AG Hamburg-Altona, Az.: 303c C 18/17, Urteil vom 10.04.2018
Die Beschlüsse der Eigentümerversammlung der Wohnungseigentümergemeinschaft A, 22765 Hamburg, vom 13.07.2017 zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7 werden für ungültig erklärt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten 2/3 und der Kläger 1/3 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Jede der Parteien darf die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenpartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf € 6.130,40 festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen drei Beschlüsse einer Wohnungseigentümerversammlung.
Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft………….
In einer Eigentümerversammlung vom 13.7.17, zu der mit Schreiben vom 14.06.2017 (Anlage K2, Bl. 8f d.A.) geladen wurde, fassten die Eigentümer unter TOP 6 den Beschluss, die Jahresabrechnung (Gesamt- und Einzelabrechnungen 2016) zu genehmigen, unter TOP 7 den Beschluss, den Verwalter für 2016 zu entlasten und unter TOP 12 „Verschiedenes“ den Beschluss, sämtliche Punkte eines Beschlussantrags des Klägers abzulehnen.
Die Einladung an den Kläger wurde an die Adresse A versandt. Ihr war eine Einzelabrechnung für 2015 beigefügt, die dieselben Fehler enthielt wie eine vom Kläger mit Erfolg angegriffene Abrechnung. Nachdem er dies beanstandete, wurde ihm eine korrigierte Einzelabrechnung für 2015 zugesandt.
Mit Anwaltsschreiben vom 29.06.2017 (Anlage K8, Bl. 32ff d.A.) bat der Kläger die Verwaltung, einen weiteren Tagesordnungspunkt in die Tagesordnung zur nächsten Eigentümerversammlung aufzunehmen, der auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Beschädigungen gerichtet war und alternativ einen Tagesordnungspunkt, wonach die Eigentümergemeinschaft Arbeiten an einem Fußboden und einem Kachelofen ausführen lässt. Mit E-Mail vom 03.07.2017 (Anlage K9, Bl. 35 d.A.) teilte die Verwaltung den beklagten Eigentümern die Einbringung dieser Punkte zur Eigentümerversammlung mit. Mit E-Mail vom 06.07.2017 (Anlage B1, Bl. 131 d.A.) informierte die Verwaltung die den Kläger vertretenden Rechtsanwälte darüber, dass die Versammlung am 13.07.2017 um 18,00 Uhr im Café R stattfinde.
Der Kläger besuchte die Versammlung nicht.
Die Wohngeldeinzelabrechnung 2016 für den Kläger (Anlage K5, Bl. 15f d.A.) wird hinsichtlich der Position „Heizung, Wartung, Rauchmelder“ in Höhe von € 626,08 angegriffen, weil die Werte ausweislich der Energieabrechnung der Fa. K vom 21.04.2017 (Anlage K6, Bl. 17ff d.A.) auf einer Schätzung beruht.
Mit E-Mail vom 12.04.2017 (Anlage K17, Bl. 159 d.A.) wurde der Kläger seitens der Verwaltung aufgefordert, sich mit der Fa. K in Verbindung zu setzen, um eine Schätzung zu vermeiden.
Mit Anwaltsschreiben vom 09.08.2017 (Anlage K3, Bl. 10f d.A.) wurde die Verwaltung seitens des Klägers aufgefordert, mitzuteilen, welche von zwei verschiedenen Abrechnungen Gegenstand der Beschlussfassung unter TOP 15 war und das Protokoll der Eigentümerversammlung sowie einen Auszug aus dem Beschlussbuch in Kopie bis zum 10.08.2017 vorzulegen.
Mit Fax vom 17.08.2017 (Anlage K10, Bl. 36ff d.A.) übersandte die Verwaltung das noch nicht unterschriebene Protokoll an die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers.
Der Kläger behauptet, die Verwaltung habe gewusst, dass er nicht mehr in der Arnoldstraße 40 wohne. Sie habe sogar mit E-Mail vom 20.09.2016 (Anlage K15, Bl. 157 d.A.) – deren In halt unstreitig ist – angefragt, ob die Wohnung zum Verkauf stehe, weil er wohl ausgezogen sei. Mit Anwaltsschreiben vom 24.09.2015 (Anlage K16, Bl. 158 d.A.) sei die Verwaltung bereits über den Auszug informiert worden. Er habe der Verwaltung mitgeteilt, dass er in die S-straße umgezogen sei.
Er habe die Ablesewerte gemäß Ablesebeleg (Anlage K7, Bl. 19 d.A.) sowohl der Hausverwaltung als auch der Fa. K mitgeteilt. Es sei nicht beanstandet worden, dass er die Werte selbst abgelesen hat, weil die Wohnung unbewohnbar gewesen sei. Sie sei unbewohnbar gewesen wegen einer Absenkung des Fußbodens und schwerer Risse an einem Kachelofen. Da er die Heizkörper abgestellt habe, sei kein Verbrauch mehr erfolgt.
