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Gewerblicher Weitervermietung – Einverständnis des Vermieters

LG Heidelberg – Az.: 5 S 72/21 – Urteil vom 04.08.2022

In dem Rechtsstreit wegen Räumung hat das Landgericht Heidelberg – 5. Zivilkammer – am 04.08.2022 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2022 für Recht erkannt:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 01.12.2021, Az. 30 C 247/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Heidelberg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Verpflichtung zur Räumung und Herausgabe von Mieträumen.

Die ### GbR schloss am 01.06.1999 mit der ### GmbH einen Pachtvertrag über das Anwesen ###. Das Erdgeschoss des Anwesens besteht aus zwei Gasträumen mit Saal, einer Küche, Gästetoiletten und einem Wirtschaftshof. Im Keller und im ersten Obergeschoss befinden sich hierzu gehörende Betriebsräume. Im zweiten und dritten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss befinden sich teilweise Einzelzimmer und teilweise Einheiten mit mehreren Zimmern, Küche und Badezimmer. Vertragszweck des Pachtvertrages war ein „Kommunikations- und Speisegaststätten- sowie Hotelbetrieb“. Nach der Zweckbestimmung folgte eine Aufzählung aller vorhandenen Räume, die als „Wohnung“, „Appartement“ sowie „Hotelzimmer“ bezeichnet wurden. Nach § 1 Ziff. 2 des Pachtvertrages bildeten gewerbliche Räume und Wohnungen eine wirtschaftliche Einheit. Die Teilkündigung nur der Betriebs- oder nur der Wohnräume war unzulässig.

Angesichts einer bevorstehenden Insolvenz übereignete die ursprüngliche Verpächterin ### GbR das Anwesen an die ### GmbH & Co. KG, die sodann ihrerseits insolvent wurde. Im Jahr 2010 übereignete der Insolvenzverwalter das Haus an die Klägerin.

Die Beklagten bewohnen Räume im dritten Obergeschoss, die im Pachtvertrag als „Wohnung“ bezeichnet sind. Der Beklagte Ziff. 2 ist Untermieter des Beklagten Ziff. 1. Am 15.09.2020 wurde über das Vermögen der Pächterin ### GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 22.09.2020 forderte deren Insolvenzverwalter den Beklagten Ziff. 1 zur Zahlung der zuvor mit der Pächterin vereinbarten Miete auf.

Der Insolvenzverwalter kündigte an demselben Tag das Pachtverhältnis gegenüber der Klägerin zum 31.12.2020 und schloss am 26.11.2020 einen Aufhebungsvertrag zum 31.12.2020. Mit Schreiben vom 05.10.2020 informierte der Klägervertreter den Beklagten Ziff. 1 hierüber und forderte ihn zur Herausgabe der Räumlichkeiten bis zum Ablauf des 31.12.2020 auf. Die Beklagten lehnen dies ab und berufen sich auf § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten seien auch im Verhältnis zur Klägerin zur Nutzung der streitgegenständlichen Wohnräume berechtigt. Die Klägerin sei gemäß § 581 Abs. 2, § 565 BGB in die Rechte und Pflichten der vormaligen Vermieterin, der ### GmbH, eingetreten. Die Kündigung des zugrundeliegenden Pachtvertrags berechtige die Klägerin nicht gemäß § 573 Abs. 1 BGB zur Kündigung. Die Räume seien durch die ### GmbH gewerblich weitervermietet worden. Die Überlassung an den Beklagten Ziff. 1 sei auch zu Wohnzwecken erfolgt. Die Beklagten hätten überzeugend zum Vertragsschluss und zur tatsächlichen Mietsituation vorgetragen. In dieses Gesamtbild passe die marktübliche Höhe des monatlichen Entgelts von 1.200 Euro. Bei einem entsprechenden Beherbergungsvertrag in einem Hotel wäre dagegen von einem weitaus höheren Preis auszugehen.

Demgegenüber habe die Klägerin die Ausführungen der Beklagten lediglich einfach bestritten und nicht substantiiert vorgetragen, warum es sich um Hotelräume handele. Sie habe nicht dargelegt, dass eine Rezeption oder sonstige hotelübliche Einrichtungen bestünden. Der Pachtvertrag habe ferner die Weitervermietung des Mietobjekts zu Wohnzwecken vorgesehen. Die pachtvertragliche Vereinbarung sei aus Sicht eines objektiven Empfängers so zu verstehen, dass jedenfalls die im Besitz der Beklagten stehenden streitgegenständlichen Räumlichkeiten im dritten Obergeschoss zu Wohnzwecken vermietet werden sollten. Diese gemeinsame und übereinstimmende Vorstellung der Vertragsparteien über die Nutzung als Wohnraum ergibt sich insbesondere aus den begrifflichen Differenzierungen zwischen Hotelzimmern, Wohnungen und Appartements innerhalb ein und desselben Paragraphen, wodurch die Vertragsparteien diesen Räumen verschiedene Funktionen hätten zuordnen wollen. Zudem lasse die Regelung in § 7 Ziff. 1 des Pachtvertrages, wonach lediglich die Untervermietung der Gaststätte an seine Zustimmung des Verpächters gebunden sei, den Umkehrschluss zu, dass die Weitervermietung der Wohnräume von vornherein genehmigt und somit gewollt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands und der erstinstanzlichen Anträge wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Räumungs- und Herausgabebegehren weiter.

