machen, und welche zumutbaren Anstrengungen er unternommen hat, um drohende Verluste auszugleichen. Behauptet der Mieter, keine staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten zu haben, muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er sich um mögliche Hilfeleistungen vergeblich bemüht hat. Gelingt ihm dies nicht, muss er sich so behandeln lassen, als hätte er die staatlichen Unterstützungsleistungen erhalten. Wendet hingegen der Vermieter ein, dass die vom Mieter behaupteten Verluste nicht auf der COVID-19-Pandemie beruhen, trifft ihn hierfür die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 25; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 61; Urteil v. 16.02.2022, a.a.O., Rn. 36; OLG Hamm, a.a.O., Rn. 46).

(4) Unter Berücksichtigung dessen vermag der Senat nicht zu erkennen, welche Nachteile der Beklagten vorliegend aus der konkreten Geschäftsschließung entstanden sind, die ihr eine vollständige Mietzahlung für den streitbefangenen Zeitraum unzumutbar gemacht hätten, wobei es insoweit maßgeblich auf die konkrete wirtschaftliche Situation der streitbefangenen Filiale der Beklagten ankommt (s.o.).

Zutreffend hat bereits das Landgericht ausgeführt, dass die Beklagte in diesem Zusammenhang im Wesentlichen mit der wirtschaftlichen Situation des Konzerns argumentiert und eben nicht auf die streitbefangene Filiale abstellt, was nach den vom Bundesgerichtshof hierzu aufgestellten Grundsätzen aber erforderlich gewesen wäre (s.o.). Lediglich soweit es die Umsatzzahlen und das in der Pandemie erhaltene Kurzarbeitergeld betrifft, sind konkrete Angaben zur Filiale gemacht worden. Dies reicht jedoch nicht aus, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie auf die streitbefangene Filiale und die behauptete Unzumutbarkeit am Festhalten an der vereinbarten Regelung zur Mietzinszahlung in der erforderlichen Weise beurteilen zu können (vgl. hierzu: BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 20).

Selbst soweit die Beklagte die Unzumutbarkeit des Festhaltens an der im Mietvertrag vereinbarten Miethöhe darauf stützt, dass sich der Umsatz in der betroffenen Filiale in den Monaten Dezember 2020, Januar 2021, Februar 2021 sowie April 2021 und damit auch der Jahresumsatz der Jahre 2020 und 2021 im Vergleich zum pandemiefreien Jahr 2019 stark rückläufig entwickelt habe, wofür sie zum Beleg hierfür auf die von ihr insoweit vorgelegten Umsatzzahlen der Jahre 2019, 2020, 2021 und 2022 Bezug nimmt, unterliegt dies bereits erheblichen Bedenken. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind nämlich unter dem Gesichtspunkt, dass eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage nicht zu einer Überkompensation der Verluste führen darf (vgl. hierzu BGH, Urteil v. 23.11.2022, a.a.O., Rn. 24; Urteil v. 12.01.2022, a.a.O., Rn. 59) u.a. auch Nachholeffekte mit zu berücksichtigen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., Rn. 48). Insoweit kann nach Auffassung des Senats nicht anderes gelten als bei staatlichen Zuschüssen, die auch erst im Nachgang ausgekehrt werden, gleichwohl aber als Vorteil anzurechnen sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind solche Nachholeffekte vorliegend eingetreten. Ausgehend von dem von der Beklagten selbst eingebrachten Zahlenmaterial sind die Umsätze der Beklagten im Vergleich zum letzten pandemiefreien Jahr 2019 in den Monaten März, Mai, Juni, Juli, August, Oktober und November 2021 – zum Teil sogar erheblich – gestiegen. Ein großer Teil des pandemiebedingten Umsatzrückgangs in den Monaten Dezember 2020, Januar 2021, Februar 2021 und April/Mai 2021 ist damit wieder aufgefangen worden. Soweit der Umsatzrückgang des Jahres 2021 im Vergleich zum Jahr 2019 gleichwohl noch ca. 12,3% beträgt, ist zudem darauf hinzuweisen, dass nicht ersichtlich ist, dass der den Jahresumsatz 2021 schmälernde Umsatz des Monats Dezember 2021 noch etwas mit der Pandemie zu tun hat. Vielmehr dürfte die Ursache auf die allgemeine Zurückhaltung der Kunden Ende 2021 zurückzuführen sein, die in das Verwendungsrisiko der Beklagten fiele (vgl. BGH, Urteil v. 13.07.2022 – XII ZR 75/21). Einen Teil des im Jahr 2021 gesunkenen Jahresumsatzes von ca. 12,3% kann die Beklagte daher noch nicht einmal auf die Schließung der betroffenen Filiale Ende 2020/Anfang 2021 zurückführen.

