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Gewerberaummietvertrag – keine Schriftform bei Zusatz „i. A.“

LG Berlin, Az.: 26 O 66/18, Urteil vom 07.11.2018

1) Die Beklagten werden als Gesamtschuldner zu verurteilt, das von ihnen innegehaltene Grundstück … 3, … Berlin (Restaurant/Biergarten), Gewerbefläche 586 qm , Grundstücksfläche 1.276 qm, zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.

2) Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten zu 1) und 2) dürfen die Vollstreckung gegen sie durch Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,00 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Räumung von Gewerberaum.

Die Beklagten zu 1) und 2) schlossen am 11.7.2011 einen schriftlichen Mietvertrag über das Objekt … 3 in … Berlin einschließlich Hof- und Gartenfläche zur Nutzung als Restaurant/Biergarten. Dabei wurde eine Mietzeit vom 15.7.2011 bis 30.6.2021 vereinbart. Durch Nachtrag vom 9.2.2012 wurden die Beklagten zu 3) und 4) als weitere Mieter in den Vertrag aufgenommen.

Gewerberaummietvertrag - keine Schriftform bei Zusatz "i. A."
Symbolfoto: Natee Meepian/Bigstock

Für den Grundstückseigentümer…. und die ihn nach dem Vertragsrubrum vertretende … Gewerbe- und Hausverwaltungsgesellschaft mbH (im Folgenden: … GmbH) unterzeichnete den Mietvertrag vom 11.7.2011 unter dem Firmenstempel der Vertreterin jemand, der seiner Unterschrift „i.A.“ voranstellte; den Nachtrag unterzeichnete über dem Firmenstempel der Vertreterin „i.A. S.“.

Mit Schreiben vom 3.11.2017 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis zum 30.6.2018.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Räumung und Herausgabe des Grundstücks und trägt vor: Sie sei Erwerberin des Eigentums am Grundstück und seit dem 18.9.2017 im Grundbuch als solche eingetragen. Der Mietvertrag sei wegen Schriftformverstoßes als Vertrag auf unbestimmte Zeit zu behandeln und habe daher wie geschehen gekündigt werden können. Abgesehen davon sei die von den Beklagten betriebene „Versammlungsstätte“ am 16.7.2018 aufgrund zahlreicher Beanstandungen bei einer Brandschau durch das Bezirksamt geschlossen worden; diese Beanstandungen seien allein den Beklagten zuzurechnen. Die erteilten Auflagen seien bisher von den Beklagten trotz Fristsetzung durch sie, die Klägerin, nicht erfüllt worden; vielmehr nutzten die Beklagten die Räume entgegen den Auflagen des Bezirksamtes weiter. Deswegen werde erneut wegen Vertragsverletzung fristlos gekündigt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, das von ihnen innegehaltene Grundstück …x 3, … Berlin (Restaurant/Biergarten), Gewerbefläche 586 qm , Grundstücksfläche 1.276 qm, zum 30.6.2018 zu räumen und an sie herauszugeben.

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten zu 1) und 2) tragen vor:

Es fehle schon eine wirksame Prozessvollmacht der Klägerin für die für sie auftretenden Rechtsanwälte. Den Beklagten zu 3) und 4) sei die Klage nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, Rechtsanwalt .. habe von ihnen keine Prozessvollmacht erhalten.

Im übrigen sei die Kündigung vom 3.11.2017 ohne Wirkung, da der Vertrag fest bis 30.6.2021 geschlossen sei. Sollte bei dem Abschluss des Mietvertrages vom 11.7.2011 mit dem damaligen Eigentümer eine nicht vertretungsberechtigte Person für diesen unterzeichnet haben, liege jedenfalls inzwischen eine Genehmigung durch Vollzug des Mietverhältnisses vor. Eigentumsübergang sei noch nicht erfolgt, da lediglich eine Auflassung vorliege. Die … GmbH sei vom Eigentümer bevollmächtigt gewesen, für ihn den Mietvertrag abzuschließen und Mietkaution entgegenzunehmen. Innerhalb der … GmbH sei durch deren Geschäftsführerin diese Aufgabe auf die Mitarbeiterin S. übertragen worden. S. habe auch während der Vertragsunterzeichnung mehrfach beim Eigentümer wegen einzelner vertraglicher Regelungen telefonisch Rücksprache genommen.

Für die fristlose Kündigung während des Rechtsstreits, der widersprochen werde, fehle es an Abmahnung und Kündigungsgrund.

Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 7.11.2018.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat Erfolg.

Die Klägerin ist im Rechtsstreit wirksam durch ihre Prozessbevollmächtigten vertreten. Soweit die Beklagten zu 1) und 2) bestreiten, dass der Geschäftsführer der Klägerin die Vollmacht vom 1.10.2018 (Bl.124 d.A.) unterzeichnet habe, greift dies nicht durch. Denn die Beklagten bestreiten nicht, dass – wie der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Termin erklärt hat – der Geschäftsführer der Klägerin die Vollmacht in seiner Gegenwart unterzeichnet hat. Dass der Unterzeichner der Vollmacht Geschäftsführer der Klägerin ist, ist ins Blaue hinein bestritten und daher unerheblich, weil sich ein Geschäftsführer einer GmbH unschwer dem Handelsregister entnehmen lässt und die Beklagten nicht einmal behaupten dort Einsicht genommen zu haben.

