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Gewerberaummietvertrag – Pflicht des eintretenden neuen Vermieters zur Umsatzsteueroption

OLG München – Az.: 32 U 4761/11 – Beschluss vom 13.03.2012

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Erteilung einer Rechnung über Mietkosten, die die Vorgaben des § 14 Abs. 4 UStG erfüllt.

Die Klägerin hatte mit der Beklagten zu 2 ein Gewerbemietverhältnis über ein Ladengeschäft abgeschlossen, in dem sie umsatzsteuerpflichtige Dienstleistungen anbot. Die Beklagte zu 2 hatte für die Umsatzsteuer optiert und diese in § 4.2 des Mietvertrags als von der Mieterin zu entrichtende Zahlung ausgewiesen. In § 4.5 des Mietvertrags findet sich folgende Regelung:

„Auf Verlangen des Vermieters hat der Mieter neben dem Mietzins und den Nebenkosten zusammen mit diesen die jeweils geltende Mehrwertsteuer zu zahlen.“

Auf Aufforderung der Beklagten zu 2 zahlte die Klägerin die Miete in der bisherigen Höhe inklusive Mehrwertsteuer ab 2004 an den Beklagten zu 1. Nachdem die Mieterin von der Beklagten zu 2 mit Schreiben vom 14.03.2011 verlangt hatte, ihr eine Dauerrechnung über die Mietkosten zu erteilen, die die nunmehr nach § 14 Abs. 4 UStG erforderlichen Angaben enthält, wurde ihr mitgeteilt, dass der Beklagte zu 1 durch Eigentumserwerb mit Eintragung im Grundbuch am 18.02.2004 nach § 566 BGB in den Mietvertrag eingetreten sei. Die Aufforderungen der Klägerin an den Beklagten zu 1, der nicht für die Umsatzsteuer optiert hat, ihr eine entsprechende Rechnung auszustellen, blieben unbeantwortet.

Das Erstgericht hatte auf Antrag der Klägerin festgestellt, dass der Beklagte zu 1 verpflichtet sei, die Klägerin von sämtlichen Vorsteuerrückforderungen des Finanzamtes samt Säumniszuschlägen und Zinsen freizustellen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.

In der Berufungsinstanz begehrt die Klägerin zusätzlich die Feststellung, dass sie bis zur vollständigen Erfüllung des Freistellungsanspruchs zur Zurückbehaltung der gesamten Mietzahlungen berechtigt sei, und dass ihr der Beklagte zu 1 den durch sein Schweigen zur Mehrwertsteueroption entstandenen Schaden zu ersetzen habe.

II.

Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:

1. Der Senat ist, wie das Landgericht, der Auffassung, dass der Beklagte zu 1, der gemäß § 566 BGB in das Mietverhältnis eingetreten ist, nicht verpflichtet war, für die Umsatzsteuer zu optieren. Umsatzsteuerrechtlich ist es allein Sache des Vermieters, ob er von dieser Optionsmöglichkeit Gebrauch machen will oder nicht (BGH ZMR 1981, 113), sogar wenn der Mieter am Vorsteuerabzug ein besonderes Interesse haben sollte. Etwas anderes gilt nur, wenn eine vertragliche Verpflichtung des Vermieters zur Option begründet worden ist (Schmid Fachanwaltskommentar Mietrecht, 3. Aufl., vor § 556 Rn. 51 ff., 53). Eine solche Pflicht lässt sich zum Einen aus § 4 Ziffer 2 des Mietvertrages vom 27.6.2000 (Anlage K 1) nicht entnehmen. Die Angabe des geschuldeten Mehrwertsteuerbetrages dient nach Inhalt und Zweck der Regelung (§§ 133, 157 BGB) lediglich dazu, dass der Vermieter, wenn er sich für die Umsatzsteuerpflicht entscheidet, den Mehrwertsteuerbetrag auch vom Mieter verlangen kann. Zum Anderen wird durch die Regelung in § 4 Ziffer 5 des Mietvertrags, wonach der Mieter die jeweils geltende Mehrwertsteuer „auf Verlangen des Vermieters“ zu zahlen hat, klargestellt, dass der Mieter keinen Anspruch auf Ausübung der Option erhalten soll.