Das Amtsgericht habe zu Unrecht das Bestreiten eines Mietverhältnisses durch die Klägerin nicht berücksichtigt. Es habe nichts dazu ausgeführt, warum die ### GmbH die Räume im Sinne des § 565 BGB zu Wohnzwecken habe vermieten sollen. Weil nach § 1 des Pachtvertrags das gesamte Objekt als „Gewerbeobjekt“ bestehend aus „Gewerberäumen“ verpachtet werde, seien auch die „Wohnungen“ „Gewerberäume“.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg vom 01.12.2021 zu Az. 30 C 247/21 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, die im 3. OG links des Hauses ### in gelegenen Räumlichkeiten, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad im geräumten Zustand an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten beantragen, Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagten erwidern, erstinstanzlich sei ausweislich der Klageschrift unstreitig gewesen, dass der Beklagte Ziff. 1 Mieter sei.

Auch der weitere Schriftverkehr des Insolvenzverwalters und die durchgängige Zahlung des „Mietzinses“ sprächen für ein Mietverhältnis. Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Vermietung der streitgegenetändlichen Wohnung als Wohnraum folge aus dem Zweckentfremdungsverbot. Es sei das Problem der Klägerin, wenn sie sich vor Erwerb nicht informiere, wie die Räume vermietet und genutzt seien. Die dauerhafte Nutzung durch Personen werde auch durch die im Eingangsbereich vorhandenen und beschrifteten Briefkästen deutlich. Auch der Aufhebungsvertrag zwischen Klägerin und Insolvenzverwalter erwähne die bestehende Vermietung an Dritte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2022 und den Inhalt der erstinstanzlichen Akte verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Die Angriffe der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Weder zeigt die Klägerin auf noch ist sonst ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) oder dass von der Kammer zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 513 Abs. 1, 529 ZPO).

1. Die Beklagten sind aufgrund des zwischen den Beklagten Ziff. 1 und der ### GmbH geschlossenen Mietvertrags und des zwischen den Beklagten bestehenden Untermietvertrags gegenüber der Klägerin zur Weiternutzung der von ihnen bewohnten Räume berechtigt. Die Klägerin ist gegenüber dem Beklagten Ziff. 1 gemäß § 581 Abs. 2, § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB in die Rechte und Pflichten der vormaligen Vermieterin, der ### GmbH, eingetreten. Die Kündigung des zugrundeliegenden Pachtvertrags berechtigt die Klägerin nicht gemäß. § 573 Abs. 1 BGB zur Kündigung des Mietverhältnisses mit dem Beklagten Ziff. 1, das somit nicht beendet wurde (§ 542 Abs. 1 BGB).

a) Dem Amtsgericht ist vollumfänglich in seiner sehr sorgfältigen und in jeder Hinsicht zutreffenden Auslegung des Pachtvertrags beizutreten, wonach die Pächterin den Wohnraum gewerblich Dritten zu Wohnzwecken weitervermieten sollte (§ 581 Abs. 2, § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dabei ist nicht, wie die Klägerin meint, isoliert darauf abzustellen, dass nach § 1 Ziff. 1 des Pachtvertrags das Pachtobjekt „aus folgenden Gewerberäumen“ bestehe. Vielmehr ist bei der gebotenen systematischen, den Regelungszusammenhang einbeziehenden Auslegung zu berücksichtigen, dass bereits in der unmittelbar darauf folgenden Auflistung der verschiedenen Raumarten im Pachtobjekt und sodann erneut in § 1 Ziff. 2 unmissverständlich zwischen gewerblichen Räumen und Geschäftsräumen einerseits und insbesondere Wohnungen und Wohnräumen andererseits differenziert wird. Dass das Pachtobjekt – im Verhältnis zwischen den Parteien des Pachtvertrags, beides gewerblich tätige Gesellschaften – ein Gewerbeobjekt ist (§ 1 Ziff. 1) und bei Kündigung und Herausgabeverpflichtung als wirtschaftliche Einheit gilt (§ 1 Ziff. 2), ändert nichts an der begrifflichen Differenzierung der Nutzungszwecke der verschiedenen Räume. Ebenso überzeugt der vom Amtsgericht gezogene Umkehrschluss aus § 7 Ziff. 2, wonach ein Zustimmungserfordernis der Verpächterin (nur) für die Untervermietung der Gaststätte, nicht aber für die übrigen Räume, insbesondere nicht für die streitgegenständliche Wohnung vereinbart wurde. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen, die sich die Kammer vollumfänglich zu eigen macht und denen nichts hinzuzufügen ist.

