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Gewerberaummiete – 9 Jahre keine Betriebskosten abgerechnet – für die Zukunft ausgeschlossen?

Nach neun Jahren Funkstille bei der Nebenkostenabrechnung zieht eine Berliner Vermieterin vor Gericht – und verliert. Das Kammergericht stellt klar: Auch jahrelange Untätigkeit ändert nichts an den vertraglichen Vereinbarungen zur Betriebskostenabrechnung. Ein wegweisendes Urteil, das Mietern und Vermietern gleichermaßen wichtige Hinweise gibt.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 23/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Fall betrifft die Situation, in der der Vermieter über neun Jahre hinweg keine Betriebskosten abgerechnet hat.
  • Es geht um die Frage, ob der Mieter die Betriebskosten zukünftig pauschal ausschließen kann.
  • Ein zentraler Streitpunkt ist die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung des Mietvertrages durch die Vermieterin.
  • Der Vermieter reichte nachträglich eine Betriebskostenabrechnung ein, die der Mieter anzweifelte.
  • Das Gericht entschied, dass der Mieter die Betriebskosten nicht pauschal ausschließen kann.
  • Es erkannte an, dass die langjährige Versäumnis des Vermieters die Nachvollziehbarkeit und die Durchsetzbarkeit der Forderungen beeinträchtigt.
  • Die Entscheidung war, dass der Vermieter berechtigt ist, rückwirkend Betriebskosten abzurechnen, jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum.
  • Das Gericht begründete dies damit, dass der Mieter sonst unbillig bevorzugt würde.
  • Diese Entscheidung unterstreicht, dass Vermieter zur fristgerechten Abrechnung verpflichtet sind, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.
  • Die Auswirkungen sind, dass Mieter immer noch Betriebskosten nachzahlen müssen, wenn auch die Abrechnungszeiträume begrenzt sind.

Vermieter verpasst Nebenkostenabrechnung über 9 Jahre – Verliert er das Recht darauf für immer?

Miete ist ein komplexes Thema, das viele verschiedene Aspekte umfasst. Insbesondere bei gewerblichen Mietverträgen gibt es eine Reihe von rechtlichen Besonderheiten zu berücksichtigen. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Betriebskosten, deren korrekte Abrechnung für Vermieter und Mieter gleichermaßen von großer Bedeutung ist. Was passiert aber, wenn der Vermieter über Jahre hinweg keine Betriebskostenabrechnung vorlegt? Kann der Mieter in einem solchen Fall die Betriebskosten zukünftig pauschal ausschließen? Um diese Frage zu beantworten, lohnt ein Blick auf die Rechtsprechung.

Im Folgenden soll ein aktuelles Gerichtsurteil vorgestellt und analysiert werden, das sich genau mit dieser Problematik auseinandersetzt. Dabei werden die entscheidenden Aspekte und die Begründung des Urteils verständlich erläutert, um Klarheit in dieses komplexe Thema zu bringen.

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✔ Der Fall vor dem Kammergericht Berlin


Gewerberaummieter verweigert Betriebskostenabrechnung über neun Jahre – Vermieter verliert Anspruch für die Zukunft

In einem Fall vor dem Kammergericht Berlin ging es um die Frage, ob ein Vermieter sein Recht auf Betriebskostenabrechnung für die Zukunft verliert, wenn er über einen Zeitraum von neun Jahren keine Abrechnungen erstellt hat.

Der Beklagte mietet seit 2013 eine Gewerbefläche von 500 m² von der Klägerin an. Im Mietvertrag war eine Nettokaltmiete vereinbart und es wurde festgelegt, dass die Betriebskosten nach Verbrauch bzw. nach dem Verhältnis der Mietfläche zur Gesamtfläche umgelegt werden sollen. In den Jahren 2013 bis 2019 erstellte die Vermieterin jedoch keine Betriebskostenabrechnungen.

Die Vermieterin kündigte schließlich 2021 den Mietvertrag ordentlich. Das Landgericht Berlin gab der Räumungsklage statt, da es davon ausging, dass sich Mieter und ursprünglicher Vermieter zumindest konkludent darauf geeinigt hätten, dass keine Umlage der Nebenkosten mehr erfolgen solle. Dies wurde aus dem langen Zeitraum ohne Abrechnung geschlossen.