Der Benachrichtigungszettel über die Ablesung sei ihm, dem Kläger, unter der Anschrift A zugestellt worden; er habe von der Ablesung keine Kenntnis gehabt. Als er Kenntnis von der Abrechnung erhalten habe, habe er am 27.04.17 abgelesen und die Werte der Verwalterfirma und der Fa. K mit E-Mail vom 27.04.2017 (Anlage K12, Bl. 51 d.A.) mitgeteilt. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er eine Selbstablesung vornehmen könne.
Nur im Wohnzimmer sei ein Verbrauch von 00100 festgestellt worden; im Übrigen nicht.
Die Verwalterentlastung sei zu versagen, weil die Abrechnung teilweise für ungültig zu erklären sei.
Er sei nicht davon ausgegangen, dass die Verwaltung die von ihm eingebrachten Punkte zur Diskussion stellen wollte, weil keine weitere Benachrichtigung erfolgt sei.
Da sie dann unter „Verschiedenes“ zur Sprache gebracht worden seien, liege ein formeller Fehler vor, der ihm ein Recht zur Anfechtung gebe.
Der Kläger beantragt, die auf der Eigentümerversammlung am 13.07.2017 unter TOP 06 (hinsichtlich der Position Heizung, Wartung, Rauchmelder), TOP 07 und TOP 12 (letzteren hinsichtlich des Beschlusses: „ME Herr S-D stellt den Beschlussantrag, sämtliche Punkte (1, 2,3, 4, 5 und 6) des Beschlussantrages von Herrn R abzulehnen, zumal bereits ein Gutachten von einem von der Handwerkskammer Hamburg bestellten Gutachter vorliegt. Der Beschlussantrag wird einstimmig beschlossen und genehmigt“) gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, der Verwaltung sei ein Auszug des Klägers nicht bekannt. Dieser unterhalte weiterhin einen Briefkasten an der A, den er auch regelmäßig leere.
Die Einladung müsse der Kläger vor dem 29.06.17 erhalten haben, weil er mit Anwaltsschreiben von diesem Tage einen anderen Versammlungsort gewünscht habe.
Eine Eigenablesung sei unzulässig und könne nicht Grundlage für eine Heizkostenabrechnung sein.
Hinsichtlich der Ablehnung der Anträge des Klägers sei darauf hinzuweisen, dass dessen Wunsch auf Ergänzung der Tagesordnung zurückzuweisen gewesen wäre.
Ergänzend wird für das Vorbringen der Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Ungültigerklärung der angegriffenen Beschlüsse zu TOP 06 und TOP 07 gemäß §§ 21 Abs. 3, 23 Abs. 4 Satz 2, 43 Nr. 4 WEG zu, weil diese nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen (I.). Die Klage ist hingegen unbegründet, soweit er sich gegen den Beschluss zu TOP 12 wendet, seine Beschlussanträge zu 1 bis 6 abzulehnen (II.).
I.
Der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung entspricht hinsichtlich der Position „Heizung, Wartung, Rauchmelder“ nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die Abrechnung fehlerhaft ist. Da es Zweck der Heizkostenabrechnung ist, die Kosten der Versorgung mit Wärme und Warmwasser auf der Grundlage der Verbrauchserfassung aufzuteilen (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO), sind die tatsächlich an den Verbrauchserfassungsgeräten abgelesenen Ergebnisse in die Abrechnung einzustellen. Daran fehlt es hier jedenfalls hinsichtlich der Wohnung des Klägers, so dass die Abrechnung unwirksam ist.
Unstreitig ist der Verbrauch des Klägers geschätzt worden. Ein Grund für eine solche Schätzung lag jedoch nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger am 27.04.2017 eine Selbstablesung vorgenommen und das Ergebnis an die Fa. K übermittelt hatte (was die Beklagten bestreiten). Denn eine Schätzung ist nur zulässig, wenn der anteilige Wärme- oder Warmwasserverbrauch von Nutzern für einen Abrechnungszeitraum wegen Geräteausfalls oder aus anderen zwingenden Gründen nicht ordnungsgemäß erfasst werden kann (§ 9a Abs. 1 Satz 1 HeizkostenVO). Diese Voraussetzungen sind zweifelsfrei nicht erfüllt gewesen.
