LG Hamburg – Az.: 316 T 24/21 – Beschluss vom 23.06.2021
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamburg-Barmbek vom 30.03.2021, Az. 810 C 345/20, wird zurückgewiesen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Amtsgericht den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da es an den hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Prozesskostenhilfebewilligung fehlt.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf geräumte Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB zu, da jedenfalls die fristlose Kündigung vom 08.01.2021 das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten beendet hat. Diese war gem. §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB wirksam. Nach § 543 Abs. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen; ein wichtiger Grund liegt gem. § 569 Abs. 2 BGB vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Verschulden ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Kündigung. Zu berücksichtigen sind das Ausmaß der Schuld, die Auswirkungen der Vertragsverletzung und die Folgen des Wohnungsverlustes für den Mieter (Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 23).
Wird der Hausfrieden durch das Verhalten eines schuldunfähigen, psychisch kranken Mieters gestört, sind die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 08.12.2004 – VIII ZR 218/03 –, juris; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 23). Die Verpflichtung zur Toleranz endet jedoch dort, wo durch das Verhalten des psychisch erkrankten Mieters die Gesundheit anderer Mieter im Haus ernsthaft gefährdet wird (AG Berlin-Wedding, Urteil vom 25.06.2013 – 7 C 148/12, BeckRS 2013, 15036; AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Versäumnisurteil vom 12.09.2014 – 25 C 219/13, BeckRS 2015, 3461; Schmidt-Futterer/Blank,14. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 23).
Die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ist der Klägerin hiernach auch unter Berücksichtigung der langjährigen Dauer des Mietverhältnisses und der Erkrankung der Beklagten, einer paranoiden Schizophrenie, rezidivierenden depressiven Störungen sowie einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, und ausgehend von der Schuldunfähigkeit der Beklagten sowie unter Berücksichtigung einer drohenden Verschlechterung ihrer Erkrankung bei Verlust der Wohnung, nicht zuzumuten. Denn demgegenüber steht, dass die Beklagte ihre Nachbarin, die Zeugin Dähne D., in deren Gesundheit schädigte, indem sie, als diese ihr nicht ermöglichte, in deren Wohnung nach ihrer dort vermuteten Katze Nachschau zu halten, diese an den Haaren packte, an die Wand drückte, und als diese nicht wie aufgefordert die Wohnungsschlüssel herausgab, einen Stoß Pfefferspray versprühte, bevor sie die Wohnungsschlüssel an sich nahm und in der Wohnung der Zeugin Dähne D. erfolglos nach ihrer Katze schaute. Aufgrund der Schwere des Pflichtenverstoßes und der erheblichen Auswirkungen ihres Verhaltens auf ihre Nachbarin geht die Abwägungsentscheidung zulasten der Beklagten. Eine positive Prognose ist auch bereits nicht schon aus dem Grund gerechtfertigt, wenn sich die Beklagte in ambulanter ärztlicher Behandlung befindet, die Ereignisse reflektiert, und bereit ist, einem erneuten Auftreten einer psychotischen Symptomatik entgegenzuwirken.