b) Offenbleiben kann, ob die Weitervermietung der von den Beklagten genutzten Wohnung von vornherein verbindlich bezweckt war. Denn es genügt für das Tatbestandsmerkmal „Soll“ in § 565 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn der Vermieter mit der möglichen Weitervermietung als Wohnung einverstanden war und deshalb mit einem Vertragseintritt gemäß § 565 BGB rechnen musste (vgl. Schmidt-Futterer/Streyl, 15. Aufl. 2021, BGB § 565 Rn. 11 mit Hinweis auf BVerfG, NJW 1993, 2601; MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl. 2020, BGB § 565 Rn. 4; LG Berlin, MDR 2014, 1383). Dass dies vorliegend der Fall war, folgt aus den vorstehend wiedergegebenen Regelungen: Da sich das Zustimmungserfordernis für eine Untervermietung nach § 7 Ziff. 2 des Pachtvertrags nur auf die Gaststätte, nicht aber auf die anderen Arten von verpachteten Räumen, insbesondere die streitgegenständliche – ausdrücklich als solche bezeichnete – Wohnung bezieht, war die Verpächterin mit dem Zweck der Weitervermietung als Wohnung offenbar einverstanden.

Zumindest musste sie mit dieser Möglichkeit rechnen, die der Pächterin aufgrund der getroffenen Regelungen freigestellt war.

c) Schließlich besteht kein Zweifel daran, dass Herr ###, der als Geschäftsführer der Pächterin dazu berechtigt wäre 35 Satz 1 GmbH,G), einen (mündlichen) Mietvertrags mit dem Beklagten Ziff. 1 geschlossen hat.

Zum einen ist das Bestreiten eines Mietverhältnisses durch die Klägerin mit Nicht-Wissen (§ 138 Abs. 4 ZPO) unbeachtlich; weshalb das Bestehen eines Mietvertrags als unstreitig anzusehen ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Zwar wurde das Mietverhältnis mit dem Beklagten Ziff. 1 ohne Beteiligung der Klägerin zu einer Zeit begründet, als die Klägerin das Mietobjekt noch nicht erworben hatte. Jedoch hätte die Klägerin zumindest versuchen müssen, sich die erforderliche Kenntnis über Art, Umfang und Rechtsgrundlage der bestehenden Nutzungsverhältnisse über das, zu erwerbende beziehungsweise das erworbene Objekt bei der Verkäuferin zu verschaffen (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, § 138 Rn. 16; OLG Köln, NJW-RR 1995, 1407). Dass sie dies getan hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Zum anderen spricht auch das prozessuale Verhalten der Klägerin dafür, dass ihr Bestreiten mit Nichtwissen „ins Blaue hinein“ erfolgte (vgl. BGH MDR 2019, 242 Rn. 10; OLG Köln a.a.0.). Denn die Klägerin selbst ging zunächst davon aus, dass ein Mietverhältnis mit dem Beklagten Ziff. 1 bestand. Ihr Kündigungsschreiben vom 05.10.2020 stützte sie ausdrücklich auf § 546 Abs. 1 BGB, in ihrem weiteren Schreiben vom 23.02.2021 bezeichnete sie den Beklagten Ziff. 1 wiederum mehrfach als Mieter, noch in der Klageschrift vom 05.05.2021 bezeichnete sie den Beklagten Ziff. 1, als Untermieter. Erstmalig im Schriftsatz vom 05.08.2021 bestritt sie die Mieterstellung mit Nichtwissen.

Schließlich lässt die Klägerin eine plausible Erklärung vermissen, von welcher Art von Nutzungsverhältnis sie anstelle eines Mietvertrags ausgeht. Der Beklagte Ziff. 1 zahlt unstreitig seit Jahren eine ortsübliche Miete an die jeweils berechtigte Person (zunächst an die ### GmbH, dann an deren Insolvenzverwalter, derzeit an die Klägerin, vgl. Anlage B5). Ebenfalls unstreitig nehmen die Beklagten keine über den Umfang des § 535 Abs. 1 BGB hinausgehenden Leistungen in Anspruch, die auf einen anderen Vertragstyp als einen Mietvertrag schließen lassen könnten.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

4. Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht gegeben. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Urteil beruht auf der Anwendung anerkannter Auslegungsgrundsätze auf einen konkreten Einzelfall.

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