Kammergericht hebt Urteil auf: Schriftformerfordernis nicht gewahrt

Das Kammergericht Berlin hob jedoch das Urteil des Landgerichts auf und wies die Räumungsklage ab. Es stellte klar, dass die im Mietvertrag getroffene Vereinbarung zur Umlage der Betriebskosten eindeutig sei. Der Begriff „Betriebskosten“ umfasse dabei die Kosten gemäß BetrKV, so dass die Umlagevereinbarung klar geregelt war.

Eine konkludente Vertragsänderung, die diese Regelung aufhebt, könne nicht allein daraus geschlossen werden, dass über einen langen Zeitraum keine Abrechnungen erstellt wurden. Für eine solche Vertragsänderung zu Lasten des Vermieters wäre vielmehr die Schriftform erforderlich gewesen.

BGH: Kein konkludenter Verzicht auf Betriebskostenumlage durch bloße Untätigkeit des Vermieters

Das Kammergericht stützte sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dieser hatte bereits 2008 entschieden, dass allein aus der Tatsache, dass der Vermieter über einen langen Zeitraum nicht über die Betriebskosten abrechnet, nicht geschlossen werden kann, dass er konkludent auf sein vertragliches Recht zur Umlage verzichtet.

Das Kammergericht sah daher die ordentliche Kündigung des Mietvertrags durch die Vermieterin als unwirksam an. Die ursprünglich im Mietvertrag getroffene Regelung zur Betriebskostenumlage gilt demnach unverändert fort, auch wenn der Vermieter seinen Anspruch über viele Jahre nicht geltend gemacht hat.

Fazit: Vertragliche Abreden entscheidend – Untätigkeit ändert Mietvertrag nicht

Der Fall zeigt, dass für die Frage der Betriebskostenumlage in erster Linie die konkret im Mietvertrag getroffenen Regelungen entscheidend sind. Schweigt der Vermieter über einen langen Zeitraum, führt dies nicht automatisch dazu, dass er seine Ansprüche für die Zukunft verliert.

Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Vermieter und Mieter ausdrücklich und schriftlich eine Änderung des Mietvertrags vereinbaren. Für konkludente Vertragsänderungen durch bloßes Unterlassen der Abrechnung ist dagegen kein Raum. Hier bleibt es bei den ursprünglichen Abreden.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Die Entscheidung stellt klar, dass eine im Mietvertrag getroffene Betriebskostenabrede nicht durch bloße Untätigkeit des Vermieters konkludent aufgehoben werden kann. Für eine Vertragsänderung zu Lasten des Vermieters ist vielmehr zwingend die Schriftform erforderlich. Das bloße Schweigen des Vermieters über einen langen Zeitraum führt nicht zum Verlust seines Anspruchs auf Betriebskostenumlage für die Zukunft. Maßgeblich bleiben stets die ursprünglichen vertraglichen Abreden, sofern sie nicht einvernehmlich und schriftlich abgeändert wurden.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Mieter: Wenn Ihr Vermieter über Jahre hinweg keine Betriebskostenabrechnung erstellt hat, bedeutet das nicht automatisch, dass er darauf verzichtet. Sie müssen auch weiterhin mit Nachzahlungen rechnen, wenn im Mietvertrag eine Betriebskostenregelung vereinbart wurde. Es ist wichtig, den Mietvertrag genau zu prüfen und bei Unsicherheiten rechtlichen Rat einzuholen.