Entsprechend dem Klageantrag waren die Beklagten zu 3) und 4 gemäß § 331 ZPO durch Versäumnisurteil zu verurteilen, da das Klagevorbringen den geltend gemachten Anspruch rechtfertigt und sie im Termin trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten waren. Wenn die Beklagten zu 1) und 2) die Ansicht vertreten, den Beklagten zu 3) und 4) sei schon die Klage nicht zugestellt worden, Rechtsanwalt …, der sich zunächst für die Beklagten im Rechtsstreit gemeldet hat, sei von den Beklagten zu 3) und 4) nicht bevollmächtigt gewesen, hat dies keinen Erfolg. Abgesehen davon, dass schon fraglich sein könnte, welches rechtlich erhebliche Interesse die Beklagten zu 1) und 2) für eine solche Rüge zugunsten Dritter haben könnten, ist diese Rüge jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil sie in nicht erklärtem Widerspruch zu Verhalten und Erklärungen des Rechtsanwalts E. selbst steht. Dieser hat sich nicht nur (wiederholt) für „die Beklagten“ gemeldet und für diese vorgetragen, er hat in einem Schreiben vom 9.8.2018 an Rechtsanwalt G. diesem auch erklärt (vorgelegt mit Schriftsatz vom 22.8.2018, Bl.66 d.A.), er habe sich für die „in der Klageschrift bezeichneten Beklagten“ im Rechtsstreit gemeldet. Dementsprechend hat Rechtsanwalt E. auch die Zustellung der Klageschrift für die Beklagten zu 3) und 4) entgegengenommen und dem ausdrücklichen Hinweis des Gerichts, für die Beklagten zu 2) bis 4) sei nach Meldung des Rechtsanwalts G. nur für den Beklagten zu 1) weiterhin Rechtsanwalt E. gemäß § 87 ZPO maßgebend, nicht widersprochen. Damit ist davon auszugehen, dass er zunächst von allen Beklagten bevollmächtigt war. An ihn konnte im Hinblick auf § 87 ZPO auch die Terminsladung gehen.

Das Mietvertragsverhältnis der Parteien ist durch die von der Klägerin unter dem 3.11.2017 erklärte Kündigung beendet worden, so dass die Beklagten gemäß §§ 546, 421 BGB zur Räumung und Herausgabe verpflichtet sind. Dabei besteht zwischen ihnen entgegen der vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 1) und 2) im Termin vom 7.11.2018 geäußerten Ansicht keine notwendige Streitgenossenschaft, weil der Umstand, dass ein Vollstreckungstitel gegen alle Mieter notwendig ist, nicht bedeutet, dass diese Titel nur einheitlich ergehen können (vgl. Zöller/Vollkommer, § 62 ZPO, Rn.17).

Ein Räumungs- und Herausgabeanspruch der Klägerin besteht schon deshalb, weil diese gemäß § 580a BGB wirksam gekündigt hat. Denn der von den Beklagten mit dem Voreigentümer des Grundstücks geschlossene und gemäß § 566 BGB auf die Klägerin übergangene Mietvertrag ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht bis zum 30.6.2021 fest geschlossen, sondern als Mietvertrag auf unbestimmte Zeit zu behandeln. Die für das Vertragsverhältnis im Hinblick auf die vereinbarte Mietzeit zwingend gemäß §§ 578, 550 BGB vorgeschriebene Schriftform ist durch den Vertrag nicht eingehalten, § 126 BGB. Zwar liegt ein schriftlicher Mietvertrag vor. Doch lässt sich diesem schriftlichen Vertrag selbst nicht entnehmen, dass dieser durch den Vermieter geschlossen und von ihm autorisiert ist. Indem der auf Seiten des Vermieters Unterzeichnende seine Unterschrift jeweils mit dem Kürzel „i.A.“ versehen hat, ist nicht davon auszugehen, dass er die Verantwortung für den Inhalt des Vertrages übernommen hat, zumal er selbst wiederum lediglich für den gesetzlichen Vertreter der Vertreterin des Vermieters handelte. Vielmehr kann seine Erklärung nur als die eines Erklärungsboten verstanden werden (§§ 133, 157 BGB). Es mag sich bei dem Unterzeichner zwar um jemanden gehandelt haben, der von der Vertreterin des Vermieters entsandt war, aber – der Zusatz „i.A.“ machte es deutlich – nicht um jemanden, der eine eigene Erklärung als Vertreter abgeben wollte. Dies gilt für den ebenfalls gemäß §§ 578, 550, 126 BGB formbedürftigen Nachtrag entsprechend. Ob, wie die Beklagten zu 1) und 2) geltend machen, während der Verhandlungen bei Unterzeichnung des Mietvertrages die unterzeichnende Mitarbeiterin der … GmbH mehrfach telefonisch wegen einzelner Regelungen bei dem Vermieter Rücksprache gehalten hat, ist unerheblich, weil es nichts daran ändert, dass sie den Vertrag eben nicht als Vertreter – der Vertreterin – sondern nur als Erklärungsbote unterschrieben hat, wobei die behaupteten Telefonate zudem die Unselbständigkeit der Unterzeichnerin deutlich machen. Lassen sich die maßgeblichen Umstände aus der Urkunde nicht entnehmen und mangelt es damit an der erforderlichen Form, führt dies gemäß § 550 BGB zwar nicht zur Unwirksamkeit des Mietvertrages, aber dazu, dass dieser auf unbestimmte Zeit lief.