2. Das Landgericht hat dem Hauptantrag auf Erteilung einer Dauerrechnung gegen den Beklagten zu 1 zu Recht nicht stattgegeben, da die Klägerin diesen Anspruch ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2011 nach wie vor geltend gemacht hat, obwohl er nicht bestand.

a) Umsatzsteuerrechtlich kann ein vermietender Unternehmer nach § 9 Abs. 1 UStG auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 12 UStG verzichten, indem er für die Umsatzsteuer optiert (Schmid Fachanwaltskommentar aaO, Anhang II Steuerrecht 224 ff.), wobei dieser Verzicht auf die Steuerbefreiung aber nur zulässig ist, wenn der Mieter das Mietobjekt ausschließlich für Umsätze verwendet, die den Vorsteuerabzug nicht ausschließen. Hat der Vermieter für die Mehrwertsteuer optiert, so schuldet der Mieter bei entsprechender Vereinbarung im Mietvertrag Mehrwertsteuer auf den Mietzins und auf die Betriebskosten (LG Hamburg ZMR 1998, 294).

b) Eine solche Vereinbarung ist hier, wie bereits oben unter Ziffer 1 dargelegt, unstreitig in § 4 Ziffer 2 des Mietvertrages vom 27.6.2000 zwischen der Klägerin und der ursprünglichen Vermieterin getroffen worden. Dies bedeutet aber nicht, dass der Eintritt in den Mietvertrag auch als ein Optieren des neuen Vermieters für die Mehrwertsteuer verstanden werden kann. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob bereits das in Rechnung Stellen von Mehrwertsteuer als Ausüben einer Option verstanden werden kann (vgl. BGH BB 1995, 1337), da vorliegend lediglich ein Schweigen des Beklagten zu 1 auf die Zahlungen der Klägerin inklusive Mehrwertsteuer vorliegt und es an den sonstigen Umständen fehlt, um diesem Schweigen Erklärungsgehalt beimessen zu können (vgl. BGH NJW 2002, 3629 m.w.N.). Ein „Verlangen des Vermieters“ an die Mieterin, die jeweils geltende Mehrwertsteuer zu zahlen, wie es die Regelung in § 4 Ziffer 5 des Mietvertrags vorsieht, ist vorliegend nicht gegeben.

d) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Beklagte zu 1 mit dem Erwerb des Mietobjekts durch Eintragung am 18.02.2004 (Anlage B 2) gemäß § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten, hat aber von Beginn an nicht für die Umsatzsteuer optiert. Dies hatte zur Folge, dass die Mieterin die in § 4 des Mietvertrags gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer ab diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte bezahlen müssen, ihrerseits aber auch die gezahlte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer hätte geltend machen dürfen (vgl. Schmid aaO, vor § 556 Rn. 62).

Insoweit gibt es keine konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen der ersten Instanz begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten würden. Das Landgericht hat die entscheidungserheblichen streitigen Tatsachen durch Beweiserhebung festgestellt und die Beweise ausführlich und überzeugend gewürdigt; die Beweiswürdigung verstößt weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, noch werden Beweisanforderungen vernachlässigt oder überspannt. Insbesondere hat das Erstgericht umfassend und überzeugend dargelegt, aufgrund welcher Umstände es von einer glaubwürdigen Darstellung des Zeugen W1 ausgegangen ist.

Auf die in Ziffer V. 2) des notariellen Kaufvertrags vom 19.03.2003 (Anlage B 1) vereinbarte Abtretung der Mietforderung der Beklagten zu 2 im Zeitpunkt des Besitzübergangs kommt es für die Mehrwertsteuerpflichtigkeit ab Eigentumsübergang nicht an.

d) Damit bestand bereits bei Klageerhebung kein Anspruch der Klägerin auf Rechnungserteilung gemäß §§ 14 Abs. 4, 15 UStG (Schmid aaO Anhang II Rn. 288). Von einer Erledigung im Laufe des Verfahrens kann keine Rede sein. Im Übrigen ist es Aufgabe des Parteivertreters, zu prüfen, ob nach dem Ergebnis einer Beweisaufnahme, das mit den Parteien ausweislich des Protokolls erörtert wurde, eine Erledigungserklärung oder Rücknahme in Betracht kommt.

e) Wie bereits dargelegt, bestand aber ab 18.02.2004 auch kein Anspruch des Beklagten zu 1 auf Zahlung der Mehrwertsteuerbeträge. Diese wurden von der Klägerin rechtgrundlos geleistet mit der Folge, dass ihr jeweils ein Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zusteht.

d) Weiter wäre der Beklagte zu 1 gemäß §§ 535, 566, 241 Abs. 2 BGB verpflichtet gewesen, bei Eintritt in den Mietvertrag die Klägerin darauf hinzuweisen, dass er, anders als seine Rechtsvorgängerin, nicht für die Umsatzsteuer optiert. Eine Erfüllung dieser nebenvertraglichen Pflichten lässt sich dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht entnehmen.

3. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist mit Beginn des Jahres 2004 Voraussetzung für den Vorsteuerabzug das Vorliegen einer entsprechenden Rechnung i. S. von § 14 UStG.

a) Nach der Darstellung des Zeugen W2 hat die Klägerin die quartalsmäßigen Umsatzsteuervoranmeldungen selbst erstellt. Ihr hätte es deshalb auch oblegen, ab 1.1.2004 für ihre Voranmeldungen entsprechende Rechnungen beim jeweiligen Vermieter zu erholen und deren Erstellung notfalls durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts zumindest in Höhe der anteiligen Mehrwertsteuer hinsichtlich der betroffenen Mieten bis zur Erteilung einer Rechnung zu erzwingen (vgl. OLG Düsseldorf ZMR 2006, 686). So hätte sie auch in Erfahrung gebracht, dass ihr neuer Vermieter gar nicht für die Umsatzsteuer optiert.

Wie die Klägerin selbst bereits in der Klageschrift richtig bemerkt, war sie allein aufgrund der mietvertraglichen Regelung ohne Vorliegen einer entsprechenden Rechnung i. S. von § 14 UStG nicht mehr berechtigt, Vorsteuer abzuziehen. Dass sie trotzdem die Umsatzsteuervoranmeldungen nach § 18 UStG durchgeführt und dabei als „abziehbare Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmern (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG)“ – vgl. Vordruck zur Umsatzsteuervoranmeldung, Zeile 55, 56 – die auf die Miete gezahlte Mehrwertsteuer angegeben hat, auch ohne im Besitz einer Rechnung nach § 14 Abs. 4 UStG zu sein, ist nicht dem Vermieter anzulasten. Gleiches gilt für die Steuererklärungen für die Jahre 2004 bis 2008, für die laut dem Zeugen die Vorsteuer noch geltend gemacht wurde.

4. Zusammenfassend lässt sich daher feststellen, dass seit dem Vermieterwechsel eine rechtsgrundlose Zahlung des Mehrwertsteuerbetrages durch die Klägerin geleistet wurde. Da sie diese Beträge jeweils als ungerechtfertigte Bereicherung zurückfordern kann, ist ihr insoweit auch kein Schaden erwachsen, unabhängig davon, ob die einzelnen Ansprüche noch durchgesetzt werden können. Sollte der Beklagte die vereinnahmten Umsatzsteuerbeträge gemäß § 14c UStG an das Finanzamt abgeführt haben und damit entreichert sein (§ 818 Abs. 3 BGB), würde der Anspruch wieder aufleben, sobald die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist und damit der vom Beklagten zu 1 nach dieser Vorschrift geschuldete Steuerbetrag zu berichtigen ist.

Ein Freistellungsanspruch für die reinen Vorsteuerrückforderungen ist daher nicht gegeben.

Soweit zu den Vorsteuerrückforderungen noch Säumniszuschlage, Rechtsverfolgungskosten etc. hinzukommen, liegt tatsächlich ein Schaden der Klägerin vor, der auch auf der Pflichtverletzung durch den Beklagten zu 1 (vgl. oben 1. d) beruht. Der Klägerin ist hierbei aber ein wesentliches, wenn nicht sogar überwiegendes, Mitverschulden zur Last zu legen (vgl. oben 2. a) mit der Folge, dass vom Beklagten zu 1 gemäß §§ 535, 566, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 276, 254 Abs. 1 BGB nur ein geringer Teil der anfallenden Beträge zu tragen wäre. Im Übrigen wird bezüglich dieser Klageerweiterung durch den Feststellungsantrag in Ziffer II der Berufungsbegründung auf § 533 ZPO verwiesen.

Damit scheitert auch der Feststellungsantrag bezüglich des Zurückbehaltungsrechts.

Der Klägerin ist also durch das Landgericht ohnehin mehr zugesprochen worden, als ihr nach Auffassung des Senats zusteht. Ihr wird bei dieser Sachlage anheimgegeben, zur Vermeidung weiterer Kosten die Berufung zurückzunehmen. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).

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