Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 8 U 24/14 – Urteil vom 27.06.2014
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18.02.2014, Az. 333 O 191/13, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe eines Gewerbemietobjekts nach einer auf Zahlungsverzug gestützten fristlosen Kündigung der Klägerin.
Wegen des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe gegen den Beklagten keinen Anspruch auf geräumte Herausgabe des Mietobjekts aus § 546 Abs. 1 BGB. Die fristlose Kündigung der Klägerin vom 13.08.2013 habe das Mietverhältnis nicht beendet, weil die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a und b BGB nicht erfüllt gewesen seien. Dabei hat das Landgericht offen gelassen, ob die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache durch Bauarbeiten gemäß § 536 BGB gemindert gewesen ist.
Selbst wenn ein für eine Kündigung nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausreichender Mietrückstand bestanden hätte, könne die Klägerin sich hierauf nicht berufen, weil sie den Beklagten zuvor nicht qualifiziert abgemahnt habe. Grundsätzlich sei zwar nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB eine Abmahnung nicht erforderlich. Dies sei vorliegend aber aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls anders zu beurteilen, weshalb im konkreten Fall eine qualifizierte Abmahnung zu fordern sei. Die Kündigung sei ohne eine solche Abmahnung überraschend und rechtsmissbräuchlich.
Das Mietverhältnis zwischen den Parteien bestehe bereits seit dem 01.01.1998. Bis zum Ende des Jahres 2012 hätten sich keine Anhaltspunkte für nennenswerte Auseinandersetzungen über Mietzahlungen ergeben. Wegen der Ausübung der dem Beklagten vertraglich eingeräumten 5-Jahres-Verlängerungsoption habe nach den zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen ein Schiedsgutachten zur neuen – höheren – Miete eingeholt werden müssen. Während der über sechsmonatigen Tätigkeit des Sachverständigen bis zur Vorlage des Gutachtens gemäß Anlage K 4 vom 12.06.2013 habe der Beklagte die Miete in alter Höhe stets entrichtet. Da die vom Sachverständigen neu ermittelte Nettokaltmiete mit 19.922,- Euro die bisherige Miete um monatlich 5.227,33 Euro und damit nahezu 30 % überstiegen habe, sei das Begehren nach Überprüfung der erhöhten Miete verständlich, wenngleich der Beklagte die erhöhte Miete auch sogleich unter Vorbehalt hätte zahlen können.
Der Beklagte habe aus den von der Klägerin in ihren vom 19.06.2013 und 27.06.2013 Schreiben gewählten allgemeinen Formulierungen nicht ersehen können, dass es für die Klägerin nicht nur um die Durchsetzung ihrer Zahlungsansprüche ging, sondern dass der Beklagte auch um den Fortbestand des Mietverhältnisses habe fürchten müssen. Vor diesem Hintergrund sei es erforderlich gewesen, dem Beklagten vor einer Kündigung durch eine qualifizierte Abmahnung vor Augen zu führen, dass die Zahlungrückstände für die Klägerin eine derartiges Gewicht haben, dass eine weitere Nichtzahlung die Klägerin zur fristlosen Kündigung veranlassen würde. Eine derartige qualifizierte Abmahnung hätte für die Klägerin keine große zusätzliche Belastung bedeutet. Sie hätte weder zeitlich noch in wirtschaftlicher Hinsicht eine nennenswerte Verzögerung mit sich gebracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das Urteil des Landgerichts richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründet Berufung der Klägerin. Sie macht unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens geltend:
Das Landgericht habe gegen § 139 ZPO verstoßen. Es habe weder vor noch in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass es abweichend von § 543 Abs. 3 BGB eine qualifizierte Abmahnung für erforderlich erachte, was die Berufung vertieft darstellt. Die Parteien hätten in den Jahren 2012 und 2013 darüber verhandelt, das Mietverhältnis aufzuheben. Hierzu sei es aber nicht gekommen. Zudem habe es den Versuch eines Räumungsvergleichs zwischen den Parteien gegeben. Selbst der Beklagte habe den Einwand der Überraschung und des Rechtsmissbrauchs nicht erhoben.
Das Urteil sei auch in materiell-rechtlicher Hinsicht fehlerhaft, was die Berufung unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens ausführt. Der Beklagte habe sich in einem für eine Kündigung ausreichenden Zahlungsverzug befunden – und zwar sowohl gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB als auch § 543 Abs. 2 Nr. 3 a BGB. Eine qualifizierte Abmahnung sei nach den Maßstäben der Rechtsprechung und Literatur nicht erforderlich gewesen.
Selbst wenn dies aber anders zu beurteilen sein sollte, wäre eine qualifizierte Abmahnung im Schreiben der Klägerin vom 27.06.2013 gemäß Anlage K 6 enthalten. Die Formulierung „Meine Mandantschaft wird sich alle Rechte, die aus der nicht fristgerechten Zahlung sowohl der Nachzahlung als auch der erhöhten Miete ab Juli resultieren, vorbehalten“ sei eindeutig und gegenüber dem anwaltlich vertretenen Beklagten ausreichend. Zudem hätten die Parteien vor der hier in Rede stehenden Kündigung ein Räumungsverfahren bis zum BGH geführt und im Jahre 2012 über eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses verhandelt.