Hinzu kommt, dass aus den von der Beklagten vorgelegten Umsatzzahlen für sich alleine ohnehin nicht folgt, dass der Beklagten ein Festhalten an der im Mietvertrag der Parteien vereinbarten Mietzinszahlung unzumutbar ist und für sie zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt, da unklar bleibt, ob und in welchem Umfang in der betroffenen Filiale Kostenersparungen während der pandemiebedingten Betriebsbeschränkungen eingetreten sind und wie sich der behauptete Umsatzrückgang überhaupt auf das Geschäftsergebnis der Beklagten ausgewirkt hat (vgl. BGH, Urteil v. 23.11. 2022, a.a.O., Rn. 20). Der Bundesgerichtshof hat schon frühzeitig deutlich gemacht, dass für die Frage, ob bei dem Mieter eines Geschäftslokals die vollständige Mietzahlung während einer pandemiebedingten Einschränkung zu einem untragbaren Ergebnis führe, eine Gesamtbetrachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters erforderlich sei, bei der auch die Vorteile zu berücksichtigen seien, die der betroffenen Partei aus der eingetretenen Veränderung erwachsen und insgesamt zu einer Entlastung von Kosten führen würden, wozu insbesondere verringerte Lohnkosten – etwa aufgrund gezahlten Kurzarbeitergeldes – zählen (vgl. u.a.: BGH, Urteil v. 13.07.2022 – XII ZR 75/21).

Dass entsprechende Einsparungen erfolgt sind, ist dabei unstreitig, denn die Beklagte hat selbst eingeräumt, dass für die betroffene Filiale für den Zeitraum von Dezember 2020 bis Mai 2021 Kurzarbeitergeld in Höhe von insgesamt 13.650,60 Euro gezahlt worden sei. Ansonsten fehlt es im Übrigen aber selbst zu den Personalkosten an jeglichem Vortrag. Es liegen dem Senat insbesondere keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele Mitarbeiter üblicherweise in der betroffenen Filiale beschäftigt sind, welche Personalkosten dies mit sich bringt und wie sich die pandemiebedingten Einschränkungen grundsätzlich auf die Personalkosten ausgewirkt haben.

Zu den staatlichen Leistungen, die ein Mieter zum Ausgleich der pandemiebedingten Nachteile erlangt hat und die dementsprechend ebenfalls als finanzieller Vorteil bei der Prüfung der Unzumutbarkeit zu prüfen sind (s.o.), gehören auch die der Beklagten gewährten Überbrückungshilfen. Dem Vortrag der Beklagten lässt sich entnehmen, dass der Konzern bislang für die Monate Januar und Februar 2021 Überbrückungshilfe in Höhe von 6 Millionen Euro erhalten hat und eine Entscheidung über weitere beantragte 24 Millionen Euro Überbrückungshilfe für die Monate Januar (weitere 7 Millionen), Februar (weitere 7 Millionen) und April/Mai 2021 (10 Millionen) noch nicht beschieden worden ist. Inwieweit die hier betroffene Filiale hiervon profitiert hat bzw. profitieren wird, ist jedoch bereits nicht dargetan. Dass der noch offene Antrag in Höhe von 24 Millionen Euro negativ beschieden werden wird, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Der Umstand, dass der Beklagten für zwei Monate bereits mit der gleichen Begründung Überbrückungshilfe gewährt worden ist und ihre erweiternden Anträge lediglich auf der (staatlichen) nachträglichen Erhöhung der Überbrückungshilfen beruhen, lässt den Senat eher davon ausgehen, dass den Anträgen der Beklagten entsprochen wird. Der Senat geht deshalb davon aus, dass die Beklagte insgesamt Überbrückungshilfe in Höhe von 30 Millionen Euro erhalten wird. Welcher Betrag hiervon auf die betroffene Filiale entfällt, hat die Beklagte bislang offen gelassen, was zu ihren Lasten geht. Soweit die Beklagte jedenfalls versucht, den Anteil für die streitbefangene Filiale kleinzurechnen, indem sie die Auffassung vertritt, dass hiervon nur 40% auf die einzelnen Filialen zu verteilen seien, da die Mietkosten des Konzerns nur 40% von dessen Fixkosten ausmachen würden, vermag der Senat dem nicht zu folgen, da dies nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht (s.o.). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Bundesgerichtshof Kurzarbeitergeld, welches nichts mit den Mietkosten zu tun hat, als mit zu berücksichtigen Vorteil konkret benennt, da hierdurch die Personalkosten der Filiale gesenkt werden (s.o.). Dies macht im Übrigen auch deutlich, dass es eben nicht, wie die Beklagte meint, allein auf die Umsatzzahlen der Filiale ankommt, sondern auf das Geschäftsergebnis (s.o.).