Eine Bestätigung des Vertrages in seiner auf eine feste Zeit geschlossenen Form entsprechend § 141 BGB durch den Vollzug des Vertrages scheidet schon deshalb aus, weil diese Bestätigung nicht der vorgeschriebenen Form folgte. Daran ändert auch das Schreiben des ehemaligen Grundstückseigentümers und Vermieters vom 22.9.2017 (Anlage B 1) nichts, weil es sich um eine nur einseitige Bezugnahme auf den Vertrag handelt und sich ein Bestätigungswille in Kenntnis der Unwirksamkeit nicht entnehmen lässt. Ist die feste Laufzeit nach alledem mangels Einhaltung der Formvorschriften nicht wirksam vereinbart, kann nicht der – formlose – Vollzug des Mietvertrages die Formvorschriften obsolet machen. Andere Umstände, die es der Klägerin ausnahmsweise verwehren könnten (§ 242 BGB), sich auf den Formmangel zu berufen, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Beklagten zu 1) und 2) geltend machen (Bl.125/ 126 d.A.), die Klägerin habe eine etwaige Formunwirksamkeit bei Erwerb des Grundstücks gekannt und sei zur Heilung eines Formmangels verpflichtet, ist eine rechtliche Basis hierfür nicht ersichtlich. Das gilt zumal dann, wenn man außerdem berücksichtigt, dass die Beklagten selbst als Mieter auf einen formgerechten Vertrag hätten hinwirken können.

Die Klägerin war auch im Zeitpunkt der Kündigung Eigentümerin des Grundstücks und daher gemäß § 566 BGB zur Kündigung berechtigt. Dem vorgelegten Grundbuchauszug (Anlage K 2) lässt sich entnehmen, dass sie für die unter laufender Nr. 5 des Bestandsverzeichnisses von Bl. … des Grundbuchs … … eingetragene Gebäude- und Freifläche … 3 aufgrund Auflassung vom 6.7.2018 am 18.9.2017 als Eigentümer eingetragen worden ist.

Die von der Klägerin unter dem 3.11.21017 erklärte Kündigung ist entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) und 2) auch wirksam allen Mietern gegenüber erklärt. Dies haben die Beklagten in ihrer Klageerwiderung (Bl.25 d.A.) selbst bestätigt. Dass dieser Kündigung eine Originalvollmacht beigefügt gewesen ist (Bl.122 d.A.), haben die Beklagten zudem nicht substantiiert bestritten. Wenn die Beklagten zu 1) und 2) nunmehr (Bl.58 d.A.) mit Nichtwissen bestreiten, dass die Vollmacht vom damaligen Geschäftsführer der Klägerin unterzeichnet gewesen sei, ist das deshalb nicht nur unzulässig (§ 138 Abs.4 ZPO) sondern angesichts des nicht erläuterten Widerspruchs zum früheren Prozessvortrag auch unsubstantiiert.

Eine weitere Kündigung lag zudem in der allen Beklagten zugestellten Klageschrift, ohne dass die Beklagte sie unverzüglich gemäß § 174 BGB mangels Vollmacht zurückgewiesen hätten. Hinzukommen die weiteren Kündigungen durch die Klägerin im Laufe des Rechtsstreits, die entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1) und 2) wirksam sind, wobei hinsichtlich des Beklagten zu 2) auch § 87 ZPO zu berücksichtigen ist. Die Beklagten zu 1) und 2) verkennen zudem, dass § 174 BGB aufgrund der Sonderregelungen zur Prozessvollmacht nicht für im Rahmen eines Rechtsstreits über den Prozessbevollmächtigten ausgesprochene rechtsgeschäftliche Erklärungen gilt (vgl. Palandt/Ellenberger, 77. Aufl., § 174 BGB Rn.3 m.w.N.). Dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Kündigung berechtigt waren, ergibt sich der vorgelegten Vollmacht vom 1.10.2018 (Bl.124 d.A.).

2)

Ob die Beklagten darüberhinaus aufgrund der während des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 21.8.2018 erklärten weiteren fristlosen Kündigung (Bl.86 d.A.) aus wichtigem Grund zur Räumung und Herausgabe verpflichtet sind, braucht nach alledem nicht mehr abschließend entschieden zu werden. Deshalb bedurfte es auch keiner Bewilligung der von den Beklagten zu 1) und 2) im Hinblick auf die am 2.11.2018 übermittelten Anlagen K 5 und 6 beantragten Erklärungsfrist mehr.

3)

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs.1, 100 Abs.4 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.7, 711 ZPO.

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