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Heizkostenabrechnung – Beweiserhebung über bestrittene Verbrauchswerte

LG Berlin – Az.: 67 S 449/12 – Beschluss vom 05.06.2014

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 4. Juli 2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 231 C 362/11 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.508,22 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23. September 2011 zu zahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz trägt die Klägerin 1/5, die Beklagte 4/5. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Von der Darstellung der tatbestandlichen Feststellungen wird abgesehen, §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO.

II.

Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht der aus dem Tenor ersichtliche Nachzahlungsbetrag aus der streitgegenständlichen Nebenkostenabrechnung gemäß § 535 Abs. 2 BGB zu.

Die Abrechnung genügt den Formalanforderungen des § 259 BGB und ist auch materiell ordnungsgemäß. Zwar hat die Beklagte die materielle Ordnungsgemäßheit der Abrechnung bestritten, doch steht diese als Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest. Eine solche war aufgrund des wechselseitigen – und streitigen – Parteivortrags durchzuführen:

Heizkostenabrechnung - Beweiserhebung über bestrittene Verbrauchswerte
Symbolfoto: Von elena-t /Shutterstock.com

Von einer Beweiserhebung konnte weder in Anwendung der Grundsätze des prima-facie-Beweises noch im Rahmen von § 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO abgesehen werden. Zu Lasten der Klägerin vermochten die Grundsätze des prima-facie-Beweises ohne gerichtliche Beweiserhebung nicht zu wirken, da der beweispflichtigen Partei dadurch nicht die Möglichkeit genommen werden darf, den vom Gericht gewonnenen Anschein durch Führung des Gegenbeweises zu erschüttern (Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, Vor § 284 Rz. 29 m.w.N.). Diese Beweisführung indes hat das Amtsgericht der Klägerin ohne verfahrens- oder materiell-rechtliche Rechtfertigung verwehrt, obwohl die Klägerin dargetan und unter Beweis gestellt hatte, dass die der Abrechnung zu Grunde gelegten Verbrauchsdaten zutreffend erfasst wurden. Aber auch im Rahmen einer richterlichen Schätzung konnte trotz des von der Beklagten dargetane erheblichen Mehrverbrauchs nicht ohne Beweiserhebung davon ausgegangen werden, dass die streitgegenständliche Abrechnung materiell unzutreffend ist und keine Nachforderung rechtfertigt. Denn eine richterliche Schätzung ist dann unzulässig, wenn sie mangels greifbarer Anhaltspunkte in der Luft hängt (Greger, a.a.O., § 287 Rz. 4 m.w.N.). So aber liegt der Fall hier, in dem das Amtsgericht von der materiell-rechtlichen Unrichtigkeit der Abrechnung und daraus folgend davon ausgegangen ist, dass überhaupt keine Heiz- und Warmwasserkosten auf die Beklagte umgelegt werden können. Dieses – im Wege der Schätzung gewonnene – Beweisergebnis entbehrt einer hinreichenden tatsächlichen Anknüpfung, da im Abrechnungszeitraum unstreitig Heiz- und Warmwasser verbraucht wurde, so dass zumindest dem Grunde nach eine – lediglich der Höhe nach streitige – Umlage der entstandenen Kosten auf die Beklagte zu erfolgen hatte.