Nähme man aber zum Beispiel den Quotienten der Miete der streitbefangenen Filiale an den Gesamtmietkosten des Konzerns als Verteilungsmaßstab für die Überbrückungshilfe, entspräche dies einem Betrag in Höhe von 27.000,- Euro (0,09% von 30 Millionen). Würde man rein fiktiv die Überbrückungshilfe gleichmäßig unter den Filialen der Beklagten aufteilen, ergäbe sich für die betroffene Filiale immerhin noch einen Betrag in Höhe von 25.000,- Euro (30 Millionen: 1.200). Dies macht deutlich, dass die staatlichen Zuschüsse einen nicht geringen Kompensationseffekt der Verluste der Beklagten darstellen.

Auch zu weiteren Einsparungen fehlt jeglicher Vortrag. Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz mit der Anlage BB3 die Kosten ihres Konzerns darzulegen versucht, denen sie sich ausgesetzt sieht. Abgesehen davon, dass es nicht auf die Kostenstruktur des Unternehmens ankommt, sondern auf diejenige der betroffenen Filiale (s.o.), lässt sich diesen Unterlagen zumindest entnehmen, dass neben Miet- und Personalkosten vor allem u.a. Energiekosten sowie Werbungskosten die Beklagte als Kostenfaktoren erheblich belasten. Dass während der pandemiebedingten Einschränkungen hier jedoch Einsparungen erfolgt sein müssen, denn ein geschlossenes Geschäftslokal verursacht deutlich geringere Energiekosten und bedarf auch keiner Werbung, liegt auf der Hand. Gerade die Einsparung von Energiekosten wird dabei erheblich gewesen sein, denn üblicherweise handelt es sich gerade bei den Monaten Dezember, Januar und Februar um den energieintensivsten Zeitraum.

b) Selbst wenn der Umsatzrückgang in der betroffenen Filiale jedoch weder durch Nachholeffekte (s.o.), Einsparungen (s.o.) und staatliche Zuschüsse (s.o.) vollständig kompensiert werden würde, ist deshalb nach allem jedenfalls nicht ersichtlich, wieso dies für die Beklagte aus den genannten Gründen ein untragbares Ergebnis darstellen würde. Die Beklagte verkennt nämlich bereits, dass ein tragbares Ergebnis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht gleichzusetzen ist mit einer vollständigen Kompensation.

c) Der Senat hat auch erwogen, zumindest bis zur Auszahlung der weiteren Überbrückungshilfen eine Stundung der streitgegenständlichen rückständigen Mieten vorzunehmen (so OLG Hamm, Urteil vom 08.02.2023 – 30 U 92/22). Aufgrund fehlenden Vortrages zu einer möglichen Ablehnung der entsprechenden Anträge der Beklagten ist aber davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit zu der beantragten Nachzahlung in Höhe von 24 Mio. Euro kommen wird und damit eine ausreichende Kompensation der Umsatzverluste stattfindet. Daher könnte eine Stundung lediglich etwaige Liquiditätsengpässe der Beklagten bis zur Auszahlung der weiteren Überbrückungshilfen auffangen. Die Beklagte hat indes nicht vorgetragen, dass sie etwaige Liquiditätsengpässe bis zur Auszahlung weiterer Überbrückungshilfen nicht aus eigenen Kräften – etwa durch die bewilligten Überbrückungskredite – auffangen kann, so dass nach allem auch insoweit kein untragbares Ergebnis für die Beklagte vorliegt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Anlass zur Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

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