Nachdem die Fa. K zunächst keinen Zugang zur Wohnung des Klägers erhalten hatte, ist der Kläger seitens der Verwaltung mit E-Mail vom 12.04.2017 (Anlage K17, Bl. 159 d.A.) aufgefordert worden, sich selbst mit dem Dienstleister in Verbindung zu setzen. Das ist, wie der E-Mail-Schriftwechsel vom 26./27.4.2017 (Anlage K12, Bl. 51 d.A.) zeigt, auch geschehen. Dass in der Zwischenzeit 14 Tage vergangen waren, ist nichts Ungewöhnliches, zumal die Verwaltung dem Kläger keine Frist gesetzt oder ihm mitgeteilt hatte, wann die Ablesung spätestens zu erfolgen hatte, um noch Berücksichtigung zu finden. Was binnen 14 Tagen geschieht, ist nach allgemeiner Auffassung im Rechtssinne noch „demnächst“ (vgl. etwa BGH, Urteil vom 03. September 2015 – III ZR 66/14 –, juris Rn 15).
Der Kläger war auch berechtigt, eine Selbstablesung vorzunehmen. Das ergibt sich zweifelsfrei aus der E-Mail vom 26.04.2017, mit der die Fa. K – die als Vertreterin der Verwaltung hierzu berechtigt war – dem Kläger die Vornahme der Selbstablesung angeboten hat.
Bei dieser Sachlage hätte eine Schätzung ohne Weiteres vermieden werden können, wenn die Abrechnung nicht am 21.04.2017, sondern wenig mehr als eine Woche später erstellt worden wäre. Damit erweist sich der Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung als ungültig, soweit es die Position betrifft, in der u.a. die Heizkosten abgerechnet wurden. Betroffen sind davon Einzel- und Gesamtabrechnung. Auf die weiteren geltend gemachten Ungültigkeitsgründe kommt es nicht an.
Da aus den vorgenannten Gründen noch keine wirksame Jahresabrechnung für 2016 vorliegt, ist auch der Beschluss über die Entlastung der Verwalterin ungültig (vgl. BGH, Urt. v. 9.7.2010, V ZR 202/09, juris Rn 17).
II.
Unbegründet ist die Klage, soweit der Kläger sich gegen den Beschluss zu TOP 12 wendet. Denn insoweit ist die Beschlussanfechtungsklage erstmals mit Schriftsatz vom 05.09.2017 erhoben worden. Die Anfechtungsfrist gemäß § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG lief jedoch am 14. August 2017 ab.
Eine Wiedereinsetzung entsprechend §§ 233 bis 238 ZPO kommt nicht in Betracht. Betrachtet man die Unkenntnis von der Beschlussfassung über den Antrag des Klägers als Hinderungsgrund für die Erhebung einer Beschlussanfechtungsklage, so war dieses jedenfalls am 18.08.2017 behoben. Denn nach eigenem Vortrag des Klägers (Schriftsatz vom 09.01.2018, Bl. 165 d.A.) ging seinen Prozessbevollmächtigten am 18.08.2017 das Protokoll der Eigentümerversammlung zu.
Dass dieses im Rechtssinne erst einen Entwurf darstellte und die unterzeichnete Fassung zu einem späteren Zeitpunkt vorlag, ist unerheblich. Nach § 234 Abs. 2 ZPO beginnt die zweiwöchige Wiedereinsetzungsfrist an dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist. Das ist nicht erst dann der Fall, wenn der Eigentümer sichere Kenntnis davon hat, dass ein bestimmter Beschluss gefasst worden ist, sondern schon dann, wenn er damit rechnen muss (vgl. zur parallelen Problematik bei gerichtlichen Entscheidungen BGH, Beschluss vom 27. Januar 1994 – VII ZB 26/93 –, juris Rn 8). Im vorliegenden Fall gab es umgekehrt keinen Grund, anzunehmen, der Entwurf des Protokolls gebe die Beschlussfassung nicht zutreffend wieder. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hatten somit bereits am 18.08.2017 die erforderliche Kenntnis. Daraus folgt, dass die Wiedereinsetzungsfrist am 01.09.2017 ablief.
Gründe für eine Nichtigkeit des Beschlusses, die unabhängig von der Einhaltung der Klagefrist eintreten würde, sind nicht ersichtlich. Gegenstand der Beschlussfassung war eine gewöhnliche Verwaltungsmaßnahme. Da die Anträge des Klägers abgelehnt worden sind, ist es auch unerheblich, ob sein Wunsch auf Ergänzung der Tagesordnung zurückzuweisen gewesen wäre. Denn er ist nicht gehindert, seinen Antrag erneut zu stellen.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
III.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49a GKG. Dabei hat das Gericht für den Antrag zu TOP 6 € 3.130,40 zugrunde gelegt (§ 49a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 GKG, vgl. BGH, B. v. 17.3.2016, V ZB 166/13), für den Antrag zu TOP 7 € 1.000,- (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2016 – V ZB 166/13 –, juris Rn 10) und für den Antrag zu TOP 12 € 2.000,-, weil das Gericht die Sachverständigenkosten auf € 4.000,- schätzt.