Vermieter: Auch wenn Sie lange Zeit keine Betriebskosten abgerechnet haben, können Sie Ihre Ansprüche weiterhin geltend machen, solange im Mietvertrag eine entsprechende Regelung getroffen wurde. Allerdings sollten Sie sich bewusst sein, dass eine verspätete Abrechnung zu Unmut bei Ihren Mietern führen kann und im schlimmsten Fall sogar eine Mietminderung rechtfertigen könnte. Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sollten Sie die Betriebskosten regelmäßig abrechnen.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Betriebskosten-Abrechnungen können für Mieter und Vermieter gleichermaßen ein komplexes Thema sein. Doch keine Sorge, unsere umfassende FAQ-Sektion hat die Antworten, die Sie suchen. Erfahren Sie hier, wie Sie Ihre Rechte und Pflichten in Bezug auf die Betriebskosten-Abrechnung am besten wahrnehmen können. Profitieren Sie von diesem juristischen Know-how und handeln Sie selbstbewusst, wenn es um Ihre Finanzen geht.


Welche Fristen muss ein Vermieter bei der Betriebskostenabrechnung einhalten?

Vermieter müssen bei der Betriebskostenabrechnung folgende Fristen einhalten:

Der Abrechnungszeitraum darf maximal 12 Monate betragen. Üblicherweise orientieren sich Vermieter am Kalenderjahr und rechnen von Januar bis Dezember ab.

Die Abrechnung muss dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums zugehen. Beispiel: Für den Abrechnungszeitraum 01.01.2023 – 31.12.2023 muss die Abrechnung bis zum 31.12.2024 dem Mieter mitgeteilt werden.

Zahlt der Mieter Betriebskostenvorauszahlungen, hat er die Nachforderungen aus der Abrechnung innerhalb von 30 Tagen nach Zugang zu begleichen. Ergibt sich ein Guthaben für den Mieter, muss der Vermieter dieses ebenfalls innerhalb von 30 Tagen auszahlen.

Der Mieter kann Einwendungen gegen die Abrechnung bis zum Ablauf des zwölften Monats nach Zugang geltend machen. Nach Fristablauf sind keine Einwendungen mehr möglich.

Ansprüche aus der Betriebskostenabrechnung verjähren nach 3 Jahren. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Abrechnung erstellt wurde.

Verpasst der Vermieter die Abrechnungsfrist, darf er in der Regel keine Nachforderungen mehr geltend machen. Ausnahmen gelten, wenn die Verspätung unverschuldet war, etwa weil Abrechnungen von Dritten verspätet eingingen.

Im Gewerberaummietrecht gelten teilweise abweichende Fristen. So kann der Vermieter die Abrechnung auch nach Fristablauf noch erstellen, allerdings verjähren Ansprüche nach 3 Jahren.


Kann ein Vermieter rückwirkend Betriebskostenabrechnungen für mehrere Jahre erstellen?

Ja, ein Vermieter kann grundsätzlich rückwirkend Betriebskostenabrechnungen erstellen, solange die gesetzlichen Fristen noch nicht abgelaufen sind. Er muss die Abrechnung aber zeitnah erstellen, sobald er die dafür notwendigen Informationen hat. Eine jahrelange Untätigkeit kann als grobe Pflichtverletzung gewertet werden.

Wichtig ist auch, dass der Vermieter die Nachforderung zügig geltend macht, nicht erst nach Monaten. Allein aus dem Umstand, dass über Jahre keine Abrechnung erfolgte, kann der Mieter nicht schließen, dass der Vertrag konkludent geändert wurde und keine Betriebskosten mehr umgelegt werden.

Der Vermieter muss die Kosten innerhalb der 3-Jahres-Verjährungsfrist abrechnen. Versäumt er die 12-Monats-Frist zur Erstellung der Abrechnung, kann er in der Regel keine Nachforderungen mehr geltend machen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn ihn daran kein Verschulden trifft.


Welche rechtlichen Möglichkeiten hat ein Mieter, wenn der Vermieter keine Betriebskostenabrechnung erstellt?

Wenn der Vermieter keine Betriebskostenabrechnung erstellt, hat der Mieter verschiedene rechtliche Möglichkeiten:

Zurückbehaltungsrecht bei fehlender Abrechnung

Solange der Vermieter die Betriebskostenabrechnung nicht vorlegt, steht dem Mieter ein Zurückbehaltungsrecht zu. Er kann die Zahlung weiterer Betriebskostenvorauszahlungen so lange verweigern, bis der Vermieter eine ordnungsgemäße Abrechnung erstellt. Dieses Recht besteht jedoch nur, solange das Mietverhältnis noch andauert. Bei beendetem Mietvertrag kann der Mieter stattdessen die Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlungen verlangen.

