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Herausgabevollstreckung – Verbrauch des Mieträumungstitels im Fall der Berliner Räumung

AG Erfurt – Az.: M 580/19 – Beschluss vom 15.03.2019

1. Die Erinnerung des Gläubigers vom31.01.2019 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens hat der Gläubiger zu tragen.

Gründe

Die gem. § 766 ZPO zulässige Erinnerung ist unbegründet.

Der Gläubiger kann aus dem Versäumnisurteil des AG Erfurt vom 15.09.2017 (Gz. 2 C 1054/17) die Räumung der Schuldnerin nicht (mehr) betreiben, da der Titel verbraucht ist und ein verbrauchter Titel nicht erneut Grundlage einer Vollstreckung sein kann (vgl. z.B. LG Tübingen, Beschluss vom 27. März 2014 – 5 T 71/14 –, Rn. 4, juris).

Der streitgegenständliche Räumungstitel war Grundlage eines Räumungsauftrags vom 14.11.2017 (GV, … DR II 1780/17). Beauftragt war dort eine sog. Berliner Räumung (= Auftrag zur bloßen Besitzverschaffung bei gleichzeitiger Geltendmachung des Vermieterpfandrechts durch den Gläubiger; vgl. § 885a ZPO) . Räumungstermin war auf den 24.01.2018, 13:00 Uhr bestimmt worden. Aus dem anlässlich des Termins gefertigten Räumungsprotokoll ergibt sich, dass die Schuldnerin außer Besitz gesetzt und der Gläubiger durch Aushändigung der Schlüssel eingewiesen worden ist. Dies hat zum Verbrauch des Titels geführt.

Eine Räumungsvollstreckung ist beendet, wenn der Gläubiger durch Übergabe der Schlüssel in den Besitz der Räume eingewiesen worden ist (Zöller, 32. Aufl. § 885 ZPO, Rn.15; BGH, MDR 2017, 788, 789 mwN). Ein Räumungstitel ist daher mit der Inbesitzsetzung des Vermieters verbraucht (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 15. Oktober 2013 – 3 U 80/13 –, juris; Horst, Kurzreferat MietRÄ ÄndG 2013 – Die vereinfachte Räumung von Wohnraum, DWW 2013, 122-133). Der Vermieter könnte im Falle der Räumung gem § 885a ZPO aufgrund des Titels nicht einmal nachträglich durch den Gerichtsvollzieher die zurückgebliebenen Gegenstände entfernen lassen (vgl. Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 562 BGB, Rn. 69).

Die Entscheidungen BGH, MDR 2017, 788 und OLG Rostock, Beschluss vom 15. Oktober 2013, 3 U 80/13 sind – entgegen der Ansicht des Gläubigers – auch für den vorliegenden Fall von Bedeutung. Zwar ging es in beiden vorzitierten Entscheidungen um die Frage der Zulässigkeit einer Erinnerung bzw. eines Vollstreckungsschutzantrages des Schuldners gegen die Räumung. Für die Frage der Beendigung einer Räumung sind die darin enthaltenen Ausführungen zur Frage, wann eine Räumungsauftrag beendet ist, jedoch gleichermaßen von Bedeutung. Für die streitgegenständliche Erinnerung ist auch nicht entscheidungsrelevant, ob der Titel rechtskräftig ist (dies ist unstreitig), sondern ob er verbraucht ist, d.h. ob er erneut Grundlage einer Räumungsvollstreckung sein kann oder nicht.

Fraglich ist deshalb, ob eine die Vollstreckung beendende Zwangsvollstreckungsmaßnahme durch nachträgliche Parteivereinbarung (die Vereinbarung, auf die sich der Gläubiger vorliegend beruft, ist nämlich erst am 21.04.2018 und damit zu einem Zeitpunkt, als der Titel bereits verbraucht war, getroffen worden) einvernehmlich rückgängig gemacht werden und damit zum Wiederaufleben eines verbrauchten Titels führen kann. Dies ist nach hier vertretener Auffassung zu verneinen.

Zwar dient die Zwangsvollstreckung dem Gläubigerinteressen weshalb der Gläubiger mit seinem Auftrag Beginn, Art und Ausmaß des Vollstreckungszugriffs bestimmt, die Herrschaft über seinen vollstreckbaren Anspruch hat (kann ihn stunden, darauf verzichten usw) und somit auch „Herr“ seines Verfahrens bleibt (vgl. Zöller, 32.Aufl. vor § 704 ZPO, Rn 19). Da das Zwangsvollstreckungsrecht als formalisiertes Verfahrensrecht zwingendes Recht ist, Voraussetzungen und Grenzen des staatlichen Vollstreckungshandelns daher der Disposition der Parteien grundsätzlich entzogen sind, sind Parteivereinbarungen im Zwangsvollstreckungsverfahren nur in beschränktem Umfang zulässig (vgl. Zöller a.a.O, Rn 24f). Daraus folgt, dass ein Gläubiger über seinen Vollstreckungsauftrag disponieren, also beispielsweise von der Räumung Abstand nehmen kann, oder aber auch mit dem Schuldner vereinbaren kann, von einem Räumungstitel keinen oder nur unter bestimmten Umständen Gebrauch zu machen, solange der Auftrag nicht beendet und der Titel noch nicht verbraucht ist. Hat der Gläubiger von dem Titel Gebrauch gemacht und ist er zudem verbraucht, sind etwaige Vereinbarungen, die das Vollstreckungsverfahren betreffen unbeachtlich, da aus einem verbrauchten Titel nicht mehr vollstreckt werden kann. Im Übrigen können Vereinbarungen über den zu vollstreckenden Anspruch wegen ihres materiell-rechtlichen Charakter ohnehin nicht im Erinnerungsverfahren verfolgt werden.

Die Erinnerung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 97 I ZPO.

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