An der Wirksamkeit der Kündigung ändere auch nichts das vom Beklagten am 22.08.2013 gemachte Minderungsrecht, was die Berufung näher ausführt.
Schließlich sei die Kündigung auch unter dem Blickwinkel von § 543 Abs.1 BGB begründet. In der Nichtzahlung der durch den Schiedsgutachter verbindlich festgestellten Mieterhöhung im Betrag von knapp über zwei Monatsmieten liege ein wesentlicher – zur Kündigung berechtigender – Vertragsverstoß des Beklagten. Fälligkeit der Zahlung sei mit Zugang des Schiedsgutachtens beim Beklagten am 13.06.2013 eingetreten. Am 19.06.2013 sei dem Beklagten eine angemessene Zahlungsfrist gesetzt worden und nach „bedingter“ Erfüllungsverweigerung durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten sei am 27.06.2013 gemahnt worden, was sieben Wochen ohne Reaktion geblieben sei.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des am 18.02.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Hamburg, Az.: 333 O 191/13, den Beklagten zu verurteilen, das Mietobjekt Erdgeschoss links und dazugehörige Kellerräume in dem Gebäude in……. Hamburg, ……… zu räumen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen in beiden Instanzen und die Protokolle der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Hamburg und vor dem Einzelrichter des Senats Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Räumungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus § 546 Abs. 1 BGB besteht nicht.
1. Das Landgericht hat zu Recht darauf erkannt, dass die auf Zahlungsverzug gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 a und b gestützte Kündigung der Klägerin unwirksam ist, weil die Klägerin den Beklagten nicht ausreichend abgemahnt hat.
1.1 Es geltend folgende Maßstäbe: Überraschende Kündigungen sind rechtsmissbräuchlich. Hiervon wird auszugehen sein, wenn der Zahlungsrückstand für den Vermieter ersichtlich auf einem Versehen beruht (OLG Hamm WuM 1998, 485; Blank in Schmidt/Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 543 Rn. 128) oder wenn der Vermieter wegen einer rückwirkend vereinbarten Mieterhöhung kündigt, ohne den Mieter vorher abzumahnen (Blank in Schmidt/Futterer, aaO). Überdies kann nach § 242 BGB eine Abmahnung erforderlich sein, wenn das Mietverhältnis bereits sehr lange dauert, der Mieter überwiegend pünktlich bezahlt hat und die Aussicht besteht, dass die nunmehr aufgetretenen Zahlungsprobleme alsbald behoben werden können (OLG Düsseldorf ZMR 2002, 818; Blank in Schmidt/Futterer, aaO). Durch die Abmahnung soll der Mieter vor den Folgen der Zahlungsverweigerung gewarnt werden (Blank in Schmidt-Futterer, aaO). Die Abmahnung muss das beanstandete Verhalten so konkret beschreiben, dass der Mieter weiß, was der Vermieter von ihm verlangt (Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Auflage 2009, VI Rn. 325). Während eine Auffassung meint, in der Abmahnung müsse die Kündigung angedroht werden, eine bloße Zahlungsaufforderung genüge nicht (Blank in Schmidt-Futterer, aaO; OLG Hamm WuM 1998, 485), wird andererseits vertreten, dass eine Kündigungsandrohung nicht erforderlich sei, wenn die Erklärung erkennen lasse, dass für den Erklärungsgegner die weitere vertragliche Zusammenarbeit auf dem Spiel stehe und er im Fall weiterer Verstöße mit vertraglichen Konsequenzen rechnen müsse (BGH NJW 2012, 53 zu § 314 BGB; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Auflage 2014, IV. Rn. 295).
1.2 Nach diesen Maßstäben ist die Kündigung der Klägerin vom 13.08.2013 auch aus Sicht des Berufungsgerichts unwirksam.
Die vorliegende Sachlage entspricht im Hinblick auf die Einholung des Schiedsgutachtens zur rückwirkenden Erhöhung des Mietzinses einer rückwirkend vereinbarten – vom Mieter aber nicht beachteten – Mieterhöhung. Das Mietverhältnis zwischen den Parteien bestand bereits ab Anfang 1998 und dauerte mithin Mitte 2013 bereits über 15 Jahre an. Bis Mitte des Jahres 2013 war es im Hinblick auf Mietzahlungen beanstandungsfrei. Es bestand zudem die konkrete Aussicht, dass die Störung in der Zahlung nach Prüfung des Schiedsgutachtens durch die Beklagtenseite vom Beklagten abgestellt werden würde, zumal der Beklagte die „alte“ Miete auch nach Eingang des Schiedsgutachtens anstandslos zahlte. Diese tatsächlichen Umstände des Einzelfalls rechtfertigen es vorliegend, eine Abmahnung ausnahmsweise für erforderlich zu halten.