Fristsetzung und Mahnung

Der Mieter sollte dem Vermieter eine angemessene Frist zur Erstellung der Abrechnung setzen und ihn schriftlich mahnen. Reagiert der Vermieter nicht, kann der Mieter die Vorauszahlungen bis zur Vorlage der Abrechnung zurückbehalten. Auch eine Mietminderung wegen Pflichtverletzung des Vermieters ist möglich.

Klage auf Erteilung der Abrechnung

Kommt der Vermieter seiner Pflicht zur Betriebskostenabrechnung auch nach Fristsetzung nicht nach, bleibt dem Mieter letztlich nur der Weg zur Klage. Er kann vom Vermieter die Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung einklagen. Dabei muss der Mieter beweisen, dass der Vermieter die Abrechnung schuldhaft nicht vorgelegt hat.

Verjährung der Nachforderungen

Erteilt der Vermieter die Abrechnung verspätet, verjähren seine Nachforderungen nach 3 Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Abrechnung dem Mieter zugegangen ist. Für den Mieter bedeutet dies, dass er bei verspäteter Abrechnung unter Umständen keine Nachzahlung mehr leisten muss.

Verweigert der Vermieter die Betriebskostenabrechnung, hat der Mieter verschiedene Möglichkeiten, sein Recht durchzusetzen. Zunächst kann er die Vorauszahlungen zurückbehalten und den Vermieter mahnen. Hilft dies nicht, bleibt nur der Klageweg. Wichtig ist, dass der Mieter seine Rechte fristgerecht geltend macht, da ansonsten Verjährungsfristen drohen.


In welchen Fällen kann ein Vermieter auf sein Recht zur Betriebskostenabrechnung verzichten?

Ein Vermieter kann in bestimmten Fällen auf sein Recht zur Betriebskostenabrechnung verzichten. Dabei ist zu unterscheiden, ob der Verzicht ausdrücklich erklärt oder stillschweigend durch das Verhalten des Vermieters erfolgt.

Ausdrücklicher Verzicht

Ein ausdrücklicher Verzicht auf die Betriebskostenabrechnung ist grundsätzlich möglich und sogar gesetzlich vorgesehen. Gemäß § 556 Abs. 2 BGB besteht die Wahlfreiheit, ob die Nebenkosten durch eine Pauschale abgegolten werden oder ob sie genau abgerechnet werden. Voraussetzung ist, dass der Verzicht im Mietvertrag klar und eindeutig formuliert ist.

Stillschweigender Verzicht

Ein stillschweigender Verzicht des Vermieters auf die Betriebskostenabrechnung kann sich aus dessen Verhalten ergeben. Allerdings reicht allein die jahrelange Unterlassung der Abrechnung dafür nicht aus. Mangels eines entsprechenden Rechtsbindungswillens bedeutet es keinen schlüssigen Verzicht, wenn der Vermieter nur einen Teil der umlegbaren Betriebskosten in die Abrechnung aufgenommen hat.

Voraussetzung für einen stillschweigenden Verzicht wäre ein Verhalten des Vermieters, mit dem dieser einen entsprechenden Rechtsfolgewillen zum Ausdruck bringt. In der bloßen Umlage nur eines Teils der vereinbarten Betriebskosten kann ein solches Angebot nicht gesehen werden.

Gewerberaummiete

Im Gewerberaummietrecht gelten teilweise andere Regeln. Hier sind weitaus mehr Positionen auf den Mieter umlegbar als im Wohnraummietrecht. Auch eine Vereinbarung, dass der Mieter sämtliche Betriebskosten trägt, ist hinreichend bestimmt, selbst wenn eine Bezugnahme auf die gesetzlichen Normen fehlt.

Allerdings kann der Vermieter nicht einfach alle Kosten auf den Gewerbemieter abwälzen. Grenzen sind gesetzt, wenn die Umlage bestimmter Kosten für den Mieter unvorhersehbar oder wirtschaftlich unzumutbar wäre.