Die im zweiten Rechtszug nachgeholte Beweiserhebung rechtfertigt den Schluss auf die materielle Richtigkeit der streitgegenständlichen Abrechnung. Zwar hat der gerichtliche bestellte Sachverständige keine verwertbaren Feststellungen treffen können. Grund dafür war indes allein das Verhalten der Beklagten, die die Beweiserhebung mehrfach und dauerhaft dadurch vereitelt hat, dass dem gerichtlich bestellten Sachverständigen an sämtlichen von diesem angesetzten Terminen kein Zutritt zur Wohnung verschafft wurde. Verweigert eine Partei dem Gegner oder dem Sachverständigen aber den Zutritt, so dass die Beweisaufnahme nicht stattfinden kann, ist ein solches Verhalten im Lichte von § 371 Abs. 3 ZPO grundsätzlich als Beweisvereitelung zu werten (LG Berlin, Urt. v. 3. August 2012 – 63 S 359/10, WuM 2014, 104; Greger, in: Zöller, a.a.O., § 371 Rz. 5; Stadler, in: Musielak, 11. Aufl. 2014, § 357 Rz. 3). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, da weder vorgetragen noch aus den eingereichten Attesten ersichtlich ist, dass und warum der gesundheitliche Zustand der Beklagten einer Beweiserhebung in ihrer Wohnung zwingend entgegen gestanden haben soll. Dies gilt erst Recht vor dem Hintergrund der anwaltlichen Vertretung der Beklagten. Denn diese hätte es erlaubt, die Beweiserhebung auch in ihrer Abwesenheit bei gleichzeitiger Anwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten durchzuführen.

Keine der Beklagten günstigere Beurteilung rechtfertigt das Thema des Beweisbeschlusses, das sich vorrangig zu den streitgegenständlichen – und außerhalb der Wohnung der Beklagten gelagerten – Messgeräten verhält. Denn das Beweisthema betraf auch die Frage, ob die Messgeräte die abgelesenen Werte zutreffend erfasst haben. Deren Klärung erforderte auch die Besichtigung der in der Wohnung befindlichen Heizkörper, die wiederum als notwendige und von der Fachkompetenz des Sachverständigen umfasste Vorbereitungsmaßnahme auch ohne besondere Ermächtigung vom erteilten Gutachtenauftrag gedeckt war (vgl. Greger, a.a.O., § 404 a Rz. 4 m.w.N.). Davon abgesehen hat die Kammer dem Sachverständigen im Nachgang zur Verkündung des Beweisbeschlusses gemäß § 404 a Abs. 4 ZPO mehrfach ausdrücklich eine die Besichtigung der Wohnung umfassende Aufklärungsbefugnis erteilt (vgl. auch dazu Greger, a.a.O.).

Im Falle der Beweisvereitelung ist das Gericht befugt und gehalten, seiner Entscheidung zu Gunsten des Beweisführers Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr zu Grunde zu legen und das dem Beweisführer bestmögliche Ergebnis des vereitelten Beweismittels anzunehmen (BGH, Urt. v. 23. Oktober 2008 – VII ZR 64/07, NJW 2009, 360 Tz. 23; LG Berlin, a.a.O.). Davon ausgehend sieht die Kammer die zum Gegenstand der Beweiserhebung erhobene Beweisbehauptung des Klägerin als erwiesen an. Keine andere Beurteilung folgt daraus, dass die sachverständige Begutachtung der Messgeräte noch nicht abgeschlossen ist. Denn selbst wenn diese ergeben hätte, dass die Messgeräte den Verbrauch nicht ordnungsgemäß erfasst haben, hätte die vom Sachverständigen beabsichtigte Begutachtung der Mietsache Aufschluss über den im Abrechnungszeitraum tatsächlich erfolgten Verbrauch erbringen können. Eine solche Beweisführung indes hat die Beklagte der Klägerin vereitelt. Dies rechtfertigt das von der Kammer angenommene Beweisergebnis. Vor diesem Hintergrund bedurfte es keiner abschließenden Entscheidung, ob die Kammer nicht bereits unter Zugrundelegung des für Beweiswürdigung ebenfalls heranzuziehenden weiteren Prozessverhaltens der Beklagten trotz deren fehlender Postulationsfähigkeit von dem der Klägerin günstigen Beweisergebnis auszugehen hatte, nachdem die Beklagte mit – nicht anwaltlichem – Schriftsatz vom 28. Mai 2014 das ordnungsgemäße Funktionieren der Heizkostenverteiler unstreitig gestellt hat (vgl. Greger, a.a.O, § 286 Rz. 14 m.w.N.).

Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 280, 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 96, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 713 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, bestanden gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht.

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