Das Berufungsgericht teilt die Auffassung des Landgerichts, dass das Anwaltsschreiben der Klägerseite vom 27.06.2013 gemäß Anlage K 6 vorliegend nicht ausreichend ist. Zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Diese macht sich das Berufungsgericht zu eigen. Auch für das Berufungsgericht ist dem Schreiben nicht zu entnehmen, dass das weitere vertragliche Miteinander zwischen den Parteien auf dem Spiel steht und im Falle weiterer Verstöße bzw. deren Fortsetzung vertragliche Konsequenzen drohen. Dies wird zusätzlich dadurch bestärkt, dass im Schreiben gemäß Anlage K 6 im Futur mitgeteilt wird „Meine Mandantschaft wird sich daher alle Rechte, die aus der nicht fristgerechten Zahlung sowohl der Nachzahlung als auch der erhöhten Miete ab Juli resultieren, vorbehalten“. Aus der Ankündigung, die Mandantschaft werde sich Rechte vorbehalten, wird nicht hinreichend deutlich, dass die Beendigung des Vertragsverhältnisses droht.
Dies ist auch nicht vor dem Hintergrund anders zu beurteilen, dass die Parteien in einem anderen – bis zum Bundesgerichtshof (Az.: XII ZR 37/12) geführten – Rechtsstreit über die Wirksamkeit einer anderen Kündigung der Vermieterin wegen eines etwaigen Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis aus § 550 BGB gestritten haben. Dass die Vermieterseite die Beendigung des Mietverhältnisses in der Vergangenheit ernstlich betrieben hat lässt nicht darauf schließen, dass sie auch künftig unbedingt die Beendigung des Mietverhältnisses herbeizuführen bestrebt ist. Auch etwaige Gespräche über eine vergleichsweise Beendigung des Mietverhältnisses rechtfertigen keine andere Bewertung.
1.3 Der von der Berufung mit Recht betonte Umstand, der Beklagte habe sich vorprozessual und erstinstanzlich nicht ausdrücklich auf Rechtsmissbräuchlichkeit bzw. eine Treuwidrigkeit der Kündigung berufen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zum einen hat der Beklagte die den Ausnahmetatbestand des Rechtsmissbrauchs bzw. der Treuwidrigkeit ausfüllenden Tatsachen bereits im ersten Rechtszug vorgetragen und seine Verteidigung maßgeblich darauf gestützt. Zum anderen hat er das Urteil des Landgerichts in der Berufungsinstanz der Sache nach damit verteidigt, dass das Landgericht die Kündigung zu Recht mangels einer nach den Umständen des Einzelfalls erforderlichen Abmahnung für unwirksam gehalten hat. Spätestens hierin ist die Geltendmachung der entsprechenden Einwendung zu erblicken. Schließlich wäre der Einwand des Rechtsmissbrauchs ohnedies von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH NJW 2012, 3577, 3579, Rn. 30).
2. Entgegen ihrer Auffassung hat der Klägerin in der gegebenen Konstellation auch kein Kündigungsgrund aus § 543 Abs. 1 BGB zur Seite gestanden.
Soweit die Berufung darauf abstellen will, dass in der Nichtzahlung der durch den Schiedsgutachter verbindlich festgestellten Mieterhöhung ein wesentlicher – zur Kündigung berechtigender – Vertragsverstoß des Beklagten liege, der nach § 543 Abs. 1 BGB zur Kündigung berechtige, teilt das Berufungsgericht diese Sicht der Dinge nicht. Einen insoweit nicht bereits von § 543 Abs. 2 Nr. 3 a oder b BGB erfassten – gesonderten – Kündigungsgrund vermag das Berufungsgericht nicht zu erkennen.
Der Kündigungstatbestand des § 543 Abs. 1 BGB ist als Auffangtatbestand für die in § 543 Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 BGB nicht ausdrücklich geregelten Fälle anzusehen (Blank in Schmidt/Futterer, Mietrecht, 11. Auflage 2013, § 543 Rn. 160 mwN). Dies bedeutet nicht, dass eine Partei auf Abs. 1 zurückgreifen kann, wenn einer der speziellen Kündigungstatbestände nicht erfüllt ist, etwa weil ein Tatbestandsmerkmal fehlt. Vielmehr ist Abs. 1 für solche Fälle gedacht, denen ein ähnliches Gewicht beizumessen ist, wie den speziellen Kündigungstatbeständen (Blank in Schmidt/Futterer, aaO).
Bereits hieraus ergibt sich, dass die objektiv verspätete Zahlung der – rückwirkend erhöhten – rückständigen und laufenden Miete den Kündigungstatbestand von § 543 Abs. 1 BGB nicht erfüllt.
3. Vor diesem Hintergrund hat es das Landgericht auch zu Recht dahinstehen lassen, ob die Miete wegen – angeblicher – Gebrauchsbeeinträchtigungen durch Bauarbeiten gemindert gewesen ist.
4. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
5. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs.2 ZPO.