Welche Konsequenzen hat es für den Vermieter, wenn er über Jahre hinweg keine Betriebskostenabrechnung erstellt?

Wenn ein Vermieter über einen längeren Zeitraum hinweg keine Betriebskostenabrechnung erstellt, kann dies für ihn erhebliche rechtliche Konsequenzen haben:

Zunächst verliert der Vermieter seinen Anspruch auf Nachzahlungen von Betriebskosten für die Abrechnungszeiträume, für die er die Frist zur Erstellung der Abrechnung versäumt hat. Denn nach deutschem Mietrecht muss der Vermieter die Betriebskostenabrechnung spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungsjahres dem Mieter zustellen. Holt er diese Abrechnung verspätet nach, kann er zwar die Vorauszahlungen des Mieters für diesen Zeitraum aufrechnen, nicht aber eine Nachforderung geltend machen.

Zudem kann der Mieter die Vorauszahlungen für laufende Betriebskosten so lange zurückbehalten, bis der Vermieter eine ordnungsgemäße Abrechnung für die Vorjahre vorlegt. Allerdings muss der Mieter die Miete weiterhin in voller Höhe bezahlen. Nur die Betriebskostenvorauszahlungen darf er einbehalten.

In extremen Fällen, wenn der Vermieter über viele Jahre hinweg keine Betriebskostenabrechnung erstellt, kann dies sogar zu einer Mietminderung führen. Denn der Mieter hat einen Anspruch darauf, jährlich über die Höhe der Betriebskosten abgerechnet zu werden. Wenn der Vermieter dieser Pflicht dauerhaft nicht nachkommt, kann der Mieter die Miete mindern.

Insgesamt zeigt sich, dass es für Vermieter ratsam ist, zeitnah und ordnungsgemäß die Betriebskostenabrechnung zu erstellen. Nur so können sie ihre Ansprüche auf Nachzahlungen von Betriebskosten sichern und Ärger mit säumigen Mietern vermeiden.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 556 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch): Dieser Paragraph regelt die Abrechnung der Betriebskosten im Mietrecht. Betriebskosten sind demnach die Kosten, die dem Eigentümer oder Besitzer durch das Eigentum oder den bestimmungsmäßigen Gebrauch des Gebäudes laufend entstehen. Regelmäßig muss der Vermieter die Betriebskostenabrechnungen innerhalb eines Jahres nach Ende des Abrechnungszeitraums erstellen. Im Falle einer Gewerberaummiete können die Vertragsparteien die Abrechnungszeiträume individuell regeln.
  • § 579 BGB: Dieser Paragraph ermöglicht es, dass im Gewerbemietrecht andere Regelungen als im Wohnraummietrecht getroffen werden können, was z.B. die Abrechnung von Betriebskosten betrifft. Hier gilt erhöhte Vertragsfreiheit, was bedeutet, dass die Parteien abweichende Vereinbarungen treffen können, die nicht dem § 556 BGB entsprechen müssen.
  • § 195 BGB: Dieser Paragraph behandelt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Forderungen betreffend die Betriebskostenabrechnung unterliegen dieser Verjährungsfrist, was bedeutet, dass der Vermieter nach Ablauf von drei Jahren ab dem Ende des Abrechnungszeitraums keine Nachforderungen mehr geltend machen kann.
  • § 548 BGB: Dieser Paragraph regelt die Verjährung von Ansprüchen aus dem Mietverhältnis. Nach Ende des Mietverhältnisses verjähren Ansprüche auf Nachforderungen innerhalb von sechs Monaten. Das ist besonders relevant für Mieter, die mit Forderungen nach Beendigung des Mietverhältnisses konfrontiert sind.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser Grundsatz kann in besonderen Fällen herangezogen werden, um zu prüfen, ob die verspätete Abrechnung der Betriebskosten durch den Vermieter möglicherweise gegen Treu und Glauben verstößt. Wenn der Vermieter über viele Jahre hinweg keine Abrechnungen erstellt hat, könnte es als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, rückwirkende Forderungen zu stellen.
  • § 286 BGB: Dieser Paragraph betrifft den Verzug des Schuldners. Sollte der Vermieter nachweislich in Verzug geraten sein, weil er trotz Aufforderung keine Betriebskostenabrechnungen erstellt, kann der Mieter eventuell Schadensersatzansprüche geltend machen oder die Miete mindern.
  • BGH Urteil VIII ZR 84/18: Hier hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass die Möglichkeit der Geltendmachung von Nachforderungen aus einer Betriebskostenabrechnung nach Ablauf der Abrechnungsfrist ausgeschlossen ist, wenn der Vermieter den Mieter nicht rechtzeitig darüber informiert hat. Das Urteil kann beispielsweise herangezogen werden, um vergleichbare Fälle im Gewerbemietrecht zu beurteilen, auch wenn der BGH hier vorrangig über Wohnraummietrecht entschieden hat.

⇓ Das vorliegende Urteil vom Kammergericht Berlin

KG – Az.: 8 U 23/23 – Urteil vom 01.06.2023

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin vom 04.01.2023 – 21 56/22 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 2.278,71 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2021 sowie weitere EUR 887,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.05.2021 an den Kläger zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

I.

Der Beklagte ist Mieter und die Beklagte ist Vermieterin einer Bodenfläche von 500 m² in der S… in … B.. Mietvertraglich ist eine Laufzeit des Mietverhältnisses vom 1.5.2013 bis 30.4.2023 sowie eine Nettokaltmiete vereinbart. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Mietvertrages vom 15.4.2013 wird auf die Anlage K1 (Bd. I Bl. 4ff. d.A.) Bezug genommen. In den Jahren 2013 bis 2019 wurden von der Vermieterseite keine Betriebskosten abgerechnet. Die Parteien streiten in der Berufung noch über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung des Mietvertrages durch die Klägerin mit Schreiben vom 22.11.2021 (Anlage B1). Die Zivilkammer 21 des Landgerichts Berlin hat der auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses durch diese Kündigung gerichteten Widerklage mit Urteil vom 4.1.2023 – 21 O 56/22 – stattgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte seinen erstinstanzlichen Antrag auf Abweisung der Widerklage weiter. Zur Begründung trägt er unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und Bezugnahme hierauf vor:

Es gebe in dem Mietvertrag keinen Hinweis darauf, welche Betriebskosten der Mieter zu tragen habe. Im Zweifel trage diese Betriebskosten, da der Vermieter den insoweit widersprüchlichen Vertrag diktiert habe, eben dieser. Eine Veränderung des Vertrages durch mündliche Abrede habe es zwischen dem Alteigentümer und dem Kläger zu keinem Zeitpunkt gegeben.

Die angefochtene Entscheidung setze sich in Widerspruch zu der Entscheidung des Landgerichts Berlin zu dem Aktenzeichen 11 O 350/21.

Der Kläger beantragt, das Urteil im Tenor zu 2. aufzugeben (richtig: abzuändern) und die Widerklage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil hinsichtlich der Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

II.

Die Berufung ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat der Widerklage zu Unrecht stattgegeben.

Die Klägerin konnte das Mietverhältnis der Partei nicht ordentlich kündigen, da die erforderliche Schriftform gewahrt ist, § 550 S. 1 BGB.

1. Die Mietvertragsparteien haben in den Mietvertrag vom 15.4.2013 eine Umlagevereinbarung getroffen.

a) Zwar geht das BGB in den §§ 535, 556 Abs. 1 davon aus, dass die Nebenkosten grundsätzlich vom Vermieter getragen werden, also durch die vereinbarte Miete abgegolten sind (Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 82. Auflage 2023, § 535 Rn 87; Eisenschmid in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2022, § 535 Rn. 649). Auch bedürfen formularmäßige Abweichungen hiervon durch gesonderte Umlegung der Nebenkosten auf den Mieter einer hinreichend bestimmten Vereinbarung, damit der Mieter Art und Umfang der Belastung erkennen kann (BGH NJW-RR 2006, 84; NJW 2016, 2489; 2006, 3057). In der Geschäftsraummiete hat der BGH indes insoweit eine pauschale Umlage der „Betriebskosten“ genügen lassen und bei einer solchen Regelung die Kosten gemäß BetrKV 2 S. 1 Nr. 1 bis 16 als erfasst angesehen (BGH NJW-RR 2020, 656).

b) Hier haben die Mietvertragsparteien eine eindeutige Vereinbarung zur Umlage der Betriebskosten vereinbart.

Sie haben in § 3 Nr. 1 des Mietvertrages durch Anbringen eines Kreuzes die Mietstruktur „Netto-Kaltmiete (ausschließlich Betriebskosten, Heizung und Warmwasser)“ gewählt, keine Vorauszahlungen auf die Betriebs- und Heizkosten vereinbart und unter § 3 Nr. 4 des Mietvertrages vereinbart, dass die Betriebskosten, sofern sie nicht nach Verbrauch abzurechnen sind, nach dem Verhältnis der Mietfläche zur Gesamtfläche umgelegt werden.

Mit dem Begriff der Nettokaltmiete wird regelmäßig die Miete bezeichnet, die der Mieter ohne Berücksichtigung einer Abgeltung von Betriebskostenkosten schuldet (s. Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2022, § 556 Rn. 5; vgl. auch Emmerich in: Bub/Treier, Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage 2019, Kapitel III Rn. 182). Dieses Verständnis wird in dem hier im Streit stehenden Mietvertrag dadurch bestätigt, dass sich hinter dem Begriff der – als Variante angekreuzten – „Netto-Kaltmiete“ der Hinweis findet, dass diese Miete keine Betriebskosten, Heizung und Warmwasser enthält.

Daneben haben die Mietvertragsparteien in § 3 Nr. 4 des Mietvertrages ausdrücklich die Umlage der Betriebskosten – und zwar, soweit gesetzlich vorgesehen, nach Verbrauch bzw. sonst nach dem Verhältnis der Mietfläche zur Gesamtfläche – vereinbart. Unter Berücksichtigung der unter a) genannten Rechtsprechung des BGH (BGH NJW-RR 2020, 656) umfasst der Begriff der „Betriebskosten“ die Kosten gemäß BetrKV 2 S. 1 Nr. 1 bis 16, so dass die Umlagevereinbarung eindeutig ist.

Eine der unter § 3 Nr. 3 des Mietvertrages genannten Varianten musste zu der Eindeutigkeit der Umlagevereinbarung nicht angekreuzt werden. In Betracht gekommen wäre insoweit die dritte Variante, die da lautet:

„sind in der gemäß Abs. 1 vereinbarten Netto-Kaltmiete nicht enthalten.“

Indes bedurfte es dieser Klarstellung nicht, das bereits in § 3 Nr. 1 des Mietvertrages ausdrücklich geregelt ist, dass sich die Netto-Kaltmiete ausschließlich Betriebskosten versteht.

2. Das Landgericht geht aber zu Unrecht davon aus, dass sich der Kläger und der Vorvermieter zumindest nach Abschluss des Mietvertrages konkludent – mithin nicht in der gemäß § 550 BGB erforderlichen Schriftform – darauf geeinigt haben, dass keine Umlage der Nebenkosten erfolgen soll, weil der Vorvermieter in den Jahren 2013 bis 2019 keine Nebenkostenabrechnungen erteilt hat und der Kläger eine solche Abrechnung auch nicht verlangt hat.

Allein aus dem Umstand, dass der (ursprüngliche) Vermieter von Mietbeginn an über neun Jahre nicht über die Betriebskosten abgerechnet hat, lässt sich nicht auf einen Willen des Vermieters schließen, ein ihm nachteiliges konkludentes Vertragsänderungsangebot dahingehend abzugeben, dass die vereinbarte Abrechnung der Betriebskosten für die Zukunft ausgeschlossen sein solle (BGH, Urteil vom 13. Februar 2008 – VIII ZR 14/06 -, NJW 2008, 1302; Lehmann-Richter in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Aufl. 2022, § 556 Rn. 66).

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf §§ 709 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Nichtzulassung der Revision beruht darauf, dass die Gründe des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Der Senat sieht sich im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.

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